Deutschland

Dienstag, 31. März 2009

Selbstverständlich auf unserem Rücken?

Man wird sehen

Von Karl Weiss

Bis vor wenigen Tagen haben Bundesregierung und – ‚his masters voice‘ – die Medien von einem „Konjunktureinbruch“ gesprochen und prophezeit, im Sommer ginge es schon wieder bergauf – oder jedenfalls im Herbst. Nun wurde der Ton geändert. 5% Rückgang im Brutto-Inlandsprodukt ist nun das mindeste und Millionen werden arbeitslos werden, gibt man jetzt zu. Jetzt wird so getan, als würde man von einem unvorhersehbaren Tsunami heimgesucht. Aber die Wirtschaftskrise ist keine Naturkatastrophe – sie ist menschengemacht – und sie war vorhersehbar.

Deutschland: Umsatzindex verarbeitendes Gewerbe 2007 bis 1/2009

Der Bürger-Journalist schrieb zum Beispiel bereits 2006 in Bezug auf die bevorstehende Wirtschaftskrise im Artikel „Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“:

„Der Rückschlag der Wirtschaftskrise aus anderen Ländern käme noch dazu: Die können nicht mehr soviel deutsche Produkte kaufen, da sie selbst in der Krise stecken. Sind glatt noch einmal 2%, da sind wir auf –8%. (...)... der weitere Rückschlag auf Deutschland mit weiteren Pleiten, Entlassungen und Arbeitslosenzahlen, die das Szenario von 2006 als Paradies erscheinen lassen werden. Nicht einmal ein zweistelliger Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ist völlig auszuschließen für einzelne Quartale im Jahresvergleich. Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.“

Deutschland: Beschäftigung - Veränderung gegen Vorjahr

Er schrieb aber damals auch bereits, wie man die extremen Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf Deutschland verringern könnte:

„Natürlich hätte die Bundesregierung Mittel in der Hand, diese Krise in ihren Auswirkungen auf Deutschland abzuschwächen (verhindern oder hinauszögern kann sie wohl jetzt sowieso niemand mehr). Man könnte die Mehrwertsteuererhöhung aussetzen, stattdessen Maßnahmen der Förderung der Massenkaufkraft beschließen, z.B. eine massive Steuersenkung für die Masse der niedrigen Einkommen, eine Grundversorgung für alle Bürger, die Verdreifachung des Kindergelds und so vieles mehr. All das könnte einfach finanziert werden, wenn man alle Steuererleichterungen für die Konzerne der rot-grünen Koalition rückgängig machte und wieder auf den Stand der Unternehmenssteuern am Ende der Ära Kohl ginge, sowie die sofortige Einstellung der EG-Beihilfen an Großagrarier und Konzerne und der großzügigen Finanzierung der Kirchen ebenso wie ein Ende aller militärischen Abenteuer im Ausland beschlösse.“

Demgegenüber werden jetzt, da die wirklichen Ausmasse der Krise nicht mehr einfach verschleiert werden können, bereits die Stillhalteappelle verbreitet. Die „Süddeutsche" schreibt am 25.3.09:

„In ein paar Monaten wird die Krise am Arbeitsmarkt voll durchschlagen. Hunderttausende werden arbeitslos. Bis Ende 2010 könnte die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 1,5 Millionen wachsen. In vielen Privathaushalten, (...) wird Verzweiflung herrschen. (...)

Die nächste Regierung (...) muss deshalb eisern sparen oder Steuern und Abgaben erhöhen - oder beides tun. Wer im Wahlkampf etwas anderes verspricht, belügt die Bürger.“

Statistik Reallöhne

Hören Sie die Nachtigall trappsen? Als es den Banken schlecht ging, hatten sie Hunderte von Milliarden, ja Billonen Euro übrig – jetzt, wenn es uns schlecht geht, werden sie Steuern und Abgaben erhöhen – für uns natürlich, nicht für ihre Freunde in den Luxusvillen und Vorstandsetagen – denn nun muss man eisern sparen.

Dieser Kapitalismus hat wirklich ausgedient. Schon in jenem Artikel 2006 schrieb der Bürger-Journalist daher:

"Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!"

Veröffentlicht am 31. März 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 28. März 2009

Es gibt kein ‚Phantom von Heilbronn’

DNA-Euphorie gedämpft

Von Karl Weiss

Wenn es nicht so tragisch wäre, müsste man lachen. Einer der teuersten und aufwendigsten Polizeieinsätze der Gegenwart, die Suche nach dem „Phantom von Heilbronn“, ist als Tragikkomödie zu Ende gegangen. Es gibt kein Phantom von Heilbronn. Die DNA-Spuren, die auf eine Täterin bei sechs Morden hingewiesen hatten, waren in Wirklichkeit solche, die von der Herstellung her an Wattestäbchen hafteten, die man zur Spurensicherung verwendete.

Ein Verpackungsarbeiterin in der Fabrik, welche die Wattestäbchen herstellte, hatte immer wieder Hautschuppen an die Wattestäbchen abgegeben. Die Polizei hatte diese in der Annahme verwendet, sie seien frei von DNA-Spuren, hatte aber versäumt, dies zu überprüfen.

Auf diese Art und Weise waren bei insgesamt sechs Mordfällen Spuren der DNA der gleichen Frau gefunden worden, was zur Annahme führte, es handele sich um eine Serientäterin, das „Phantom von Heilbronn“.

Mit Millionenkosten hatten 30 Mann der Polizei in einer Sonderkommission über Jahre das Phantom gesucht, insgesamt 16 000 Überstunden angehäuft und waren 3 700 Spuren nachgegangen – alles umsonst – nein, eben nicht umsonst - aber ergebnislos. Der grösste Polizeieinsatz in der Deutschen Geschichte ist nun zu Ende. Niemand hat bisher erklärt, er würde sich schämen.

Nun, dann tue ich dies hiermit stellvertretend.

Die Zeiten, als die Deutschen für ihre Akkuratesse und Effezienz weltberühmt waren, scheinen zu Ende zu gehen. Wenn deutsche Polizisten so primäre Fehler machen, wem soll man noch vertrauen?

Da kommt nun auch noch dazu, dass die Heilbronner Polizei bereits vor längerer Zeit einen Hinweis bekam, dass DNA auf den Wattestäbchen sein könnte. In Österreich waren die Fahnder mit den Wattestäbchen auf eine weibliche Person gestossen, konnten aber in einem konkreten Fall die Anwesenheit weiblicher Personen ausschliessen. Darufhin hatten sie die Wattestäbchen überprüft und stellten fest: Der Hersteller hatte nie garantiert, sie seien DNA-frei. Dies wurde innerhalb der Polizei-Verbindungen weitergegeben, aber die Heilbronner Kollegen waren dem Hinweis nicht nachgegangen.

Aber es stellen sich noch ganz andere, viel wichtigere Fragen:

Der DNA-Test, der bereits zu euphorischen Reaktionen geführt hatte, als Allheilmittel der Verbrechensaufklärung gefeiert, ist plötzlich nicht mehr unfehlbar. Zwar ist die Genauigkeit des Testes als solchem, im Vergleich mit gefundenen Spuren am Tatort, wirklich extrem zuverlässig. Die Frage stellt sich aber eben, wie an diesem Beispiel deutlich wurde, man weiss nie mit Sicherheit, wie eine entsprechende DNA-Spur an den Tatort kam.

Da kann es zum Beispiel sein, jemand, der an der Fabrikation eines der Möbelstücke beteiligt war, die am Tatort waren, könnte als jemand identifiziert werden, der am Tatort war. Auch wenn die Polizei in Deutschland in Zukunft mehr auf DNA-freie Wattestäbchen sehen wird, gibt es noch hunderterlei Möglchkeiten, wie DNA von völlig unbeteiligten Personen an irgendwelche Tatorte gelangen kann.

Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten, eine DNA-Probe von jemandem zu ergattern und gezielt an den Tatort zu befördern, um den Verdacht auf jemand zu lenken, der es vielleicht auch gewesen sein könnte.

Sei es, dass man einfach ein wenig Staub von einem Kissen sammelt, auf das eine Person seinen Kopf gelegt hatte, sei es, dass man Zugang zu einem Glas hat, von dem die Person getrunken hat – wir alle hinterlassen ununterbrochen eine Spur von unserer DNA in der Umwelt, was zwar zur Aufklärung von Verbrechen führen kann, aber ebenso von skrupellosen Verbrechern genutzt werden kann, um den Verdacht auf bestimmte andere Personen zu lenken.

So dürfte eine der Folgen der ergebnislosen Suche nach dem Phantom sein, dass in zukünftigen Prozessen, in denen eine DNA-Spur als Beweis eingebracht wird, die Frage, welchen Beweiswert wirklich eine DNA am Tatort hat, die mit jener des/der Angeklagten übereinstimmt, einen ganz neuen Stellenwert bekommt.

Jeder gewiefte Verteidiger wird den Fall der unschuldigen Verpackungsarbeiterin, die scheinbar als Massenmörderin identifiziert wurde, zur Relativierung des DNA-Beweises verwenden.

Die bisherige Praxis, DNA-Beweise praktisch als Gottesurteile anzusehen, dürfte damit gestorben sein. Insoweit hat die Panne der Heibronner Polizei anscheinend auch etwas Gutes.


Veröffentlicht am 28. März 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 20. März 2009

Krähen, die einander kein Auge aushacken

„Ein Urteil, das riecht“

Von Karl Weiss

Wenn selbst die “Süddeutsche” in ihrem Kommentar zum Urteil gegen Thüringens Ministerpräsident Althaus wegen seines Skiunfalls schreibt „Ein Urteil, das riecht“, so kann man sicher sein, dass „riechen“ ein schwacher Ausdruck für das ist, was sich da in Schwaden ausbreitet nach diesem Urteil von Österreich aus bis nach Deutschland.

Was ist passiert? Ein deutscher Ministerpräsident fährt gerne Ski und hat diesen Sport bei einem Ferienaufenthalt in Österreich gepflegt. Nach seinen eigenen Einlassungen, ist er dabei am Neujahrstag an der Kreuzung zweier Pisten ein Stückchen in die andere Piste hinein bergauf gefahren und da dann mit einer Skifahrerin mit dem Namen Beata Christandel so heftig zusammengestoßen, dass beide schwere Hirn-Schädelverletzungen erlitten. Die Frau, Mutter eines einjährigen Kindes, ist kurz nach dem Zusammenstoss gestorben, der Herr Althaus von der CDU hat überlebt und soll schon wieder frisch auf den Beinen sein, war aber bis vor wenigen Tagen in einer Rehabilitierungs-Klinik.

Nach den internationalen Skiregeln (FIS-Regeln) ist das Bergauffahren in eine andere Piste hinein verboten, weil extrem gefährlich. Da könnte nämlich ein anderer Skifahrer schnell unterwegs sein und nicht mehr rechtzeitig ausweichen oder abschwingen können. Genau das scheint hier passiert zu sein. Damit ist Althaus (nach eigenen Einlassungen) der wesentliche Schuldige des Vorfalls. Ein Schuldanteil der Frau könnte nur aus der Tatsache hergeleitet werden, dass sie Ski fuhr und damit ein Risiko einging.

In Irdning in der Steiermark, wo das Unglück geschah, wurde nun statt eines Gerichtsverfahrens eine Farce aufgeführt und Gerichtsverfahren genannt. Ohne Öffentlichkeit, ohne den Angeklagten, trafen sich 4 Personen und mauschelten ein Urteil aus, das schnell gefällt war, Althaus die Möglichkeit offenläßt, sich als „unbestraft“ zu bezeichnen und im Vergleich zu anderen Fällen von „grob fahrlässiger Tötung“ eine Lachplatte ist. Lediglich eine Geldstrafe und ein Schmerzensgeld von 5000 Euro für eine tote Frau und Mutter!

Die Süddeutsche schildert uns das abendliche Geheimtreffen, das zu einem Gerichtsverfahren verklärt wurde, folgendermaßen: „Die Gerichtsdiener im Bezirksgericht von Irdning in der Steiermark hatten längst Feierabend, als sich in dem holzgetäfelten Verhandlungssaal am späten Dienstagnachmittag vier eilig zusammengetrommelte Prozessteilnehmer einfanden: Gerichtsvorsteher Thomas Priebsch, ein Vertreter der Staatsanwaltschaft, der Anwalt des Unfallopfers Beata Christandl sowie der Verteidiger Walter Kreissl...“

Nach Angaben jenes Artikels wurde eine österreichische Sonderregeleung, die allerdings für ganz andere Fälle vorgesehen ist, zum Vorwand genommen, um unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu verhandeln. Der Sprecher der österreichischen Strafverteidiger, Richard Soyer, sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei eine Verfahrensbestimmung angewendet worden, die für ganz andere Fälle geschaffen worden sei und "praktisch totes Recht" sei.

Nun, warum muss ein Gerichtsprozess öffentlich sein? Eben genau, um Mauscheleien zu verhindern. Die Öffentlichkeit muss in jedem Gerichtsprozess die Möglichkeit haben, den Ablauf zu verfolgen und damit zu überprüfen, ob es Unregelmäßigkeiten gibt. Das ist der entscheidende Fortschritt in einer zivilisierten Gesellschaft: Während früher, zum Beispiel im Feudalismus, ein eventueller Prozess gegen einen Feudalherrscher oder ein Mitglied seiner Familie im Geheimen durchgezogen wurde und denn auch fast immer ohne Bestrafung für die VIP-Person endete, soll in einer modernen Demokratie gerade bei Prozessen gegen „hochgestellte Persönlichkeiten“ das strikte Einhalten der Regel der Öffentlichkeit eines Strafprozesses selbstverständlich sein.

Dass man es wagte, diese Regel zu ignorieren, zeigt bereits, wie weit die Dekadenz des ganzen, angeblich demokratischen Systems, schon gediehen ist.

Das gleiche gilt auch für die Anwesenheit des Angeklagten. Auch sie ist in jeder zivilisierten Gesellschaft absolute Pflicht. Zwar gab es schon Fälle, in denen man wegen der Wichtigkeit des Falles einen flüchtigen Angeklagten in Abwesenheit verurteilte, aber auch dann muss man ihm die Möglichkeit eines neuen Prozesses geben, wenn er gefasst wird. In Italien allerdings gibt es Fälle, in denen flüchtigen Angeklagten kein neuer Prozeß zugestanden wurde, aber Italien hat sowieso schwerste Probleme mit einem Justizsystem, das nur teilweise den Anforderungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens genügt. Außerdem trifft hier nicht zu, dass der Angeklagte flüchtig ist.

Es gibt auch anders geartete Ausnahmen, bei denen die Anwesenheit des Angeklagten nicht unbedingt erforderlich ist, so gilt dies in Deutschland zum Beispiel bei Minimal-Delikten wie kleinen Ladendiebstählen. Ein Verfahren wegen Tötung aber fällt niemals unter Minimal-Delikte.

Die extreme Schnelligkeit des Verfahrens , die von Juristen in diesem Fall als das besonders Auffallende genannt wird, kann grundsätzlich nicht bemängelt werden. Allerdings muss man sich doch fragen, warum, wenn fast alle Verfahren sich über Monate, wenn nicht Jahre hinziehen, ausgerechnet im Fall eines prominenten Angeklagten die Fristen so extrem verkürzt werden konnten. Das „riecht“ ganz sicherlich.

Was steckt hinter all dem? Nun, in Deutschland ist Wahljahr. Noch in diesem Sommer wird in Thüringen gewählt werden und der Ministerpräsident Althaus wird von der CDU als Spitzenkandidat erneut gebraucht. Müsste sie einen Neuen aufstellen, hätte sie deutlich geringere Chancen, wieder einen glatten Wahlsieg einzufahren, weil zu wenig Zeit bleibt.

Es gibt also dringende politische Gründe, warum Althaus – unabhängig von seinem Zustand – wieder zum Spitzenkandidat werden muss und warum es unbedingt vermieden werden muss, dass sich ein langes Gerichtsverfahren mit vielen Zeugenvernehmungen, mit verschiedenen Gutachten und Gegengutachten über Monate bis unmittelbar vor den Wahlen hinzieht oder – noch schlimmer – zum Wahlzeitpunkt immer noch offen ist und eine eventuelle Gefängnisstrafe – wenn auch auf Bewährung – im Raum steht.

Das alles konnte mit dem Geheimverfahren ohne Öffentlichkeit und Angeklagten in Rekordzeit vermieden werden. Kurz: Die Übertretungen aller Regeln haben offensichtliche politische Gründe. Dabei spielt es keinerlei Rolle, ob es dazu nötig war, dass die CDU bei ihrer österreichischen Schwesterpartei ÖVP interchambrierte oder ob der Staatsanwalt und der Richter sowieso konservativ sind und daher in vorauseilendem Gehorsam zum besseren Wohle der CDU gehandelt haben.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.

Nur: Wie auch immer, die Übertretung von wesentlichen Regeln eines Strafprozesses aus politischen Gründen ist ein poltischer und Justiz-Skandal! Das gilt auch dann, wenn eventuell am Ende eines rechtsstaatlichen Verfahrens genau das gleiche Urteil herausgekommen wäre, das nun erging.

Nur gibt es eben auch ernsthafte Zweifel, ob die Tat überhaupt sachlich richtig gewürdigt wurde. Es gibt nämlich neben der fahrlässigen Tötung, die beim Geheim-Prozess-Urteil als zutreffend angesehen wurde, auch die grob fahrlässige Tötung.

Der Berichterstatter hat Rechtsanwälte befragt, was der Unterschied ist und einer hat sich bereit erklärt, den Unterschied zu beschreiben, ohne dafür Honorar zu verlangen:

Bei fahrlässiger Tötung ist eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen und eine Schmerzensgeld von 5000 Euro innerhalb der üblichen Grenzen, aber stark am unteren Ende. Bei grob fahrlässiger Tötung wird dagegen praktisch immer eine Gefängnisstrafe ausgesprochen, wenn auch im Fall unbescholtener Personen üblicherweise ausgesetzt zur Bewährung. In schweren Fällen gibt es dann allerdings auch keine Bewährung mehr.

Fahrlässige Tötung, so sagt er, ist, wenn man mit dem Auto in eine Vorfahrtstrasse einbiegt und ein vorfahrtsberechtigtes Auto dort übersehen hat, was zu einen Unfall mit einem Toten führt. Grob fahrlässige Tötung ist, wenn man mit 90 eine Vorfahrtstrasse ohne jede Rücksicht überquert und dabei einen Unfall mit einem Toten verursacht.

Fahrlässige Tötung ist, so sagt er, wenn man auf einer Landstrasse überholt, aber die Entfernung zum Entgegenkommenden unterschätzt hat, so dass man das überholte Fahrzeug schneiden muss, was zu einem Unfall mit einem Toten führt. Grob fahrlässige Tötung ist, wenn man auf einer Bundestrasse mit ununterbrochener Mittelline und Überholverbotsschild überholt und das gleiche passiert.

Fahrlässige Tötung ist (und dieses Beispiel ist hier besonders interessant), wenn man in der Dunkelheit an einer völlig unübersichtlichen Stelle ohne ausreichende Beschilderung in die falsche Richtung in eine der Fahrbahnen einer Schnellstrasse einbiegt (Geisterfahrer) und bereits nach 100 Metern mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstößt (und eine Person stirbt), ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, den Fluss der Fahrzeuge in die Gegenrichtung zu sehen. Grob fahrlässige Tötung ist dagegen, wenn man am hellichten Tag an einer übersichtlichen und korrekt ausgeschilderten Stelle gegen die Fahrtrichtung in eine der Fahrbahnen einer Schnellstrasse einbiegt und damit einen tödlichen Unfall verursacht, obwohl am Fluss der Fahrzeuge deutlich zu sehen war, dass man auf Geisterfahrt war.

Diese letzte Beispiel ist interessant, weil absolut ein Vergleich des Verhaltens von Althaus mit dem grob fahrlässigen Geisterfahrer möglich ist. Althaus ist ein leidenschaftlicher und erfahrener Ski-Fahrer, berichten die Zeitungen. Er muss also genau wissen, in eine kreuzende Skipiste gegen die Fahrtrichtung, nämlich bergauf, einzufahren ist extrem gefährlich und unverantwortlich.

Vielleicht handelt es sich bei dieser Kreuzung von zwei Skipisten um den Fall einer extrem unübersichtlichen Stelle, vielleicht haben die Behörden dort in Irdning keine vernünftige Beschilderung aufgestellt, aber das alles hätte eben in einem Gerichtsverfahren geklärt werden müssen, mit Öffentlichkeit, mit Zeugen, mit Gutachten und Gegengutachten und natürlich mit dem Angeklagten.

Das Ganze ist also ein extremer politischer Skandal und ein Justizskandal. Dazu kommt noch zu allem Überfluss, dass das Einverständnis der Familie der getöteten Frau offenbar mit einem aussergerichtlichen Abfindungsangebot in beträchtlicher Höhe erkauft wurde. Wenn selbst die „Süddeutsche“ fragt, ob sich Althaus da eventuell freigekauft hat, spricht das Bände.

In diesem Zusammenhang erwähnt eine andere Zeitung, Althaus verfüge über ein ansehnliches Vermögen. Da ergibt sich allerdings noch eine Frage: Er ist zu etwa 33.000 Euro verurteilt worden, was 180 Tagessätzen entspräche. Damit wird aber von einem Jahreseinkommen von grössenordnungsmässig 66 000 Euro ausgegangen. Wie lässt sich das mit einem deutschen Ministerpräsidenten-Gehalt zuzüglich von Einnahmen aus einem ansehnlichem Vermögen in Zusammenhang bringen?

Dazu kommt noch eine andere Fragestellung: Nach schweren Schädel-Gehirntraumas ist es absolut üblich, dass die verletzte Person noch über ein halbes Jahr schwere Störungen sowohl im Bereich des Gedächtnisses, im Bereich der Sprache und im Bereich der Konzentration und des konzentrieten Arbeitens hat, eventuell auch deutlich mehr als ein halbes Jahr. In einer nicht unbedeutenden Zahl von Fällen kommt der Patient gar nicht mehr auf seine ursprüngliche Leistungsfähigkeit zurück. Wie sieht die aktuelle Einschätzung der Ärzte aus? Man schweigt sich aus.

Es muss also befürchtet werden, dass sogar Althaus selbst ein Opfer ist. Ein Opfer von Intrigen der CDU, die ihn inzwischen zum Spitzenkandidaten für die bevorstehende Landtagswahl machte, eventuell auch noch im Einverständnis mit seiner Ehefrau. Es ist nicht auszuschliessen, dass sie mit dem Ministerpräsidenten verheiratet ist, nicht mit dem Menschen Althaus. Man stelle sich das nur vor. Wenn es so wäre, dann gilt: Wer eine solche Ehefrau hat, braucht keine Feinde mehr.



Veröffentlicht am 20. März 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 18. März 2009

Neue Krisen-Daten Deutschland

“Politisches und ökonomisches Desaster”

Von Karl Weiss

Am Samstag sind neue Krisen-Daten der deutschen Wirtschaft eingetroffen. Die wichtigste Zahl: Im Januar ist der Industrie-Umsatz in Deutschland gegen das Vorjahr um 20% eingebrochen. Einen besonders starken Einbruch hatte dabei die Investitionsgüterindustrie, in Deutschland die wichtigste Branche noch vor der Automobilindustrie.

Deutschland: Umsatzindex verarbeitendes Gewerbe 2007 bis 1/2009

Der Umsatz der deutschen gewerblichen Wirtschaft lag im Januar um ein Fünftel (19,7 %) unter dem Vorjahreswert, der Auslandsumsatz dabei sogar um 23,6 %. Das ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung. Die Automobilindustrie ging um 34,3 Prozent in den Keller, die Metallerzeugung und -bearbeitung um 30,0 Prozent und die Chemie um 27,2 Prozent. Der Umsatz der gewerblichen Wirtschaft fiel um 19,7%, die Produktion um 19,2% und die Aufträge – und das ist ein Desaster – um 35%.

Die Investitionsgüterindustrie hat in der Produktion ein Minus von 22,8% aufzuweisen. Damit hat diese Schlüsselbranche (noch vor der Automobilindustrie) innerhalb eines Jahres ihre Produktion um etwa ein Drittel zurückgefahren.

Das eigentlich noch bedenlichere als die Einbruchszahlen Monat für Monat gegenüber dem Vorjahr sind die Vergleiche mit den Vormonatszahlen. In Form von Graphiken zeigen diese Zahlen seit dem letzten August in allen diesen kritischen Industrie- und Wirtschaftsdaten einen steilen Absturz Monat für Monat, der bisher völlig ungebremst ist bzw. sich sogar teilweise noch beschleunigt.

Nur ein Beispiel: Der Umsatz, Monat für Monat, des verarbeitenden Gewerbes mit einer arbeitstäglichen und saisonalen Bereinigung zeigt für die erste Hälfte 2008 eine Stagnation mit einigem Auf und Ab und dann ab August nur noch einen immer steiler werdenden Absturz. Hier die Zahlen 2008 (in einem Vergleich mit dem Jahr 2005 als 100): August 122, September 118, Oktober 117, November 114, Dezember 106, Januar 98.

Der frühere Vize-Chef der Londoner Europäischen Bank für Entwicklung, Jürgen Jahnke, weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „... hier rächt sich, wie schon (...) bei den Auftragszahlen, die wahnsinnige deutsche Exportabhängigkeit, die Export- und Leistungsbilanzüberschüsse auf Kredit gegenüber den Defizitländern aufbaute. Ein Zurück zur Ausgangsposition wird nach Platzen der Kreditblase nicht mehr möglich sein.“

Angesichts dieser Zahlen und solcher Aussichten wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland für 2010 zu Beginn auf etwa vier Millionen geschätzt, zur Mitte des Jahres dann auf etwa 4,3 Millionen. Das sind wohlgemerkt bereits die geschönten Zahlen, die wirklichen werden sich dann bereits im Rahmen zwischen 7 und 10 Millionen bewegen, je nachdem, wen man mitzählt.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008

Der Kommentator der „Financial Times Deutschland“, Thomas Fricke, weist darauf hin, dass damit die „Agenda 2010“-Politik gescheitert ist, denn deren Berechtigung wurde ja aus der Behauptung hergeleitet, in Aufschwungphasen würde damit die Arbeitslosigkeit schneller abgebaut und in Abschwungphasen wie jetzt die Arbeitslosigkeit weniger wachsen. Diese Politik war im März 2003, also genau vor 6 Jahren, von Kanzler Schröder verkündet und danach umgesetzt worden und die „Grosse Koalition“ hat diese Politik konsequent weitergeführt.

Tasächlich wurden die Veränderungen in den Arbeitslosenzahlen praktisch nicht beeinflusst. Stattdessen wurde die Armut in Deutschland eingeführt und verbreitet und die Reallöhne verringert. Das wirkt sich jetzt in der Krise besonders negativ aus, denn die schon gesunkene und weiter sinkende Binnenachfrage kann den Abschwung nicht dämpfen.

Deutschland: Beschäftigung - Veränderung gegen Vorjahr

Fricke schreibt: „Deutschland steuert auf ein politisches wie ökonomisches Desaster zu. Die Arbeitslosigkeit droht im Einlösejahr 2010 höher auszufallen als zur Zeit von Schröders vollmundiger Agenda-Rede vor sechs Jahren. (...) Zurück auf Los. Dem Land droht ökonomisch wie psychosozial ein Desaster, wenn Kanzlerin und Finanzminister weiterträumen.“


Veröffentlicht am 18. März 2009 in der Berliner Umschau

Sonntag, 1. Februar 2009

Die SPD tritt ins Stadium der Hoffnungslosigkeit

„national“ und „sozial“

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Die letzten Äusserungen Münteferings zeigen so recht den aktuellen Zustand der SPD. Man verliert Mitglieder zu Hauf, man geht offenen Auges und bewusst auf die 20% der abgegebenen Stimmen zu und wird sie wohl bald bei einer Gelegenheit unterschreiten. Die tatsächliche Anerkennung bei den Bundesbürgern, wenn man alle Wahlberechtigten einbezieht, liegt bei unter 15% (siehe Landtagswahlergebnis im SPD-Land Hessen) und die Tendenz ist schwindend.

Da geht ein bestimmter Körperteil auf Grundeis. Es sind nicht nur schwerste Bedenken über die mögliche Zukunft der SPD angesagt, es wurde nicht nur die Phase des Entsetzens erreicht, man taucht bereits in die Hoffnungslosigkeit ein. Da fliesst einem dann schon mal der Mund über und man stellt eine konkurrierende Partei in die Nähe der Faschisten.

Der SPD-Vorsitzende Müntefering bezeichnete die Politik der Linken als „national“ und „sozial“. Das will eine bestimmte Assoziation hervorrufen und tut es. Wer jemand in Deutschland mit der Hitlerpartei vergleicht, muss er entweder wirklich gute Gründe haben oder er ist ein Demagoge der übelsten Sorte.

Nun, urteilen Sie selbst: Als Begründung führte er an, die Linke sei „ablehnend Europa gegenüber und stellt alle Bundeswehrsoldaten, die wir in die Welt entsenden, als aggressive Krieger dar.“

Hmm, Hmm, das kann nun jeder nachprüfen. Tatsächlich äusserte sich die Linke mehrfach gegen die jetzige neoliberale und aggressive Politik der EU. Was daran Ablehnung gegen Europa ist, weiss nur Müntefering – und Gott natürlich. Tatsächlich hat die Linke die Auslandseinsätze von deutschen Truppen, wie zum Beispiel gegen Afghanistan, kritisiert. Nur, das bezog sich niemals auf eine Einschätzung der Soldaten, sondern immer auf eine der Bundesregierung.

Das war auch Bushs Methode: Wer seinen Krieg im Irak kritisierte, sprach schlecht von den Soldaten. Man stelle sich vor, wie weit Müntefehring schon gesunken ist, um nun Anleihen bei Bush zu machen.

Bleibt nur noch Mitleid. Mitleid? Nein, mit diesem Pack nicht einmal mehr Mitleid!

Freitag, 30. Januar 2009

Mordanschlag auf Polizeidirektor: Staatsschutz gab Alibi

Extrem verdächtiges Alibi für die mutmaßlichen Täter

Von Karl Weiss

Der Fall Mannichl, der Mordanschlag auf den Polizeidirektor von Passau, wurde immer dubioser. Obwohl das Opfer, das nur überlebte, weil der Messerstich um einige Zentimeter das Herz verfehlte, von Anfang an gesagt habe, die Täter hätten rechtsextreme Parolen gerufen, wurde eine Kampagne losgetreten, die versuchte, das Opfer zum Täter zu machen. Jetzt weiss man auch, was diese Zweifel ausgelöst hat: Das extrem tatverdächtige NPD-Pärchen bekam von „Staatsschützern“ ein Alibi geliefert und wurde daraufhin freigelassen.

Jeder, der schon einmal auf einer Demonstration gegen eine NPD-Kundgebung oder eine andere faschistische Manifestation war, kann es bestätigen: Die Herrschaften von der extremen Rechten und die Polizei (oder große Teile der Polizei) agieren in verdächtiger Harmonie: Der Feind steht immer links. Linke oder bürgerliche Gegendemonstranten sind Ziele nicht nur der Faschisten, sondern z. T. auch der Polizei. Nur wenn es sich gar nicht mehr umgehen lässt, werden auch einmal Faschisten festgenommen, in der Regel immer nur, wer gegen den Faschismus ist.

So skandieren NPD-Faschisten bei solchen Gelegenheiten in letzter Zeit immer wieder die Parole: „Gegen Demokraten helfen nur Granaten!“, was nach deutschen Recht zur sofortigen Auflösung der rechtsextremen Versammlung führen müsste. Bis heute ist so gut wie keine solche Versammlung aufgelöst worden. Im Extremfall gibt es Zeugen, dass der Frankfurter Polizeipräsident in unmittelbarer Nähe stand und unmöglich diese Parole überhört haben konnte. Und? Nichts! Fragt man in einem solchen Fall den Einsatzleiter, warum er die Versammlung angesichts solcher Parolen nicht auflöst, grinst der nur, er habe nichts gehört. Um dann hinzuzusetzen „Aber Sie können ja vor das Bundesverfassungsgericht ziehen!“, und dann zusammen mit den umstehenden Polizisten in lautes Gelächter auszubrechen.

Ob das Verfassungsgericht weiss, dass es schon zur Lachplatte deutscher Polizisten geworden ist?

Doch es sind nicht nur Teile der Polizei, die in auffallender Weise auf der Seite von Faschisten und anderen Rechtsextremisten stehen – bis hinauf zu hohen Funktionären – sondern auch der Staatsschutz, d.h. Politische Polizei, BKA und Verfassungsschutz, die keinerlei Abstand zur faschistisch-rechtsextremistischen Szene wahren – um es vorsichtig auszudrücken.

Das ging so weit, dass beim Verbotsprozess gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht der Antrag auf Verbot abgelehnt wurde, weil einfach nicht mehr auseinanderzuhalten war, welche Aussagen und Taten von NPD-Mitgliedern und welche von „Staatsschützern“ stammten. Zwar behauptet die Regierung, diese „Unterwanderung“ diene der besseren Überwachung, aber zum Überwachen ist es nicht nötig, dass ein wesentlicher Teil der Mitgliedschaft aus gut bezahlten Bundesbeamten besteht und vor allem ein ausschlaggebender Teil der Funktionäre. Tatsache ist, die NPD würde zur Bedeutungslosigkeit absinken, wenn sie nicht von Staatsschützern „aufgemöbelt“ würde. Was die wirkliche Ursache für dieses „tragen“ faschistischer Organisationen ist, kann man nur ahnen.

Im Gegensatz dazu war der Polizeidirektor von Passau, Mannichl, ein bekannter Gegner der NPD, der nicht nur bereits faschistische Aufmärsche aufgelöst hatte, sondern auch in der Öffentlichkeit für ein NPD-Verbot eingetreten war. Damit hatte er sich anscheinend nicht nur Feinde bei der NPD, sondern auch bei jenen Teilen der Polizei und bei Staatsschützern gemacht.

Als nun das Attentat auf den Polizeidirektor geschah und alles auf jenes NPD-Paar als Täter hindeutete, das bereits Drohungen gegen Mannichl ausgestoßen hatte, kam wie aus heiterem Himmel die Aussage, „Staatsschützer“ hätten das Paar zur Tatzeit an anderem Ort gesehen. Das hätte angesichts der „Nähe“ von Staatsschutz und NPD bereits damals als verdächtig angesehen werden müssen. Doch das Paar wurde freigelassen und andere Personen aus der rechtsextremen Szene konnten nicht als Täter identifiziert werden.

Da begann eine Kampagne, z.T. von Presseorganen und Internet-Seiten, zum Teil von „Sprechern der Polizei“ und aus „polizeinahen Quellen“, die versuchten, das Attentat dem Opfer selbst in die Schuhe zu schieben. Es wurde gemutmaßt, der Polizeidirektor habe sich den Stich wohl selbst beigebracht oder es habe sich um eine Familienstreitigkeit gehandelt. Man benutzte dazu die Tatsache, dass die Tatwaffe aus Mannichls Haushalt stammt und deutete an, Mannichl habe den Anschlag auf rechtsextreme Täter abschieben wollen, um Familienmitglieder zu schützen.

Die Kampagne weitete sich aus, Bild, Welt und alles andere, was rechts Rang und Namen hat, begannen Gerüchtewesen zu betreiben. Da konnten natürlich Broder und das Blogunwesen um ihn herum nicht zurückstehen. Wenn es um die Verteidigung der NPD geht, sind jene schnell bei der Hand.

Das ging so weit, dass die bayerische Staatsregierung, selbst weit rechts stehend und daher solchen Gerüchten zugeneigt, die Sonderkommission zur Aufklärung des Falles auflöste und eine neue einsetzte, die „in alle Richtungen“ ermitteln sollte. Bis heute hat auch diese Kommission keinen Täter ausmachen können.

Erst nach all diesen Umtrieben kam heraus: Die Alibis für die beiden Hauptverdächtigen kamen aus „Staatsschutzkreisen“ und sind damit selbst verdächtig.


Veröffentlicht am 30. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 20. Januar 2009

Gewinner in Hessen? - Wo?

Es wird geschwindelt, dass es eine Art hat

Von Karl Weiss

Das Wahlergebnis in Hessen ist nicht, wie allenthalben behauptet, sehr hessen-spezifisch. Es reiht sich vielmehr nahtlos in alle Trends der letzten Wahlergebnisse ein. Der Haupttrend ist der Linkstrend, der sich hauptsächlich in der niedrigen Wahlbeteiligung, aber auch in der erneuten Wahl der Linkspartei in einem-West-Flächenstaat ausdrückt. Die angeblichen Sieger, wie die CDU mit Koch, sind in Wirklichkeit die Verlierer wie schon bei der Hessenwahl 2008.

Roland Koch

Wie üblich, wird nur in relativen Prozentzahlen der abgegebenen Stimmen argumentiert, so als ob es keinerlei Rolle spielen würde, dass die Zahl der Stimmen, die auf eine Partei fällt, das ausschlaggebende Ergebnis ist. Das ist reiner Schwindel!

Mit fast genau 61% Wahlbeteiligung ist ein Tiefpunkt in Landtagswahlen erreicht worden. Das als Sieg für die etablierten Parteien auszugeben, ist schon etwas kühn. Sowohl SPD als auch die CDU haben Stimmen verloren, so sieht kein Sieger aus. Die CDU hat Wählerstimmen verloren, hatte aber ihren Haupteinbruch schon bei den 08-Wahlen, konnte also nur schwerlich bereits im darauffolgenden Jahr erneut eine weitere Riesenpleite erleben. So schnell schießen auch die Hessen nicht.

Die SPD hatte bei den Wahlen im letzten Jahr kein so absolutes Desaster erlebt wie bereits bei anderen Wahlen, weil viele gegen Koch gestimmt hatten, um ihn für seine Ausländerhetze abzustrafen. Nun hat sie das eigentlich schon bei jenen Wahlen fällige Ergebnis nachgeholt – der freie Fall der Wählerstimmen für die SPD setzt sich insgesamt ungebremst fort und ist sogar noch stärker als bei der CDU – in Hessen, einem typische SPD-Bundesland, nähert man sich der 20%-Grenze der abgegebenen Stimmen! Das hat offensichtlich kaum etwas mit Frau Ypsilanti oder Herrn Schäfer-Gümbel zu tun, sondern ist der generelle Trend gegen die Parteien an der Regierung.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Noch letztes Jahr erhielt die SPD in Hessen fast genau 1 Million Stimmen, jetzt nur noch etwa 600 000 – sie hat 40% ihrer Wähler verloren – und das war bereits ein sehr niedriges Ergebnis, mit dem hier verglichen wird, für die SPD in Hessen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Auch die FDP und die Grünen feiern sich als Sieger, weil sie tatsächlich mehr Stimmen bekommen haben als vorher. Aber das ist nichts als der Oppositions-Bonus. Sobald einer von ihnen oder gar beide in die Regierung eintreten, werden sie das alles wieder verlieren.

Auch die Linke blieb fast bei ihrem Stimmergebnis, was eine leichte Zunahme in Prozenten (0,3%) wegen der gefallenen Wahlbeteiligung bedeutet.

Kurz: Das Ergebnis spiegelt fast jenes Ergebnis wieder, das es bereits im letzten Jahr gegeben hätte, wäre nicht der Sonderfaktor mit der Ausländerhetze damals dazugekommen.

Bemerkenswert, dass die Wahlbeteiligung in wenigen Monaten noch einmal deutlich um mehr als 3% abgefallen ist.

Sieht man sich die Prozentzahlen der Wahlberechtigten und nicht der abgegebenen Stimmen an, so hat man einen Eindruck, was die Deutschen (nicht nur in Hessen) von den etablierten Parteien halten.

Die CDU: 37,2% * 61% = 23% der Wahlberechtigten!
Die SPD: 23,7% *61% = 14% der Wahlberechtigten!
Die FDP: 16,2% * 61% = 10% der Wahlberechtigten!
Die Grünen: 13,7% *61% = 8% der Wahlberechtigten!

Das ist die wirkliche „Beliebtheit“ der Systemparteien!

Die beiden Regierungspartner der Großen Koalition erreichen zusammen (!) gerade mal 37% der Stimmen der Wahlberechtigten.

In einer wirklichen Demokratie wären alle diese Herrschaften abgewählt. Nur die spezifischen Wahlbestimmungen und eine gehörige Portion Ignoranz führt dazu, dass da Regierungskoalitionen geschmiedet werden, anstatt endlich von der Bühne abzutreten.


Veröffentlicht am 20. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 13. Januar 2009

Was geht in Deutschland vor?

Vorboten revolutionärer Zeiten

Von Karl Weiss

Ratlos, hilflos, ahnungslos – es gibt fast kein Wort mit „-los“, das nicht unsere heiß geliebte Politikerkaste in der jetzigen Situation beschreibt. Es wird deutlich, das sind Leute, die zwar im Geschäft innerparteilicher Intrigen Weltmeister sind, aber in der Verantwortung völlig überfordert sind, wenn die Dinge nicht mehr den gewohnten Gang laufen. Die Vorausschau, wieviel Prozent das deutsche Brutto-Inlandsprodukt 2009 in den Keller rutschen werde, ist nun zum dritten Mal in eineinhalb Monaten korrigiert worden. Nach den anfänglichen 0% wurde dann vor einem Monat die Voraussage auf -0,5% geändert und innerhalb des letzten Monats schon zweimal erneut, zuerst auf -1% und jetzt auf -3%! Das Wort erbärmlich drängt sich auf.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Zum Vergleich: Der Berichterstatter schrieb bereits am 1. Dezember 2006 im Artikel „Die Krise in Deutschland wird fürchterlich“: „Nicht einmal ein zweistelliger Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland ist völlig auszuschließen für einzelne Quartale im Jahresvergleich. Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.“

Und als Schlussfolgerung steht dort: „Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Doch kommen wir zum Konkreten:

Meldung vom 8.1.09: „Die deutschen Ausfuhren sind im November 2008 um 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gefallen. Das ist der stärkste Rückgang seit Beginn der gesamtdeutschen Ausfuhrstatistik im Jahr 1991.“

Meldung vom 9.1.09: „Der Auftragseingang in der Industrie ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Zweimonatsdurchschnitt Oktober/November 2008 um 22,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr eingebrochen. Die Auslandsaufträge stürzten um 26,4 Prozent ab, die Inlandsaufträge um 17,9 Prozent.“

Meldung vom 10.1.09: „In nur drei Monaten ist die deutsche Industrieproduktion saisonal bereinigt um 9 % gefallen, was einer Jahresrate von 36 % entspricht.“

Der Rettungs-Plan
Der Rettungsplan

Und dann ist da die Meldung vom 9.1.09, dass die Commerzbank (eigentlich Commerz- und Dresdner Bank) verstaatlicht wurden. Zwar betonte Frau Merkel, der man die Überforderung an ihrer Ausdrucksweise anmerkt, das sei keine Verstaatlichung, sondern eine Hilfe, aber in Wirklichkeit hat die Bundesregierung nun 25% (plus eine Aktie) an der zweitgrößten und drittgrößten Bank Deutschlands (zusammen die größte), was Sperrminorität bedeutet. Sie kann gegen jede Entscheidung im Aufsichtsrat Veto einlegen, was in der Konsequenz immer dazu führt, dass alle Entscheidungen in ihrem Sinne getroffen werden müssen.

Damit ist das deutsche Bankenwesen nun im Kern staatlich. Auch alle Landesbanken zusammen stellen noch einmal eine ähnliche Grössenordnung wie die vereinigte Dresdner/Commerz dar und dazu kommt das Netz von Sparkassen und anderen Banken mit wesentlichem Staatseinfluss, wie den Genossenschaftsbanken und Raiffeisenbanken. Dagegen bleibt nur die Deutsche und eine Anzahl von mittleren und kleinen Banken, die aber schon hoffnungslos in der Minderheit sind.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"
"Ich bin in Ordnung, bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Was musste der deutsche Steuerzahler dafür aufbringen? Diese Zahl und dieser Zusammenhang wird in den bürgerlichen Medien fast überall verschwiegen: Der Staat übernahm die Garantie für Werte von „faulen Papieren“ der beiden Banken im Wert von zusammen 304 Mrd. Euro!

Man will heute schon das Auffangnetz für die Banken im Gesamtwert von 500 Mrd. Euro vergessen machen, denn wer sich erinnert, wird dies mit der Grössenordnung des vorgesehenen Konjunkturpakets vergleichen: Die höchste bisher genannte Zahl ist 60 Mrd. Euro. Da wird doch der eine oder andere fragen: Also die hatten ganz locker 500 Mrd. Euro für bestimmte große Banken übrig, die zu den Finanzmonopolen gehören – und jetzt, wenn es darum geht, die Auswirkungen der Krise für den „kleinen Mann“ zu verringern, gibt es gerade mal 60 Mrd.?

Plötzlich haben die gleichen Politiker, die dies im Fall der 500 Mrd. Euro völlig „vergessen“ hatten, entdeckt, dass man ja dafür die Verschuldung des Staates erhöhen muss und malen mit fürchterlichen Szenarien die Schrecken einer übermäßigen Staatsverschuldung an die Wand. Doch warum sprachen sie nicht darüber, als sie die 500 Mrd.-Garantie gaben?

Nur zur Erinnerung, was der Betrag von 500 Mrd. Euro bedeutet: Mit einer Investition von etwa 1 Mrd. Euro kann man eine Automobilfabrik bauen, die mehrere Tausend Autos pro Tag herstellt (pro Tag!). Hier im Grossraum Belo Horizonte ist Fiat gerade dabei, diesen Betrag zu investieren, um die Kapazität ihrer Fabrik um mehrere Tausend Autos pro Tag zu erhöhen. Mit anderen Worten: Mit 50 Mrd. Euro könnte man 500 Autofabriken für je mehrere tausend Autos pro Tag auf die grüne Wiese stellen!

Das sind unvorstellbare Werte und eine Erhöhung der Staatsverschuldung in dieser Größenordnung wird diese wirklich unbezahlbar machen. Aber in Wirklichkeit ist sowieso nicht vorgesehen, diese Schulden je zu bezahlen. Der kapitalistische Staat entledigt sich seiner Schulden üblicherweise durch eine Hyperinflation und eine Währungsreform. So wie dies die deutsche Reichsregierung im Jahr 1923 tat, so wie dies die neugeschaffene Bundesrepublik mit der Währungsreform 1948 tat, die natürlich nicht Hitlers Schulden zahlen wollte, so wie dies nun Bernanke in den Vereinigten Staaten tut, der die Geldmenge bereits über alle vorstellbaren Grössenordnungen hinaus vermehrt hat, so wie dies der argentinische Präsident Menem mit seinem Finanzminister Carvalho tat, die ihre Währung einfach 1:1 an den Dollar ankoppelten. Der argentinische Staatsbankrott im Dezember 2001 ist inzwischen Lehrstück in allen Volkswirtschaftsbüchern.

Dollar Gasp

Doch die Voraussagen sind nicht die einzigen Anzeichen für die überragenden Fähigkeiten unserer Politikerkaste. Hatte bis Mitte Dezember noch alles vereint geschworen, es dürfe auf keinen Fall Steuererleichterungen für die Massen geben, denn das war Teil der Ideologie, die sie auswendig gelernt hatte (mit Ausnahme der CSU, aber das ist ein eigenes Kapitel), sind nun nach Angaben der Presse am 10.1.09 bereits Steuer- und Abgaben-Erleichterungen für den Konsumenten in Deutschland im zig-Milliarden-Bereich vorgesehen. Kurz: Unser Leben, unser Arbeitsplatz sind in besten Händen bei diesen super-kompetenten Politikern, wir können völlig beruhigt sein. Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln. Und morgen? Nur die Götter wissen es.

Dazu kommt, dass der Kapitalismus, das System, das in allen Ländern der Welt an der Macht ist, bereits in seinen Todeszuckungen liegt, zum Teil schon begonnen hat zu stinken und eigentlich schon hätte durch die weltweite sozialistische Revolution abgelöst werden müssen. Nur hat das Bewusstsein der Massen nicht mit der tatsächlichen Situation mitgehalten. Man kann allerdings davon ausgehen: Diese Krise wird, wenn auch nicht kurzfristig, diesem Bewusstsein einen deutlichen Schubs geben.

Die Alternative zum Sozialismus ist die kapitalistische Barbarei, gekennzeichnet durch Erscheinungen, die in den Ansätzen schon zu erkennen sind: Die grossen Unternehmen werden immer mehr zu kriminellen Organisationen und die kriminellen Organisationen werden immer mehr zu Gross-Unternehmen bei gleichzeitig abnehmender Bedeutung der Nationalstaaten: Warlord-Country.

So ist denn die Erbärmlichkeit der Politiker-Kaste nichts als ein Merkmal der Zeit: Mehr hat uns der Kapitalismus nicht mehr zu bieten: Wir sind wirklich auf dem Niveau der Herren Steinmeier und Westerwelle ankommen, der Frauen Merkel und Roth.

Darum ist nun angesagt: Stärken wir die Montagsdemonstrationen, gegen die Regierung, die Politiker dieses Systems und ihr Krisenmanagement. Oder wollen Sie dies alles wirklich tatenlos hinnehmen?


Veröffentlicht am 13. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 5. Januar 2009

Christliche Politik ist einfallsreich und klever

Das Wahljahr ist eingeläutet

Von Karl Weiss

Na ist es denn nicht schön? Die CDU/CSU, das sind wirklich christliche Parteien, nicht wahr? Das erfreut das Herz. Und vor allem – sie haben nichts mit Ausländerfeindlichkeit am Hut – nein, wirklich nicht – das wäre ja auch unchristlich. Da ist nur immer diese kleine Diskrepanz: Jedes Mal, wenn einer unserer allerchristlichsten Politiker die allgemein bekannte Tatsache heraus trompetet, dass Ausländer mehr Straftaten in der Bundesrepublik begehen als Deutsche, dann kommt da so ein kleinkarierter Schnösel von der Gegenseite (die Nicht-Christen!) und legt die statistischen Zahlen vor, die belegen, dass bei der Gesamtheit der Straftaten wie auch bei den meisten einzelnen Straftaten die Ausländer weniger beteiligt sind als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Singh, eines der Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Mügeln
Eines der Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Müggeln

Lediglich bei den typischen Straftaten organisierter krimineller Banden ist der Ausländeranteil leicht über dem an der Bevölkerung. Und das hat auch seine klaren Gründe: In Deutschland wird Bandenkriminalität nicht mehr systematisch verfolgt, sondern nur anhand von Einzelstraftaten, was deren Geschäft bedeutend erleichtert. Deshalb kommen Russen, Italiener und andere Mafia-Gruppen reihenweise nach Deutschland und erfreuen sich einer praktischen Nicht-Verfolgung.

Dass die christlichen Politiker diese Meinung vertreten, hat natürlich nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun, nein, weit gefehlt, das ist, weil wirkliche Christen eben gegen Straftaten sind und dann muss man natürlich die der Ausländer zuerst verfolgen, oder etwa nicht?

Nun haben aber die christlichen Politiker entdeckt, wie man die blöden Statistiken austrickst. Ja, die sind nicht nur christlich, sondern auch klever! Zwei der christlichen Politiker, einer von der sozialen mit Namen Ramsauer und der andere von der demokratischen Seite mit Namen Petke, haben DEN Vorschlag des Neuen Jahres gemacht: In Zukunft sollen bei allen Straftaten die Vorfahren der Täter untersucht werden und in der Statistik herausgestellt, wenn irgendeiner dieser Vorfahren aus einem anderen Land kam. So wird man dann schon deutlich machen, was ja das Gefühl schon sagt. Ein guter christlicher Deutscher stiehlt und mordet nicht! Die Ausländer und ihre Nachfolgegenerationen dagegen, das sind ja alles Muslims, wie man weiss, die haben doch die Verbrechen im Blut!

„Nein, nein, wir christlichen Politiker haben nichts gegen Ausländer, aber was wahr ist, muss wahr bleiben.“

Opfer der ausserländerfeindlichen Ausschreitungen in Mügeln
Opfer der ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Müggeln

Allerdings kommen da natürlich ein paar kleine Detailprobleme, aber dafür wird man schon eine Lösung finden. Das erste Problem ist, wie viele Generationen zurück man die Reinheit des deutschen Blutes verfolgen will. Am idealsten wäre es, wenn man alle bis zur Völkerwanderung zurückverfolgen würde. Dann würde sich klar herausstellen, in Deutschland wohnen mehr Ausländer als Inländer und dann könnte man endlich klar sehen: Es sind mehr Ausländerstraftaten als die von wirklichen reinrassigen Deutschen.

Nur: das funktioniert nicht, weil fast alle Familien- und Stammbücher im Dreissigjährigen Krieg verloren gegangen sind und man daher davor kaum noch was erforschen kann. Und sagen Sie nun bloß nicht, der Dreissigjährige Krieg sei ein Krieg von zwei christlichen Fraktionen gewesen. Der hatte überhaupt nichts mit dem Christentum zu tun, hören Sie?

Also wäre es angebracht, die Stammbäume zumindest bis zum Ende jenes Krieges, also 1648, zurückzuverfolgen. Dafür wären zwar in den Polizeirevieren insgesamt etwa 800 000 Personen einzustellen, die jene Arbeit der Ahnenforschung der Kriminellen übernehmen, aber damit hätten wir dann doch gleich das Konjunkturprogramm und brauchen uns überhaupt nicht mehr zu streiten. Es würde zig Milliarden kosten und würde eine Menge Arbeitslose von der Straße holen und gleich in die Volkswirtschaft fließen, das ist doch ideal!

Oder wir machen es noch einfacher und verlangen von jedem, der wegen eines Vergehens oder Verbrechens verurteilt wurde, seinen Stammbaum bis 1648 unaufgefordert abzugeben. Wenn er das nicht tut, ist er Ausländer! Dann wird sich klar herausstellen, die Straftaten werden überwiegend von Ausländern begangen!

„Nein, wir christlichen Politiker haben natürlich nichts gegen Ausländer, aber was wahr ist, muss wahr bleiben!“

Außerdem hat das noch einen anderen wunderbaren Vorteil: Alle jene Hugenotten aus Frankreich, die damals nach Deutschland strömten, würden dann auch gleich als das erscheinen, was sie sind: Ausländer. Alle jenen DeMaizieres und Lafontaines – ganz speziell natürlich die Lafontaines! Wussten wir nicht die ganze Zeit, dass dieser Lafontaine eine obskure Gestalt ist, na sehen Sie!

Und sagen sie jetzt nicht, die Hugenotten seien Christen gewesen, die von anderen Christen vertrieben wurden und in Deutschland Aufnahme fanden, die Hugenottenfrage hat nichts mit dem Christentum zu tun!

Und dann gibt es natürlich noch die Polaken, die im 19.Jahrhundert zu Tausenden ins Ruhrgebiet strömten. Da ist heute fast jeder zweite Nachname auf –ski oder –sky! Na da wird man doch wohl mal insistieren dürfen, das sind doch keine Deutschen! Außerdem wählen die -skys meistens Sozen.

Und kommen Sie mir nicht mit Podolski und Klose, deren Tore wir in der Nationalmannschaft bräuchten, Ausländer ist Ausländer! Überhaupt Klose, was ist das für ein Name, ist doch kein ehrlicher polnischer, oder?

Natürlich kann man die Sache auch vereinfachen und einfach bis zu den Grosseltern gehen: Wer auch nur einen von vier Grosseltern als Ausländer hat, ist Ausländer! Da haben wir allerdings das Problem, dass da die Nicht-Christen kommen werden und sagen, die Nazis hätten so definiert, wer Jude war: Wer auch nur einen Großelternteil als Jude hatte, war Jude. Aber wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns mit den Nazis vergleichen ließen? Ha, wäre doch gelacht. Auf die hetzen wir Henryk Broder und der erklärt, das seien Antisemiten – jawoll, so wird das gemacht!

Aber das mit den Grosseltern hat auch so seine schwache Seite: Die Unterschiede zur jetzigen Statistik werden gering sein und dann haben wir wieder nicht, was wir wollen.

Also bleiben wir doch beim Stammbaum bis zum dreissigjährigen Krieg, das hat doch zu gut gefallen, nicht zuletzt wegen Lafontaine!


Veröffentlicht am 5. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 27. Dezember 2008

Die Realität hinter dem Nebelschleier ...

...des „Rechtsstaates“: Der Fall Zumwinkel

Von Karl Weiss

Ab und zu lüftet sich der Nebelschleier, der über dem Rechtssystem im Kapitalismus wabert und „Rechtsstaat“ heißt. Zwar gibt es auch auch gerechte Verfahren, aber das war auch in der Sklavenhaltergesellschaft und im Feudalismus so. Interessant wird es immer, wenn einer der Herrschenden eine Straftat begangen hat und angeklagt wird (oder eben auch nicht). So wird der Fall Zumwinkel zum Menetekel an der Wand des angeblichen Rechtsstaates.

Zumwinkel, damals Chef der privatisierten ehemaligen Bundespost, wollte seine Millioneneinnahmen natürlich nicht voll versteuern – so wie alle Superreichen – und versteckte dementsprechend das Geld auf den bekannten Konten Liechtensteiner Banken, was für alle mit viel Geld Standard-Vorgehen ist. (Der Gerechtigkeit halber sei angemerkt, Liechtenstein ist keineswegs der einzige „sichere Hafen“ für Geld, das „der Aufmerksamkeit der Steuerbehörden entzogen“ wurde, da gibt es auch noch die Cayman-Inseln, die britischen Kanalinseln, die Bahamas und viele, viele andere Steuerparadiese.)

Diese Tatsache - die Superreichen entziehen fast all ihre Einnahmen dem Zugriff des Fiskus - ist Allgemeingut oder anders ausgedrückt: Jeder einigermaßen Informierte weiss das. Das trifft natürlich auch auf alle Staatsanwälte zu. Da Steuerhinterziehung – im Millionenbereich – eine mit Gefängnis bedrohte Straftat ist, hätten sie also aktiv werden müssen, um die Steuersünder – wie sie sich gerne verharmlosend bezeichnen lassen – zu fassen und die Lecks zu stopfen. Aber wie wir alle wissen, gab es praktisch nie Hinterziehungsverfahren gegen Mitglieder der herrschenden Klasse – lediglich Prominente , die nicht zu den Herrschenden gehören, wurden verfolgt, wie die Tennisspieler Steffi Graf und Boris Becker.

Kurz – im Kapitalismus herrschen die gleichen Regeln wie in den früheren Klassengesellschaften Sklavenhaltergesellschaft und Feudalismus: Die Herrschenden werden nicht der strafenden Hand des Gesetzes ausgesetzt. Das gilt für Steuerhinterziehung und auch für andere Straftaten, wie die Freisprüche oder faktischen Freisprüche für Graf Lambsdorff, Kohl, Esser, Ackermann, Strauss Junior und Hartz gezeigt haben.

Nun gibt es aber in Bochum eine leitende Staatsanwältin, Frau Lichtinghagen, die plötzlich einen Anfall von Rechtsempfinden bekam und hinter den Geldabflüssen in Steueroasen her ging. Interessant, dass es wiederum eine Frau ist, wenn Mut gefordert ist. Sie musste im Grunde wissen, sie würde dies bitter büßen müssen, denn all die Tausende von Staatsanwälten, die bewusst nicht tätig werden auf diesem Gebiet, wissen schließlich warum. Wie auch immer, Frau Lichtinghagen, die einzige mutige Person unter allen Staatsanwälten Deutschlands, ließ den Geldabflüssen auf jene Liechtensteiner Konten hinterher spüren, wurde fündig und klagte Zumwinkel und andere deutsche Superreiche an.

Eine Zeit lang schien dies auch gut zu gehen. Die Prozesse gegen eine gute Zahl von „hochherrschaftlichen“ Steuerhinterzieher fanden weithin Aufmerksamkeit. Doch jene Leute, die eben in Wirklichkeit herrschen, haben natürlich ihre Handlanger an den entsprechenden Schaltknöpfen, die ihnen solche „Lästigkeiten“ vom Halse halten.

Die erste entsprechende Information kam bereits vor drei Wochen, als bekannt wurde, ein Amtsrichter hatte „vergessen“, rechtzeitig Anklage zu erheben. Dadurch sei ein wesentlicher Teil des Zumwinkel-Hinterzugs verjährt und er könne nicht mehr zu Gefängnisstrafe verurteilt werden.

Dann kam die nächste Information: Frau Lichtinghagen sei angeklagt: Sie hätte bei der Auswahl von gemeinnützigen Organisationen „gemauschelt“, denen Geldstrafen zukommen gelassen wurden. Es blieb bei dieser allgemeinen Erwähnung, niemand konkretisierte, was man ihr eigentlich vorwarf und inzwischen ist klar, es gibt überhaupt keine Fehlverhalten von Frau Lichtinghagen. In Wirklichkeit hatten die Herrschenden ihr Verbindungen „spielen lassen“ und es begann ein Mobbing gegen Frau Lichtinghagen.

Es gibt überhaupt keine Regelungen für die Auswahl von gemeinnützigen Organisationen, denen Geldstrafen zukommen. Sie ist vollständig den Staatsanwälten und Richtern überlassen, die meistens dem Vorschlag der Staatsanwälte folgen. Dass irgendeine der Organisationen, die Frau Lichtinghagen vorschlug, etwa nicht gemeinnützig gewesen sei, hat nicht einmal jemand behauptet.

Es wurde gemobbt auf Teufel komm raus und ihre Vorgesetzten, ein Oberstaatsanwalt in Hamm und vor allem der nordrhein-westfälischen Justizminister, der in diesem Fall eine Ministerin ist mit dem Namen Müller-Piepenkötter, nahmen sie nicht nur nicht in Schutz, sondern schienen dahinter zu stecken. Nun ja, „christliche“ Regierung, was hatten Sie da erwartet?

Die „Financial Times Deutschland“ (FTD) drückt dies so aus:

„Steuerfahnder, mit denen Lichtinghagen eng zusammenarbeitet, und Mitarbeiter der Behörde sahen in der Schlammschlacht um die engagierte Staatsanwältin den Versuch, sie aus dem Amt zu drängen. Bereits zuvor hatte es geheißen, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum wolle die noch ausstehenden Ermittlungen abgeben. Mitarbeiter der Behörde hatten gegenüber der FTD von einer "Führung des Mobbings" bei der Behörde gesprochen. Kritische Mitarbeiter würden konsequent gemobbt, von "Leichen im Keller" war die Rede, von Kungeleien.“

Nun, man hat es geschafft: Frau Lichtinghagen ist enerviert und sagte, sie stimme jeglicher Lösung zu, wenn sie nicht wieder in jene Behörde müsse. Die Justizministerin verkündete nun, Frau Lichtinghagen wolle sich freiwillig versetzten lassen an ein kleines Amtsgericht.

Jeder kann sich ausmalen, wie die Prozesse gegen die Steuerhinterzieher nun weiter gehen. Wie üblich wird man die Verfahren gegen Geldstrafe einstellen oder nur Geldstrafen verteilen, die für die Betroffenen „peanuts“ sein werden. Den Film kennen wir, alle haben ihn schon gesehen.

Allerdings wird die deutsche Bevölkerung nun immer kritischer gegenüber diesen „Weisswaschungen“. Bei der Umfrage der FTD mit der Frage „Wie beurteilen Sie das Ausscheiden der leitenden Staatsanwältin in der Liechtensteiner Steueraffäre?“, antworteten 80% „empörend“. Die anderen Möglichkeiten waren „verständlich“ und „bedauerlich“.

Der Rettungs-Plan

Langsam aber sicher taucht die Wahrheit aus den Nebelschwaden des Poltiker-Gesabberes auf: Wir leben in keiner Demokratie, sondern in der Diktator des großen Kapitals in den Vorstandsetagen und Besitzervillen von Banken und Unternehmen. Sie ordnen an, wann der Steuerzahler ihnen 400 Milliarden Euro zur Rettung ihrer Banken zu übergeben hat und wann eine Staatsanwältin zu „entsorgen“ ist.


Veröffentlicht am 24. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Karl Weiss - Journalismus

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