Oekonomie

Donnerstag, 3. Juli 2008

General Motors könnte pleite gehen

Herabgestuft von Merryll Lynch

Von Karl Weiss

General Motors, basiert in den USA (GM, in Deutschland Opel), bis vor kurzem noch größte Automobilfabrik der Welt und vor drei Jahren noch größtes Industrie-Unternehmen der Welt, könnte nach Angaben eines Sprechers der Merryll-Lynch-Bank Pleite gehen. Gleichzeitig hat Merryll Lynch die Empfehlung von GM-Aktien von „kaufen“ gesenkt auf „unter Marktdurchschnitt“ und den erwarteten Aktienkurs von 28 Dollar auf 7 Dollar.



Solche offenen Worte in Verlautbarungen von Banken an Nachrichtenagenturen sind extrem ungewöhnlich. Da dies in bestimmten Fällen sogar zu Schadenersatzforderungen führen könnte, wird dieses Mittel nur in extremen Ausnahmefällen verwendet, wenn zu befürchten ist, die Manager eines betroffenen Unternehmens könnten bereits ihre Schäfchen ins Trockene bringen, während Aktionäre, Kunden und Beschäftigte im Regen stehen gelassen werden.

Die Verkäufe von Fahrzeugen im allgemeinen und von Pkw im besonderen sinken in den USA seit Monaten. Die Ursachen sind die steigende Arbeitslosigkeit und die steigende Zahl von prekären Arbeitsverhältnissen an der Gesamtzahl der Beschäftigten, die Millionen von Familien, welche die Monatsraten der Hypotheken nicht mehr aufbringen konnten und ihr Häuschen verloren haben oder kurz davor stehen, es zu verlieren und die Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abrutschen.

„Wenn die Bedingungen sich weiter verschlechtern für GM, ist ein Vergleichs- oder Insolvenzantrag im Bereich des möglichen.“ sagte der Analyst von Merryll Lynch, Murphy.

Die Aktien von GM haben in den letzten Monaten bereits die Hälfte ihres Wertes verloren. Am 1. Juli sanken sie noch einmal 7% im Wert. Merryll Lynch hat außerdem bereits zum dritten Mal in diesem Jahr die Schätzungen über die Verkäufe von Pkw in den USA nach unten korrigiert. Nach Meinung der Bank wird die Schwäche im Absatz sich auch 2009 fortsetzen.

Der Analyst stellte fest, es gäbe eine rasche Verminderung des Auto-Absatzes in Menge und Zusammensetzung und dies liesse GM rasch Kapital verlieren. Im Moment hält er etwa 15 Milliarden Dollar als zusätzliches Finanzpolster für GM für nötig, um Schlimmeres zu vermeiden, was allerdings auch zusätzliche Sicherheiten nötig machen würde. Auch andere Analysten hatten bereits auf zusätzlichen Finanzbedarf von GM hingewiesen, aber niemand hatte eine so grosse Summe genannt.

Ein Sprecher der GM reagierte hierauf, indem er sagte, bei einer weiteren Verschlechterung der Konditionen werde man neue „operationelle Massnahmen“ ins Auge fassen. Für 2008 sei die Liquidität gesichert.

Diese Meldung macht einmal mehr deutlich: Die Wirtschaftskrise hat gerade erst begonnen und wird sich weiter vertiefen. Wohin das am Ende geht, ist heute noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall sind alle Pfeiffereien im dunklen Wald, die behaupten, „das Schlimmste sei überstanden“, reines Wunschdenken.

Viele kleine und mittlere Anleger haben sich von den beruhigenden Worten einlullen lassen und ihre Aktien nicht abgestossen. Jetzt beginnen sie, massiv Geld zu verlieren.

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Einschätzungen, die auf Tatsachen und nicht auf Wünschen basieren, übereinstimmend von dem Abrutschen in eine schwere Weltwirtschaftskrise ausgehen, die sich von den USA über die anderen Länder ausbreiten wird, wobei der Grad der Betroffenheit durchaus unterschiedlich sein mag.


Veröffentlicht am 3. Juli 2008 in der Berliner Umschau


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

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"25% Fall des Dollars?"

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"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

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"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

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Montag, 26. Mai 2008

Rettet Brasilien den Ölpreis?

„Alles was besteht, ist Wert, dass es vergeht“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des New Yorker Wall Street Journal vom 23. Mai 2008 wird die Erwartung geäußert, die riesigen neu entdeckten Vorkommen durch die brasilianische Petrobras könnten dem knapper werdenden Öl den nötigen Nachschub verschaffen, um den Ölpreis im Zaum zu halten. Das ist aber eine eher vage Hoffnung. Währenddessen überstieg der Erdölpreis, vor wenigen Monaten noch bei 70 Dollar, die Grenze von 135 Dollar pro Barrel.

Brasilien (topographisch)

Wie bereits berichtet (hier und hier), wurden in den letzten Monaten zwei riesige und ein mittleres Feld von Erdöl vor der brasilianischen Küste gefunden. Es handelt sich um sogenannte Unter-dem-Salz-Ölfelder, die im Prinzip an mehreren Stellen der Welt bekannt sind, aber bisher noch nie erschlossen werden konnten. Sie liegen weit draußen im Meer. Eines der Felder, dessen geschätzte Kapazität in der vergangenen Woche bekanntgegeben wurde (eines der größten, das je gefunden wurde), liegt 250 km vor der Küste. Die Wassertiefen sind dort 2000 m oder noch mehr. Das Öl liegt aber nicht kurz unter dem Meeresboden. Dort finden sich vielmehr beträchtliche Salzschichten, die wegen ihrer Löslichkeit in Wasser zu gewaltigen Druckschwankungen neigen. Erst weitere zwei Kilometer unter dem Meeresboden trifft man das Öl an.

Die halbstaatliche brasilianische Petrobras und eine Anzahl von spezialisierten Firmen, die in Niteroi oder Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro angesiedelt sind, haben in den letzten zwei Jahrzehnten Methoden entwickelt, wie man in großen Meerestiefen nach Öl bohren und Öl fördern kann und im letzten Jahrzehnt auch, wie man Öl finden und pumpen kann, das weit unter dem Meeresboden liegt. Allerdings sind die Schwierigkeiten der Ausbeutung von Unter-dem-Salz-Ölfeldern bisher nur teilweise bekannt und man muss mit unangenehmen Überraschungen rechnen, die einen Förderbeginn beträchtlich verzögern können.

Logo Petrobras

Selbst wenn das nicht eintritt, kann man kaum vor 2020 damit rechnen, dass diese drei Felder nennenswert fördern werden. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssen, sind beträchtlich. Allerdings hat sich die Petrobras-Aktie seit den ersten Gerüchten über grosse Ölfunde raketenhaft entwickelt. Nicht zuletzt daher auch das Interesse des Wall Street Journal an dieser Entwicklung. Wer im Oktober 2007 für eine Million Dollar Petrobras-Aktien gekauft hat, hat heute zweieinhalb Millionen an Wert auf dem Konto

Und das bei einem Konzern, der noch zu über der Hälfte dem brasilianischen Staat gehört. Jedenfalls hat die Wertsteigerung des Konzerns dazu geführt, dass die Milliardenbeträge zum Erschliessen der Felder zur Verfügung stehen. In allen drei Fällen ist die Petrobras jeweils Führer eines Konsortiums, das auch andere Ölgesellschaften einschliesst, so zum Beispiel die portugiesische Galp Energia.

Die Petrobras ist heute eine der Firmen mit dem höchsten Wert in den Amerikas und hat bereits Microsoft und General Electric hinter sich gelassen.

Erdöl 1

Sollten sich alle Erwartungen erfüllen, könnte Brasilien in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts sogar Venezuela als größten lateinamerikanischen Ölförderer überholen.

Nur- dies alles hilft im Moment nicht im geringsten, das Hoch des Erdölpreises zu stoppen. Vor etwa sieben Jahren wird nicht ein Tropfen Öl aus den neuen Feldern kommen und bis dahin wird sich das Geschick des Ölpreises schon entschieden haben, so oder so.

Es rächt sich nun das Vertrauen in die bürgerlichen Ökonomen für alle jene Länder, die von importierten Produkten auf Erdölbasis abhängig sind, aber nicht in alternative Energien investiert haben, so wie die meisten entwickelten Länder Europas (mit Ausnahme Schwedens), die USA und Japan: Ihre Ölrechnung wird gewaltig ansteigen. Bisher war das noch nicht der Fall, weil in diesem Geschäft mit langfristigen Verträgen gearbeitet wird. Wenn aber ein Preis des Rohöls von über 130 Dollar pro Barrel breit wirksam werden wird, wird das Heulen und Zähneknirschen allgemein sein.

Einige Beobachter sprechen aber bereits von Ölpreisen von 150 Dollar oder 200 Dollar in nicht allzu ferner Zukunft. Das würde alles über den Haufen werfen, was bisher so liebevoll geplant wurde.

Was man an Preissteigerungen an den Zapfsäulen sieht , ist noch gar nicht die erhöhte Rechnung, sondern einfach die Vorwegnahme und Mitnahme von Profiten durch die Ölkonzerne. Die erhöhte Rechnung wird erst gegen Ende des Jahres und mit voller Wucht 2009 kommen. Dabei wird es dann nicht nur um hohe Benzin- und Dieselpreise gehen, sondern auch um eine generelle Inflation, weil der Transport überall teurer wird, was sich auf fast alle Produkte auswirkt.

Dies, während sich gleichzeitig die Wirtschaftskrise über die Länder ausbreitet. Schnell wird deutlich werden: Die Zentralbanken können machen, was sie wollen, es wird immer falsch sein. Erhöhen sie die Zinsen, um die Inflation im Zaum zu halten, vertiefen sie die Wirtschaftskrise, erniedrigen sie die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, werden sie eine galoppierende Inflation bekommen, tun sie gar nichts, bekommen sie beides: Wirtschaftskrise mit Inflation.

Die bürgerlichen Ökomomen hatten uns immer wieder eingetrichtert: Alles bleibt, wie es ist! Grosse Veränderungen wird es nicht geben. Es braucht nicht auf alternative Energien umgestellt zu werden!

Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 40 Dollar pro Barrel zurückgehen. Später dann: Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 70 Dollar pro Barrel zurückgehen. Noch vor einer Woche versicherten alle: Das Übersteigen von 120 Dollar war nur zeitweise, bald wird sich die Spekulation gelegt haben.

Doch nun wird es langsam allen Beteiligten klar: Die bürgerlichen Ökonomen stehen in der Unterhose da, mit Nasen so lang wie Pinocchio. Nichts wird mehr so sein , wie es war. Der gute alte Karl Marx hat einmal wieder Recht behalten: “Alles, was besteht, ist Wert, dass es vergeht.“

Karl Marx

Es wird immer deutlicher: der Kapitalismus hat keine Lösung zu bieten, für keine einzige Frage der Menschheit, lediglich die Profite der Reichen, die werden (fast) unangetastet bleiben.

Veröffentlicht am 26. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 22. Mai 2008

Warum wurde Nokia geschlossen?

Streik ist die einzige wirksame Waffe

Von Karl Weiss

Das Nokia –Werk in Bochum wurde am 16. Mai geschlossen. Die Belegschaft von 2300 Personen wird fast vollständig entlassen – tröpfchenweise. Jetzt gibt es eine Einigung von Nokia mit der Landesregierung, etwa 30 Millionen für „Arbeitsplatzbeschaffungen“ zur Verfügung zu stellen.

Sozialprotest DGB

Die Schließung des Nokia-Werks hat zum weiteren Mal die Maschinerie der Werksleitungen, Politiker, Medien und rechten Gewerkschaftsführer gezeigt, die in holder Eintracht am gleichen Kunstwerk arbeiten: Werke schließen, ohne dass die Arbeiter zu streiken beginnen. Die Rollen sind vom ersten Tag an verteilt. Die Bosse stellen sich stur (In Wirklichkeit ist längst vereinbart, was sie werden zahlen müssen – jedenfalls in der Grössenordnung). Die Politiker scheinen wütend und versprechen, die Interessen der Arbeiter zu vertreten. Die rechten Gewerkschaftsführer sind vom ersten Tag an stinksauer und voller Wut, sorgen aber gleichzeitig dafür , dass nicht gestreikt wird.

Denn - das hat sich am Beispiel des selbständigen Streiks von 10 Tagen bei Opel Bochum im Jahr 2005 gezeigt, der Streik mit Werksbesetzung („kein Produkt geht raus“) ist das einzige Mittel mit Aussicht auf Erfolg gegen Arbeitsplatzvernichtung. Das Opel-Werk in Bochum ist bis heute in Funktion, so sehr war allen da oben damals der Schreck in die Glieder gefahren, als die Arbeiter auf Streik entschieden und die Werkstore mit Gabelstaplern blockierten. Hinter den Kulissen wurde auf Hochtouren „Politik gemacht“ und nach 10 Tagen, als der Streik ausgesetzt wurde, war der Schließungsplan schon vom Tisch.

Ein modernes Werk wie das von Opel oder von Nokia in Bochum schafft pro Tag so viel Profit für die Kapitaleigner, dass ein Streik mit Werksbesetzung bereits innerhalb von Tagen weit mehr kostet als man durch die ganze Schließung überhaupt gewinnen kann. Deshalb ist dies Mittel so wirksam.

So lief aber bei Nokia alles ab wie bei AEG in Nürnberg und bei Infineon in München-Perlach. Streik wurde verhindert mit immer neuem „Warten wir erst einmal ab ...“ und am Ende „kämpft“ man um Abfindungen, die bereits am Anfang feststanden. Wie üblich, gibt es bei Nokia eine „Beschäftigungsgesellschaft“, doch die Erfahrungen damit sind nirgends gut. Nur für die wenigsten finden sich neue Arbeitsplätze, speziell die Älteren haben keine Chance.

Manche mögen neidisch auf die Abfindungen sehen. Einige Zig-Tausend Euro scheint eine Menge Geld. Aber die Arbeiter werden bald ernüchtert sein: Die Abfindung wird auf das Arbeitslosengeld im ersten Jahr angerechnet . Am Ende jenes Jahres ist es meist schon verbraucht. Wenn es nicht verbraucht ist, kommt es noch schlimmer, man bekommt nicht einmal Arbeitslosengeld II, denn zuerst muss „Vermögen“ aufgebraucht werden. So stehen fast alle nach eineinhalb Jahren auf blankem Hartz IV. Seit uns der SPD-Senator Sarrazin vorgerechnet hat, von welchem Frass wir leben müssen mit Hartz IV und nur Wasser trinken, weiss auch der letzte, das zahlt nicht einmal das Nötigste.

Hartz-Protest 02

Siehe zu Hartz IV auch die unten aufgeführten Artikel zu diesem Thema.

Und – das wichtigste: Die Arbeitsplätze sind verloren für die Jungen, die sie unbedingt gebraucht hätten. So ist das Gemeinschaftswerk der Bosse, der Politiker, der Medien und der rechten Gewerkschaftführer nicht nur eine sich stets wiederholende Farce, sondern auch ein Verbrechen.

Im Fall Nokia war die Schauspielerei besonders gekonnt inszeniert. Wer auch in der Politik etwas zu sagen hatte, zeigte sich „empört“ und forderte alles mögliche, nur eben keinen Streik. Es wurde sogar einem Boykott der Nokia-Handys das Wort geredet und in einer spekatakulären Aktion eine kleiner Haufen Nokia-Handys zerstört. Alles Inszenierung. Es ging nur darum, vom Streik abzulenken. Auch die Demonstrationen wurden von Politik und Gewerkschaftsführung dirigiert. Niemand durfte sprechen, der eventuell zum Streik hätte aufrufen können. Auch die Lichterkette: Alles, nur nicht Streik.

Die Betriebsratsvorsitzende Achenbach, SPD-Mitglied, machte sich besonders um den Betriebsfrieden verdient. Sie scheuchte Flugblattverteiler am Werkstor eigenhändig weg und beschimpfte sie.“Wir brauchen hier keine MLPD, die ihr Süppchen kochen will“. Die Flugblätter der MLPD hatten den Weg zum Streik dargelegt und die Erfahrungen von Opel berichtet. Wer in Wirklichkeit sein Süppchen kochte, waren die Nokia-Bosse in holder Eintracht mit ihren Lakaien, den Politikern, den Medien und den rechten Gewerkschaftsführern.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung machte diesmal sogar eine Sondereinlage und forderte medienwirksam die Rückzahlung der Subventionen von insgesamt 60 Millionen Euros (aktueller Wert), die man zusammen mit dem Bund aufgebracht hatte. Mancher mag geglaubt haben, unter dieser Drohung würde Nokia eventuell einknicken. Aber man hatte nicht durchschaut: Alles eingeübtes Theater. Man hat sich längst geeinigt, in welchem Rahmen die Firma zu zahlen haben wird an Abfindungen und Rückzahlungen. Doch die Illusion hielt vom Streiken ab.

Dann wird (wie üblich) argumentiert, mit dem Streik würde das Werk nur umso schneller geschlossen, doch die Erfahrungen sprechen das Gegenteil: Es muss unbedingt bis zum letzten Tag voll gearbeitet werden!

Wieder und wieder hämmerten die Medien in die Köpfe der unbedarften Leser und Zuhörer: Das Werk wird nach Rumänien verlagert, dort sind die Löhne niedriger. Aus einem Interview mit dem rumänischen Premier Popescu geht aber u.a. hervor: In Rumänien werden überhaupt nicht die gleichen Produkte hergestellt wie in Bochum.

Es geht Nokia gar nicht um die absolute Höhe der Löhne. Für einen Kapitalisten interessiert nicht, ob die Löhne hoch oder niedrig sind. Für ihn zählt nur, was für ihn dabei herauskommt: Er rechnet mit Lohnstückkosten, das heisst, was pro Euro gezahltem Lohn für ihn dabei an Profit entsteht. Es ist eine Legende, in Deutschland hätten wir hohe Lohnstückkosten. In Europa liegen wir im Mittelfeld mit der starken Tendenz zum unteren Rand. Warum? Deutsche Arbeiter sind extrem effektiv. Das zählt weit mehr als die Stundenlöhne. Dazu sind die Reallöhne in den letzten Jahren gewaltig gesunken.

Lohnstückkosten

Im Vergleich mit Entwicklungsländern (und in diesem Sinne muss Rumänien als Entwicklungsland gelten) sind die Lohnstückkosten in Deutschland meist niedriger oder bestenfalls auf gleicher Höhe, denn dort finden sich nur selten ausgebildete Arbeiter mit einem hohen Verständnisniveau für komplexe Produktionsvorgänge. (Näheres hierzu steht auch im „Dossier Arbeitsplätze und Lohnniveau".)

Die immer wieder wiederholte Behauptung, es würde nach Rumänien verlagert und die angeblich so hohen deutschen Löhne seien der Grund, ist nichts als ein Märchen für Leichtgläubige.

Aber warum wurde dann das Bochumer Werk geschlossen? Nokia macht sich den „Kreislauf der Subventionen“ zu Nutze. Einige nannten das „Karawanenkapitalismus“ oder „Subventionsheuschrecke“ . Von Zeit zu Zeit werden Werke geschlossen, wenn man gerade sowieso hohe Neuinvestitionen für eine neue Produktlinie machen müsste. Man kündigt einfach an einem anderen Ort die Neuinvestitionen an oder sogar ein neues Werk und sahnt dort die Subventionen ab. Näheres zum Subventionskarussel hier.

Die Gesamtinvestitionen für das eigentliche Werk in Bochum (was also nicht mitgenommen werden kann)werden auf 120 Millionen geschätzt und wir haben schon gehört, die Subventionen waren 60 Millionen und zusätzlich ein ungenannter Betrag von der EU. Alles, was beweglich ist, wird Nokia sowieso abtransportieren, die restlichen Investitionen sind also nicht verloren, aber an einem anderen Ort wird man wieder ein Werksgelände geschenkt bekommen, für das eigentliche Werk mehr als die Hälfte durch Subventionen reinholen und dann auch noch Steuerbefreiungen und andere Vergünstigungen bekommen.

So holt man aus den Steuerzahlern das meiste Geld für die eigenen Subventionen heraus und minimisiert bis ins Extremste die Kosten der Produktionswechsel, die gerade bei schnell wechselnden Artikeln wie Handys einen besonders hohen Anteil an den Gesamtkosten haben.

Die Zahlung von Abfindungen und jetzt auch 30 Millionen für neue Arbeitsplätze sind „peanuts“, Kleinigkeiten, die eine Nokia aus der Portokasse zahlt. Dazu kommt, die „neuen Arbeitsplätze“ werden wieder in Form von Subventionen an hoch profitable Konzerne vergeben werden, also die Perpetuierung des Subventionskarussels.

Die Schätzungen eines Fachmannes, den der Autor dazu befragen konnte, sind etwa folgende: Ein modernes Werk mit 2300 Beschäftigen, das zusätzlich noch Modeprodukte produziert wie Handys, schafft um die 10 Millionen Euro Profit am Tag (am Tag!). Hier handelt es sich nicht um den ausgewiesenen Gewinn (der wird nur aus Steuergründen errechnet), sondern um den wirklichen Profit (ein ähnlicher Wert wie jener, den die bürgerlichen Ökonomen „Rohertrag“ zu nennen pflegen). Ein Streik von nur 10 Tagen hätte also um die 100 Millionen Euros Verlust gebracht. Das ist weit mehr, als man nun zahlt und in anderen Werken an Subventionen einstreichen kann.

Man bedenke nur: Land, Bund und EU bezahlten mehr als die Hälfte des Werks und nun kann Nokia es verkaufen und bekommt schon wieder Bares in die Kasse. Am Ende hatte man keinen Heller Kosten für das Werk selbst, nur für die Ausrüstung, die aber mitgenommen wird. So lohnt es sich nicht, lange an einem Standort zu bleiben, man macht den berühmten Reigen: Wandern, wandern, von einem Ort zum andern - - - und an jedem Ort regnet es Subventionen.

Warum extrem profitträchtige Konzerne wie Nokia von unseren Steuergeldern zig Millionen an Subventionen bekommen, das haben die Medien, die „empörten“ Politiker und die „besorgten“ rechten Gewerkschaftführer uns bis heute nicht erklären können.


Veröffentlicht am 22. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originaleröffentlichung


Artikel zur Hartz IV im Blog:

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

" Hartz-IV-Empfänger müssen im Dunkeln sitzen, kalt duschen und Wasser trinken "


Zusatz zum Artikel

Ein Satz des Artikels ist missverständlich und soll daher hier klargestellt werden: "So lief aber bei Nokia alles ab wie bei AEG in Nürnberg und bei Infineon in München-Perlach. Streik wurde verhindert..."
Das könnte so verstanden werden, dass auch bei AEG und Infineon nicht gestreikt wurde. Dort wurde aber sehr wohl gestreikt. Allerdings war es bei AEG nur ein Streik um bessere Abfindungen und und nicht verbunden mit Werksbesetzung. Bei Infineon wurde mit brutalen Polizeieinsätzen die Besetzung des Werkes verhindert.

Freitag, 9. Mai 2008

Die Lebensmittelkrise und der Bio-Sprit

Wie man von den wirklich Verantwortlichen ablenkt

Von Karl Weiss

Die Lebensmittelpreise steigen und die Suche nach den Verantwortlichen hat begonnen. Allenthalben kann man hören und lesen: Der Biosprit (Alkohol als Benzinersatz und Biodiesel als Diesel-Ersatz) sei für die gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich. Im Auftrag oder im Interesse gewisser Konzerne wird das Märchen erzählt, die (bisher noch gar nicht ernsthaft eingeleitete) Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien sei der Grund für die (bereits heftig stattfindende) Erhöhung der Verkaufspreise von Lebensmitteln, vor allem von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen, Bohnen, Soja usw. Wie kann es sein, dass zukünftige, noch in Planung befindliche Aktionen in den vergangenen Monaten Preise getrieben haben könnten?

Brasilien (topographisch)

Die Großkonzerne der Energieerzeugung, der Ölindustrie und der Automobilindustrie sind intensiv daran interessiert, dass bezüglich der Verwendung von fossilen Energiequellen (Kohle, Erdgas, Erdöl) alles beim Alten bleibt und Energiegewinnung und Transport auf der Verbrennung dieser Stoffen beruhen. Das – so stellt sich das für einen Manager aus diesen Industriezweigen dar – garantiert die Monopolstellung dieser Konzerne und damit ihren Monopolprofit. Sie haben zwar nichts gegen ein paar kleine alternative Versuchsanlagen, mit denen man die öffentliche Meinung zu beruhigen sucht, aber wirklich umstellen, nicht daran zu denken!

Da nun aber die Klimakatstrophe aufgrund der globalen Erwärmung, verursacht durch eben jene Verbrennung, bereits ihre ersten Anzeichen sehen lässt (Birma-Myanmar lässt grüßen), brauchen sie eine umfangreiche Propagandamaschinerie, um gegen alternative Energien vorzugehen. Speziell zu diesem Zweck halten sie sich Organisationen, bezahlen Wissenschaftler, Nicht-Regierungs-Organisationen und setzen grosszügige Medienanzeigen, um „im redaktionellen Umfeld“ entsprechende Sendungen und Artikel zu finden.

Globale Erwärmung

Eines der wichtigsten Ziele ihrer Konter-Propaganda sind dabei die Bio-Sprit-Planungen. Um diesen den Garaus zu machen, müssen schwere Geschütze aufgefahren werden, sonst bestünde die Gefahr, dass man bald weniger von seinen nun unschlagbar profitablen Hauptprodukten Benzin und Diesel absetzt. Man stelle sich vor, die Kosten der Herstellung sind fast die gleichen wie bei einem Rohölpreis von 62 Dollar pro Barrel vor drei Jahren und jetzt kann man sich mit den gleichen Kosten auf einen von 120 Dollar pro Barrel beziehen – und das ergibt alles reinen Profit! Da bleibt natürlich Geld für ausgebiebige Propagandamassnahmen übrig.

Treffende Karikatur

Da ergab es sich nun, dass seit einigen Monaten die Preise von Lebensmitteln steigen, speziell Grundnahrungsmitteln – und das zum Teil massiv! Was liegt da näher als zu behaupten, die Biosprit-Pflanzen hätten Agrarflächen gestohlen und dadurch diese Preissteigerungen verursacht?

Und schon beginnt die Propagandamaschine zu rotieren. Seit Wochen werden wir nun von verschiedenen Seiten mit dem Märchen beglückt, der Biosprit sei an Lebensmittelpreis-Steigerungen schuld. Eine der ersten Stellen, die dies behaupteten, war die UN-Organisation für Nahrungsmittelsicherheit. Nur hat man vergessen zu sehen, dass sich die UN fest im Griff der Regierung der Vereinigten Staaten und der von ihr repräsentierten Konzerne befindet. Also kein Wunder, dass gerade sie den Vorreiter im Märchenerzählen machten.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Als Nächstes hörte man Ähnliches vom Internationalen Währungsfond, ebenfalls eine Organisation unter vorwiegendem US-Einfluss. Dann kamen scheinbare Umweltschutz –NGOs (Non-governamental organizations) wie Greenpeace und „Rettet den Regenwald“, um ins gleiche Horn zu stossen. Bei beiden Organisationen scheint es sich um kapitalistische Unternehmen zu handeln, die aus dem Umweltschutz ein Geschäft gemacht haben.

Man braucht nur einmal die Web-Sites der beiden Organisationen ansehen, da wird viel von allen Möglichen Aktivitäten berichtet, aber es wird an keiner Stelle gesagt, wie sich all dies finanziert. Beide behaupten nicht einmal, sie würden sich nur aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden von Privatpersonen finanzieren. Nicht eine Rechnungslegung über Geldeingänge und -ausgänge ist zugänglich. Da darf man vermuten, es gibt da etwas zu verbergen.

Natürlich belegt dieses Zusammenkommen von Aktivitäten im Sinne bestimmter Konzerne mit dem Vorhandensein von offenbar gut fließenden Mitteln noch nicht, dass die beiden Organisationen an der finanziellen Leine solcher Großkonzerne hängen. Es ist auch möglich, dass man aus Unkenntnis handelt und sich übertölpeln hat lassen.

Doch damit nicht genug, nun kommen auch „Wissenschaftler“ ins Spiel, die sich bekanntermassen besonders leicht gegen geringe „Unterstützung“ vor den Karren von Grosskonzernen spannen lassen. Da wird zum Beispiel „wissenschaftlich“ nachgewiesen, dass der Energieverbrauch (mit CO2-Ausstoss) für die Herstellung von Biodiesel aus dem Anbau von Raps, Palmöl oder Soja oder für Alkohol aus Mais höher ist als die Energiemenge (ohne CO2-Ausstoss), die gegenüber fossilen Rohstoffen eingespart würde. Dabei hat man nur „aus Versehen“ vergessen, die Energiemengen abzuziehen, die von den vorher auf jenen Feldern angebauten Pflanzen verbraucht wurden (die natürlich im wesentlichen genauso gross sind wie die von Raps, Palmöl, Soja und Mais).

Regenwald

Eine andere Untersuchung belegt bis ins kleinste, dass der Schaden bezüglich der globalen Erwärmung, den ein Sojafeld im Amazonasurwald anstellt, höher ist als der Vorteil, der sich aus dem geringeren CO2-Ausstoss bei seiner Verbrennung als Bio-Diesel ergibt. Diese letzte „wissenschaftliche Erkenntnis“ hat sich in einer Zeitschrift „Science Magazin“ versteckt, was so ähnlich klingt wie die renommierte „Science“. Selbstverständlich ist diese „ Erkenntnis“ eine Binsenweisheit.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Allerdings hat sich bisher noch kein Wissenschaftler gefunden, der wirklich ernsthaft behauptet hätte, es gäbe irgendeinen wissenschaftlichen Nachweis für einen Zusammenhang von Biosprit mit Lebensmittelpreiserhöhungen. Na, man kann erwarten, auch dafür findet sich noch irgendein verdrehtes Argument.

Was hat wirklich die erhöhten Lebensmittelpreise verursacht?

1. Der Hauptgrund sind die massiven Agrarsubventionen, mit denen Europa, die Vereinigten Staaten und Japan ihre inländischen Grossagrarier beglücken, was dazu führt, dass Riesenmengen von subventionierten Agrarprodukten zu Preisen auf den Weltmarkt geworfen werden, die für alle Außerhalb dieser Länder den entsprechenden Anbau unrentabel machen. Dadurch haben die Bauern in vielen Ländern, vor allem Entwicklungsländern, aufgeben müssen und landwirtschaftlich nutzbare Fläche brach liegen gelassen.

a. Würden die Agrarsubventionen eingestellt, könnten Hunderte von Millionen von grossen und kleinen landwirtschaftlichen Anwesen in aller Welt wieder beginnen anzubauen und zu ernten und es würde sich ein internationaler Preis von Grundnahrungsmitteln einpendeln, der den Bauern ein Auskommen und den Verbrauchern Versorgungssicherheit bietet.

b. Gleichzeitig könnten die landwirtschaftlichen Betriebe in den entwickelten Ländern lernen, wie man Biogas aus Pflanzen, Pflanzenteilen, tierischen Exkrementen und Holz herstellt und damit Generatoren für Strom und Kessel für Dampf bzw. Warmwasser betreibt (siehe auch diesen und diesen Artikel), die gleichzeitig die Strom- und Wärmeprobleme dieser Länder lösen und sie weniger von importierten Rohstoffen abhängen lassen. Dazu hätte die Landwirtschaft in diesen Ländern wieder eine Aufgabe, ohne am Tropf von Subventionen zu hängen.

2. Der zweite Grund für gestiegene Lebensmittelpreise ist eine erhöhte Nachfrage, die sich vor allem durch die wirtschaftlichen Aufschwünge in den Schwellenländern (hauptsächlich China und Indien) ergeben hat. Es wurden dort Hunderte von Millionen von Menschen aus der absoluten Armut geholt, was sie zu Konsumenten von mehr und höherwertigen Nahrungsmitteln machte.

3. Der dritte Grund ist die extreme Ausweitung der Viehhaltung überall auf der Welt. Vieh ist Konkurrent für den Menschen bezüglich der Nahrung. Rinderfutter zum Beispiel wird regelmässig mit Mais und anderen Korn-Arten angereichert. Hühnerfutter ist praktisch identisch mit den menschlichen Grundnahrungsmitteln. Die Ausweitung hat dazu geführt, dass Mengen, die für die menschliche Ernährung zur Verfügung standen, nun verfüttert werden. Der Viehbestand auf der Erde hat sich in den letzten hundert Jahren in etwa verhundertfacht. Davon fällt ein guter Anteil auf die letzten 20 Jahren.

4. Ein vierter Grund ist die Internationalisierung der Preisbildung von Grundnahrungsmitteln durch die wachsende Bedeutung von Nahrungsmitteln an den Commodity-Börsen in London und Chicago und die damit verbundene Einbeziehung der Preise in Prozesse von Spekulation und „Future“-Kontrakte. Die Heerschar von Finanz-Spekulanten, die sich aus dem Immobiliengeschäft wegen der dortigen Krise zurückziehen musste, suchte neue Felder und ging teilweise in die Spekulation in Grundnahrungsmitteln.

5. Ein fünfter Grund ist die starke Konzentration in der Lebensmittelindustrie und bei den Agrar-Handels-konzernen. Nestle und Unilever machen heute wesentliche Teile des Marktes von industrialisierten Lebensmitteln unter sich aus. Bei den Handelskonzernen haben einige wenige, wie zum Beispiel Cargill, eine Marktmacht errreicht, die ihnen das Diktieren von Preisen ermöglicht. Stiegen die Lebensmittelpreise bereits an, so ist man auf den fahrenden Zug gesprungen und hat sich einen kräftigen Schluck aus der Pulle gegönnt. Man braucht nur die Profitentwicklung dieser Konzerne verfolgen und hat schon ein deutliches Anzeichen, wohin ein Teil der Gelder der höheren Preise geflossen sind.

6. Ein weiterer Grund für die Lebensmittelpreis-Erhöhungen ist der steil gestiegene Erdölpreis. Praktisch alle Aufbereitungs- und Verpackungsprozesse für Lebensmittel und ihr gesamter Transport sind in den Kosten abhängig vom Erdölpreis und verteuerten die Produktion.

7. Ein weiterer Grund sind die genveränderten Nahrungsmittel. Speziell beim Mais hat sich die Monopolisierung durch den Gen-Mais von Monsanto hauptsächlich in den USA, aber auch in anderen Ländern, in deutlichen Kosten- und damit Preissteigerungen bemerkbar gemacht. Fast alle Maisanbauer, ob sie Monsanto-Mais verwendeten oder nicht, hatten wesentliche Anteil von Genmais auf ihren Feldern, weil der Gen-Mais sich durch Samenflug in andere Pflanzungen ausweitete. Monsanto weist dann mit Mustern nach, dass dort (auch) Gen-Mais wächst, zwingt den jeweiligen Anbauer gerichtlich zu Lizenzzahlungen und lässt ihm ausserdem verbieten, einen Teil der Ernte zur Aussaat zurückzuhalten. Das Saatgut muss er vielmehr von Monsanto kaufen. Dies hat zu deutlichen Preiserhöhungen für Mais geführt.

Was keinen Grund für Lebensmittelpreiserhöhungen darstellt, ist der angebliche Bio-Sprit-Boom, den es aber in weltweitem Ausmass noch gar gibt.

Schon aus diesem Grund ist der Zusammenhang der beiden Dinge nicht gegeben, weil ein Bio-Sprit–Boom überhaupt (noch) nicht stattfindet.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Ausser in Brasilien gibt es überhaupt keine ins Gewicht fallende Verwendung von Bio-Sprit. In Brasilien wird in grossen Umfang bisher lediglich Alkohol als Benzin-Ersatz eingesetzt und dieser Alkohol ist ausschliesslich aus Zuckerrohr gemacht. Zucker ist eines der wenigen Nahrungsmitteln, die keine Preiserhöhung erlitten haben, also könnte man polemisch die These aufstellen, Bio-Sprit würde sogar die Lebensmittelpreiserhöhung verhindern.

Aber was die Wahrheit ist, beide Dinge haben nichts miteinander zu tun.

Das Bio-Diesel-Programm in Brasilien ist noch in den Anfängen und hat daher noch keine wirklichen Auswirkungen auf „Beschlagnahme“ von Ackerbauflächen gehabt.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Außerhalb Brasiliens gibt es es nur eine nennenswerte Aktivität in Bezug auf Bio-Sprit, das ist das Alkohol–aus-Mais-Programm in den USA. Tatsächlich gibt es keinen vernünftigen Grund, Alkohol ausgerechnet aus Mais herzustellen, speziell, wenn man nur die Maiskörner verwertet und nicht die ganze Maispflanze. In Brasilien wird in den modernen Fabriken das ganze Zuckerrohr verwendet, nicht nur die aus dem Rohr gepresste Sirup-Masse. Das führt auch dazu, dass das früher übliche Abbrennen der Zuckerrohrfelder jetzt immer mehr zurückgeht. Aber unabhängig davon ist es unwahrscheinlich, dass eine relativ kleine Menge von Bio-Alkohol aus Maiskörnern den weltweiten Maispreis beeinflußt, wenn die in Bio-Sprit umgewandelte Menge nicht einmal 1% der weltweiten Mais-Ernte betrifft.

Ansonsten gibt es nur noch kleinere Biosprit-Aktivitäten in Schweden, in Deutschland (Bio-Diesel aus Raps) und in Frankreich, die aber allesamt nicht einmal einen Tropfen auf den heissen Stein darstellen. Aus Weizen und Reis, den beiden wichtigsten Produkten mit heftigsten Preissteigerungen und besonderer weltweiter Bedeutung für die Ernährung der Massen von Menschen, wird nirgendwo in erwähnenswerten Mengen Bio-Sprit hergestellt.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Es gibt noch geringfügige Mengen von Bio-Alkohol, die aus Zuckerrüben hergestellt werden, aber – wie bereits gesagt – der Zuckerpreis ist ja gerade nicht angestiegen.

Mit anderen Worten: Der Bio-Sprit-Boom, wenn er denn kommen sollte, hat noch nirgends begonnen (ausser beim Alkohol in Brasilien). Er kann also nicht im Zusammenhang mit Preiserhöhungen stehen, die bereits stattgefunden haben.

Viel bunter wird es noch, wenn behauptet wird, die Vernichtung (Abholzen, Abbrennen) von Regenwaldflächen stünden im Zusammenhang mit Bio-Sprit. So wird argumentiert, in Brasilien würde massiv in Regenwaldflächen hinein das Pflanzen von Soja ausgeweitet und das hätte irgendetwas mit Bio-Sprit zu tun. Tatsächlich werden Monat für Monat die Flächen der Vernichtung von Amazonas-Regenwald erhöht und auf vielen dieser Flächen Sojapflanzen angebaut, aber das ist völlig unabhängig von Bio-Sprit. Man kann zwar theoretisch aus Sojaöl Bio-Diesel herstellen, nur wird das bisher so gut wie nicht getan. Die kräftig gestiegenen Weltmarktpreise für Soja dagegen haben sehr viel mit dieser beschleunigten Regenwaldvernichtung zu tun.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Insofern ist die Oben beschrieben „wissenschaftliche Arbeit“ natürlich Unsinn. Selbstverständlich darf für Bio-Sprit kein Regenwald vernichtet werden, denn der ist noch viel wichtiger für das Klima als die Umstellung auf nicht-fossile Brennstoffe. Aber das findet ja eben gar nicht statt.

Weiterhin wird das Märchen erzählt, die Soja-Felder in Brasilien würden in die Regenwald-regionen hinein ausgedehnt, weil sie in anderen Landesteilen von Zuckerrohranbau für Bio-Alkohol verdrängt würden. Auch das ist Unsinn. Nirgends in Brasilien wurden Zuckerrohr-pflanzungen auf Flächen angelegt, auf denen vorher Soja angebaut wurde. Der verstärkte Zuckerrohr-Anbau wird vielmehr auf brachliegenden Flächen durchgeführt und auf solchen, die zur extensiven Viehhaltung genutzt wurden nach dem Motto eine Kuh auf 10 Quadratkilometer. Solche Flächen sind noch in riesigem Umfang in Brasilien vorhanden. Brasilien könnte seinen Zuckerrohranbau ohne Schwierigkeiten verdoppeln, ohne auf einem einzigen Hektar Ackerfläche andere Nutzpflanzen zu verdrängen.

Ein anderes verdrehtes Argument ist das mit dem Palmöl. In Indonesien werden riesige Regenwaldflächen abgeholzt und in millionenschwere Holzgeschäfte umgewandelt unter dem Vorwand, dort Palmöl-Plantagen anlegen zu wollen. Angeblich würde dieses Palmöl zur Bio-Diesel-Herstellung verwendet. Nur gibt es überhaupt keine ins Gewicht fallende Herstellung von Bio-Diesel aus Palmöl auf der Welt. Auch hier muss wieder der Bio-Sprit als Sündenbock herhalten, um von den Verantwortlichen und ihren hohen Profiten abzulenken.

Tatsächlich ist angesichts des extrem niedrigen Preises von Palmöl (Palmöl ist das bei weitem billigste Fettöl) jemand auf die Idee gekommen, man könne Palmöl als („umweltfreundlichen“) Brennstoff für Heizkessel verwenden und es soll auch in kleinem Mengen dafür eingesetzt werden, aber das ist eine Sonderbewegung, die allerdings wirklich abzulehnen ist – vor allem, weil bei der Verbrennung von Fettölen das krebserregende Acrolein entsteht. Nur kann das nicht mit der Bio-Sprit–Frage in Zusammenhang gebracht werden.

Zuckerrohr-Ernte

Nun gibt es eine etwas verschwurbelte Argumentation, es ginge gar nicht um die Produkte, sondern um die gesamte weltweite Agrarfläche, die bereits zum Teil von Bio-Sprit-Pflanzen beansprucht wurde und daher seien die Preiserhöhungen aus Mangel an bebaubarem Ackerland zustande gekommen.

Das ist allerdings ebenfalls absurd: In Wirklichkeit liegen riesige Flächen bebaubaren Ackerlandes weltweit brach. Dazu werden Nahrungsmittel in grossen Mengen vernichtet, um die Preise zu stützen.Würde überall angebaut, wo es möglich ist, und würde die Vernichtung von Nahrungsmitteln verboten, könnten Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen hergestellt werden, während wir bisher „nur“ 6,5 Milliarden sind.

Es muss vielmehr andersherum gefragt werden, warum soviel Ackerland brach liegt, vor allem in den Entwicklungsländern. Die Antwort steht bereits oben: Die Agrarsubventionen von Europa, USA und Japan haben die Preise für Roh-Nahrungsmittel so ruiniert, dass sich nur noch in wenigen Ländern und unter besonderen Umständen der Anbau von Ackerpflanzen lohnt. Die reichen Länder nehmen mit ihren Agrarsubventionen den Armen auf der Welt das Brot oder den Reis vom Teller!


Veröffentlicht am 9. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

In den letzten Tagen hatte der Autor Gelegenheit im Norden von Minas Gerais, in Montes Claros, ein Projekt zu besichtigen, das in ganz Brasilien verfolgt wird und versucht, einen Teil der von ihrer Krume vertriebenen Kleinbauern (bzw. deren Nachkommen) wieder ein Heim und Arbeit und Brot zu geben: Biodiesel aus den Mamona-Früchten.

Mamona ist der portugiesische Name für den Strauch, aus dem man Rizinusöl gewinnt. Kleinbauern bekommen ein Stück Land mit einer Hütte und Saatgut zugewiesen und können dort den Mamona-Busch anbauen und das aus seinen Früchten gepresste Rizinusöl zu festgelegten Preisen an eine Bio-Diesel-Fabrik der halbstaatlichen Petrobras verkaufen. Insgesamt 10 000 Familien von Kleinbauern machen die Belieferung für eine dieser Bio-Diesel-aus-Rizinusöl-Fabriken aus, von denen insgesamt über 20 vorgesehen sind, also das Auskommen für insgesamt über 200 000 Familien gesichert werden soll, das sind etwa eine Million Menschen.

Mamona-Strauch-Rizinusöl

Auf dem Bild sieht man einen solchen Strauch, der spontan auf einem unbebauten Gelände in der Metropol-Region von Belo Horizonte gewachsen ist. Man kann auch schon die stacheligen Früchte erkennen. Der Mamona-Busch ist in den Tropen ähnlich wie bei uns die Brennessel eine der ersten Pflanzen, die auf pflanzenfreiem Gelände zu wachsen beginnen, ist also extrem genügsam. So brauchen denn die Neubauern keine hochentwickelten landwirtschaftlichen Kenntnisse, um erfolgreich Mamona anzubauen.

Die Presse zum Auspressen des Öls mit Handbetrieb wird ebenfalls zur Verfügung gestellt. Ebenso werden in den Neusiedler-Gebieten Brunnnen gebohrt.

Nach zwei Jahren wird der Busch ausgerissen und mit kleinen Ablegern ein neuer Busch gezüchtet. Wenn man regelmässig giesst, kann man mehrmals im Jahr ernten. Da es hier keinen wesentlichen Unterschied zwischen Sommer und Winter gibt (ausser dass es im Sommer regnet), kann man in Wirklichkeit eine Pflanzung mit Rund-ums-Jahr-Ernte anlegen.

Diese Arbeitsweise eignet sich besonders für den Nordosten Brasiliens, eine karge, immer wieder mit langen Dürren gegeisselte Landschaft. Hier wurden die Kleinbauern immer wieder von den Pistoleiros der Grossgrundbesitzer von ihrem Boden vertrieben. Da nun aber die Fabrik der Petrobras ein Interesse an der Zulieferung hat, wird von dort auch eine Sicherheitstruppe zur Verteidigung der Siedler gestellt.

Das Ganze hat noch eine Reihe von Problemen, die hier nicht alle berichtet werden können, stellt aber doch eine interessante Alternative dar.

Dienstag, 6. Mai 2008

Jetzt hat der Liberalismus die Hosen herunter gelassen

Die Glaubenssätze des (Neo-)Liberalismus unter die Lupe genommen

Von Karl Weiss

Wenn es noch jemanden gab, der den Glaubenssätzen des (Neo-)Liberalismus Vertrauen entgegenbrachte, der kann dies nun getrost zu den Akten legen. Wenn die Bibel der Neoliberalen nicht sowieso schon widerlegt war, so tut dies spätestens die momentane Situation der weltweiten Finanzkrise und des langsamen Eintauchens in die Welt-Wirtschaftskrise.


Bundestag - Reichstag


Glaubenssatz Nr. 1: Der Markt richtet alles!

Eigentlich war dieser Glaubenssatz längst widerlegt, spätestens seit jener Zeit Mitte des letzten Jahrhunderts, als Ford und GM das Bahnsystem in Los Angeles kauften und schlossen. Sie brachen damit Bahn (im wahrsten Sinne des Wortes) zu einer Entwicklung von Los Angeles zu einer reinen Straßenstadt (einer der hässlichsten und ungemütlichsten der Welt) und zum heutigen Verkehrschaos in der zweitgrößten Stadt der USA. Wer heute an einem Tag zwei Kunden an zwei Enden in Los Angeles besuchen will, schafft es oft nicht, weil er in stundenlangen Staus steht – und das, obwohl die Stadt so mit Straßen zugepflastert ist (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes), dass sie als Stadt nicht mehr erkennbar ist. Man wohnt praktisch auf dem Autobahnkreuz.

Auch die Logik sagt einem schon: In einer Situation,in der die Gemeinschaft ein Interesse hat und der jeweilige Kapital-Herrscher nur das seines Profits, wird es unweigerlich zu Interessen-Konflikten kommen, die im Kapitalismus zugunsten des Kapitals und zuungunsten der Gemeinschaft ausgehen. Das heißt nicht, es könne auch Fälle geben, in denen beide Interessen zusammenlaufen, aber das ist eben selten und wird in der aktuellen Situation noch seltener.

Jene Firma, die z.B. ein gut funktionierendes Hybrid-Auto Wasserstoff/Elektro mit Sonnen-Zellen auf dem Dach entwickelt hat, hat sicherlich Profitinteressen - und gleichzeitig hat die Menschheit ein tiefgehendes Interesse, dass diese Firma gedeiht und solche Autos massenweise auf den Markt bringen und vervollkommnen kann.

Was ist aber die Wirklichkeit? Die absolute Monopol-Situation der verbliebenen Automobil-Konzerne verhindert jegliche Möglichkeit, ein anderes Auto als jene des Automobil-Kartells könnte je zum Verkaufsschlager werden. Da die Konzerne aber keinerlei Interesse haben, in neue Technologien ernsthaft einzusteigen, denn es könnten ihre Monopol-Profite gefährdet sein, so radieren sie buchstäblich jede Chance eines Aussenseiters aus.

Gleichzeitig versichern sie ununterbrochen glaubhaft seit Jahrzehnten, alle alternativen Konzepte wären noch nicht ausgereift. Da stimmen sie, welch Zufall, dann auch mit den Energie-Konzernen und denen des Öls überein. So kam es zu der Lachplatte, die hier in Brasilien die Runde machte: Ein hoher Vertreter eines der grossen Öl-Konzerne verkündete mit ernster Miene auf einem Symposium, die Verwendung von Alkohol als Benzin-Ersatz sei noch nicht ausgereift – und dies, nachdem die Alkohol-Autos in Brasilien bereits seit den siebziger Jahren fahren! Autos von Volkswagen, GM und Ford!

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

In Wirklichkeit richtet „der Markt“ eigentlich immer nur eins: Die Profite des Mächtigsten und Rücksichtslosesten.

Zudem kann „der Markt“ nicht erkennen, wann eine Überproduktionskrise droht, so eine, in die wir im Moment rutschen. Der Kapitalist kann nämlich nicht „logisch“ handeln, denn dann müsste er die Löhne seiner Arbeiter Jahr für Jahr deutlich anheben, zumindest um die Inflation plus Produktivitätssteigerung, um damit genügend Kaufkraft zu haben, damit seine Produkte einer immer wachsenden Produktion gekauft werden können und müsste auch noch darauf vertrauen, dass die anderen Kapitalisten es genauso machen. Nun, wir wissen, Lohnerhöhungen in dieser Grössenordnung hat es zuletzt in den 70er-Jahren gegeben – und auch damals nur in Ausnahmefällen.

Der Kapitalist muss versuchen – bei Strafe, von den Konkurrenten abgehängt zu werden – seinen Profit pro Kapitaleinsatz (Profitrate) immer mehr zu erhöhen, doch er stösst damit unweigerlich auf die Probleme, die eine wesentlich erhöhte Produktion (die seine Profitrate garantieren soll) mit dem Absatz hat.

In einer chaotischen Marktwirtschaft, genannt Kapitalismus, hängt dieser Absatz davon ab, ob er irgendwie Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten erreichen kann, was diese dann wiederum in eine Situation der massiven Nicht-Auslastung bringt.

Da sie aber auch die Produktionskapazitäten ausgeweitet haben, entsteht die Situation der Überproduktion. Die Produkte finden zu grossem Teil keinen Absatz mehr, denn die Löhne der Arbeiter wurden ja nicht, bzw. nicht nennenswert erhöht (Real-Netto-Löhne), so dass Kaufkraft fehlt. Die Wirtschaftskrise beginnt. Sie wird zum Schliessen von Firmen führen, zu Massenentlassungen, Neueinstellungen werden praktisch nicht mehr getätigt, die Löhne noch weiter versucht zu senken. Erst wenn genügend Kapital vernichtet ist, kann sich das jeweilige Land wieder langsam aus der Krise herausarbeiten und auf niedrigerem Niveau neu beginnen.

So ist das Bild geschlossener Fabriken – ganzer Komplexe von leeren Werkshallen, durch die der Wind pfeift, überall im Kapitalismus häufig und gibt Zeugnis über die unglaubliche Verschwendung von Resourcen, die mit der Chaos-Gesellschaft Kapitalismus einhergeht.

Dies ist der Ausdruck der Anarchie, die durch die Konkurrenzwirtschaft bedingt ist. Die Chefs der grossen Konzerne können sich ja nicht zusammensetzen und eine Aufteilung des Marktes beraten, die allen Luft zum Atmen lässt und allen gute Gewinne garantiert, denn damit würden ja die Regeln des Kapitalismus verletzt. Wenn sie dies wirklich einmal tun, so bilden sie vielmehr Kartelle, was die anderen Konkurrenten oft detoniert.

Erst im Sozialismus wird die Gesellschaft statt der Anarchie die sinnvoll geplante Produktion einführen, in der genau das und genau so viel hergestellt wird, was und wie man bracht. Dann kann man die Umwelt schützen, ohne durch die Konkurrenz gezwungen zu sein, Umweltregeln zu verletzen, dann kann man die Energiegewinnung so gestalten, wie es am sinnvollsten ist statt so, wie bestimmte Konzerne am meisten Profit haben. Dann kann man sich überlegen, wie man sinnvoll den Transport von Menschen und Gütern im Kurzbereich, im mittleren Bereich und im Fernbereich sowie im Interkontinentalbereich organisiert und dann entsprechend danach handeln



Glaubenssatz Nr.2: Öffentliche und Staatliche Unternehmen müssen immer privatisiert werden, nur dann sind sie „effektiv“

Auch dies längst widerlegt. Was privatisierte Unternehmen an „Effektivität“ gewinnen, ist ein Profit für die Neu-Aktionäre – und auch das ist nicht sicher, siehe der Fall Telekom. Dass die Dienste der Firma für die Gemeinschaft effektiver werden, ist dagegen durch nichts garantiert, oft geschieht sogar genau das Gegenteil.

Man sehe sich nur an, was die Privatisierung der Bahn in England für Verschlechterungen gebracht hat. Selbst die „Süddeutsche“, sonst fast immer „His Masters Voice“, schreibt in einem Kommentar am 29.4.08: „...gab es, zumal in Frankreich und Großbritannien, Privatisierungskatastrophen: das Waterleau von Grenoble oder die Auflösung der British Rail. (...) Deutschland ist von solchen ganz großen Desastern verschont geblieben.“

Die Privatisierung der Bahn in Argentinien kann man direkt an einem Schaubild beurteilen: Fast alle Linien wurden eingestellt.

Argentina - Trainmaps

Speziell im Fall von Unternehmen, die einen unersetzlichen Dienst an der Gemeinschaft leisten, ist die Privatisierung fast immer zu einem Desaster für diese Dienste geworden. Das gilt besonders für Dienste wie Öffentlicher Transport (Bahn, Nahverkehr), Krankenhäuser, Kindergärten, -krippen und Horte, Schwimmbäder, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Schulen, Universitäten, Post-Dienste, Telefon-Dienste usw.

Die Erfahrungen sind fast durchweg schlecht. So hatte man das System der Elektrizität in Deutschland privatisiert und grossmäulig versprochen, nun werden die notwendigen Investitionen gemacht und durch die Vielzahl der privatisierten Firmen würde ein funktionierender Wettbewerb (Markt) entstehen, der die Strompreise drücken würde.

Das Ergebnis kann man nun besichtigen, nur eine Anzahl von Jahren nach den Privatisierungen. Die Strompreise sind immens angestiegen, von Konkurrenz kann keine Rede sein, denn im Kapitalismus gibt es generell die Tendenz zur Konzentration: Es sind praktisch nur drei grosse und ein paar mehr oder weniger bedeutende Stromunternehmen übriggeblieben. Auch ein massives Investieren in neue, alternative und umweltfreundliche Techniken hat nicht stattgefunden. Statt dessen versucht man, die längst abgeschriebenen Atomkraftwerke, die jetzt reine Goldgruben sind, weiterlaufen zu lassen, obwohl man schon lange nichts mehr dort investiert hat und sie längst Schrott sind.

Atomkraftwerke Deutschland

Gut für die Profite, schlecht für unsere Sicherheit.

Ausserdem werden massiv Kohlekraftwerke gebaut und die Braunkohlewirtschaft ausgebaut anstatt eingeschränkt.

Kraftwerk

Gur für die Profite, schlecht für die Umwelt und das Klima.

Energieverbrauch Deutscland
Dieses Schaubild des Bundesministeriums für Wirtschaft zeigt: Es ist überhaupt keine Einschränkung des Verbrennens fossiler Energiequellen vorgesehen. Die alternativen Energien sollen bis 2030 Alibi bleiben.

In Deutschland würde sich das massive Investieren in die Gewinnung von Biogas aus Pflanzen und tierischen und pflanzlichen Abfallstoffen sowie Abfall-Holz und das Verbrennen dieses Biogases in Wohnnähe mit Elektrizitäts–Wärme-Verbund anbieten, weil damit die deutsche Landschaftsstruktur am besten ausgenutzt wird, die fast ausschliesslich aus bebauten bzw. versiegelten Flächen und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (inklusive zur Holzgewinnung genutzter Flächen) besteht.

Vor allem würde dadurch der mit Milliardensummen subventionierten Landwirtschaft ein neues und sinnvolles Betätigungsfeld eröffnet, ohne dass sie am Tropf der Subventionen hängt. Gleichzeitig würde die massive Abhängigkeit Deutschlands von importierten Energieträgern verringert und es würden dafür Milliardenbeträge eingespart ebenso wie jene, die heute für das EU-Landwirtschafts-Desaster ausgegeben werden. Man sehe sich das Beispiel des Bio-Energie-Dorfes Jühnde in Niedersachsen an. Mit den eingesparten Milliarden der Subventionen könnte ein wesentlicher Teil des Programms finanziert werden. Eine win-win-win-Situation für den Staat, die Bürger und die Unternehmen. Doch nichts davon geschieht.

Stattdessen investieren e-on, Vattenfall und RWE in neue riesige CO2-Schleudern wie Kohlekraftwerke und intensivieren den Abbau von Braunkohle, der schmutzigsten Energie der Welt.

Auch die angebliche Notwendigkeit von Privatisierungen, um die Haushalte der jeweiligen Staaten auszugleichen, erweist sich als ein Schuss, der nach hinten losgeht. Die an die jeweiligen Staatshaushalte gehenden Verkaufserlöse stellen fast immer nicht einmal einen Bruchteil des Werts der Unternehmen dar, die da privatisiert werden, während der Abgang an Staatsvermögen dann weit höher ist und auf die Dauer auch praktisch zählen wird, denn die Kreditwürdigkeit eines Staates (oder eines Bundeslandes oder einer Gemeinde) hängt natürlich eng mit seiner Vermögenssituation zusammen und damit auch die Zinssätze, die man auf dem Markt zahlen muss.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür war die Privatisierung des zweitgrößten Welt-Unternehmens im Bergbau, der Compania Vale do Rio Doce, einem brasilianischen Staatsunternehmen, des Ende der Neunziger-Jahre privatisiert wurde. Ungefähr ein Jahr vor der Privatisiereng fiel dies traditionell extrem gewinnträchtige Unternehmen (im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube, denn man besitzt einige der grössten Goldminen der Welt) plötzlich in rote Zahlen. Was da genau manipuliert wurde, kam nie ans Licht der Öffentlichkeit.

Der Preis, der für die ganze Firma erzielt wurde, entspricht etwa dem Wert von zwei heutigen Monatsgewinnen der Firma, ist also absurd niedrig. Laut Angaben des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT wurde bei der Festsetzung des Mindestpreises, zu dem dann auch verkauft wurde, nur ein Bruchteil der Liegenschaften, des Vermögens und der Schürflizenzen überhaupt gezählt. Die Gewerkschaft hat daher die Forderung nach der Rückgängigmachung des Verkaufs aufgestellt.

Bereits ein Jahr nach der Privatisierung hatte die Vale, wie sie heute heißt, ihre alte Profitabilität wieder erreicht und ist heute der lateinamerikanische Konzern mit dem höchsten Profit.

Das Ganze stank kilometerweit nach Korruption. Der damalige brasilianische Präsident Cardoso von der konservativen PSDB hatte sich persönlich besonders intensiv für diese Privatisierung eingesetzt. Ob er persönlich Bestechungsgelder erhalten hatte, war nie durch eine unabhängige Untersuchung geklärt worden. Tatsache ist, er lebt seit seiner Abwahl im wesentlichen in den Vereinigten Staaten - um keinen Zweifel zu lassen, für welchen Imperialisten er Brasilien geführt hatte - und diniert nach Aussagen eines seiner politischen Verbündeten abends in einem New Yorker Restaurant, in dem ein Gläschen Cognac 200 Dollar kostet.

Dieser Fall weist darauf hin: Privatisierungen und Korruption sind Zwillinge.

Ein anderer besonders Aufsehen erregender Fall einer Privatisierung war die Privatisierung der Wasserwerke von La Paz in Bolivien. Der französische Suez–Konzern hatte sich diese unter den Nagel gerissen und sofort die Wasserpreise immens erhöht. Die arme Bevölkerung konnte die Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen und hätte verdursten müssen. Suez blieb davon völlig ungerührt. Als die Bevölkerung begann, Regenwasser in Zisternen aufzufangen, um nicht zu verdursten, stellte Suez auch Rechnungen für das Regenwasser aus.

Nur durch einen praktischen Volksaufstand konnte diese Privatisierung rückgängig gemacht werden, was in unmitelbarem Zusammenhang mit den angesetzten Neuwahlen stand, aus denen der jetzige Präsident Evo Morales als Sieger hervorging.

Evo Morales

Also? Privatisierung? Offenbar wird nichts gehalten,was man sich davon verspricht. Dagegen sind die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung Legion.

Es gibt auch die positiven Gegenbeispiele von Firmen, die nicht privatisiert wurden und ein wichtiges Mittel sozialer Politik in den Händen der Regierung geblieben sind. Typische dafür ist die staatliche frühere Monopolgruppe Petrobras in Brasilien. Man löste zwar das Monopol auf und erlaubte anderen Ölkonzernen, in Brasilien tätig zu werden, man gab zwar Aktien aus für etwas weniger als die Hälfte des Kapitals der Gruppe, aber das Sagen behielt der Staat in der Petrobras (das brasilianische Aktienrecht gibt Minderheitsaktionären keine weitgehenden Rechte).

Chávez und Lula

Das hat sich angesichts des steigenden Erdölpreises als segensreich erwiesen. Während in fast allen anderen Ländern die Erdölpreise auf die Benzinpreise durchschlugen und nur durch drastische Manipulationen verhindert werden konnte, dass die Inflation in zweistellige Raten hineinwuchs, ist in Brasilien der Benzinpreis (so wie die an ihn gekoppelten Preise für Alkohol und Diesel) seit September 2005 an der Raffinerie gleichgeblieben, zu einem Zeitpunkt, als der Preis für Rohöl bei 60 Dollar pro Barrel lag. An biligeren Tankstellen in der Nähe von Raffinerien (wie im Beispiel der Tankstelle auf dem Bild) ergaben sich daraus Endverbraucherpreise für den Liter Benzin (Gasolina) von zwischen 2,20 und 2,30 Reais (etwa 83 bis 87 Cent) – die ganze Zeit unverändert seit 2005.

Treibstoffpreise Brasilien

Das wurde schlicht von der Regierung Lula beschlossen und die Petrobras hatte danach zu handeln. So konnte die ganze Zeit die Inflation in Brasilien am Steigen gehindert werden und dies wirklich und nicht durch Statistik-Manipulationen. Auch in diesem Moment, in dem in vielen Ländern die Inflationsraten in die Höhe schiessen und nur noch durch dreistete Fälschungen in niedrigen Zahlen gehalten werden können, bleibt die Inflation in Brasilien niedrig.

Logo Petrobras

Natürlich musste die Petrobras dafür auf Profit verzichten, aber das war leicht zu verkraften, denn sie ist als ständig wachsender Rohölförderer zu einem der profitstärksten Unternehmen in ganz Lateinamerika geworden (im Moment an zweiter Stelle in Lateinamerika nach der schon erwähnten Vale).



3. Glaubenssatz: Der Staat muss sich vollständig aus den Märkten heraushalten, sie regeln sich selbst

Nach diesem Glaubenssatz wird jede Überwachung oder gar Regulierung, ganz zu schweigen von einem direkten Eingreifen des Staates oder öffentlicher Stellen auf den Markt oder irgendeine auf dem Markt gehandelte Ware oder die Fabriken der Kapitalisten oder über die „freien Entscheidungen der freien Agenten des Marktes“ abgelehnt, ja meistens sogar als „bolschwewistisch“ oder schlimmer gebrandmarkt.

Nun geschah aber etwas sehr „bolschewistisches“ in Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin hatte spekuliert und war in Schieflage geraten. Die CDU Berlin war intensiv verwickelt, auch einige SPD-Politiker. Nun liess man aber die Bank nicht Pleite gehen und die Zocker die Folgen tragen, nein, der Berliner Steuerzahler wurde herangezogen, um die Fehlbeträge auszugleichen, die in die Milliarden Euro (mindestens 9,8 Milliarden Euro nach einer Zeitungsmeldung) gingen und um den armen Zockern unter die Arme zu greifen.

Das war ein direktes Eingreifen des Staates in das Geschehen des freien Marktes. Es war der Beweis, im Grunde ist der liberale Glaubenssatz nicht wirklich ernst gemeint. Man will eigentlich nur, dass der Staat nicht die Sauereien aufdeckt, die man macht und einfach alles als gottgegeben hinnimmt, was „die Wirtschaft“ (sprich: das Kapital) entscheidet.

In Wirklichkeit legt man sehr viel Wert auf das Eingreifen des Staates, wenn es gegen die Arbeiter und kleinen Leute geht und wenn dadurch die Kapitalrendite garantiert wird. Dann ist plötzlich der Staat sehr wichtig als Regulierer und ganz speziell natürlich als Steuereintreiber beim kleinen Mann, um das Geld in den Vorstandsetagen und Banken abzuliefern.

Hatte man den Fall der Bankgesellschaft Berlin noch unter Ausnahmen von der Regel ablegen wollen, es war ja wirklich nur ein Fall in Jahren, so sind wir nun, am Beginn der internationalen Wirtschaftskrise und mit der Finanzkrise, die vor allem durch unseriöse Kreditvergabe auf der Basis von weit überhöhten Wertschätzungen von Immobilien, vor allem in den USA, in einen praktisch wöchentlichen Rhythmus von Eingreifen verschiedener Staaten in die Bankenwelt eingetreten, was den Glaubenssatz nun wirklich in der Luft zerrissen hat.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Deutschland war einer der ersten Staaten, der in diesem Fall eine Privatbank mit Namen IKB aus der Breduille half mit Milliarden von Steuergeldern, wobei sich herausstellte, das reichte bei weitem nicht aus. Später warf man dem unter Bruch aller Regeln hinausgeworfenen Geld noch einmal Milliarden von Euros hinterher, um die Bank wenigstens noch für einen Verkauf fit zu machen.

Und die Landesbanken, das war gleich die nächste Reihe von Fällen, in denen man Milliardenbeträge zur Unterstützung aus Steuergeldern plötzlich zur Verfügung hatte. Nun war plötzlich Geld da!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das zauberten die gleichen Politiker aus dem Nichts, die uns immer und immer wieder mit einem Kuhblick in den Augen versichern, es sei kein Geld da, man könne wirklich beim besten Willen nicht einen Heller auftreiben für eine menschenwürdige Arbeitslosenunterstützung, für die benötigten Kinderkrippen, Kindergärten und Horte, für den öffentlichen Personennahverkehr, für ein Sozialticket auf diesem, für das Offenhalten von Schwimmbädern, für die Finanzausstattung von Universitäten, damit keine Studiengebühren gefordert werden, für die Einstellung von Lehrern, um die hohen Stundenausfälle auszugleichen und die Klassengrössen zu verkleinern, nein, für all dies, so hörten wir wieder und wieder, war kein Geld da. Es war kein böser Wille, wirklich nicht, nur man kann einem nackten Mann eben nicht in die Tasche greifen.

Doch nun, aus Quellen, die man uns vorsichtshalber vorenthält, sind Milliarden und Abermilliarden da, für die Norddeutsche Landesbank, für die Westdeutsche Landesbank, für die Sächsische Landesbank, für die Bayerische Landesbank und was da noch alles kommt.

Aber da ist nicht nur in Deutschland plötzlich ausreichend Geld für so manches Geldinstitut da, auch in den USA wird mit 200 Milliarden Dollar aus Steuergeldern die Investmentbank Bear Stearns zum Verkauf fit gemacht. In Grossbritannien wird Northern Rock schlicht und einfach vom Staat übernommen und die gesamten Verluste aus dem Staatssäckel bezahlt.

Es handelt sich also eindeutig nicht um spezielle oder Einzelfälle, sondern um das routinemässige Eingreifen des Staates, um Kapital zu stützen und dafür Steuergelder rauszuwerfen. Es handelt sich weder nur um ein Land noch nur um wenige Fälle.

Und es gibt im Moment nicht den geringsten Hinweis, damit sei bereits alles ausgestanden. Es wird mehr kommen und es wird mehr Geld da sein für die notleidenden Finanzkapitalisten.

Reichstag - Bundestag

Es ist Geld da!

Man sollte sich nun langsam daran gewöhnen, keinem Politker mehr zu glauben, der behauptet, es sei kein Geld da. Das Gegenteil ist bewiesen.

Von unseren Medien der Hofberichterstattung zu erwarten, dass sie bei ihren Freunden, den Politikern, doch bitte mal nachfragen, wo sie das Geld denn die ganze Zeit versteckt hatten, ist natürlich zuviel verlangt. Majestätsbeleidigung ist strafbar! Sie Wicht!

Der (Neo-)Liberalismus hat nun wirklich die Hosen herunter gelassen und jeder kann jetzt sehen, was an den Argumenten dran war: Sie waren nichts als der Versuch, die nackte unmenschliche kapitalistische Wirklichckeit hinter Scheinargumenten zu verstecken.


Veröffentlicht am 6. Mai 2008 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Dienstag, 22. April 2008

Hellseherei? Die Wirtschaftskrise

Interview mit Karl Weiss

Von Elmar Getto

E.G.:

Danke Karl, dass Du uns einige Fragen beantwortest. Die Wirtschaftskrise, die sich im Moment sichtbar entwickelt mit Anzeichen wie einem Minus des Dax von 6% an einem einzigen Tag, hast du seit 2006 vorhergesagt. Eine Anzahl von Reaktionen auf deine Artikel belegen, du hast sogar Einigen geholfen, kein Geld zu verlieren. Wie hast du das gemacht? Woher weisst du im Voraus, wann sich eine Wirtschaftskrise entwickelt?

K.W.:

Nun, das ist kein Hexenwerk. Man darf sich nur nicht durch des Gesabbere der bürgerlichen Ökonomen beeinflussen lassen. Die sehen nach jedem relativen Aufschwung nach einer Krise immer die krisenfreie Entwicklung auf Dauer mit ständig steigenden Wachstumsraten und fallen daher gesetzmässig immer aufs Maul. Die Gesetze des Kapitalismus sind nun mal unumstösslich und sie beinhalten die gesetzmässig auftretenden Überproduktionskrisen.

E.G.:

Aber gab es nicht nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 80er-Jahre hinein eine Epoche ohne wirkliche Wirtschaftskrisen?

K.W.:

Das ist richtig. Der zweite Weltkrieg hatte eine Ausnahmesituation geschaffen. Es war soviel Kapital und Produktionskräfte vernichtet worden, dass der Nachholbedarf immens war. So entwickelte sich eine Hochkonjunktur bis in die 70er-Jahre hinein. Anschliessend kam nicht der übliche Fall in eine Wirtschaftskrise, sondern eine neue Erscheinung: Die schwankende Stagnation. Ohne wesentliches Wirtschaftwachtum, aber auch ohne tiefe Einbrücke der ganzen Wirtschaft. Stattdessen branchchenspezifische und national unterschiedliche Einbrüche. Doch diese Sonderphase der schwankenden Stagnation wurde mit der ersten Wirtschaftskrise nach dem zweiten Weltkrieg Ende der 80er-Jahre bereits wieder beendet. Seitdem treten wieder mit einer relativen Häufigkeit Wirtschaftskrisen auf, die weltweit sind und den Kriterien genügen, d.h. Verringerung des Nationaleinkommens der grossen OECD-Länder in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen gegenüber dem Vorjahr.

E.G.:

Aber woher weisst du, wenn wieder eine Krise im Anzug ist?

K.W.:

Nun, die jetzt in den ersten Anfängen stehende Krise war nicht so schwer vorherzusehen. Die vorherige Krise hatte die ersten Vorläufer im Jahr 1998, begann im Jahr 2000, genügte dem eben genannten Kriterium im Jahr 2001 und dauerte bis ins Jahr 2003 hinein. Als nun im Januar 2006 ein deutlicher Einbruch der Börsen in Indien, China, und Brasilien statfand, bestand die Möglichkeit, dies wären bereits die ersten Vorläufer der nächsten Wirtschaftskrise. Auch die vorherige Krise hatte nämliche diese Art von Vorläufern. Das habe ich dann auch in einem Artikel – meinem ersten Artikel in der Berliner Umschau – deutlich gemacht.

Dann, im Mai 2006, gab es erneut einen Börseneinbruch. Die Gründe dafür waren nicht einsichtig. Es musste mehr dahinter stecken, was nicht veröffentlicht wurde. Auch dieses Ereignis habe ich in einem Artikel gewürdigt und bereits die Voraussage gewagt, dies seien Vorwarnungen einer kommenden Wirtschaftskrise.

E.G.:

Da hast du allerdings vorhergesagt, die würde in weniger als einem Jahr ausbrechen, oder?

K.W.:

Stimmt. Ich nahm an, mit den weit gestiegenen Umsätzen und angehäuften Kapital der Monopolkonzerne (der 500 grössten Konzerne der Welt) würde sich die Entwicklung beschleunigen und es könne nicht mehr genauso lange dauern bis zum Ausbruch wie beim letzten Mal. Ich hatte die Möglichkeiten unterschätzt, die speziell die USA hatten, um die Krise hinauszuzögern.

E.G.:

Hinauszögern, aber nicht vermeiden?

K.W.:

Ja, es gibt keine Möglichkeit für die Kapitalisten, Wirtschaftskrisen zu vermeiden. Die sind gesetzmässig im Kapitalismus, wie bereits Karl Marx im 19. Jahrhundert analysiert hat. Wenn irgendetwas Marxs Lehren bestätigt, dann eben genau die jetzige wirtschaftliche Situation.

E.G.:

Wie haben sie die Krise hinauszögern können?

K.W.:

Nun, speziell die USA haben ja diese einmalige Möglichkeit der wunderbaren Geldvermehrung, indem sie einfach Dollar-Bonds, also Regierungsschuldverschreibungen, ausgeben und dafür gutes Geld erhalten, ohne damit ihre Inflation anzuheizen, weil ihre Währung die Weltleitwährung ist. Allerdings haben sie so ihren Verschuldungsgrad so weit gesteigert, dass sich dieser nun, da die Krise nicht mehr aufzuhalten ist, als Bumerang erweist. Der Dollarverfall könnte galoppierend werden und das wäre das Ende der Supermacht USA und der Weltleitwährung Dollar.

E.G.:

Wie ging das dann mit den Krisenanzeichen weiter?

K.W.:

Ja, im Juni 2006 kam dann ein eindeutiges Anzeichen: der Einbruch des US-Automobil-Verkäufe von über 2 %, was vorher auch schon mit Krisen im Zusammenhang gestanden hatte. Der Artikel dazu hiess: „Anzeichen einer Wirtschaftskrise?

E.G.:

War das nicht so , dass die US-Immobilienkrise das wesentliche Anzeichen war?

K.W.:

Ja, das kam danach. Heute tun Alle so, als ob die Entwicklung der Immobilienkrise in den USA erst kürzlich eingesezt hätte. In Wirklichkeit begann die bereits Mitte 2006 und ich habe bereits im September 2006 die Unterlagen für einen entsprechenden Artikel zusammengebracht gehabt, der dann unter dem Namen: „Full Crash – Zweites Anzeichen einer Wirtschaftkrise“ erschien.

E.G.:

Das war gewissermassen der Schlüsselartikel. Ab diesem Moment hast du nicht mehr über das „ob“ einer Wirtschaftskrise geschrieben, sondern über das „warum“ und über die einzelnen Auswirkungen und Umstände.

K.W.:

Ja, zu diesem Zeitpunkt häuften sich die Hinweise und verdichteten sich bald zur Gewissheit, was ich dann auch in den beiden Artikeln „Drittes Anzeichen einer Wirtschaftskrise“ und „Viertes Anzeichen einer Wirtschaftskrise“, beide noch im Jahr 2006, deutlich gemacht habe. Dabei handelt es sich um die Erscheinung der Zinsinversion, dass also Langzeitzinsen niedriger liegen als Kurzzeitzinsen und um ein Phänomen, das bereits mehrfach beobachtet wurde: Vor der Krise, wenn die Insider bereits wissen, was vor sich geht, lässt man die Aktienmärke boomen wie noch nie, um die unbedarften Kleinanleger in die Aktien zu locken, während man selbst bereits aussteigt.

Zu diesem Zeitpunkt war es bereits so klar, wie der Hase läuft, dass man sich wirklich fragen muss, warum nicht Massnahmen ergriffen wurden, wie sie jetzt angewandt werden, denn all dies wäre zu jenem Zeitpunkt ja weit billiger gekommen. Die Banken hätten wissen können, dass die Verwicklung in US-Immobiliengeschäfte ein Desaster werden würde. Trotzdem haben die meisten offenbar nichts unternommen, da herauszugehen. Da gib es nur eine Erklärung: Die glauben selbst an ihre eigenen Lügen von der Krisenfreiheit des Kapitalismus.

Zu jenem Zeitpunkt hatte ich auch schon einen anderen Artikel veröffentlicht, in dem ich anhand des Phänomens „Conundrum“ analysierte, was vor sich geht. Dort habe ich auch bereits (Juni 2006) darauf hingewiesen, die Krise könnte zum Verlust des alleinigen Supermachtstatus der USA führen und andere Mächte könnten Anspruch auf gleiche Rechte erheben.

E.G.:

Ich habe mir einmal einen Artikel vogenommen, den du bereits im Mai 2006, also vor fast zwei Jahren, veröffentlicht hast, unter dem Namen: „25% Fall des Dollars?“. Dort habe ich eine Reihe von Zitaten gefunden, die heute fast als hellseherisch gelten können. Ich habe mir das hier angestrichen. Man höre nur:

„Wie auch immer, die früher schon geäußerte Ansicht, der Ausbruch der Weltwirtschaftskrise stünde im Zusammenhang mit einem US-Überfall auf den Iran, kann man jetzt getrost zur Seite legen. Es wird sie geben, mit oder ohne Iran-Krieg, mit oder ohne einen weiteren Anstieg des Rohölpreises.“

„Man hat gerade den Leitzins auf 5% erhöht, einen Wert, der seit langem nicht erreicht worden war. Solange man Monat für Monat in kleinen Schritten diesen Zins erhöht, verhindert man eine zu hohe Dollarabwertung und wird immer attraktiver für das internationale Kapital, das dann Gelder aus anderen Ländern abziehen würde - was wiederum für eine Anzahl von Entwicklungsländern äußerst schädlich sein könnte. Alles gut und schön, aber damit würgt man das wirtschaftliche Wachstum im Land ab, denn die Investitionen werden dann immer teurer zu finanzieren. Das aber genau ist der Beginn der US-Wirtschaftskrise, die dann die ganze Weltwirtschaft in den Strudel zieht.“

„ ... kann es nicht unerwähnt bleiben, daß der Dollar seit einem Monat fällt, langsam, aber sicher und der chinesische Vize-Finanzminister sagte, er habe gehört, der Dollar werde 25% an Wert verlieren (das wäre ein Euro von 1,50).“


Man stelle sich vor, damals (das ist nun fast genau zwei Jahre her, der Dollar stand bei 1,25 Euro) war ein Euro von 1,50 gegenüber dem Dollar ein Horrorgemälde! Heute stehen wir fast bei 1,60!

K.W.:

Ja, die aktuelle Situation ist, das kann man an den Reaktionen bemerken, ein Albtraum für die bürgerlichen Ökonomen, für die Zentralbanken, die Banken, die Regierungen und die Publizisten des Kapitalismus,. Sie haben offensichtlich die ganze Zeit gehofft, es werde nicht dazu kommen und stehen nun vor dem Scherbenhaufen ihres eigenen Glaubens. Die Reaktionen sind hektisch, alle eigenen Regeln werden über den Haufen geworfen nach dem Motto: „Was kümmert mich mein dummes Geschwätz von gestern.“ Und doch, es ist nun bereits offiziell anerkannt und zugegeben, u.a. von Fed-Chef Bernanke: Man sinkt in die Weltwirtschaftskrise und das ganze wird Ausmasse wie im Jahr 1929 und den darauffolgenden Jahren annehmen oder sogar schlimmer und man kann schon nichts mehr wirklich ändern.

Was den Dollar betrifft, so beginnt man jetzt erst langsam klar zu sehen, was ein Dollar bedeutet, der nur noch 0,60 Euro Wert ist. Wenn heute von einem generelle Preisanstieg von Nahrungsmitteln die Rede ist, dann wird einfach übersehen, dass Nahrungsmittel international in Dollar gehandelt werden und damit Alle, die sich noch nicht von Dollar abgekoppelt haben, entsprechende Preiserhöhungen hinnehmen müssen. Aber es ist eben nicht so einfach, sich vom Dollar abzukoppeln, denn dazu müsste man ja alle Dollarreserven und Dollar-Bonds im Staatsschatz abstossen. Wenn das viel ist, wie im Fall von Japan, von China, von Grossbritannien und von Deutschland, so würde man den Dollar noch weiter in den Keller schicken und auch die eigenen Staatsreserven entwerten. Ausserdem muss ein generelles Abkoppeln vom Dollar auch politisch gewertet werden. Es stellt so etwas wie eine kleine Kriegserklärung gegen die Vereinigten Staaten dar. Es gilt daher als undenkbar, aber es ist genau das, was man früher oder später tun muss. Und je später, desto grösser der Verlust für das jeweilige Land. Ich kann nicht sehen, wie nach einer solchen Krise die USA noch als alleinige Supermacht dastehen könnten.

E.G.:

In einem Artikel hast du ja sogar die Frage gestellt, ob die USA bankrott gehen könnten?

K.W.:

Ja, das bezog sich auf die Aussage eines der Mitglieder der US-Zentralbank. Nach Allem, was man heute sehen kann, ist das dort beschriebene Szenario genau das, welches nun eintritt. Natürlich kann ein Staat nicht im eigentlichen Sinne bankrott gehen, aber die Auswirkungen sind umso tiefgreifender.

E.G.:

Wann hat denn nun die Wirtschaftskrise wirklich begonnen?

K.W.:

Ja, das war wohl, als die die US-Fed in einem Anfall von Panik den Zinssatz mit einem Mal um 0,5% senkte, also Mitte September 2007 . Offiziell ist die Wirtschaftskrise natürlich erst eingeläutet, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen das „Gross National Product“ sinkt, was wohl erst in der zweiten Jahreshälfte 2008 konstatiert werden wird, jedenfalls für die USA, für die ganze Welt wohl noch später. Aber das sind nur Details. Inzwischen steht bereits fest: Die Krise hat begonnen, sie geht von den USA aus, greift langsam auch auf andere Volkswirtschaften über und wird vorraussichtlich Jahre dauern, vielleicht ein ganzes Jahrzehnt.

Wie danach die Welt aussehen wird, darüber lässt sich spekulieren, aber mir scheint, es wird keine alleinige Supermacht USA mehr geben.

Was ich für wichtig halte: Mit dieser Krise tritt die Menschheit auf der Erde auch in die kapitalistische Barbarei ein und das ist schrecklich.

Dies bereits nach Verwesung stinkende System muss schnellstens abgelöst werden – und zwar durch den echten Sozialismus.


Veröffentlicht am 22. April 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Interview von Karl Weiss:

Wie um den Aussagen noch mehr Nachdruck zu verleihen, hat der Euro am Tag der Veröffentlichung zum ersten Mal die 1,60 Dollar überschritten, wenn auch nur kurzzeitig beim ersten Mal. Wenn diese Schranke in Kürze endgültig fallen sollte, scheint dem Verfall des Dollars nichts mehr im Wege zu stehen, was die ganze Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschüttern würde.

Auch der Erdölpreis erreichte zeitnah mit der Veröffentlichung eine neue Rekordmarke mit 116 Dollar pro Barrel. Das ist eine weitere Marke, die den andauernden Spüchen der Ökonomen widerspricht, welche die ganze Zeit davon sprachen, der Erdölpreis sei nur durch "die Spekalution" hochgetrieben und werde bald wieder auf 70 Dollar zurückfallen. Allein dieser Preis wird auf Dauer bereits einen Inflationsdruck ausüben,der die Notenbanken vor unlösbare Probleme stellt - ein Ausfluss des Grundproblems, dass man einfach nicht aus der Erdölwirtschaft aussteigen will.



Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Dienstag, 18. März 2008

'Das Undenkbare denken'

Dieses System muss weg!

Von Karl Weiss

Der “International Monetary Found” (IMF) ist eine der wichtigsten internationalen Finanz-Institutionen und darf aus allen möglichen Gründen berechtigterweise kritisiert werden, aber nicht dafür, dass er nicht konservativ genug wäre. Nun aber hat dieser IMF die Regierungen der reichen Länder aufgefordert, „das Undenkbare zu denken“ in Bezug auf die fortschreitende internationale Finanz- und Wirtschaftskrise.

Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten

Was ist damit gemeint? Es wird gewarnt, es könne sein, dass sich die Finanzkrise, die sich durch Banken und Fonds-Organisationen ausbreitet, die beginnende Wirtschaftskrise weiter vertieft, weil die Möglichkeiten der Unternehmen, sich billig zu refinanzieren, bedroht sein könnten und dass die sich die beginnende Wirtschaftskrise weiter negativ auf die bereits bestehende Finanzkrise auswirkt, indem die schwindende Kaufkraft die Umsätze beeinträchtigt und dann auf die Renditen durchschlägt, die wiederum die bestehenden Finanzierungen in Frage stellen und damit eine Abwärtsspirale in Gang setzen.

Am Ende, so darf man die Warnung verstehen, könnte das gegenseitige Hochschaukeln der Finanz- und der Wirtschaftskrise zu einem Desaster wie jenem der 29-er Krise führen (in den USA „Die Große Depression“ genannt), welche die gesamte Weltwirtschaft und alle Finanzinstitutionen bis praktisch an den 2. Weltkrieg heran zurückwarf und ungehäures Elend in vielen Ländern auslöste.

Man weist dabei besonders auf die katastrophalen Begleitumstände hin:
  • Der US-Dollar, immer noch die internationale Leit- und Reserve-Währung, ist in einem anscheinend unaufhaltsamen Entwertungsprozess begriffen, er steuert im Moment auf 1,60 im Vergleich zum Euro zu, aber niemand wagt eine Wette, dort würde er haltmachen. Er reisst die Weltwirtschaft mit hinunter, solange er nicht abgelöst ist.
  • Der Erdölpreis, heute der wichtigste Leitpreis der Weltwirtschaft, beginnt sich in der Nähe von 110 Dollar pro Barrel einzunisten (was noch vor kurzem als Katastrophenszenario galt) und es sieht nicht so aus, als würde er bald wieder sinken, auch wenn er kurzzeitig abgerutscht ist.
  • Der Goldpreis, früher die ausschlaggebende Zahl, aber auch heute noch einer wichtigsten Anhaltspunkt für Alles, was vor sich geht, hat nun endgültig das 1000 Dollar/Feinunze-Niveau überschritten - vor einem Jahr noch undenkbar -, was für die Weltwirtschaft und die Finanzwelt als entscheidendes Signal gewertet wird.
  • Die schon bekannten Zahlen der US-Wirtschaft für das erste Quartal sind besorgniserregend, um das wenigste zu sagen. Man muss damit rechnen, dies Quartal wird bereits das erste negative Ergebnis gegenüber dem vorherigen Quartal ergeben, was bereits die Hälfte der offiziellen Deklaration des Beginns der Wirtschaftskrise bedeuten würde.
Bei allem, was im Moment vor sich geht (wenn man zum Beispiel den praktischen Bankrott von Bear Stearns betrachtet, einer der ganz großen Investmentbanken der USA – auch wenn dieser Bankrott mit Steuerzahlergeldern (200 Mrd. Dollar!) in einen Verkauf umgewandelt wurde), ist die Möglichkeit, das Ganze würde in einer schwächlichen Krise wie der von 2001 bis 2003 enden, praktisch bereits auszuschließen, wenn auch noch nicht feststeht, es wird eine Krise von jenem Ausmaß sein, das selbst die „Große Depression“ von 1929 bis 1936 übertrifft.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Wenn also der IMF warnt, es müsse „das Undenkbare gedacht“ werden, ist dies eine klare Warnung, es kann eben genau dazu kommen und die Regierungen sollen sich darauf einstellen.

Die „Zeit“ nennt dies in einem Artikel die „Kernschmelze des Finanzsystems“. Man höre nur, welche Massnahmen da ernsthaft diskutiert werden: „...die vorübergehende Nationalisierung von (...) Banken“, „... Gesetze, die die Institute dazu zwingen, ihren Kunden Kreditschulden zu erlassen...“, „...eine staatliche Gesellschaft, die Immobilien erwirbt...“. Welch unerhörte Absurditäten! Da hat Würth ja direkt recht, das wäre die „Edel-DDR“! Nur hat das im Gegensatz zu seiner Ansicht nichts mit „der Linken“ zu tun, sondern mit der „Fed“. Verkehrte Welt!

Eine Krise dieser Grössenordnung in der heutigen Situation ist nämlich kaum mit der damaligen zu vergleichen, als die Menschheit kaum 1 Milliarde Menschen umfasste. Heute sind es 6,5 Milliarden!. Das Ausmass der Arbeitslosigkeit, des Elends, der generellen Armut würde alles vorher Bekannte übertreffen.

Die Menschen würden sich das natürlich nicht so einfach gefallen lassen, zumal die Superreichen natürlich weiter superreich wären und die Politiker weiterhin von Party zu Party eilen würden.

Soziale Aufstände bisher unbekannten Aussmasses wären die offensichtlichen Folgen in vielen Ländern der Industrie-Welt und man stellt sich bereits darauf ein:
Der Überwachungsstaat, die Rasterfahndung, die Lokalisierung der Handys, die Überwachung der Konten, die Video-Überwachung, das Eindringen in die Computer und vieles mehr wird entwickelt, denn man wird potentielle Anführer solcher sozialer Bewegungen rechtzeitig aus dem Verkehr ziehen wollen.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge
Auf diesem Photo kann man Elmar im Januar 2006 auf der Stuttgarter Montagsdemo sehen. Im Hintergrund erkennt man die Polizeiwagen, aus denen ununterbrochen fotografiert und gefilmt wurde. Warum wohl?

Entsprechende Ausweitungen der Gefängnis-Kapazitäten sind bereits im Bau.

Lassen wir uns nicht an der Nase herumführen. Der Überwachungs- und Unterdrückungsstaat ist bereits am Anrollen, denn man weiss, mit der Wirtschaft wird keine Staat mehr zu machen sein und Mehr und Mehr werden zur Überzeugung kommen: Dieses System muss weg!


Veröffentlicht am 18. März 2008 in der Berliner Umschau, hier leicht redigiert

Originalartikel

Montag, 17. März 2008

Sind Zumwinkel und Liechtenstein Einzelfälle? Nein, die Spitze des Eisbergs!

Wie die Superreichen und Kriminellen Steuern vermeiden und Geld waschen

Von Karl Weiss

Der Fall der Steuerbetrüger mit ihrem Geld in Liechtenstein hat viel Staub aufgewirbelt. Zumwinkel musste unmittelbar sein Amt niederlegen. Tausende von Superreichen sind im Fokus der Ermittlungsbehörden. Aber handelt es sich lediglich um etwa 2000 von den Wohlhabenden, die Steuern hinterziehen?

Verwunderung kann man an einigen Stellen im Blätterwald feststellen: Warum sind Bundesregierung und BND hinter ihresgleichen her? Man zahlt einen schönen Batzen Geld für gehackte Informationen und zieht dann prominente Deutsche wie Zumwinkel zur Verantwortung? Ist der Kapitalismus vielleicht doch gerecht? Nichts dergleichen. Man spießt ein paar Wenige auf, um anderen Gelegenheit zu geben, das Geld besser zu verstecken.

Zumwinkel
Ex-Postchef Zumwinkel

Es geht wohl darum, die Superreichen zu warnen: Geht mit eurem Geld nicht mehr in die Schweiz, nicht mehr nach Liechtenstein. Schafft es in die wirklichen Steuerparadiese, wo auch Richter keinen Einblick bekommen und wo die Computer gegen Hacker gesichert sind.

Die Schweiz hat in den letzten Jahren bereits angefangen, auf richterliche Anordnung Auskünfte über Bankkonten zu geben, wenn es um Gelder geht, die aus öffentlichen Mitteln veruntreut wurden. In Liechtenstein ist ganz offenbar der Schutz der Computer unzureichend.

Der brasilianische Politiker Paulo Maluf zum Beispiel, der „F.J. Strauß Brasiliens“, eng mit der Militärdiktaur verbändelt und von den Militärs mehrmals zum Gouverneur von São Paulo ernannt, war so unvorsichtig, einen Teil seines Geld nicht rechtzeitig aus der Schweiz abgezogen zu haben. Als es um Bereicherung an öffentlichen Geldern im Milliardenbereich ging, gab die Schweiz auf richterliche Anfrage Millionenbeträge an, die er dort auf einen Konto hatte und später nach Jersey überwies.

Maluf war und ist in so viele Skandale verwickelt, dass ihm sogar ein eigenes Verb in der brasilianischen Sprache gewidmet wurde: Unter „malufar“ versteht man, öffentliche Gelder zu stehlen und allgemein öffentliche Korruption.

Aus gegebenem Anlass haben wir uns an eine Person gewandt, die weiss, wie Superreiche ihr Geld verstecken und ums Steuerzahlen herumkommen. Er ist ebenso Experte in Geldwäsche. Seine Aussagen sind hier zusammengefasst in den Worten des Berichterstatters:

Zeugnis eines Insiders

„Zunächst einmal rät man Jedem mit viel Geld und kriminellen Intentionen, eine legale Fassade zu schaffen (dies gilt nicht nur für Supereiche, die riesigen Aktien- und sonstigen Wertpapierbesitz haben, sondern auch für Drogenhändler, Menschenhändler, Schmuggler, Waffenschieber, Mafia-Bosse usw.). In der Regel wird dazu im eigenen Land (also in unserem Fall in Deutschland) eine Firma aufgemacht und diese Firma arbeitet wirklich und bringt Geld ein. Besonders geeignet sind hierfür Brokerfirmen (also Handel mit Wertpapieren) und Im- und Exportfirmen.

Man lässt die Firma auf ihrem Gebiet arbeiten, setzt einen fähigen Mann an die Spitze der Firma, man zahlt dort Steuern, versteuert das Kapitalentgelt, das man dort einnimmt, bis zum letzten Cent und gibt überall an, man sei Besitzer dieser Firma und habe daher gewisse Geldmittel. Man kann jederzeit beweisen, es handelt sich nicht um eine Scheinfirma, sondern um eine echte und man nimmt von dort Geld ein. Selbstverständlich müssen alle Angestellten jener Firma von den ‚sonstigen Aktivitäten’ streng ferngehalten werden.

Diese legalen Firmen kann man von Zeit zu Zeit auch nutzen, um dort Verluste anfallen zu lassen, falls dies aus Steuergründen angebracht ist.

Dann kommt der zweite Schritt; man „lässt sein Geld arbeiten“ bzw. lässt Gewinne entstehen bei seinen Aktivitäten mit Vorliebe ausserhalb des eigenen Landes. Man kommt dann um unangenehmen Dinge herum, wie zum Beispiel jemand mit schwarzem Geldkoffer über Grenzübergänge gehen zu lassen (man erinnere sich an die „Geldzuflüsse“ von Helmut Kohl). Wenn man also in Deutschland lebt, wird man seine Erträge im wesentlichen in den USA oder in England anfallen lassen oder nach Möglichkeit gleich „offshore“. Unter „offshore“ versteht man Steuer- und Fiskal-Paradiese, die üblicherweis auf Inseln angelegt wurden, worauf dieser Begriff hinweist.

Die berühmtesten dieser Inseln sind die Bahamas, die zu den USA gehören und nur eine Flug-Stunde vom Flughafen Miami entfernt sind, die Cayman-Inseln und Jersey im Kanal, das zu Grossbritannien gehört.

Man lässt also die Gewinne zum Beispiel in den USA oder England anfallen. Dort hat man dann Geschäftsbeziehungen zu einer Anwaltskanzlei, die – geschützt vom Anwaltsgeheimnis - die mehr oder wenige schmutzige Arbeit für einen erledigt. Solche Kanzleien gibt es in diesen Ländern Hunderte. Die müssen dafür natürlich grosszügig an den Erträgen beteiligt werden. Da wird dann oft mit den berühmten schwarzen Geldkoffern gearbeitet, die einer der Anwälte der Kanzlei dann persönlich auf eine Bank auf den Bahamas bringt oder eben auf Jersey. Zugang zu seinem Geld hat man dann auch über diese Anwaltskanzlei.

Während man selbst als Reisender bei Nachforschungen nachzuweisen wäre, so wie ebenfalls eine für einen arbeitende oder einem nahestende Person, handelt es sich bei den Anwälten um Bürger des entsprechenden Landes, deren Reise innerhalb des Landes überhaupt nicht registriert wird.

Das Buch „The Client“ von John Grisham, das auch verfilmt wurde, zeigt ein wenig von diesem Schema der Anwaltskanzleien, die für das Geld Superreicher arbeiten. Allerdings sind von dieser Art des Service eher die sehr Reichen, aber noch nicht die Superreichen betroffen.

Da gibt es nämlich Limitierungen, die hauptsächlich mit den Geldkoffern zusammenhängen. In 100-Dollar-Noten passen nämlich in einen typischen Geldkoffer nur etwa 1 Million Dollars. Bei den Euro ist es etwas leichter, weil es da die 500-Euro-Noten gibt. Da kann man in einen extra grossen Geldkoffer schon mal 5 Millionen quetschen. Allerdings kann man mit Koffern voller Geld immer auch erwischt werden und das könnte zu Unannehmlichkeiten führen

Geldwäsche

5 Millionen sind aber für die wirklich Superreichen „peanuts“. Man kann ja nicht hundert Mal jemand reisen lassen, wenn man 500 Millionen Euro transferieren will. In diesem Fällen muss dann eben der vollständige Service der Geldwäsche her. Unter „Geldwäsche“versteht man einen doppelten Akt: Zunächst die Loslösung des Namens des Besitzers von seinem Geld und danach der Wiedereinführung in das Vermögen des Besitzers mit einem scheinbar legalen Ursprung.

Für den ersten Teil davon sind wieder jene Anwaltsbüros zuständig, aber auch Privatbanken und die Spezialabteilung der grossen Banken für besonders reiche Kunden haben üblicherweise einen solchen „Dienst“. Im wesentlichen geht das Loslösen des Gelds vom Namen des Besitzers so, dass es in Finanztransaktionen so lange gestückelt und hin- und herbewegt wird, bis es nicht mehr nachverfolgbar ist. So kann man zwar später nachweisen, da waren einmal 200 Millionen Euro auf dem Konto des Superreichen A., aber es ist nicht nachvollziehbar, wohin sie gingen. Da man nichts nachweisen kann, bleibt für ihn immer die Behauptung, das sei lediglich eine treuhänderisch verwaltete Summe gewesen, das man auf dem Konto habe eingehen lassen, dann aber abgehoben und an den Besitzer bzw. von ihm angegebene Konten ausgezahlt habe.

In Wirklichkeit wird das Geld von A. aber auf Hunderte von Konten verteilt, von denen keines auf seinen Namen oder den seiner Familienmitglieder läuft. Es beginnt ein heftiges Herum-Überweisen verschieden hoher Beträge nach da und dort und nachdem die Spur sich verloren hat, kann man das Ganze wieder auf einem Konto der Anwaltskanzlei zusammenfassen.

So manch einer der Leser mag schon einmal ein Spam-E-Mail bekommen haben, in dem ihm leicht verdientes Geld versprochen wird, wenn man sich an Bank-Transaktionen beteiligt. Antwortet man auf so ein E-Mail, bekommt man ein Formular zum Ausfüllen mit allen persönlichen Daten und ausserdem Anweisungen, was zu tun ist. Da heisst es dann, man müsse auf den eigenen Namen ein Konto bei einer Bank eröffnen und bekäme dann von Zeit zu Zeit Geldbeträge darauf überwiesen. Die müsse man dann gestückelt auf Anweisung an anzugebende Konten weiterüberweisen. 5% (manchmal gibt es auch mehr) dürfe man aber selbst behalten. Ein nettes leichtes Geldverdienen. Hat nur einen Haken. Man ist an Geldwäsche-Aktionen beteiligt und kann sich plötzlich, wenn das auffliegt, auf der gleichen Anklagebank wie die Russenmafia wiederfinden oder ähnliche freundliche Herren (siehe auch unten den Erfahrungsbericht).

Der zweite Akt der Geldwäsche ist die wunderbare Geldvermehrung für den Supperreichen, die ihm eine legale Quelle verschafft. Heutzutage wird diese zweite Phase meist mit Spekulationsgewinnen legalisiert.

Es gibt auch andere bekannte Schemata, wie die mit Lotteriegewinnen, die mit berühmten Kunstwerken, die man zufällig billig erstehen konnte, die mit extrem teueren Sammlerbriefmarken, die man zufällig im Album des Sohnes entdeckt hat, die mit grossen Diamanten und anderen Edelsteinen, die Casino-Schiffe, die falsche Quittungen über grosse Gewinne im Spiel ausstellen und noch viele mehr.

Die Spekulationsgewinne funktionieren über Brokerfirmen oder Banken. Es wird angegeben, man habe viel Geld auf einen bestimmten Bond, eine bestimmte Aktie, eine Commodity oder ähnliches gesetzt. Dann sei der Kurs gestiegen und man habe mit Gewinn verkauft. Es gibt auch die „Put-Options“, bei denen man auf fallende Kurse setzt. In Wirklichkeit sind diese Bestätigungen gefälscht. Die Kurs-Gewinne bzw. -Verluste gab es wirklich, aber man hat gar nicht spekuliert. In Wirklichkeit hat man der Bank das Geld von der Anwaltsfirma zur Verfügung stellen lassen und die hat die Spekulationsgeschichte ge“faked“.

Was die Anwaltsfirmen und Banken für diese kleinen „Liebesdienste“ verlangen, ist beträchtlich. Man wird bei diesen Transaktionen um die 70 bis 80% seines Geldes los. Aber 30 oder 20% von einer Milliarde, die man unmöglich mit seinem Namen in Verbindung bringen durfte, sind immer noch 300 oder 200 Millionen, die man nun plötzlich völlig legal auf seinem Konto hat. Das ist dann zwar Geld auf den Cayman-Inseln zum Beispiel, aber das kann man dann oft auch ganz legal nach Deutschland überweisen lassen. Man muss dann nur den Beleg über die Legalisierung parat haben und niemand kann einem irgendetwas nachweisen.

Diese hohen „Money-Laundering-Fees“ sind auch einer der Gründe, warum die Banken so unglaubliche Gewinne einstecken. Dagegen ist das Geschäft der Kleinkredite bestenfalls eine legale Fassade.“

Soweit also die Aussagen eines Insiders.

Er hat betont, nach seiner Schätzung nehmen mindestens 90% der Reichen, der sehr Reichen und der Superreichen in der einen oder anderen Form solche Dienste in Anspruch, die zumindest auf Steuerhinterziehung hinauslaufen, oft aber auch mit den kriminellen Wurzeln dieser Gelder zusammenhängen. Kaum einer zahlt z.B. in einem Land wie Deutschland Steuern für seine wirklichen Einnahmen über die der legalen Fassade hinaus, zumal den Grenzern an den Übergängen zur Schweiz ausdrücklich verboten wurde, verdächtig aussehende Herren mit Koffer zu untersuchen (siehe hierzu auch das Buch „Ermitteln verboten“ von Jürgen Roth).

Der bekannte US-Schauspieler Don Johnson („Miami Vice“) wurde einmal mit höheren Summen an einem dieser Übergänge erwischt (Auch US-Bürger lassen ihre Erträge im Ausland anfallen, zum Beispiel in Deutschland). Er liess seine Beziehungen zu höchsten Kreisen spielen. Er wurde nie wegen irgendetwas angeklagt oder verurteilt.

Seitdem ist es deutschen Grenzbeamten angeblich verboten, auffällige Kofferträger (Grenzbeamte haben nach Jahren ein deutliches Gefühl für diese Spezies von Mensch entwickelt) diskret zur Seite zu nehmen und ihnen ihre Geheimnisse zu entlocken.

Der Übergang in die Schweiz bedeutet dabei nicht die Anlage des Geldes in der Schweiz, sondern den Transfer zu einem Ort ausserhalb der EU. Dann kann man in Zürich unbeachtet ein Flugzeug in jedes Land der Welt nehmen.

Dass die USA wie auch Grossbritannien innerhalb ihrer eigenen Grenzen je ein Geldwäsche- und Steuerparadies betreiben, ist ein Skandal für sich. Die beiden Regierungen beteuern offiziell ihre Entschlossenheit, Geldwäsche zu bekämpfen und ermöglichen sie in Wirklichkeit, ähnlich wie die Beteuerungen der Bundesregierung, die dann den Weg in die Schweiz offenhält.

Es wäre ein Leichtes, die Aktivitäten auf den Bahamas und Jersey zu unterbinden und die Regierungen von einschlägigen Inselstaaten unter Druck zu setzen und eventuell mit Sanktionen zu belegen, wenn sie ihre Geldwäsche-Erleichterungen nicht einstellen. Es ist offensichtlich: Die Regierungen wollen dies nicht stoppen. Die dortigen Akteure sind ja selbst meist in solche Geschäfte verwickelt.

Anwerben von Geldwäschern

Für das Zig-fache Herum-Überweisen von Geldern beim Geld waschen braucht man ja eine riesige Anzahl von Konten, die möglichst auf Namen lauten sollten, die weder auf den eigentlichen Eigner zurückzuführen sind noch auf das Anwaltsbüro oder auf die Bank oder Brokerfirma, die das Ganze managen.

Ein Journalist, Bekannter des Insiders, hat einmal eine Reportage über die Anwerbungen solcher Strohmann-Figuren schreiben wollen und berichtet folgendes:

„Ich habe auf ein unaufgefordert zugesandtes E-Mail reagiert. Daraufhin hat man mir Fragebögen zum Ausfüllen geschickt sowie Anweisungen für das Vorgehen. Ich sollte ein neues Konto bei einer von ihnen angegebenen Bank auf meinen Namen einrichten. Dort würden Beträge eingehen, die ich auf Anweisung gestückelt weiterüberweisen sollte.

Nachdem ich das Konto eingerichtet hatte und alle Angaben per E-Mail an eine E-Mail-Adresse in Russland (Endung: .ru) geschickt hatte (als Name war ein typisch rusischer Name angegeben), bekam ich Besuch von einem Herren, der überhaupt nicht russisch, sondern sehr deutsch war. Er sei im Auftrag meiner neuen Geschäftspartner hier und wolle sehen, ob alles in Ordnung ist. Man scheckte also, ob die Adresse stimmte. Er ging mit mir zur Bank und überprüfte, es gibt dort das Konto mit jener Nummer auf meinen Namen.

Er sagte, meine Geschäftspartner würden keine Spässe verstehen und ich solle nicht versuchen irgendwann einmal das Geld nicht weiterzuüberweisen. Nur meine 7% dürfe ich behalten.

Ich versuchte mehr aus ihm herauszubekommen, aber er schwieg sich über alles Andere aus. Als er ging, versuchte ich ihm zu folgen. Er stieg in eine dicke Limouisine, die er auffallend weit weg von meiner Wohnung geparkt hatte. Ich konnte ihm eine Zeit lang mit dem Auto folgen. Ausserhalb der Stadt hielt er auf freiem Feld urplötzlich an und winkte mich zu sich heran. Er sagte, es sei nicht angebracht, ihn zu verfolgen. Das Geschäft mit mir würde nicht zustandekommen. Ab dann wurden meine E-Mails nicht mehr beantwortet. So kam leider keine Reportage zustande.“

Es sei also dringend davon abgeraten, sich auf solche Geschäfte einzulassen. Es ist nicht lustig, es mit Kriminellen zu tun zu haben, denen die Kugel sicherlich sehr locker im Lauf sitzt. Und hier ist zum wesentlichen Teil organisierte Gross-Kriminalität involviert.

Inwieweit allerdings Reiche, die „nur“ ein paar zig Millionen Steuern hinterziehen wollten, auch zu den Grosskriminellen gezählt werden, wird man ja bald sehen, wenn die Prozesse gegen Zumwinkel und Co. anlaufen werden. Das Gefühl sagt einem, sie werden genauso davon kommen wie Kohl, wie Hartz, wie Ackerman und Esser.


Veröffentlicht am 17. März 2008 in der Berliner Umschau, hier leicht redigiert


Originalartikel

Freitag, 1. Februar 2008

1. Februar: Fleischpreis-Explosion in Europa?

Einfuhr billigen brasilianischen Rindfleisches gestoppt

Von Karl Weiss

Ab 1. Februar darf kein Rindfleisch aus Brasilien mehr in die EU. Das hat der zuständige Gesundheitskommissar der EU, Markos Kyprianou, am Tag vor dem Ablauf der Genehmigung, dem 30. Januar 2008, bekanntgegeben. Die Fleischexporte Brasiliens in die EU haben 2007 einen Umfang von 4,4 Milliarden US-Dollar gehabt, das ist ein ins Gewicht fallender Teil aller Fleischimporte. Es ist ein steiler Anstieg der Fleischpreise zu erwarten.

Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt mit einem Anteil von 40% an allen Fleischexporten, ebenso der größte Exporteur von Rindfleisch und der größte von Hühnerfleisch. Der Anteil der EU an Brasiliens Fleischexporten ist bedeutend, aber keineswegs der größte. Noch mehr wird nach China, nach Russland und in Länder des Nahen und Mittleren Ostens exportiert

Fleischland Brasilien

Brasilianisches Rindfleisch hat die Preise in der EU niedrig gehalten, was dem Verbraucher zugute kam. Die Produzenten dagegen, das sind vor allem die Industrie-Grossbauern und die Lebensmittel-Industrie, fanden das gar nicht gut. Brasilien-Fleisch verdarb ihnen Maximalprofite. Sie haben daher ständig den Druck auf die EU-Kommission verstärkt, das Brasilianische Rindfleisch unter irgendeinem Vorwand aus der EU herauszuhalten. Besonders zeichnete sich dabei die irische Regierung aus, die eng mit Rinderzüchtern auf der grünen Insel liiert ist

Zuerst versuchte die Kommission etwas über die „Mad Cow“, den Rinderwahnsinn, auch BSE genannt. Es stellte sich aber bald heraus, andere Länder der EU waren da viel gefährlicher als Brasilien, wo es seit Jahren keinen Fall von BSE mehr gegeben hat. Während es in Europa üblich ist, Rinder mit gemahlenen Rindern zu füttern, was den BSE-Erreger weiterverbreiten kann, ist es in Brasilien für Alle ein Horror, überhaupt daran zu denken, man könne den Pflanzenfressern Rind gemahlene Artgenossen zu Fressen gegeben

Dann ging man auf die Sklavenarbeit. Es werden auf Farmen (Fazendas), die auch Rinder zum Schlachten verkaufen, Sklaven gehalten und man drohte, Brasilianisches Rindfleisch zu stoppen, wenn die Brasilianische Regierung das nicht unterbindet.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Diese sicherte daraufhin zu, die Fazendas, auf denen Rinder zum Export gehalten werden zu überprüfen und nur solche in eine Positiv-Liste aufzunehmen, die als sklavenfrei gelten. Man ging daran, zusammen mit den europäischen Behörden eine Positiv-Liste aufzustellen.

Währenddessen fanden die europäischen Behörden einen neuen Vorwand: Die Maul – und Klauenseuche. Vor zwei Jahren hatte es Fälle im Südwesten Brasiliens gegeben und eine Anzahl Rinder mussten geschlachtet und verbrannt werden.

Die EU-Kommission schickte dann eine Delegation nach Brasilien, die Fazendas und Schlacht- und Kühlhäuser inspizieren sollten, um die Gefahr einzuschätzen, ob aus Brasilien diese Rinderseuche eingeschleppt werden könnte. Was diese Kommission fand, ist mangelnde Rastreabilität der Brasil-Rinder. Darunter ist zu verstehen, nicht alle Rinder im Kühlhaus können lückenlos auf die Schlachthöfe und alle Fazendas zurückverfolgt werden, wo sie je gelebt haben. Dies sei aber notwendig, um auszuschliessen, dass sie eventuell auf einer Fazenda waren, die Maul- und Klauenseuche hatte.

In Rekordzeit hat nun die Brasilianische Regierung im Januar eine Positiv-Liste mit etwa 2700 Fazendas (von insgesamt etwa 10 000, die vorher exportierten) erstellt und nach Europa geschickt, die alle Kriterien der EU erfüllen sollen. Da eine Ultimatum bis Ende Januar gestellt wurde, hat man die Liste offensichtlich erstellt, ohne alle Fazendas zu inspizieren. Das nun wieder, was durch die extrem kurze Zeit des Ultimatums verursacht war, nahm die EU-Kommission zum Vorwand, um die Liste Brasiliens nicht zu akzeptieren und zugleich das generelle Verbot von Brasilianischem Rindfleisch zu erklären.

Ein ehemaliger Brasilianischer Agrarminister und heutige Chef des Exportverbandes Platini de Morais kommentierte dies mit den Worten: „Ich halte es lediglich für absurd, dass man das absolute Verbot von Rindfleisch aus den Staaten São Paulo, Paraná und Mato Grosso do Sul aufrecht erhielt, während in der gleichen Entscheidung englisches Rindfleisch freigegeben wird, wo die letzten Fälle von Maul- und Klauenseuche auftraten.“ Nach seiner Ansicht „macht dies deutlich, die Europäische Union legt zwei verschiedene Masse an, eins für die Vettern und eins für die Armen.“

Tatsache ist aber auch, die Liste der Brasilianischen Regierung war keineswegs überprüft. Ob sie überhaupt unter irgendwelchen Kriterien angelegt wurde, ist zweifelhaft.

Dagegen hat Radraig Walsh, der Chef des irischen Produzentenverbandes, die Entscheidung begrüsst. Die Zahl der autorisierten brasilianischen Farmen müsse limitiert werden. Nach dem Bericht der Delegation, so sagte er, dürften höchstens 300 brasilianische Fazendas die Erlaubnis erhalten, nach Europa zu exportieren.

300 Fazendas könnten nicht einmal 5% der bisher exportierten Menge erzeugen. Laut Walsh sei es aber sowieso besser, brasilianisches Fleich generell aus der EU zu halten.

Die EU-Kommission hat zugesagt, Inspektoren nach Brasilien zu schicken, die nach und nach bestimmte Fazendas besuchen und einige zur Export autorisieren können.

Bis auf diese Weise ins Gewicht fallende Mengen Brasilianischen Rindfleisches in die EU kommen könnten, würde es Jahre dauern.

Da zuviel Rindfleisch sowieso ungesund ist, kann die europäische Bevölkerung sich angesichts der nun mit Sicherheit steil steigenden Preise gleich an eine gesündere Ernährung gewöhnen.


Veröffentlicht am1. Februar 2008 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Donnerstag, 3. Januar 2008

Neues Jahr - schon gehts bergab

Erdöl über 100 Dollar

Preis pro Barrel Rohöl weiter gestiegen / Goldpreis über dem Höchststand von 1980

Von Karl Weiss

Am ersten Werktag des neuen Jahres geschah genau das Gegenteil von dem, was die Wirtschaftswissenschaftler fürs neue Jahr vorausgesagt hatten: Das Rohöl stieg in New York über 100 Dollar pro Barrel, Gold überstieg sein bisheriges Allzeithoch von 1980 und erreichte einen neuen absoluten Rekordpreis von 855 Dollar pro Feinunze.

Erdöl 1

Der Dax sank daraufhin um etwa 1,5%. Dow Jones und Nasdaq fielen um fast 2 %. Der Euro stieg gegenüber dem Dollar wieder auf seinen vorherigen Höchststand von über 1,47 und die 1,50 werden wohl nicht lange auf sich warten lassen. Diesmal wurde sogar das Pfund mit betroffen. Der Euro stieg um 1 % gegen die britische Währung.

Allein in 2007 war der Rohölpreis an der Commodiyty-Börse um 57% gestiegen. Das sei nur Spekulation, nur zeitweise, wurde uns versucht einzureden. Alle Voraussagen, es werde keine Wirtschaftskrise (sie nennen das Rezession) geben, es habe sich nur um kurze „Störungen“ gehandelt, jetzt gehe es weiter aufwärts, wenn auch nicht so steil, sind bereits am ersten Tag des Vorhersagezeitraums den Bach hinuntergegangen. In Brasilien hat der Berichterstatter heute zum ersten Mal von einem Ratgeber am landesweiten Rundfunk CBN den Rat gehört, jetzt auf keinen Fall Aktien zu kaufen, wenn man nicht sehr langfristig anlegen wolle.

Wenn dies nun schon den kleinen „Ratgebern“ deutlich wird, dann kann man sich vorstellen, was da auf die Aktienbesitzer zukommt. Der Berichterstatter hatte schon vor geraumer Zeit davor gewarnt, sein bitter Zusammengespartes in Aktien anzulegen (siehe hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/2878260/)

Das Gold war am ersten Werktag des neuen Jahres sogar zeitweise auf eine kaum glaubliche Höchstmarke von fast 860 Dollar pro Feinzunze gestiegen, verlor dann im Verlauf aber wieder etwas.

Damit ist deutlich: Die Wirtschaftskrise hat praktisch schon begonnen, wenn auch das offizielle Ausrufen erst stattfinden wird, wenn die wichtigsten OECD-Länder zwei Quartale nacheinander Negativwachstum im Nationaleinkommen verbucht haben werden.

Was die neuen Erdölpreisrekorde für die Benzin- und Dieselpreise in Deutschland bedeuten, kann man bereits ahnen. Wer jetzt noch Heizöl nachkaufen muß, wird ebenfalls betroffen sein. Zwar haben die Raffinerien lange Lieferabkommen zu Festpreisen, aber das hat die Ölkonzerne noch nie davon abgehalten, im Gleichklang mit den New Yorker „Light Sweet Crude“-Erhöhungen die Preistafeln auszutauschen.

Jetzt rächt sich bitter die Politik der Bundesregierung, an Benzin und Diesel festzuhalten und keinen Alkohol zuzukaufen, der ohne Schwierigkeiten bis zu 25% dem Benzin beigemischt werden kann und gleichzeitig der Industrie für Bio-Diesel den Garaus zu machen, indem die Steuervorteile gestrichen wurden.

Wer in Bali seine Vertreter den Mund aufreissen läßt und dann genau das Gegenteil tut und Kohlekraftwerke am Fließband baut, wird unglaubwürdig.

Die Voraussagen mit 2% Wachstum 2008 sind jetzt schon Schall und Rauch. Auch wenn man weiterhin Gruppen von Arbeitslosen aus den offiziellen Zahlen herausnimmt, die wirklichen Arbeitslosenzahlen (die überhaupt nicht gesunken sind) werden nun deutlich ansteigen. Man achte einfach auf die Zahl jener, die in Hartz IV sitzen.

Dabei hat gleichzeitig die Inflation (selbst in der „geschönten“ offiziellen Version) ein neues Rekordhoch erreicht. In den Betrieben wird bereits über Teuerungs-Nachschlag diskutiert.

Könnte ein kämpferische 2008 werden, oder?


Veröffentlicht am 3. Januar 2008 in der Berliner Umschau

Originalartikel

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