Hartz IV: Nieder auf die Knie!
Von Karl Weiss
Eine neue Schikane, um die sowieso schon gebeutelten Empfänger von Arbeitslosengeld 2 noch weiter auf die Knie zu zwingen, hat die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Bochum erfunden: Man kürzt die Zuschüsse zu den Heizkosten willkürlich mit dem Hinweis, nur zwei Drittel der Wohnung bräuchten beheizt werden. Dadurch müssen die Betroffenen von ihrem Regelsatz von 347 Euro monatlich auch noch einen Teil der Heizkosten bestreiten.
Auch dies macht deutlich: Es geht bei Hartz IV tatsächlich darum, eine möglichst hohe Zahl von Arbeitslosen in Obdachlosigkeit (wenn man die Miete nicht mehr zahlen kann oder mit Nebenkosten in Rückstand gerät) und in Hunger zu zwingen (wenn die „Tafel“ längst überfüllt ist). Dadurch sollen jene, die noch Arbeit haben, in Angst und Schrecken versetzt werden, um jegliche Verschlechterung hinzunehmen
Den Hartz-IV-Geschädigten sollten eigentlich die Heizkosten einer „angemessenen Wohnung“ in der tatsächlich angefallenen Höhe ersetzt werden. In der Praxis werden aber immer wieder Vorwände gefunden, dies nicht zu tun. So wurden schon mehrfach „Anhaltswerte“ angegeben, wieviel pro Quadratmeter eine Heizkostenrechnung betragen dürfe. Bei Überschreitung werden solche Erstattungen gekürzt. Die neueste Superleistung auf diesem Gebiet hat nun die ARGE Bochum geboten: Man pauschaliert anhand von „ Erfahrungswerten“ der Quadratmeterzahl der Wohnung die Höchst-Heizkosten und kürzt die Ersatzleistungen auf die entsprechenden Beträge.
Wer also das Pech hat, nur eine Mietwohnung in einem schlecht isolierten Gebäude und /oder mit schlecht schließenden Fenstern gefunden zu haben, muss einen Teil seiner Regelleistung von 347 Euro auch noch für die Heizkosten ausgeben. Dabei ist dieser Betrag, wie Wissenschaftler nachgewiesen haben, sowieso schon nicht ausreichend, um sich z.B. ausgewogen zu ernähren
Und woher soll ein Hartz-IV-Geschlagener Geld nehmen, um isolieren zu lassen oder für neue Fenster? Hätte er noch Ersparnmisse, wäre sowieso nichts gezahlt worden. Er hätte sie erst aufbrauchen müssen. Einmal mehr wird die ganze Absurdität der Hartz-IV-Gesetze deutlich. Es ist nicht weit her geholt, wenn manche deren Erfinder, die Politiker von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen, als Hartz-Verbrecher bezeichnen.
Reklamationen wehrt die ARGE Bochum mit dem Hinweis ab, man solle sich eben mit dem Heizen von nur Zwei Dritteln der Wohnung begnügen. Auch bei Gemeinschaftheizungen, bei denen der einzelne Mieter sowieso kaum Einfluss hat, werden Höchstbeträge festgesetzt, die kaum je ausreichen.
Zwar kann man Einspruch gegen diese Zumutung erheben, aber der wird in allen Fällen pauschal zurückgewiesen. Dann bleibt nur der Weg zu den Gerichten. Dabei wird einem zwar geholfen (bei der Montagsdemo in Bochum, anderen Montagsdemos oder auch hier, ausserdem wurden bei den zuständigen Gerichten der ersten Inztanz diese Praktiken auch regelmässig zurückgewiesen, aber die ARGE Bochum geht immer in die nächste Instanz, was bekanntermassen lange dauert. Die Kosten dieser Gerichtsverfahren für den Steuerzahler sind weit höher als die eventuell im Einzelfall eingesparten Beträge.
Kein Wunder, dass heute Hartz IV weit mehr kostet als damals das Arbeitslosenhilfe. Da Hartz angeblich Kosten sparen sollte, müsste es also jetzt wegen völliger Erfolglosigkeit abgeschafft werden, aber es ist genauso wie mit dem Irak-Krieg: Wenn die ursprünglich angegeben Gründe nicht mehr zutreffen, erfinden wir eben neue. Auf keinen Fall ändern wir aber die Politik. Ein paar Milliarden zusätzlich gibt der nette Politiker von nebenan dafür schon mal aus. Siehe zur Frage der Kosten auch den Artikel: „Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute“.
Laut dem Hartz-IV-Gesetz bleiben Bescheide der Leistungsbehörde immer bestehen, bis ein rechtsgültiges Urteil vorliegt. Selbst dann zahlen manche Agenturen bzw. ARGEn nicht. In einem Fall in Bonn wurde erst bezahlt, als der Gerichtsvollzieher bereits auf dem Weg war, den BMW der Bürgermeisterin zu pfänden.
Es bestünde natürlich auch die Möglichkeit, Gelder wegen besonderer Bedürftigkeit auszuzahlen, wenn jemand von Obdachlosigkeit bedroht ist oder von Hunger, aber bekanntermassen tun dies die Leistungsbehörden kaum einmal. Die Handhabungen sind fast immer die meist restriktiv möglichen, gehen manchmal sogar ins kriminelle. Zu kriminellen Praktiken der Leistungsbehörden siehe auch diesen Artikel: „Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden“.
Erneut wird klar: Die damaligen Vorhersagen über die katastrophalen Auswirkungen von Hartz IV für Millionen von Menschen haben sich bewahrheitet, während die Beschwichtigungen von Politikern und Medien nichts als leeres Geschwätz waren.
Veröffentlicht am 30. Juni 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung
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