Sonntag, 22. Juni 2008

Wie der Amazonas zu seinem Namen kam

Brasilien jenseits von Fußball und Samba

Teil 1: Wie der Amazonas zu seinem Namen kam

Von Elmar Getto

Brasilien (topographisch)

Brasilien, das bleibt für viele neben dem Fußball die Vorstellung von leicht bekleideten dunkelhäutigen Schönheiten. Eine Befragung von Fremdenführern in Rio de Janeiro ergab die Einschätzung, daß etwa 80% der Touristen aus Europa und den USA, die nicht in Geschäften in Brasilien sind, Männer mit klaren sexuellen Absichten sind.



Das Bild der halbnackten dunkelhäutigen Schönen aus Rios Karneval ist fast zum Symbol des Landes geworden, eine schwere Hypothek, die speziell Brasiliens Frauen zu tragen haben.

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

Aber Brasilien ist viel mehr als Fußball, braune Haut und Samba.

- Es ist das Fünfte in der Liste der bevölkerungsreichsten Länder der Erde und ebenso das fünftgrösste in Ausdehnung.

- Es ist das Entwicklungsland mit dem höchsten Brutto-Sozialprodukt (China und Indien können heute nicht mehr als Entwicklungsland betrachtet werden. Heute werden die vier Länder Brasilien, Russland, Indien und China als BRIC-Länder bezeichnet und gelten als Schwellenländer, als Länder an der Schwelle zu einem entwickelten Land.

- Es ist Nr. 11 in der Liste der Industriestaaten weltweit (GNP=Gross National Product), noch vor Spanien. In der Zählung nach Kaufkraft - ohne Verwendung der Wechselkurse, die von verschiedensten Faktoren abhängen - ist Brasilien auf dem 9. oder 10. Platz, etwa gleichauf mit Russland.

- Es besitzt bei weitem die größten Süßwasservorkommen aller Länder.

- Es ist das Land mit der größten Rassenmischung. Mehr als ein Drittel der Brasilianer haben Vorfahren aus mehr als einer der drei grossen Gruppen von Rassen. Das, soweit man die Existenz von Rassen als gegeben betrachtet, was nach heutigen Kenntnisen der menschlichen DNA aber nicht der Fall ist.

- Es besitzt die extremste Ungleichverteilung des Einkommens zwischen Arm und Reich außerhalb Afrikas.

- Es hat eine Anzahl der beeindruckendsten landschaftlichen Schönheiten der Erde, wie das Amazonasbecken, der Küstenregenwald Mata Atlântica, Rio de Janeiro, der Pantanal und die Iguaçu-Wasserfälle.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

- Es dürfte inzwischen eines der Länder mit der größten Zahl an Gewaltverbrechen sein.

- Es hat nach einer Umfrage unter Touristen die freundlichste Bevölkerung.


Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Hier beginnen wir die Serie über Brasilien mit einem Blick zurück in die Anfänge des Landes mit diesem Namen. Brasilien wurde - es geht die Sage, durch Zufall - von der Schiffsexpedition unter Pedro Alvares Cabral, einem portugiesischen Seefahrer und Eroberer, im Jahre 1500 entdeckt ("entdeckt" aus der Sicht Europas, in Wirklichkeit erobert), als er vom König Dom Manuel I. ausgeschickt worden war, den Weg Vasco da Gamas zu folgen, der ein Jahr vorher den Seeweg nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung (die Südspitze Afrikas) entdeckt hatte.

Vasco hatte Cabral den Rat gegeben, die windarme Zone vor der Westküste des südlichen Afrika in weitem Bogen zu umfahren. Cabral hätte den Bogen etwas zu groß geschlagen, so geht die Sage, so daß er plötzlich Südamerika in der Form eines Berges zu sehen bekam und dann darauf zu hielt, um diese „Insel“ in portugiesischen Besitz zu nehmen, „wenn man schon mal da war“.

Viel wahrscheinlicher ist allerdings, daß der portugiesische König Anweisung gegeben hatte, in diesem Land auf dem Weg nach Indien ‚vorbeizuschauen’, denn zu diesem Zeitpunkt hatte Kolumbus bereits drei seiner vier Reisen in die „Neue Welt“ absolviert und dabei auch einmal südamerikanischen Boden betreten (3. Reise, 1498, auf der Höhe des heutigen Venezuela). Man wußte also, daß da weiter im Süden ebenfalls Land anzutreffen war. Ebenso hatte man bereits im Jahre 1494 im Vertrag von Tortillas mit den Spaniern die „Neue Welt“ in zwei Teile aufgeteilt (zu diesem Zeitpunkt noch ohne Gewissheit, ob es sich um die östlichen Teile Asiens handelt, wie Columbus meinte, oder ob man einen neuen Kontinent entdeckt hatte) und eine imaginäre Nord-Süd-Linie 370 Meilen westlich der Kapverdischen Inseln als Teilung festgelegt (alles östlich ging an Portugal, alles westlich an Spanien).

Die grossen Entdeckungs- und Eroberungsfahrten der Seefahrer (Kolumbus, Vasco da Gama, Magellan und andere) in der Renaissance (die Renaissance ist ja geradezu durch sie definiert) wurden nicht aus Entdeckungsdrang, sondern aus ganz kühlen wirtschaftlichen Gründen in Angriff genommen. Im Jahre 1453 hatten die Türken Konstantinopel erobert, das seitdem Istambul heißt und damit den Europäern den Landweg nach Indien abgeschnitten, das heißt zu den Kräutern und Gewürzen sowie den Textilfarbstoffen, die die Araber dort verkauften (eigentlich stammten diese Waren von den ‚Mollukken’, d.h. aus den Philippinen). Die wichtigsten Seemächte jener Zeit, Spanien und Portugal, sahen sich also herausgefordert, den Seeweg nach Indien zu finden und damit zu Weltmächten aufzusteigen.

Der Handel mit den Gewürzen, Kräutern und Farbstoffen aus Indien war zu jenem Zeitpunkt die größte Quelle des Reichtums in Europa, denn diese wurden fast in Gold aufgewogen (Pfeffer als das damals wertvollste Gewürz wurde sogar buchstäblich in Gold aufgewogen, Zimt stand dem nicht viel nach). Da sage noch jemand, aller Fortschritt der Menschheit käme nur aus dem Krieg – dieser kam aus dem Magen (Gewürze) und der Eitelkeit (Textilfarbstoffe)!

Kopernikus hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die tatsächlichen Verhältnisse festgestellt: Die Erde ist keine Scheibe, sondern eine Kugel und kreist um die Sonne. Gutenberg hatte die Buchdruckerei erfunden (1455) und damit konnte alle Welt von den Neuigkeiten erfahren. Portugiesische Schiffsbauer hatten die hochseegängigen ‚Naus’ entwickelt, die zwar langsam und keineswegs riesig waren, aber wenig Tiefgang hatten und damit ideal für unbekannte Gewässer waren. Die Spanier setzten auf die ‚Caravellen’, die größten und schnellsten Schiffe der Zeit, wenn auch immer bedroht von Felsen und Korallenriffen unter Wasser wegen ihres hohen Tiefgangs.

Damit waren die Voraussetzungen der Renaissance, der Neuzeit, gegeben.

Die Neuzeit unserer Geschichte begann, wie man weiß, mit einem Irrtum: Die Entdeckung Amerikas 1492 wurde von Kolumbus bis zu seinen Tod (1506) als der Seeweg nach Indien gepriesen, den aber in Wirklichkeit Vasco da Gama 1499 entdeckte, indem er Afrika umrundete.

Wer damals große Vermögen machte mit diesem Handel der Güter aus Indien, waren die italienischen Stadtstaaten und die Fugger in Augsburg. Diese waren damit auch am Seeweg nach Indien interessiert. Die einzige Ausnahme war Venedig, das einen Exklusivvertrag mit den Türken hatte und als einzige weiterhin Zugang zu den „Spezereien des Orients“ hatte. Sein Monopol war aus offensichtlichen Gründen den anderen italienischen Stadtstaaten und den Fuggers ein Dorn im Auge.

Die Fugger sandten einen Spion, dem es gelang, einen der Kapitäne von Kolumbus auszufragen. Die Herrscher in Florenz, die Medici, gründeten eigens eine Bank in Sevilla und sandten einen ihrer Teilhaber, einen gewissen Berardi, als Bankdiretor dorthin, um mitzuhelfen, Schiffsexpeditionen zu finanzieren, die den Seeweg nach Indien auftun könnten. Auch Mächtige aus Genua beteiligten sich an den Finanzierungen (Kolumbus war ja Genueser).

Americo Vespucci war Angestellter der Bank der Medici in Florenz (seine Familie war eine der noblen Familien von Florenz) und wurde 1491 nach Sevilla zur dortigen Bankfiliale entsandt. Im darauffolgenden Jahr war Berardis Bank eine der hauptsächlichen Finanzierer der Expedition des Christophorus Kolumbus, den Seeweg nach Indien in Richtung Westen zu suchen. Kurz nach dessen Rückkehr von der historischen Reise 1492 wurde Americo Vespucci Agent von Kolumbus und dessen Repräsentant am spanischen Hof. Drei Schiffe für die dritte Reise von Kolumbus, die 1498 in See stechen sollte, waren Teil eines Riesenauftrags von 12 Schiffen, den der spanische König Ferdinand bei Berardi in Auftrag hatte geben lassen. Die Medicis finanzierten die spanischen Eroberungsreisen, zu diesem Zeitpunkt noch auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien nach Westen.

Bevor die 12 Schiffe übergeben werden konnten, starb Berardi und nun war Vespucci der Bankdirektor der Medicis in Sevilla. Er war es, der die Schiffe – verspätet – übergab. So wurde er Freund, Mitarbeiter und Finanzier Kolumbus. Es gelang ihm, auf eine der nächsten Reisen (des Hauptrivalen von Kolumbus) selbst mitgeschickt zu werden. Später trat er in die Dienste des portugiesischen Königs und ging mit auf zwei portugiesische Entdeckungsreisen in die südamerikanischen Besitzungen Portugals, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Brasilien hießen, sondern „Vera Cruz“ und als Insel betrachtet wurden. Als getreuer Gefolgsmann seiner Auftraggeber aus Florenz sandte er über alle seine Beobachtungen Briefe an Lorenco de Medici.

Americo war vorher eigentlich nur bekannt als kleiner Bruder der schönen Simonetta Vespucci, die von Botticelli in seinem Meisterwerk „Die Geburt der Venus“ verewigt wurde und tragisch bereits 1476 an Tuberkulose starb.

Boticelli Geburt der Venus Ausschnitt

Seine Briefe an das Haus Medici wurden veröffentlicht, zusammengefaßt in einer Broschüre, die durch die neue Druckmethode weit verbreitet wurde. Da wurde u.a. die Schönheit und Exotik des neuen Kontinents und seiner Bewohner sowie ihre Gesellschaft geschildert. Diese Broschüre wurde durch die Fugger und andere finanziert und das in einem solchen Umfang, daß sie praktisch jeder in Europa las, der überhaupt lesen konnte. Ursprünglich in Latein geschrieben, wurde sie in Deutsch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Spanisch und Tschechisch übersetzt. Die Broschüre fiel auch – wohl in der lateinischen Form – in die Hände von Thomas Morus, der damals Kanzler des englischen Königs war (man stelle sich vor, zu jener Zeit war es noch möglich, daß wirklich große Geister Kanzler wurden). Angeregt von der Beschreibung einer Gesellschaft in Harmonie und Frieden, schrieb er „Utopia“, das erste Werk in der Menschheitsgeschichte, das eine ‚utopische’ Vorstellung eines idealisierten menschlichen Gesellschaft verbreitet. Es wurde von Erasmus von Rotterdam herausgegeben.

Folgerichtig wurde der neue Kontinent dann auch nach Americo benannt – von einem Kolumbus hatte niemand je gehört (Americo wußte besser als jeder andere, wer den neuen Kontinent entdeckt hatte, erwähnte aber Kolumbus in seinen Briefen nicht ein einziges Mal), aber alle (die lesen konnten) hatten ‚den Americo’ gelesen. So wurde er zum einzigen Menschen, nach dem je ein Kontinent benannt wurde.

Weder der spanische noch der portugiesische König waren an der Entdeckung eines neuen Kontinents als solchem interessiert. Sobald klar war, daß es sich bei den „Inseln“, die man im Westen entdeckt hatte, nicht um Indien oder Asien handelte, sondern um einen neuen Kontinent (und das hatte Americo als erster erkannt und bereits in einem Brief an die Medici im Jahre 1501 belegt), war das einzige, was interessierte, ob es dort Gold und Edelsteine gab. Die Indios in Südamerika hatten wenig Goldschmuck, also ließ man Südamerika zunächst „links“ liegen. Die Spanier hatten aber auf dem nordamerikanischen Festland eine Kultur mit viel Goldschmuck entdeckt, die Azteken, und suchten die ergiebigen Goldminen, aus denen das stammen könnte. So drangen sie über Mittelamerika bis nach Südamerika vor und trafen dort auf die Inkas, ebenfalls mit Goldschmuck, und die Suche nach der Quelle des Goldes wurde intensiviert. Die Jagd nach „Eldorado“ hatte begonnen.

Gold

1540 sandte Spanien auf der Suche nach Eldorado eine Expedition von den Besitzungen der Inkas (heute: Peru), die man kurz zuvor erobert hatte, die Anden hinab in die Ebene, die heute als Amazonien oder Amazonasbecken bekannt ist – und damit kommen wir zu unserem Thema im engeren Sinne.

Der Leiter der Expedition war ein gewisser Francisco de Orellana, der alles minutiös von einem Mönch aufschreiben ließ. Allerdings hatte er (oder der Mönch) offenbar einige Probleme mit der Wahrheit oder sagen wir, er hatte eine selektive Erfassung der Wirklichkeit. Dies bereitete so manchen seiner Nachfolger Schwierigkeiten.

Orellana behauptete nämlich, Eldorado gefunden zu haben. Es sei gelegen auf einer Insel in einem riesigen See, der angeblich an einer Stelle im äußersten Norden des heutigen Mato Grosso, Bundesland Brasiliens, gelegen sei. Er habe lediglich nicht dorthin übersetzen können wegen des heftigen Widerstands des dortigen Indio-Stammes. Tatsächlich gibt es keinen solchen See und nicht Eldorado (Eine ganze Zeit später sollten die Portugiesen im Südosten Brasiliens, im heutigen Bundesland Minas Gerais, tatsächlich die größten bis dahin bekannten Goldvorkommen entdecken, aber das ist heute nicht das Thema, siehe hierzu den Teil 5 der Reihe).

Der Eindruck eines riesigen Sees mit Inseln darin kann am Amazonas in der Hochwasserzeit schon einmal aufkommen. Der Amazonas hat auf der Höhe von Manaus (wo er sich aus dem Zusammenfluss des Rio Negro und des Rio Solimões bildet und bereits eine Breite von mehreren Kilometern erreicht) einen Pegelunterschied von bis zu 15 Metern(!) zwischen der relativ trockenen Periode (September bis Dezember) und der noch viel feuchteren Periode als normal (Januar bis August), allerdings mit starken Schwankungen zwischen den Jahren. In der Hochwasserzeit sind auch viele Gebiete zwischen den Flußarmen überschwemmt und ein grosser Teil der Bäume des Urwalds stehen im Wasser. Bei Niedrigwasser fährt man mit Booten auf tief eingeschnittenen Flußarmen zwischen meterhohen Schlammufern.

Amazonas

Die riesige Schwankung in der Wasserführung des Amazonas führt zu der einmaligen Erscheinung, daß im Oberlauf des Rio Negro (Teilfluß des Amazonas) die Flußgebiete des Orinoko (Venezuela) und des Rio Negro ineinander übergehen. Bei Amazonas-Hochwasser fließt Amazonaswasser in den Orinoko, bei Niedrigwasser umgekehrt.

Was aber besonders die Aufmerksamkeit der Zeitgenossen fand, war die Beschreibung Orellanas des Indio-Stammes, den er dort angetroffen hatte, die Cumurí: Der hätte nur aus Frauen bestanden und das seien Kriegerinnen gewesen. Und dieser Frauenstamm verteidige „Eldorado“. Orellana war offenbar ein gebildeter Mann. Er kannte griechische Mythologie. Er wußte, das die kriegerischen Frauen, die (fast) ohne Männer auskommen, Amazonen heißen. Er nannte daher das ganze Gebiet, in das er gekommen war „das amazonas“ (also Genitiv „der Amazonen“ in Spanisch). Mit der Zeit verlor sich dann das „das“ und der Begriff ‚Amazonas’ wurde auf den Fluß und dann auch auf die ganze Region angewandt.

Nur fand niemand später an der von ihm angegebenen Stelle den See und Eldorado, aber sehr wohl den Stamm der Cumuri, nur war der keineswegs nur von Frauen gebildet. Offensichtlich war Orellana (oder sein Mönch) so beeindruckt von der Tatsache gewesen, daß bei diesen Indios die Frauen genauso Krieger waren wie die Männer, daß er überhaupt nur noch Frauen gesehen hatte. In der ursprünglichen menschlichen Urgesellschaft gab es noch keine Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern.

Orellana durchquerte das gesamte Amazonasbecken bis zum Atlantik in mehr als zwei Jahren mit seiner Expedition. Einmal bis „Eldorado“ vorgedrungen (fast eine Jahresreise flußabwärts von Machu Picchu), sah er keine Möglichkeit mehr, gegen die Strömung flußaufwärts zurückzukehren, obwohl sein "Chef", Pizarro, dies angeordnet hatte. Später zurück in Spanien wurde er deshalb wegen Hochverrat angeklagt. Man weiß weiter nichts von seinem Schicksal. Er dürfte wohl enthauptet worden sein.

Tatsächlich war das Zusammentreffen der spanischen und portugiesischen Eroberer mit den Indios Brasiliens ein wahrer ‚Crash’ der Kulturen, gegen den die linden Unterschiede zwischen Muslims und europäischen Kulturen, die wir im Moment in Europa als abgrundtief empfinden, eine Kleinigkeit sind.

Auf der einen Seite die Eroberer, die eigentlich in dieser ihrer Eigenschaft die europäische Renaissance, den am weitesten fortgeschrittenen Teil der Menschheit darstellen sollten. In Wirklichkeit waren sie aber bis auf wenige (wie Americo Vespucci) noch Menschen des Mittelalters, unfähig, sich aus den engen Grenzen des Denkens herauszubewegen, die ihnen die Religion und die strengen mittelalterlichen Bräuche auferlegt hatten.

Auf der anderen Seite die Indios Brasiliens, die - nach bisheriger Annahme - allesamt noch in der Steinzeit lebten, ein Teil von ihnen sogar der frühen Steinzeit. Ob das wirklich so ist, muß inzwischen angezweifelt werden, aber darauf kommen wir in einer späteren Folge zurück.

Viele der Indio-Stämme in Brasilien zeichneten sich dadurch aus, daß sie noch keinen Ackerbau und Viehzucht kannten, sondern noch Jäger und Sammler waren (Urgesellschaft).

Die Regenwälder des Amazonas und der brasilianischen Atlantikküste boten so viel Überfluß an leicht zugänglicher Nahrung, daß die Entwicklung zu Bauern und Hirten zum Teil sehr langsam vor sich ging. Es gab so viele Früchte, die man nur zu pflücken brauchte und Wurzeln, die man essen konnte und auch die Jagd offerierte keine besonderen Schwierigkeiten. Die Flüsse (und das Meer) waren voll von Fischen, die Baumkronen voll von Äffchen und Papageien und andere Tiere konnte man auf dem Erdboden jagen. Wenn man gut mit Pfeil und Bogen oder dem Blasrohr umgehen konnte, war der Lebensunterhalt ohne großen Aufwand zu sichern. Dies galt natürlich nur solange, wie eine kleine Anzahl Menschen auf einem riesigen Gebiet lebte. Die Indios mußten nämlich in regelmäßigen Abständen ihr Dorf in jungfräuliche Gebiete verlegen.

Regenwald

Die Beschreibungen der Indios durch die damaligen Eroberer, wie auch die späterer „Besucher”, stimmen in einigen Punkten weitgehend überein: Die Zustände werden mit dem Begriff „paradiesisch” oder „Paradies“, die Indios immer wieder als „unschuldig” oder im „Stand der Unschuld” beschrieben, hervorgehoben wird, wie fröhlich und freundlich sie sind und wie bereitwillig sie Gäste aufnehmen. Auch der Begriff ‚friedlich’ wird weithin verwendet, auch wenn, wie sich heraustellte, die Indios absolut wehrhaft waren.

Sie werden auch als „naiv“, „leichtgläubig“ und „einfältig“ beschrieben. Und – was immer wieder Verwunderung hervorrief: Die Frauen waren geachtet und geehrt („als ob sie gleichwertig mit Männern wären“), in einigen Stämmen war auch noch keinerlei Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen eingeführt. Die Frauen waren genauso Krieger und Jäger wie die Männer – das mag Orellano getäuscht haben, als er Frauen als Kriegerinnen sah.

Und tatsächlich, die meisten Indios in Brasilien lebten noch im Paradies. Die Vorstellung eines Paradieses, in dem die ersten Menschen lebten und aus dem sie später vertrieben wurden, gibt es nicht nur in der christlichen Überlieferung, sondern in allen wesentlichen Kulturen der Menschheit. Es handelt sich schlicht um die durch Überlieferung weitergegebene Tatsache, daß die Menschen die ersten Zehntausende (oder Hunderttausende) von Jahren ihrer Geschichte (oder besser Vorgeschichte) in jenem gesellschaftlichen Zustand lebten, die die spanischen und portugiesischen Eroberer hier zum Teil noch antrafen: Die Urgemeinschaft, manchmal auch der Urkommunismus genannt.

Es gab noch kein Privateigentum, keine Familien und keinen Staat und damit gab es auch noch keine Ausbeutung und Unterdrückung. Das natürliche Gefühl der Solidarität mit anderen Menschen gebot die Gastfreundschaft und man sagte noch die Wahrheit und war damit leicht zu täuschen (Vielleicht mag man schon die kleinen Not- und Freundlichkeitslügen gekannt haben, die uns allen geläufig sind, aber in allen ins Gewicht fallenden Dingen wurde die Wahrheit gesagt). Es gab noch keine ökonomischen Gründe, jemanden zu täuschen. Und – nicht zuletzt – es gab noch keine Unterdrückung der Frau, es gab ja keine ökonomischen Gründe für eine solche Unterdrückung.

Wer sich genauer und auf wissenschaftlicher Ebene mit den damaligen gesellschaftlichen Zuständen auseinandersetzen will, kann dies bei Friedrich Engels in „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ nachlesen.

Demgegenüber war im Mittelalter in Europa die Frau eine Mischung von Haustier und Sklavin. Sie war in jeder Beziehung ‚dem Manne Untertan’. Nicht nur, daß die Mädchen der Leibeigenen dem Adelsherren in der ‚ersten Nacht’ zu Willen sein mußten, die Frauen hatten zum Mann zu nehmen, wer ihnen ausgesucht wurde, die Bauersfrauen und Mägde mußten neben der schweren Feldarbeit die gesamte Hausarbeit tun. Die adeligen Frauen hatten ebenfalls keine gleiche Stellung wie der Mann. Wie wir von den mittelalterlichen Burgen wissen, durften sie nicht einmal im gleichen Gebäude leben wie die Männer, sondern waren in ‚Frauenhäuser’ ausgelagert.

Das wirkliche Leben damals kannte - bis auf Ausnahmefälle – keine romantische Liebe zwischen Mann und Frau. Es gab natürlich die Lieder und Gedichte der Minnesänger und die Idee der romantischen Liebe war bekannt, eine Generation später würde Shakespeare in England diese Idee auf das höchste künstlerische Niveau bringen, aber die Realität war sehr prosaisch.

Eine Frau, die war zum Vögeln und zum Arbeiten da, ein Mann, das war der, dem man zu gehorchen hatte und den man nach Möglichkeit bei guter Laune halten sollte, sonst hagelte es Schläge.

Zum Begriff der „Unschuld“ der Indios hat sicher auch die Tatsache beigetragen, daß fast alle diese Stämme nackt herumliefen. Das Klima machte keine Kleidung notwendig, warum hätten sie sich also kleiden sollen – und schmücken konnte man sich auch ohne Kleidung. Alle Arten von Körperbemalung waren üblich und die vielen phantasiereichen Kopf-, Hals-, Taillen-, Arm- und Bein-Schmuckstücke, meist mit bunten Papageienfedern, kann der Tourist noch heute in Amazonien für wenige Cents erstehen.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Die Nacktheit war für jene Eroberer natürlich viel exotischer als sie es für uns heute wäre. Zwar gab es um die Zeit der Renaissance in Europa noch weithin das gemeinsame Schlafen der einfachen Bevölkerung auf dem Lande in Heu, das natürlich die Kenntnis anderer nackter Personen beinhaltete, aber unter den städtischen Kreisen war bereits die absolute Verpöntheit von Nacktheit und unverhüllten Brüsten vor anderen Personen üblich. Die damaligen Männer der Oberschichten bekamen außer bei ihrer Frau – und eventuellen Geliebten – nie eine zu sehen.

Da standen also Männer, die in mittelalterlicher Strenge, Zucht und Schamhaftigkeit erzogen waren, plötzlich Gruppen von Indios gegenüber, Männlein und Weiblein bunt gemischt und es sprangen ihnen die Brüste der Frauen und auch deren Schamlippen ins Auge (es war meist üblich, die Schamhaare zu entfernen). Auch die Tatsache, daß die Männer ihre Penisse zur Schau stellten, oft bunt angemalt, manchmal extra mit einem kleinen Bändchen an der Taille befestigt, damit ‚er’ auch in schlaffem Zustand nach oben zeigt, muß ihnen extrem fremdartig vorgekommen sein. Schließlich und endlich vermelden die Berichte, daß diese Frauen keine Scham kannten (!), einige forderten die stattlichen Europäer in ihren schillernden Rüstungen sogar erkennbar zu Sex auf!

Kurz, vom ersten Moment an stand Sex in der Luft, wenn diese Begegnungen an den Stränden oder im Urwald stattfanden – immerhin waren die Männer ja wochenlang oder sogar monatelang unterwegs gewesen ohne eine weibliche Seele zu sichten – Frauen an Bord waren grundsätzlich verboten (von Ausnahmen hören wir unten noch).

Karneval in Rio - Tänzerin fast nackt

So berichten denn auch die Chronisten von diesen Begegnungen häufig, daß man – von den Indios eingeladen – für eine Zeit bei ihnen blieb. Teilweise lebte man direkt mit den Indios im Dorf, in anderen Fällen zwang der Kommandant die Männer, auf den Schiffen zu bleiben. Sie konnten aber von dort aus immer wieder „Kundschafteraufträge“ bei den Indios durchführen.

Cabral z.B. hatte ausdrücklich das „Vermischen“ mit den Indios verboten und unter Strafe gestellt, aber die Chronisten lassen keinen Zweifel, daß die Männer trotzdem heimlich in die Dörfer gingen und dort mit offenen Armen - und wohl auch offenen Beinen - empfangen wurden.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 18

Die erste große portugiesische Expedition nach Cabral unter Coelho, 1501 (an Bord: Americo Vespucci) mit dem Auftrag , die vermeintliche Insel näher zu untersuchen (Goldschmuck!), die die gesamte Küste des heutigen Brasiliens hinunterfuhr, was allerhöchstens einen Monat gebraucht hätte, dehnten diese Reise auf fast ein Jahr aus. Sie blieben über einen Monat vor Anker auf der Höhe der Mündung des San Francisco-Flusses, ohne daß sie irgendeine Erklärung dafür gegeben hätten. Etwas weiter südlich, auf der Höhe des heutigen Salvador, blieben sie noch länger und gaben zu, daß dort ein großer Teil der Männer mit Indios in deren Dorf gelebt hatten.

Tänzerin beim Karneval in Rio

Der Sex mit Indio-Frauen mußte aber auch aus anderen Gründen attraktiv für sie gewesen sein. Die mittelalterlichen Frauen zu Hause mußten ständig auf die Scham achten, die auch beim Sex mit dem Ehemann (oder Liebhaber) nicht übertreten werden durfte. Es war absolut undenkbar, in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen, daß für die Frau dabei Lust involviert sein könnte. Sex war etwas, was die Frau zu erdulden hat und sie sollte auch noch stolz darauf sein, daß sie absolut nichts dabei empfand. Diejenigen, die doch etwas empfanden, mußten dies gut verbergen.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Hier aber waren Indio-Frauen, die keinerlei Inhibierung kannten, für sie war Sex so fundamental und natürlich wie Essen. Keine von ihnen brauchte vorzuspielen, daß sie eventuell den Sex nicht genoß, keine konnte in Sex etwas anderes erblicken als Lust und Freude.

Auch gab es viele Stämme, in denen es noch keine Art von Verheiratung gab. Oft blieben Paare für lange Zeit zusammen, manchmal sogar fürs Leben, aber die weit überwiegnde Mehrzahl der Frauen und Männer machten Sex mit wechselnden Partnern, so wie es Lust und die Stunde ihnen eingaben. Zwar gab es Tabus, mit wem keine Sex gemacht werden dufte, aber das betraf immer nur eine Hälfte es Stammes. Mit allen anderen durfte man - und man tat es. Es gab keinerlei Regeln, nicht promisk sein zu dürfen (mit Ausnahmen).

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 2

Die Männer des Stammes hat also keinerlei Besonderheit darin gesehen, dass die Frauen auf Sex mit den hochgewachsenen "Dicknasen" aus waren - galt doch die Dicke der Nase auch als Anzeichen für ein anderes dickes Organ.

Kurz, die Europäer mussten sich vorkommen, als seien sie in einem Freudenhaus gelandet. Der wesentliche Unterschied aber war - und das wurde in einigen der Aufzeichnungen von damals hervorgehoben - dass die Frauen extreme Freude am Sex hatten und dies oft auch laut hinausschrieen.

Es wird auch tadelnd in den Aufzeichnungen festgestellt, dass dort "Perversionen" an der Tagesordnung waren. Das bezieht sich auf alles, was über die normale Missionarsstellung im Sex hinausgeht, also Oralsex, Analsex, andere Stellungen, Finger im Hintern, Sex vor anderen, Zusehen und Masturbieren, Gruppensex, gleichgeschlechtlicher Sex usw.

Gay-Sex war diesen Männern keineswegs unbekannt. Die spätere völlige Dämonisierung davon gab es noch nicht, ebensowenig die absurde Diskriminierung von Gays. Es gab zu diesem Zeitpunkt noch die Institution von "Lustknaben", ebenso wie die allgemeine Kenntnis, man könne auch mit Männern (Jungen) Sex machen.

Auf den Schiffen schliefen die einfachen Matrosen zusammen mit den Schiffsjungen auf Holzflächen, die etwas mit Pflanzenteilen abgepolstert waren. Das monatelange Zuammenschlafen von Männern dürfte zweifellos in einigen Fällen zu verschiedenen Arten von Sex geführt haben, zumindest des gegenseitigen Stimulierens und Lutschens bis hin zum Analsex. Es gibt eindeutige Zeugnisse, dass die Schiffsjungen teilweise in diesem Sinne missbraucht wurden.

Kein Wunder, daß alle möglichen Vorwände herhalten mußten, um den Aufenthalt an den Küste Südamerikas und in den Indiodörfern zu verlängern. Schließlich entwickelten die Portugiesen sogar einen Spruch, um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen: „Não existe pecado embaixo do equador.“ „Es gibt keine Sünde unter dem Äquator“.

Es gibt ebenfalls Anzeichen, daß bei einem Teil der Reisen an den Küsten entlang auch Indio-Frauen mit auf die Schiffe genommen wurden, um sich so auch während der Reise vergnügen zu können. Allerdings war nicht daran zu denken, eventuell eine mit zurück nach Europa zu nehmen, dazu war das Frauenverbot auf den Schiffen viel zu streng. Wenn man Indios mit nach Europa nahm, zuerst Einzelne als eine Art von Trophäe, später ganze Gruppen als Sklaven, waren dies Männer (im zweiten Teil hören wir noch von den Ausnahmen).

Man ließ bei fast allen Expeditionen eine Anzahl von Männern der Schiffsbesatzung zurück, in Palisaden-Forts, fand diese Forts aber später oft verlassen vor und die Männer in den Indio-Dörfern.

Es gab auch auffallend viele Fälle von Desertion. Männer der Schiffsbesatzung verschwanden einfach in den Wäldern und wurden nie mehr gesehen. Einige dieser Deserteure tauchten Jahre später wieder auf, einer als Häuptling eines ganzen Indio-Stammes, ein anderer in einem Indio-Dorf, wo er stolz berichtete, bereits über hundert Indio-Kinder zu haben.

Die ersten Deserteure, über die berichtet wurde, waren zwei Schiffsjungen der Cabral-Expedition. Schiffsjungen waren damals Jungen aus der armen Bevölkerung, die in einer Art von Sklavenzustand auf den Schiffen gehalten wurden und die schwersten, gefährlichsten und unbeliebtesten Arbeiten verrichten mußten.

In der ‚neuen Welt’ war man zwar weit von zu Hause und Desertion bedeutete Todesstrafe – man konnte also nie zurück – aber hier konnte man im Paradies leben, während das Leben auf den Schiffen die Hölle war.

Es gab auch Männer, die darum baten zurückgelassen zu werden und später wieder abgeholt zu werden. Dem wurde am Anfang wenig stattgegeben – man wußte meist gar nicht, ob und wann eine neue Expedition diesen Punkt erreichen würde. Dann aber begann man, den Brasil-Baum (daher der Name Brasil = Brasilien) in beträchtlichen Ausmaß nach Portugal zu schaffen. Aus ihm konnte man einen roten Farbstoff gewinnen, der vorher zu den Seltenheiten gehört hatte, die aus Indien kamen. Nun kam man oft solchen Bitten nach, denn nun wurde ein regelmäßiger Schiffsverkehr zwischen Portugal und Brasilien eingerichtet. Viele der so Zurückgelassenen wurden aber nie wieder gesehen.

Hört man heute, daß nach einer Umfrage unter Fremdenführern von Rio de Janeiro etwa 80% des Tourismus, der nicht Geschäftsreise ist, von Männern mit eindeutig sexuellen Absichten gestellt wird, so muß man dies als geschichtliche Ironie ansehen (Marx: Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn als Farce). Vielleicht sind wir gar nicht so weit von mittelalterlichen Männern entfernt, wie man meint.

Attraktive Exotin

War Sex sicherlich einer der Hauptgründe, warum man – zumindest eine Zeit lang oder sogar auf Dauer– bei den Indios bleiben wollte, so darf man doch die Attraktivität der ganzen Lebensweise, das paradiesische dieses Lebens, nicht unterschätzen.

Man höre nur, was Americo Vespucci z.B. Über die Bucht von Angra dos Reis schreibt: „Einige Male steigerte ich mich hinein in den Duft der Bäume und der Blumen und den Geschmack dieser Früchte und Wurzeln, so sehr, daß ich bei mir dachte, ich sei im Paradies auf Erden. Und was soll ich sagen über die Vielfalt der Vögel, die Farbenpracht ihrer Gefieder und Gesänge, wie viele es sind und von welcher Schönheit? Ich will gar nicht weiter sprechen, denn ich befürchte, ihr werdet mit nicht glauben.“

Angra dos Reis ist genau jene Stelle, an die die Militärjunta Brasiliens beschloß die brasilianischen Atomkraftwerke zu plazieren - mit heftiger deutscher Unterstützung.

Das Leben im 16. Jahrhundert in Europa war hart und entbehrungsreich, die Rückreise voller Gefahren. Hier dagegen traf man eine Gesellschaft, die Teile des Tags mit Spielen, Malen, Bildhauern, Handwerken, Musizieren und Tanzen verbrachte – man mußte lediglich ein oder zweimal am Tag für das leibliche Wohl sorgen, d.h. Früchte pflücken gehen und Tiere oder Fische erlegen und grillen.

Von Zeit zu Zeit mußte das Dorf verlegt werden. Die Tiere im Umkreis lernten, sich entfernt zu halten und die früchtetragenden Bäume waren „abgegrast“. Dann war schwere Arbeit angesagt: Ein neues Haus für den Stamm mußte aus Holz, Blättern und Pflanzenfasern errichtet werden.

Es gab auch Begegnungen, die nicht so freundlich abliefen. Der spanische Seefahrer Pinzón, einer der Kapitäne der Kolumbus-Reise von 1492, wurde Ende des Jahres 1499 von der spanischen Krone mit einer weiteren Expedition beauftragt. Er erreichte den amerikanischen Kontinent im Januar 1500, abgetrieben durch einen Sturm, in Südamerika (die Seefahrer mußten damals bei jeder Atlantiküberquerung mit der Strömung von den Kanarischen oder Kapverdischen Inseln aus nach Westen segeln und kamen damit immer genau in die dort bis heute bestehende „Küche der Hurrikane“).

Später konnte rekonstruiert werden, daß Pinzón, entgegen seiner Annahme, in der Nähe der heutigen Stadt Fortaleza, Hauptstadt des brasilianischen Bundeslandes Ceará, anlandete, am Cap Ponta de Mucuripe, wo ein kleiner Fluß ins Meer mündet, der heute noch den Namen trägt, den die Indios ihm gegeben haben: Curu. Damit hatten eigentlich die Spanier Brasilien entdeckt, denn Cabral machte seine Entdeckung ja erst im April des gleichen Jahres, aber dies hatte keine praktischen Konsequenzen.

Pinzón, offenbar ein Mann vom Typ G.W. Bush, wurde bekannt dafür, daß er alle Indios, die er antraf, versuchte gefangenzunehmen und als Sklaven auf die Schiffe laden zu lassen. Er selbst beschreibt die Begegnung mit dem Stamm der Potiguar, die ihn dort am Strand des heutigen Ceará erwarteten, so, als ob die Indios angegriffen hätten. Wir können aber getrost davon ausgehen, daß er es war, der die Gefangennahme versuchte und die Wehrhaftigkeit der Indios kennenlernen mußte.

Potiguar war der Überbegriff für eine Gruppe von Indio-Stämmen, der zu jener Zeit die gesamte Küste vom Norden Cearás bis hinunter zum heutigen Bundesland Paraíba bewohnten, eine Strecke von 600 Kilometern. Sie waren bereits fortgeschrittener in der Entwicklung, kannten erste und einfache Formen von Ackerbau (Manniok-Wurzeln), hatten schon eine entwickelte Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau und erste frühe Formen einer Familienbildung. Dort am Strand traten den Spaniern nur die Männer, die Krieger des Stammes entgegen, vorsichtig auskundschaftend, was die fremdartigen Männer von den scheinbar riesigen Schiffen, in schillerndes Metall gekleidet, im Schilde führten.

Außerdem hatten die Potiguars eine kleine Unart, die damals viele Indios in Südamerika hatten, sie aßen Menschen.

(wird fortgesetzt)


Die Brasilien-Serie von Elmar Getto. Dieser erste Teil erschien am 24.11.2004 in "Rbi-aktuell", heute Berliner Umschau, hier akualisiert von Verfasser.


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

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