Oekonomie

Samstag, 10. November 2007

Dossier: Die Hedge Fonds-Gesellschaften

Heuschrecken-Schwärme fallen ein

Von Elmar Getto

Eigentlich ist die Bezeichnung Hedge-Fond-Gesellschaften irreführend, aber das macht in Deutschland nichts, denn hier heißen sie unwideruflich „Heuschrecken-Gesellschaften“, seit ‚Münte’ diesen zweifellos treffenden Vergleich einführte. Ein US-Analyst hat sie einmal AAC (Assets Assault Companies, in etwa: Wert-Raub-Gesellschaften) genannt, was der Wirklichkeit wohl am nächsten kommt. Andere Bezeichnungen, die ebenfalls nicht den Charakter treffen, sind: „Private Equity-Firmen“ und „Venture Capital Gesellschaften“.


Ein Hedge-Fond ist eigentlich eine Geldanlage, die hohe Gewinne bringen kann, aber auch äußerst risikoreich ist. Was diese Gesellschaften aber machen, hat kein größeres Risiko. Es ist vielmehr eine der lukrativsten und gleichzeitig risikoärmsten Investitionen, die es gibt. Das einzig Negative ist, daß es ein bißchen anrüchig ist, daß man sich als Heuschrecken beschimpfen lassen muß, aber wen juckts?

Das Prinzip, das sie alle eint, ist logisch und einfach: Jede halbwegs gut geführte Firma ab einer gewissen Größenordnung stellt einen Wert dar, der weit über dem jeweiligen Kaufpreis liegt und der beleihbar ist. Man kauft die Firma, beleiht die Werte bis auf den letzten Groschen, transferiert das Bargeld zur AAC-Mutterfirma und läßt die Firma anschließend ausbluten, bis sie Pleite geht oder man verkauft sie einfach, falls sich noch jemand findet, der noch ein paar Cents rausholen will. So hat man Werte in seinen Besitz gebracht, die weit über den Kapitaleinsatz beim Kauf hinausgehen und hat damit ein gutes Geschäft gemacht.

Eine andere Version ist, man kann den Umsatz/Absatz der Gesellschaft mit allen Mitteln aufblähen und sie dann zu einem deutlich höheren Wert weiterverkaufen, was ebenfalls ausgesprochen hohe Renditen erbringen kann, wenn man auf so etwas spezialisiert ist.

Siehe Näheres hierzu in diesem Artikel zu einem konkreten Fall.

Da diese ‚deals’ in der Regel nur bis zu zwei oder drei Jahre brauchen, manchmal sogar deutlich schneller abgewickelt weden können, sind hier Profitraten zu erzielen, die manchmal an die Werte 200 oder 300% im Jahr oder mehr herankommen, etwas, das mit einer Produktions- oder Service-Firma unmöglich erzielt werden kann.

Der tendenzielle Fall der Profitrate, den Karl Marx als erster analysiert hat und aus dem er die Schlußfolgerung gezogen hat, daß der Kapitalismus niemals zu stabilen Zuständen führen kann (wie prophetisch, wenn wir heute um uns blicken), zwingt die Großkapitalisten dazu, neue Anlagemöglichkeiten für die immensen Mengen neuen Kapitals zu suchen, das ihnen zufließt und dabei, so weit es noch möglich ist, der Falle der im Schnitt ständig sinkenden Profitraten zu entkommen.

Der einzige Wermutstropfen bei der Geschichte ist, daß ein nicht unwesentlicher Teil der Profite an die jeweils beteiligte Bank (oder Banken) fließen muß, die für solche Geschäfte unabdingbar sind. Wirklich große AACs haben sich darum bereits (eine) eigene Finanzierungsgesellschaft(en) zugelegt. Die Bank hilft am Anfang, den Kauf der ins Auge gefaßten Firma durchzusetzen und hilft auch bei der Finanzierung des Kaufs. Später gibt sie dann die Kredite, für die sie als Sicherheit die Werte der jeweiligen Firma bekommt. Da diese Firma aber nach dem ‚deal’, wie die Bank ja schon vorher weiß, (fast) nichts mehr Wert sein wird, sind das natürlich faule Kredite. Die Bank wird sie nur geben, wenn sie auf der anderen Seite auch an den Profiten beteiligt wird.

Hier eine (bereits überholte) Liste von Firmen, die unter dem Namen „Private Equity“ zusammengefasst wurden, wie sie im Forum von 'Rbi-aktuell' gepostet wurde. Dies ist die Liste, die in der SPD umlief:

Private-Equity-Branche in der BRD:
(Die US-Liste ist 10-mal länger)

aaFortuna Venture Capital & Management AG
AdAstra
AdCapital AG
AdVal Capital Management AG
Advantec Unternehmensbeteiligungen
AFINUM Management GmbH
AIB
Alchemy Partners
Allianz Venture Partners
Alpha Beteiligungsberatung Gmbh
Apollo Capital Partners GmbH
Arcadia Beteiligungen
S Venture GmbH
Atrium Private Equity GmbH
Aurelia Private Equity
AVIDA Group
Axiom Venture Capital
b-business partners Gmbh
aader Wertpapierhandelsbank AG
Baltik AG
BASF AG
Bay BG Bavarian Venture Capital Corp.
Bayerische Hypo-und Vereinsbank AG
Bayern Kapital
Baytech Venture
BBB Bürgschaftsbank
BC Brandenburg Capital
Berlin Capital Fund
Berlin Seed Capital Fund GmbH
BFD Capital GmbH
BHF Bank AG
BHF Private Equity
BioM AG
BLB Private Equity
Blue Capital Equity GmbH
BMP
Botts & Company Ltd.
Bremer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft
Brockhaus Private Equity
BTG Hamburg
BV Capital
BW-Venture Capital GmbH
Capiton ag
Carlyle Group Germany
CAT Venture
CBR Management
CEA Capital Partners Management gmbh
Centennium Capital Partners
Cinven
CMP Capital Management-Partners
Commerz Beteiligungsgesellschaft mbH
Concord Effekten AG
Copan gmbh
Cornerstone Capital
Daimlerchrysler Venture gmb
DEG - Deutsche Investitions-und Entwicklungsgellschaft
Deutsche Beteiligungs AG
DEWB
DIH Finanz und Consult GmbH
Doughty Hanson & Co
Dr. Neuhaus Techno Nord
Dresdner Kleinwort Capital Germany
DVC Deutsche Venture Capital
DZ Equity Partner
e-millennium Partners
Earlybird
ECM Equity Capital Management GmbH
Econa AG
Elevator GmbH
EMBL Ventures
EQT Partners
Equinet Venture Partners
Equita Beteiligungen KgaA
Ergo Equity Partners
Extra Industries
Feri Trust
Finatem Beteiligungs GmbH
Firestorm AG - Capital Partners
First Ventury ag
Frankfurt Capital
General Atlantic Partners LLC
Germanincubator GI
Global Finance Beratungs AG
Global Life Science Ventures (GLSV)
Granville Baird Capital Partners
Greenwich AG
GZ-Capital Partner GmbH
Halder GmbH
Heidelberg Innovation gmbh
Heptagon Capital Beteiligungsgesellschaft der Freien Sparkassen mbH & Co. KG
Hg Capital GmbH
HGU Hamburger Unternehmensbeteiligungs Aktiengesellschaft
High Tech Management GmbH
HSBC Trinkaus & Burkhardt
Hunzinger Information AG
IBB Beteiligungsgesellschfat mbh
IKB Venture Capital gmbh
IMH Industrie Management Holding
Infineon Ventures gmbh
Innotech Innovationen
Innovativ Capital AG
IT-Adventure
IVC Venture Capital ag
Kapitalbeteiligungsgesellschaft der Deutschen Versicherungswirtschaft AG (KDV)
KapitalBeteiligungsgesellschaft für das Land Brandenburg mbH
Kapitalbeteiligunsgesellschaft für die Mittelständische Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen mbH
Kappa IT ventures
Kero Holding
Klaus Tschira Foundation
Konsortium AG
Kremlin AG
Lampe mbH
LeVenture Kapital
Life Science Partners
Life Science Ventures
M Cap Finance
Maier & Partner AG
MAZ level one GmbH
MBG
MBMV
MediaVenture Capital
Medicis
Mediport VC Management GmbH
MicroVenture GmbH & Co. KgaA
Mittelstandische Beteiligungsgesellschaft Hessen
Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Thüringen mbH
MUK Kapitalbeteiligungsgesellschaft mbH
MVC Venture Capital AG
myQube
Nexus Capital GmbH
NIB Norddeutsche Innovations
Nordcapital
Norddeutsche Private Equity gmbh
Nordwind Capital
NPM Capital Beteiligungsberatung GmbH
NWD Nord-West-Deutsche
Odewald & Compagnie
Orlando Management GmbH
Palladion Partners gmbh
Pari Capital AG
Pegasus Beteiligungen AG
Peppermint Financial Partners
Polytechnos Venture-Partners gmbh
pre-IPO Aktiengesellschaft
Pricap Venture Partners
Proximitas ag
RBB Management AG
RBK Regionale
Risikokapital-Fonds Allgäu GmbH & Co. KG
S-Beteiligungsgesellschaft der Sparkasse Freiburg - Nördlicher Breisgau mbH
S-Siegerlandfonds
S-Unternehmensbeteiligungsgesellschaft der Sparkasse Leipzig mbH
S-VC Risikokapital-Fonds
Saarlandische
Sachsen LB Corporate Finance
Sal Oppenheim JR & cie
SBG - Sächsische Beteiligungsgesellschaft mbH
Schleswig-Holsteinische Kapital
Schuering & Andreas
SEED Capital Brandeburgh gmbh
SHS
Siemens Venture Capital Gmbh
Smart IPO AG
Solutio ag Anlagekonzepte fuer Institutionen
SPARK GmbH
Sparta Beteiligungen AG
Stauferkreis AG
SÜD Venture Capital gmbh
SüdKB Süd-Kapitalbeteiligungs-Gesellschaft mbH
T-Telematik venture Holding Gmbh
T-Venture
TakeOff VC Management
Target Partners
Techno nord vc gmbh
Technologie-Beteiligungsgsellschaft mbH der Deutsc
TechnoMedia Kapital
TechnoStart
TecVenture Partners gmbh
Terra Firma Capital Partners
TFG Venture Capital FoF
Triangle Venture Capital
TVM Techno Venture Management Germany
UBAG Unternehmer Beteiligungen
UCA AG
VCH Equity Group
VCI gmbh Beratung Fur Technologieinvestitionen
VCM Venture Capital Management
VEAG mbH
Ventizz Capital Partners
Venture Capital Thueringen GmbH & Co. KG
Venture Vision
VISION Chancenkapital
Wagniskapital
WeHaCo Unternehmensbeteiligungs-AG
Wellington Partners Venture Capital gmbh
Wellness Business Partners
WestLB Ventures
WestSTEAG Partners
WGZ Venture-Capital

Die Firmen bezeichnen sich vorzugsweise als “Private Equity” oder “Venture Capital” und lenken damit von ihrem Charakter als “Hedge-Fond-Gesellschaften” bzw. AACs ab. Hier seien aus der Liste noch einmal speziell die genannt, die große Konzerne bzw. große Banken darstellen bzw. deren Tochtergesellschaften:

Allianz Venture Partners
BASF AG
Bayerische Hypo-und Vereinsbank AG
BHF Bank AG
BHF Private Equity
Daimlerchrysler Venture gmb
Dresdner Kleinwort Capital Germany
Heptagon Capital Beteiligungsgesellschaft der Freien Sparkassen mbH & Co. KG
HSBC Trinkaus & Burkhardt
Siemens Venture Capital Gmbh
VEAG mbH
WestLB Ventures
WestSTEAG Partners

Wir haben hier also, nur daß das auch klar wird, ein “Who is who” des Großkapitals. Es handelt sich nicht etwa um kleine, neue Unternehmen von ein paar Emporkömmlingen, sondern (auch) um das wirkliche Monopolkapital.

Interessant in der Liste auch noch die deutsche Unterabteilung der Carlyle Group. Das ist jene dubiose Finanzierungsgesellschaft, die zum Teil in den Händen der Familie Bush (ja, des US-Präsidenten) liegt und zum Teil dem saudi-arabischen Königshaus gehört. Wer Michael Moore’s Dokumentation ‚Fahrenheit 9/11’ gesehen hat, weiß, was gemeint ist.

Was sind nun diese ‚Werte’ (Assets), die Firmen zu bieten haben, die zum Ziel dieser AACs werden?
  • Zum einen haben die Firmen ja meist eigene Grundstücke und Immobilien, die einen leicht einzuschätzenden Wert darstellen.
  • Darüber hinaus haben sie Maschinen und Anlagen, oft schon abgeschrieben. Da ist es ebenfalls nicht schwer, die Werte zu ermitteln.
  • Drittens stellt die Firma als solche, als Marke oder jedenfalls als in den Kundenkreisen angesehene Lieferantin oder Serviceleisterin, einen Wert dar.
  • Ein weiterer Teil des Gesamtwertes sind die Finanzen und Finanzanlagen der Firma. Gut geführte Firmen in Deutschland haben beträchliche Finanzpolster.
  • Der fünfte ‚asset’ schließlich sind Kundenliste, Lieferantenliste und das „know how“, das in Form von Dokumenten und in Form von Wissen der Beschäftigten vorhanden ist. Dies wird der ‚immaterielle Wert’ der Firma genannt.
  • Dazu kommen, sechstens, ‚weitere Werte’, darunter fallen vor allem Pensionsgesellschaften der Beschäftigten, die von der Firma verwaltet werden und ähnliches.
Zählt man das alles zusammen (und zieht man eventuelle Schulden ab), kommt man zum Gesamtwert einer Firma. Nehmen wir einmal an, der Wert sei mit 500 Millionen Euro eingeschätzt worden. Was wäre nun der Verkaufspreis der Firma? Selbstverständlich gibt es niemand auf der Welt, der bereit wäre, wirklich diese 500 Millionen zu bezahlen. Ist es eine Aktiengesellschaft, kann man den Kaufpreis leicht ausrechnen: Was kosten 51% der Aktien? Im genannten Fall wird dieser Wert kaum über 100 Millionen Euro hinauskommen.

Der Unterschied, 400 Millionen Euro in diesem Fall, ist der Profit, hinter dem die AACs her sind. Das ist natürlich nicht alles reiner Profit, aber die Hälfte davon kann man am Ende wahrscheinlich als reinen Profit verbuchen. Nimmt man an, man braucht ein Jahr, um den Deal bei dieser Firma durchzuziehen, kommt man auf 200% Profit pro Jahr auf eingesetztes Kapital, das sind Traumwerte für jeden Kapitalisten.

In vielen Fällen lassen sich so hohe Profitraten aus den verschiedensten Gründen nicht realisieren, aber auch 50% pro Jahr auf eingesetztes Kapital sind immer noch Werte, die jedem Kapitalisten ein Glimmen in die Augen treibt.

Was sind die Gründe, warum Aktienkurse und Verkaufspreis, also der Marktwert einer Firma, einen so viel geringeren Wert repräsentieren als den wirklichen Firmenwert? Nun, ein ‚normaler’ Käufer, der keine AAC ist, sieht in der Firma ja nicht ihren Gesamtwert, er kann ja z.B. die Grundstücke und Immobilien nicht realisieren, kann ja das Geld der Pensionskasse nicht einstecken, kann sich ja nichts für den ‚immateriellen Wert’ kaufen. Für ihn, der die Firma weiter betreiben will, stellt sie ja nur den Wert dar, den sie jährlich an Überschuß an den Besitzer abwirft. Es ist offensichtlich, daß dies weit weniger ist als ihr Gesamtwert.

Worin besteht also der eigentliche ‚Trick’ der AACs? Eben darin, daß für sie der beleihbare Gesamtwert einer Firma ausschlaggebend ist, während sie nur den Marktwert der Firma für sie zahlen müssen.

Nun bauen verantwortliche Unternehmer natürlich eine Abwehrfront auf, um zu verhindern, daß sie einfach übernommen werden können. Als Beispiel kann die Fuchs Petrolub mit Sitz in Mannheim dienen, eine Firma der Größenordnung (ca. 4.000 Beschäftigte weltweit), die ideal für AAC-Übernahmen ist. Dort hat man z.B. die Firma an die Börse gebracht, die Entscheidungsgewalt aber gleichzeitig in der Familie der Besitzer gelassen.

Das macht man mit einem einfachen Trick: Man splittet die Aktien in Vorzugsaktien und Namensaktien. Stimmrecht über die Belange der Firma geben nur die Namensaktien, die Vorzugsaktien sind ohne Stimmrecht, geben aber höhere Dividenden. Man beläßt dann einfach die Mehrheit der Namensaktien in der Familie und hat so ständig das Sagen, genießt aber andererseits die Vorteile börsennotierter Firmen (man kann sich Bargeld (‚Cash’) an der Börse holen und die dafür zu zahlenden Dividenden hängen von der Gewinnsituation ab, während man bei Bankkrediten die Zinsen immer zahlen muss). Zusätzlich arbeitet man eng mit einer ‚Hausbank’ zusammen, in diesem Fall der Deutschen Bank, die einem erweiterten Schutz vor unerwünschten Käufern gewährt.

Das Ganze geht aber nur solange gut, wie einen die Bank nicht ‚verrät’, also mit einer AAC zusammenarbeitet und wie keine Streitereien in der Familie ausbrechen. Der Niedergang der Dornier-Gruppe z.B., die immerhin einer der weltweit wichtigsten Hersteller von Kleinflugzeugen war, belegt, daß Streitigkeiten in der Besitzerfamilie oft zu Desastern führen.

Insofern ist die Konstruktion mit den Namensaktien auch ein zweischneidiges Schwert. Überwirft sich die Familie mit auch nur einem Familienmitglied, das einen wesentlichen Aktienanteil hat, wird die ganze Firma anfällig für eine AAC- (oder auch sonstige) Übernahme. Man braucht ja lediglich die an der Börse gehandelten Namensaktien aufzukaufen und das Paket des ‚Dissidenten’, schon hat man das Sagen in der Firma. Der zu investierende Wert z.B. bei einer Gesellschaft wie der Fuchs Petrolub wäre nicht einmal ein Zehntel des beleihbaren Gesamtwertes der Firma. Ein Leckerbissen!

Auch in solchen Fällen kann die Hausbank oft noch das Schlimmste verhindern, aber wehe, wenn sie gemeinsame Sache mit der AAC macht.

Ein klassischer Fall ist das Schicksal der Firma Grohe, einem der größten Anbieter von hochwertigen Sanitär- und anderen Armaturen weltweit, mit einem Jahresumsatz von 885 Millionen Euro im Jahr 2003 und 5.800 Mitarbeitern weltweit, eine jener Firmen, die charakteristisch für die deutschen Exporterfolge ist. Deutschland ist nicht umsonst Exportweltmeister.

Die Besitzer von Grohe schufen eine der solidesten Firmen ihrer Größenordnung. Es wurden praktisch keine Bankkredite aufgenommen, man war im Gegenteil seine eigene Bank und vergab Kredite, z.B. an Mitarbeiter, die sich ein Häuschen finanzieren wollten, mit Vorzugszinsen. Man baute eine Pensionskasse auf, die den Mitarbeitern einen angenehmen Lebensabend garantieren sollte. Die Expansion ins Ausland wurde behutsam und gezielt durchgeführt, ohne die eigenen Exporte zu beeinträchtigen. Kurz: Grohe war grundsolide und damit ein bevorzugtes Ziel der AACs.

Wenn heute Mitarbeiter von Grohe auf die Straße gehen mit Pappen, auf die sie geschrieben haben: „WIR sind Grohe“, so zeigt das beispielhaft, wie die Identifizierung der Belegschaft mit der Firma war: vollständig. Mit Standorten in ländlichen Regionen (Lahr, Hemer, Menden, Herzberg) und einer Belegschaft voll auf Unternehmenslinie, etwas Besseres kann eine AAC nicht finden.

Nun war Grohe nach Meldungen eines Internetportals an eine britische Investmentgruppe verkauft worden. Ob das auch schon eine AAC war, konnte nicht festgestellt werden. Jedenfalls wurde Grohe Mitte 2004 von den US-Firmeninvestoren ‘Texas Pacific Group’ und ‘Crédit Suisse First Boston Private Equity’ übernommen (man beachte die typische Zusammenarbeit einer AAC mit der Unterabteilung einer Bank). Zunächst ahnte niemand Schlimmes.

Die neuen Eigner war nicht als Hedge-Fond-Gesellschaft bekannt (der Begriff „private equity“ allein sagt noch nichts über die Absichten, auch wenn man in Zukunft aufmerksam werden sollte, wenn der Begriff auftaucht). Unbekannt sein ist in vielen Fällen natürlich Voraussetzung für ein reibungsloses Durchziehen des ‚Coup’, denn es gibt meist schwerste Widerstände, wenn von vornherein jeder weiß, wer der neue Besitzer ist und was er machen wird.

Aus diesem Grund werden auch andauernd neue AACs gegründet, deren Namen noch nicht auf den bekannten Listen stehen. Der oben zitierte US-Analyst sagte: „Täglich werden 10 neue gegründet und fünf gehen ein.“

Dazu kommt, daß die Firmen regelmäßig rettungslos verschachtelt sind, über andere Firmen, über Einzelpersonen und mit allen sonst noch möglichen Tricks. Die eigentlichen Holdings sitzen meist in Steuerparadiesen wie den Cayman Islands oder Jersey. Wird Geld aus den überfallenen Firmen herausgepumpt, wird es sofort durch hundertfache Überweisungen von Konto zu Konto „gewaschen“, aufgeteilt in kleine Portionen und verschwindet unnachweisbar im Orkus internationaler Transaktionen.

Zur völligen Sicherheit baut man oft noch eine sogenannte „Orange“ ein, über dessen Konto alles läuft. Das ist eine Person, die gar nicht existiert und für die jemand sich ausgegeben hat mit falschen Papieren. Bestimmte Banken, z.B. auf den Bahamas, sind bekannt dafür, vorgelegte Ausweis-Papiere nicht zu überprüfen (im Prinzip müssen Banken bei Ausländern die Identität bei der Botschaft des Heimatlandes überprüfen).

Selbst wenn es eventuell ein Fahnder schaffen sollte, das Geld über die vielen Konten zu verfolgen, trifft er plötzlich auf eine Einzelperson, an die das Geld gegangen ist, die nicht aufzufinden ist und daher auch keine Auskünfte geben kann.

Derjenige hebt in regelmäßigen Abständen die eingegangenen Gelder von „seinem“ Konto ab und zahlt sie auf der anderen Straßenseite bei einer Bank auf andere Konten wieder ein. Damit ist die Spur des Geldes nicht mehr zu verfolgen (dies ist übrigens generell eine beliebte Geldwaschmethode). Natürlich werden solche Konten mit falschen Identitäten ständig gewechselt, um nicht aufzufliegen.

Daß hier kriminelle Methoden verwendet werden, hängt damit zusammen, daß dies einer der Schwachpunkte des Vorgehens ist. Man ist zwar Besitzer der Firma, muß aber nun große Mengen Geld hinausschaffen, ohne allzuviel Aufsehen zu erregen. Bestimmte Mengen kann man noch über Umleitung von Rohstoffkäufen über eine Firma der Gruppe der AAC mit überhöhten Preisen verschieben, andere können mit Beratergebühren, fingierten Gutachten, hohen Rechnungen für Meetings bei der AAC und ähnlichem außer Haus geschafft werden. Auch darf die Besitzerfirma natürlich angemessene Gewinnabführungen verlangen.

Ebenso ist es ein probates Mittel, jeden Tag eine Überweisung eines „krummen Betrages“ unter einer ständig wechselnden Begründung zu veranlassen. Solche Begründungen sind z.B. ‚außerordentliche Aufwendungen’ (Synonym für Bestechungsgelder), ‚Reisespesen Direktor Smith’ (das sich eine entsprechende Reisekostenabrechnung nicht finden läßt, ist dann eben Schlamperei), ‚Aufwandsentschädigung für Nachprüfungen’ usw. usw. Sind das täglich Beträge um die 20.000 Euro, hat man am Ende des Jahres mehr als 6 Millionen überwiesen.

Aber richtig große Geldmengen im Bereich von 100 Millione Euro kann man nicht mehr „unter der Hand“ verschieben. Da muß dann wirklich von der verantwortlichen Person eine Überweisung angeordnet werden mit der einzigen Begründung, daß sie von der verantwortlichen Person angeordnet wurde. Oft läßt die sich das Geld auch bar übergeben. Sollte später, wenn die Firma schon bankrott ist, eine Untersuchung angestellt werden, ist der damals Verantwortliche längst in Neuseeland oder „nicht mehr in der Firma“ oder sonstwie nicht anzutreffen und zu befragen, warum er das angeordnet habe (man arbeitet in besonders krassen Fällen auch mit falschen Identitäten).

Tatsache ist, Grohe ist heute völlig überschuldet, obwohl man noch vor kurzem keinerlei Bankkredite hatte. Wie und wo das ganze Geld hin ist, scheint ein Rätsel zu sein. Auch aus der Pensionskasse scheint Geld verschwunden zu sein. Im Moment ist man gerade in der Phase, wo man sich noch den Anschein gibt, als wolle man das Überleben der Firma durch Lohnsenkungen, Entlassungen, Aufgeben von Standorten, Verlängerung der Arbeitszeit und den weiteren bekannten Maßnahmen sicherstellen, doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich bald herausstellen, daß schon gar keine Überlebensfähigkeit mehr besteht.

Besonders kurios ist, daß ausgerechnet jetzt mit dem lächerlichen Argument der Arbeitsplatzabbau begründet wird, im Ausland seien die Löhne niedriger. Der Niedergang von Grohe hat natürlich mit den Lohnkosten soviel zu tun wie die Kuh mit dem Tanzen. Die mit einem Gutachten beauftragte McKinsey-Gruppe hätte mal untersuchen sollen, wie und wohin das Geld verschwunden ist, aber das ist natürlich nicht ihre Aufgabe. Die finden immer genau das heraus, was sie finden sollen.

Sehr charakteristisch auch das Argument, das man gegenüber der Belegschaft im Werk Herzberg gebracht hat, das vollständig geschlossen werden soll: Die Belegschaft könne ja das Werk kaufen! Der Zynismus dieser ‚Herren’ kennt offenbar keine Grenzen. Selbst wenn das Werk für einen symbolischen Euro verkauft würde (was diese ‚Herren’ natürlich nicht machen würden), stünde die Belegschaft da mit einem Schuldenberg, der unmöglich zu bezahlen wäre.

Im Fall Grohe ist nicht mehr genau festzustellen, wer die eigentliche AAC war. Wahrscheinlich schon jene britische Investmentgruppe, die zuerst zugeschlagen hat. Eventuell ist der momentane Besitzer sogar an einer Sanierung interessiert, aber viel wahrscheinlicher ist, daß sich nach dem ersten Überfall noch eine zweite AAC über die Reste hergemacht hat. In diesem Fall dürfte die Grohe in Wirklichkeit längst Pleite sein und man „spielt“ nur Sanierung, damit es nicht so auffällt.

Die verschiedensten Vertuschungsmethoden sind natürlich bei den Überfällen der AACs gang und gäbe. Manchmal wird wegen der Notwendigkeit des Vertuschens von dem, was wirklich vorgeht, der Zeitraum für das Umsetzen des ‚coup’ unangenehm lang, was natürlich die Profitrate verringert. Aber die Firmen können nicht alle völlig ohne einen gewissen „Anschein“ vorgehen. Das trifft besonders auf die zu, die große Monopole sind oder deren Tochterfirmen. Diese können natürlich nicht solche Methoden wie die oben genannten „Orangen“ anwenden, ebensowenig den verantwortlichen Chef, der sich mit einem falschen Pass ausgewiesen hat und am Ende spurlos verschwindet, auch die Geldwäsche und die Holding auf den Cayman Inseln funktionieren da nicht.

Ein Beispiel ist das Engagement der BMW bei Rover/Leyland in England. Zunächst gab man sich den Anschein, als wolle man wirklich die Marke Rover wieder aufpolieren und weiterführen. Wer aufmerksam beobachtete, sah allerdings bereits, daß man nie so weit ging, ein Rover-Auto an prominenter Stelle in BMW-Verkaufsräume zu stellen.

Zunächst verkaufte man die Gewinn abwerfende Sparte Land Rover. Wo das Geld dieses Verkaufs geblieben ist, ist bis heute nicht geklärt. Dann erklärte man Monat für Monat, man mache gewaltige Verluste. Dies ist einerseits nicht zu überprüfen und hat andererseits den Vorteil, daß man dies mit Gewinnen aus der Muttergesellschaft verrechnen kan. Damals ergab das noch einen Sinn, den es gab noch eine geringfügige Besteuerung von Gewinnen von Großkonzernen in Deutschland, die heute ja praktisch abgeschafft ist.

Daß während dieser ganzen Zeit BMW dafür gesorgt hätte, daß Rover attraktive Autos baut und auf dem Markt vorankommt, kann niemand behaupten. Lediglich den Mini brachte man neu heraus und hatte ein attraktives Nischenauto, die anderen Neuerscheinungen hatten nicht das geringste von einem BMW-Flair.

Als BMW sich von Rover verabschiedete, nahm man den Mini mit und hinterließ eine ausgeblutete Firma mit riesigen Schuldenbergen. Die wurde dann von einer kleinen Investmentfirma übernommen, die wiederum verkündete, sie werde die Marke Rover und die Fabrik sanieren. Tatsache ist, daß die Investmentfirma noch mehr Kredite auf die Rover nahm und schon nach recht kurzer Zeit den Vergleich anmeldete und von der Bühne verschwand. Die Abwicklung des Restes überließ man den Vergleichsverwaltern und damit dem englischen Staat, der dann, wie üblich, die Drecksarbeit des Entlassen der restlichen Mitarbeiter für die AACs übernimmt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist auch bei Grohe nichts anderes zu erwarten. Wenn die „Heuschrecken“ abgegrast haben, wird der Staat zu Hilfe gerufen.

Die Regelungen des Vergleichsverfahrens oder Konkursverfahrens sind beeindruckend. Der frühere Besitzer wird in keinster Weise mehr behelligt, Untersuchungen über die Ursachen der Schuldenberge werden nicht angestellt, der eingesetzte Vergleichsverwalter verdient sich noch ein kleines Vermögen, die Banken jammern, sie verlören Geld, nachdem sie vorher Kredite an eine Firma gegeben hatten, von der sie wissen mußten, daß sie ausgelutscht wird (weil sie selbst daran beteiligt waren) und die entlassenen Mitarbeiter haben nicht einmal mehr eine Instanz, wo sie die ausstehenden Löhne einklagen könnten.

Im Kern ist jeder AAC-Coup kriminell, weil die Techniken des Entfernens der Gelder aus der Firma kriminell sind, in der Regel einfach 'Untreue', ‚Betrug’ oder auch ‚Veruntreuung’. Allerdings kann das ganze meist perfekt vertuscht werden, weil in einer kapitalistischen Firma ja Tyrranei herrscht. Der Besitzer oder dessen Beauftragter haben die Befugnisse absolutistischer Herrscher.

Ob die Regeln korrekter Buchführung angewandt werden, entscheiden allein sie, ob über bestimmte Anweisungen schriftliche Aufzeichnungen in die Akten kommen, entscheiden allein sie, sie können kriminelle Aktionen ihrer Untergebenen befehlen, die dann nur noch entscheiden können, ob sie gehorchen oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Kurz: Die Möglichkeiten, ihre Straftaten unkenntlich zu machen oder sogar Untergebenen aufzuhalsen, sind unendlich. Irgendeine neutrale und kritische Überprüfung von Buchführung und Unternehmensentscheidungen gibt es nicht. Die Bilanz-Überprüfungen durch Firmen wie KPMG oder anderen sind nichts als Alibi-Veranstaltungen.

Ein Mitarbeiter, z.B. ein Buchhalter, der zu kriminellen Techniken gezwungen wurde, ist selbst mitschuldig und wird sich hüten, diese Straftaten offenzulegen, auch nach dem Ende einer Firma.

Die gleiche Bundesrepublik, die fast allen Tätern der faschistischen Verbrechen Straffreiheit gewährt hat, weil sie ja angeblich „im Befehlnotstand gehandelt“ hätten, ist nicht bereit, Firmenbeschäftigten das gleiche Privileg „Befehlnotstand“ zuzugestehen. Wenn eindeutig ist, daß der Mitarbeiter nichts zu seinem eigenen Vorteil getan hat und er glaubhaft machen kann, daß er bei Ungehorsam entlassen worden wäre, bekommt er bestenfalls ‚mildernde Umstände’. Andererseits werden die Verantwortlichen für solche Straftatbestände praktisch nie verurteilt. Der Prozess gegen Ackermann hat exemplarisch gezeigt, daß es fast unmöglich ist unter den herrschenden Umständen, jemandem schuldhaftes Handeln nachzuweisen, wenn er zu jener Zeit das Sagen in einer Firma hatte.

In diesem Sinne handeln die AACs am Ende doch nicht kriminell – jedenfalls läßt es sich nicht nachweisen. Falls sich etwas nachweisen läßt, sind die Verantwortlichen nicht aufzufinden und die Firmen in Steuerparadiesen kann man sowieso für nichts verantwortlich machen.

Natürlich wäre es möglich, mit gesetzlichen Maßnahmen einem solchen Treiben ein Ende zu setzten. Daß es dazu irgendeinen politischen Willen im heutigen Kapitalismus gibt, kann ausgeschlossen werden. Der Kommentar der „Financial Times“ war deutlich: „Wer von Heuschrecken redet, will noch mehr Staatskontrolle über die Unternehmen.“ NOCH mehr, welch ein Horror!

Den Betroffenen wird nichts anderes übrig bleiben, als zäh und kühn um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen und vor allem sich klarzumachen, daß für die Zukunft ihrer Kinder der Sozialismus erkämpft werden muß.

Bleibt noch eine weitere Frage zu klären: Sind die Hedge-Fonds-Gesellschaften oder AACs die Zukunft des Kapitalismus? Kann der Kapitalismus mit ihnen eventuell das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate überlisten?

Nein, das wäre ein grundlegender Irrtum. Was die AACs aus den Unternehmen herausholen, ist ja ‚eingefrorener’ Profit von vorher. Sie schaffen ja keinerlei neuen Profit. Ein Unternehmer, der solide wirtschaftet und noch viele Jahre etwas von seiner Firma haben will, beläßt wesentliche Teile seines Profits in der Firma, um sie zu stärken und so seinen zukünftigen Profit zu sichern.

Die AAC holt lediglich in kurzer Zeit diesen angesammelten Profit aus der Firma.

Dazu kommt, daß die Zahl der von AACs auszusaugenden Firmen sich in engen Grenzen hält. Zunächst sind schon einmal alle kleineren Firmen (in der Größenordnung bis zu etwa 500 Beschäftigten) für diese Art der Betätigung nicht geeignet, weil bei ihnen einfach nicht viel zu holen ist. So eine AAC hat ja auch Kosten. Ein erfahrener Chef für die auszusaugende Firma würde der AAC pro Jahr bei einer kleineren Firma schon mehr kosten, als er dort überhaupt rausholen kann.

Auch wirkliche Großunternehmen, erst recht die Monopole, stehen den AACs nicht zum Aussaugen zur Verfügung. Diese großen Konzerne sind ja fast ausnahmslos Aktiengesellschaften mit größenordnungsmäßig 100.000 bis 500.000 Aktien an der Börse. Solche Mengen von Aktien kann man natürlich nicht still und heimlich aufkaufen, ohne aufzufallen.

Außdem haben zum Beispiel alle deutschen Momopolunternehmen eine Höchststimmrechtsklausel im Gesellschaftsvertrag. Jemand mit mehr als z.B. 10% der Aktien hat trotzdem nur Stimmrecht für 10 %. Die Herren in den Monopolunternehmen sind ja die Vorstände, keineswegs mehr die Besitzer. Die Aktionäre sind lediglich Stimmvieh.

Es gibt also praktisch nur eine Möglichkeit, Großkonzerne und Monopolunternehmen aufzukaufen: man kann ein Übernahmeangebot unterbreiten und hoffen, daß sich genug Aktionäre finden, die es annehmen. Besteht auch nur die geringste Möglichkeit, daß die Gesellschaft, die das Angebot unterbreitet, die Firma lediglich aussaugen will, wird der Vorstand dies den Aktionären schon klarmachen und sie werden ein solches Angebot nur annehmen, wenn es meilenweit über dem Aktienkurs läge. Damit aber würde der schöne Profit schon wieder draufgehen. Die AACs haben ja kein Interesse, die früheren Aktionäre reich zu machen, sie wollen ihre Firma bereichern.

Die Zielgruppe der AACs beschränkt sich also im wesentlichen auf mittlere Firmen, im Bereich von etwa 500 Mitarbeitern bis etwa 10.000 Mitarbeitern – in Ausnahmefällen bis zu 25.000.

Aber auch diese sind zum allergrößten Teil unverkäuflich. Sei es, daß es GmbHs sind und die Eigner nicht verkaufen, sei es daß sie sich über Namensaktien abgesichert haben und nicht verkaufen oder sei es, daß sie die oben schon genannte Höchststimmrechtsklausel im Gesellschaftervertrag haben. Es gibt auch weitere Klauseln, wie eine Gesellschaft sich gegen unerwünschte Übernahmen schützen kann. In vielen Gesellschafterverträgen ist z.B. geregelt, daß ein Verkaufswilliger seine Anteile (oder Aktien) zunächst den anderen Eignern zum Kauf anbieten muß, bevor er nach außen verkaufen darf.

Dazu kommt die Rolle der Hausbanken. Gegen deren Willen ist fast nichts möglich. Solange die Hausbank sich mehr verspricht von einer weiter bestehenden Firma als von den Gewinnen, die beim Aussaugen abfallen, ist kaum etwas zu machen.

Kurz: Auch innerhalb der Zielgruppe sind nur äußerst selten Schnäppchen zu finden, die übernommen und ausgesaugt werden können. Das „know how“ der erfolgreichen AACs besteht hauptsächlich darin, solche Firmen zu finden. In einem Land wie Deutschland dürften kleine Heerscharen von „Ermittlern“ unterwegs sein, um mögliche Kandidaten herauszufinden und den richtigen Zeitpunkt zum Zuschlagen zu eruieren.

Erfährt man zum Beispiel, daß der „Patriarch“ einer Firmengruppe gestorben ist und sich Gerüchte über Erbstreitigkeiten halten, dann kann die AAC wie ein Phönix aus der Asche als Lösung aller Probleme auftreten und den Streithähnen ein sattes Angebot für die Firma vorlegen. Oft ist die Habgier so groß, daß es angenommen wird.

Es gibt also nur selten gute und lohnende Objekte für die AACs. An den beiden oben genannten Beispielen konnte man auch schon sehen, daß sich hier offenbar nacheinander zwei AACs an so einem Brocken gütlich getan hatten. Ebenso kommt es vor, daß eigentlich wenig solide Firmen übernommen und leergesaugt werden, was natürlich weit weniger Profitrate erbringt. Da heute das Aufsteigen neuer Gesellschaften relativ selten ist, kommt auch wenig Nachschub. Die möglichen Kandidaten werden also tendenziell auch noch weniger.

So ist also klar, daß die AAC-Hausse eine zeitweilige ist und für die Geldanleger im allgemeinen kein Problem löst.

Der Kapitalismus hat keinen Ausweg. Die Kapitalisten haben ihre Totengräber schon geschaffen und sind auch noch gezwungen, sie in Wut und Rage zu bringen. Wenn nicht alles täuscht, ist ihr Ende damit besiegelt.


Ein Artikel (besser : Dossier) von Elmar Getto aus dem Jahr 2005, hier geringfügig vom Autor redigiert. Beeindruckend, wie aktuell und taufrisch dies auch heute noch ist, auch wenn die Liste mit den "Heuschrecken" in Deutschland schon überholt sein dürfte. Er erschien damals bei 'RBI-aktuell'.

Montag, 1. Oktober 2007

Transrapid: Ein Atom-U-Boot für die Hafenrundfahrt?

Magnetschwebebahn zum Münchener Flughafen soll nun gebaut werden

Von Karl Weiss

Ist die Magnetschwebebahn eine Zukunftstechnik? Nicht nur in und um München wird heftig diskutiert: Ist es sinnvoll, den Transrapid für viel Geld als Zubringer zum Flughafen zu bauen? Soeben haben der Staat Bayern und die Bahn bekanntgegeben: Die Finanzierung sei gesichert, bereits im nächsten Jahr soll Baubeginn sein für die Magnetschwebebahnstrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen. Auch die Strecke zwischen Berlin und Hamburg war schon im Gespräch, konnte dann allerdings doch nicht finanziert werden.

Die einen sagen, der Transrapid sei „der Zug der Zukunft“ und er brauche eine Referenzstrecke, um den Durchbruch zu schaffen, die anderen, er sei eine überflüssige reine Vorzeigetechnik ohne praktischen Wert. Zudem sei es veraltete Technik, weil das erste Magnetschwebebahn-Patent bereits 1934 angemeldet wurde.

Nun, der Diesel-Motor wurde bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden und nun, im 21. Jahrhundert, hält ihn niemand für überholt. Das kann also das Argument nicht sein.

Alternative zum Flugverkehr - Flugzeug keine Zukunftstechnik

Was ist denn die Magnetschwebetechnik wirklich? Sie ist die Alternative zum Flugverkehr.

Das Flugzeug ist nämlich im Gegensatz zur Magnetschwebebahn keine Zukunftstechnik. Warum? Weil in der Zukunft (fast) der ganze Energiebedarf der Menschheit über Elektrizität zur Verfügung gestellt wird, die aus Sonnen-Paneelen in den Wüsten und Steppen der Welt gewonnen wird.

Es ist aber kaum denkbar, dass es in irgendeiner voraussehbaren Zeit Akkus geben wird, die zum Antrieb von Flugzeugen dienen können. Ebenso kann die moderne Düsentechnik nicht auf elektrische Energie umgestellt werden.

Es gibt längst das Projekt „Synthesis“ für ein internationales Verbundnetz von Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, mit denen die verschiedenen Zentren der Energiegewinnung in den Wüsten rund um die Erde miteinander verbunden werden können und so den einzigen Nachteil aufheben, den die Gewinnung von Energie durch Photovoltaik aus Sonnenlicht hat: Die Sonne scheint ja immer nur auf einer Seite der Erde.

Synthesis Hochspannungsleitungen-Verbund
Synthesis: Ein Verbund von Hochspannungsleitungen rund um die Erde zwischen den Zentren der Sonnenenergie-gewinnung in den grossen Wüsten bzw. Steppen der Erde. Von diesen gehen dann die Verbindungen zu den Verbrauchszentren ab.

Dazu kommen die anderen wesentlichen Nachteil der Flugzeuge, wie die unvermeidlich hohe Lärmentwicklung beim Starten und Landen, die relativ grosse Unfallgefahr, die hohen Kosten pro befördertem Passagier und km und das unglaublich hohen Niveau von schädlichen Abgasen und „Greenhouse gases“ pro befördertem Passagier und km, die bedrängende Enge in der Touristenklasse und die inhärente Terrorismus-Gefahr.

Darum ist die Magnetschwebetechnik die ideale Alternative. Zwar zeigt auch die Magnetschwebebahn das typische Pfeifen bei hohen Geschwindigkeiten, aber das Problem kann durch Tieferlegen, Tunnel, Röhren und ähnliches, wie auch beim ICE, überwunden werden, während die Umgebung von Flughäfen nicht vor dem Lärm der startenden und landenden Flugzeuge geschützt werden kann.

Bahnverkehr, so auch die Magnetschwebebahn, kann mit ein wenig Aufwand praktisch unfallfrei funktionieren.

Die Kosten pro Passagier und km sind vergleichbar denen des ICE, während weit höhere Geschwindigkeiten entwickelt werden können.

Mit Elektrizität, die direkt aus Photovoltaik unter Ausnutzen des Sonnenlichts gewonnen wird, gibt es keinerlei Luftverschmutzung mehr wie auch keinen Ausstoss von Gasen, die zur globalen Erwärmung beitragen können.

Zumindest für den Ersatz des Flugverkehrs innerhalb der Kontinente ist die heute bestehende Technik bereits geeignet und anwendbar. Für den Ersatz von Interkontinentalflügen muss noch einiges Neue geschaffen werden, was aber wohl auch nichts Unmögliches darstellt, z.B. Unterwasserröhren, Brücken oder ähnliches.

Aber selbst wenn bis auf weiteres nur die kontinentalen Flüge ersetzt würden, wären die Vorteile schon gewaltig. Man könnte die interkontinentalen bis auf weiteres den Flugzeugen überlassen. Mehr als 90% des Passagieraufkommens und mehr als 75% der Passagierkilometer betreffen kontinentale Flüge (wobei Eurasien eben ein Kontinent ist).

Über lange Strecken macht sich natürlich bis jetzt noch der Geschwindigkeitsunterschied bemerkbar, denn die modernen Passagierjets fliegen mit etwa 900 km/h, während der Transrapid nur mit bis zu 500 km/h unterwegs ist, aber die weitere Beschleunigung ist auch bei ihm noch möglich. Er wurde ja seit der Eröffnung der Teststrecke im Emsland nicht mehr weiterentwickelt, weil man erst einmal das investierte Kapital herausholen wollte.

Das ist eben das Problem mit dem Kapitalismus, man kann neue sinnvolle Technologie nicht einfach vorantreiben, sondern muss immer warten, bis irgendein Kapitalist damit Profite macht. Deshalb stehen ja die Wüsten heute noch nicht voller Photovoltaik, um der Menschheit fast umsonst alle benötigte Energie zur Verfügung zu stellen. Damit könnten alle Fragen der Verknappung von Ölresourcen und von globaler Erwärmung mit einem Schlag gelöst werden.

Der Kapitalismus, der gegenüber dem Feudalismus noch ein gewaltiger Schritt vorwärts in der Menschheitsgescichte war, ist zum wichtigsten Hindernis für die Lösung der Probleme der Menschheit geworden.

Zudem kann man mit einer Hochgeschwindigkeits-Technologie auf dem Boden (oder besser gesagt 10 cm über dem Boden) auch die Technik anwenden, die Hochgeschwindigkeitszüge ständig in Bewegung zu halten, während kleinere Zugeinheiten während der Fahrt angekoppelt und abgekoppelt und zum Beschleunigen und Abbremsen verwendet werden und noch andere Einheiten tatsächlich zu den Haltestellen fahren. Die kräftige Beschleunigung und das extreme Abbremsen, die man mit der Magnetschwebetechnik realisieren kann, machen so einen schnellen Passagierumsatz möglich, auch wenn die Passagiere dann innerhalb der Zugeinheiten umsteigen müssen, wenn sie aussteigen wollen oder auf die Hochgeschwindigkeitsstrecke wollen.

Aber all das ist Zukunftsmusik, solange der Profit für einige wenige Kapitalisten das alles Ausschlaggebende ist statt der objektiven Interessen der Menschen.

So kam es auch, dass vor einiger Zeit überhaupt die Idee aufkam, der Hochgeschwindikgkeitszug mit der niedrigen Flughöhe könnte als Zubringer für Flughäfen geeignet sein. In Wirklichkeit ist dies eine Verwendung, in der er fast alle wesentlichen Vorteile eben gerade nicht beweisen kann. Es ist sogar eine ironische Anwendung, wenn man bedenkt, er sollte eigentlich diese Flughäfen überflüssig machen.

Trotzdem hat man den Chinesen den Flug-Zug für die Zubringerdienste zum Flughafen Shanghai verkauft. Die Chinesen haben sich dafür dadurch bedankt, dass sie eine eigene Kopie der Technik entwickelt haben und sie jetzt weit billiger als Siemens herstellen können.

Die letzte Chance, die Siemens jetzt noch sieht, eventuell noch Profit aus dem Transrapid zu schlagen, ist wiederum ein Flughafenzubringer, diesmal zum Münchener Flughafen. Das Projekt geistert schon eine ganze Zeit herum, nur ist es eben unsinnig.

Der Transrapid als Flughafenzubringer, das ist so, als würde man ein modernes riesiges AtomU-Boot für eine Hafenrundfahrt benutzen.

Selbst die vorher in Erwägung gezogene Strecke Berlin-Hamburg wäre ja relativ kurz gewesen, um die Überlegenheit des Konzepts der Magnetschwebetechnik zu zeigen.

Hier im Kapitalismus geht es eben auch immer um die Interessen von Konzernen, die überlagern, was sinnvoll wäre. Die Flugzeugbau-Konzerne, die Fluggesellschaften, die Flughafenbetreiber, all die Arbeitsplätze, da sind die Widerstände praktisch fast unüberwindlich.

So kann man unter den gegebenen Umständen eigentlich nur die völlige Unsinnigkeit des Projekts Flughafenzubringers konstatieren und gleichzeitig die Magnetschwebebahn-Technik als Zukunftstechnik verteidigen.


Veröffentlicht am 1. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 19. September 2007

USA: Wirtschaftskrise beginnt

Fed senkt Leitzinsen um sensationelle 0,5%

Von Karl Weiss

Die US-amerikanische Zentralbank Fed hat begonnen, die Leitzinsen zu senken, gleich um sensationell hohe 0,5% auf nunmehr 4,75%. Das ist ein klares Signal: In den USA hat die Wirtschaftskrise begonnen. Nach allem, was je vorher geschehen ist, wird der Gigant US-Wirtschaft alle anderen mit in den Strudel reißen: Die Weltwirtschaftskrise in bisher noch nicht völlig voraussehbarem Ausmaß.

Hatte noch vor kurzem die US-Fed es ausdrücklich abgelehnt, die Leitzinsen zu senken, von einer Inflation gesprochen, die keineswegs endgültig gebannt sei und ein weiteres, wenn auch schwaches, Wirtschaftswachstum vorhergesagt, so hat sie sich jetzt innerhalb kürzester Frist widersprochen. "Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern?“


Man hat aber nicht, wie die meisten erwartet hatten, lediglich einen kleinen Schritt von 0,25% nach unten gemacht, sondern einen großen von 0,5%. Das zeigt, man ist in heller Panik. Plötzlich interessiert die Inflation kein bisschen mehr, die noch im Zentrum der letzten Verlautbarung stand. Man hat natürlich schon weit mehr Statistiken vorliegen, als öffentlich bekannt wurden und weiss, die Krise beginnt.

Die Definition ist klar: Zwei aufeinanderfolgende Quartale mit sinkendem „Gross National Product“ (GNP), erst dann steht es fest, die Krise ist da. Das wird, wenn die US-Wirtschaft im Moment in etwa den Null-Punkt (Nullwachstum) nach unten überschreitet, erst am Ende des ersten Quartals 2008 der Fall sein, bzw. wenn sich bis einschließlich Oktober noch ein kleines Plus ergibt, sogar erst am Ende des zweiten Quartals 2008.

Trotzdem ist der wahre Zeitpunkt des Beginns jetzt. Zinssenkungen werden nur durchgeführt in der Krise, wenn eine Krise unmittelbar bevorsteht oder schon angefangen hat. Die bürgerlichen Ökonomen, Weltmeister in falschen Vorhersagen, nennen sie schamhaft „Rezession“.

Die Arbeitslosigkeit in den USA, obwohl durch Manipulationen und statistische Tricks nach unten „verbessert“, steigt an. Der Konsumindex ist leicht rückläufig, das Konsumklima negativ. Alle halten ihr Geld zusammen und machen jetzt keine Anschaffungen, denn die Zukunft ist unsicher. Das wird durch das deutliche Zinssignal natürlich noch verschärft. Ein sich selbst beschleunigender Prozess.

Housing Slump

Bereits seit Anfang 2006 haben wir wiederholt von der kommenden Wirtschaftskrise gesprochen. Die bürgerlichen Ökonomen haben dagegen immer wieder all dies als „Gerüchtemacherei“, als „Panikmache“ oder als „gezielte Verunsicherung“ abgetan. Sie vertraten bis gestern die These, der Kapitalismus sei krisensicher geworden, die Zeit von Krisen sei Vergangenheit, nun ginge es nur noch unaufhaltsam aufwärts. Auf einen der Artikel des Autors hat einer geantwortet, dies sei der grösste Unsinn, den er je gelesen habe.

Der Kapitalismus trägt immer Krisen in sich, so wie auch Krieg, Elend und Armut, Imperialismus und Völkermord.

Nun aber mussten selbst die blindesten bürgerlichen Ökonomen zugeben, es bestände „eine Chance für eine Rezession in den USA“, während sie noch vor wenigen Tagen tönten, die Finanzkrise sei auf die Finanzinstitutionen beschränkt, die „reale Wirtschaft“ sei überhaupt nicht betroffen. „Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern?“ sagte schon Adenauer.

Immobilienkrise USA

Tatsache ist, die hohe Anzahl von US-Amerikanern, die ihre Schulden aufs Häuschen nicht mehr bedienen konnten und können, zieht in gewaltigem Maße Kaufkraft aus der US-Wirtschaft. Dazu kommt, die Banken bieten diesen Schuldnern keine Umschuldungen an, sondern exekutieren erbarmungslos, um wenigstens einen Teil des Geldes über die Versteigerung der Häuser wiederzubekommen oder einfach die Häuser ins eigene Portfolio einzustellen und auf eine Wertsteigerung zu warten.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Nach den letzten Meldungen haben inzwischen 25% aller US-Amerikaner, die Hypotheken auf ihren Häusern haben, noch mehr zu zahlen als der aktuelle Wert ihres Hauses! Das ergibt sich einfach daraus, dass die Werte von Immobilien drastisch in die Knie gegangen sind (Ein Fall auf die Hälfte des früheren Wertes ist keine Ausnahme) und weil Banken und Hypothekenorganisationen weit höhere Hypotheken akzeptiert haben, als es angesichts des damals aufgeheizten Häusermarktes zu verantworten war.

Dazu kommt als zweiter Faktor: Die Ölpreise haben sich dauerhaft in einer Höhe festgesetzt, die durch die direkte Anwendung auf den Benzinpreis in den USA ebenfalls massiv Kaufkraft abzieht. Während die berühmten bürgerlichen Ökonomen wieder und wieder behauptet hatten, die Ölpreise würden bald auf ihr früheres Niveau von etwa 40 Dollar pro Barrel zurückgehen, war in Wirklichkeit längst klar, es gibt keine Möglichkeit mehr, die Förderung kurzfristig deutlich zu erhöhen.

Der Trick, grosse Mengen von gelagertem Öl auf den Markt zu werfen, hatten zwar den Ölpreis zeitweilig wieder unter die 70-Dollargrenze gedrückt, aber das ging eben nur, solange grosse Lagerbestände vorhanden waren. Am vergangenen Montag hat der Barrel-Preis für Rohöl an der New Yorker Rohstoffbörse die 81 Dollar überschritten. Es besteht nicht die geringste Aussicht, dass dieser Preis je wieder deutlich und längerfristig unter 70 Dollar fällt.

Der dritte Faktor, der zum Ausbruch der jetzt beginnenden US-Wirtschaftkrise beigetragen hat, ist der langdauernde und anscheinend unaufhaltsame Fall des Dollars gegenüber den anderen großen Währungen der Weltwirtschaft, dem Euro, dem Yen, dem Pfund und dem Schweizer Franken. Als der Euro letztes Jahr auf 2,25 kletterte, sagten die schlauen bürgerlichen Ökonomen voraus, das sei nur kurzzeitig und der Euro werde bald wieder fallen.

Nun, inzwischen steht er auf 1,3973 und die Marke von 1,40, die noch kürzlich für undenkbar gehalten wurde, dürfte in absehbarer Zeit fallen. Dann sind auch 1,50 nicht mehr weit. Wo der Dollar am Ende landen wird, ist kaum abzusehen. Dieser laufende Wertverlust des Dollars führt aber zu einer tendenziellen Inflation in den USA, denn die USA sind bei weitem der grösste Importeur der Welt.

Da die Zentralbank mit ihrer massiven Senkung des Leitzinses nun den Kampf gegen die Inflation aufgeben musste, um die „Rezession“ zu bekämpfen, könnte es passieren, dass die USA eine Wirtschaftkrise mit Inflation erleiden werden, während normalerweise in einer Krise die Preise eher zurückgehen oder jedenfalls kaum steigen.

Schliesslich gibt es noch einen vierten Faktor, der zum Beginn der Wirtschaftskrise beigetragen hat: Der „Krieg gegen den Terror“. Die massiven Staatsausgaben der USA für ihre militärischen Abenteuer haben das Budget-Defizit (Defizit des Bundeshaushalts) und die Verschuldung des US-Staates auf Höhen getrieben, die atemberaubend sind. Dazu wurden viele Programme gestrichen, die Kaufkraft geschaffen hätten, um die Kriege in Afghanistan und Irak und auch bereits die massiven Ausgaben für den anvisierten Iran-Krieg zu finanzieren.

Irak-Krieg US-Aggression

Zwar sind die offiziellen Schuldscheine der US-Regierung, die US-Bonds, weiterhin gefragt und China und Japan (und nicht nur sie) kaufen alles auf, was auf den Markt gebracht wird, aber der langsam, aber sicher, fallende Wert des Dollars wird die Investoren und Zentralbanken nun daran erinnern, auf welch gewaltigem Vulkan sie sitzen. Es ist nicht ausgeschlossen, es werden massiv Gelder aus dem Dollar und Dollar-Bonds abgezogen. Das wäre das Ende der Weltwährung Dollar und des Supermachtstatus der USA.

Aber so weit sind wir noch lange nicht. Zunächst wird sich die Wirtschaftskrise in den USA entwickeln und dann langsam mehr und mehr auf alle Weltmärkte und alle anderen nationalen Wirtschaften überborden. Es ist zu erwarten, bis Mitte 2008 hat sich die US-Krise in eine weltweite Wirtschaftskrise verwandelt.

Bush Deaths

Das ist genau zu diesem Zeitpunkt besonders kritisch, denn man ist in den unmittelbaren Vorbereitungen für den Iran-Krieg.

Gun

Ausserdem sind 2008 die Präsidentenwahlen in den USA. Man kann gespannt sein, ob die völlig durchgeknallte Bush-Clique wirklich in dieser Situation den Iran-Krieg beginnt. Auch fragt sich, ob sie eventuell unter dem Vorwand des „Krieges gegen den Terror“ die offene Diktatur in den USA einführt und die Präsidentenwahlen absagt.


Veröffentlicht am 19. September 2007 in der "Berliner Umschau"


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

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"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

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"Fannie und Freddie in der Bredouille"

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"Wirtschaftskrise in den USA"

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"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Donnerstag, 30. August 2007

Was VW alles kann - wenn man will

Das neue Auto von Werner F.

Von Karl Weiss


Interview mit Werner F., Belo Horizonte, Brasilien, über sein neues Auto. Werner F. ist ein Deutscher, der schon länger in Brasilien lebt. Für den deutschen Auto-Konsumenten dürfte interessant sein, was VW alles so kann – wenn man nur wollte – und was man dem deutschen Autokäufer vorenthält.

K.W.: Hallo Werner, danke, dass du dich bereit erklärt hast, ein Interview über dein neues Auto zu geben. Du hast dich also entschieden, einen VW Gol in der einfachen Grundausstattung zu kaufen. Was war ausschlaggebend für die Wahl? Dass es ein deutscher Hersteller ist?



W.F.: Nein, ich bin kein Nationalist. Ich habe mich aus rein sachlichen Gründen für dies Auto entschieden. Ich habe hier in Brasilien auch schon Fiat gefahren, hatte einen Peugeot und auch schon einmal ein Fahrzeug von GM.

Nein, meine Gründe waren ganz sachlich. Zum einen musste ich mir ein möglichst billiges Auto kaufen, denn ich hatte keinen Altwagen zum In-Zahlung-geben, musste also den vollen Preis einkalkulieren da bleibt nicht viel Auswahl, wenn man nicht mit viel Geld bestückt ist.

Es hätte noch zwei geringfügig billigere Autos gegeben in Brasilien, den Ford Ka und den Fiat Uno. Aber über den Ford habe ich viele Dinge bezüglich Unzuverlässigkeit gehört und der Fiat Uno ist nun wirklich ein überholtes Konzept und er wird wohl auch nicht mehr lange auf dem Markt sein, dann verliert man unheimlich an Wiederverkaufswert.

Gleich teuer wie der Gol wäre der GM Celta gewesen, aber der ist noch kleiner als der Gol, der sowieso schon ein kleines Auto ist. Da ich eine vierköpfige Familie habe, war da also der relativ etwas größere im Vorteil. Zu einem ähnlichen Preis wie den Gol hätte es noch den Fiat Palio in der 1-Liter-Version gegeben, aber der war zum einen 1000 Reais (etwa 370 Euro) teurer und bot auch keine so billige Finanzierung. Das gleiche gilt für den Renault Clio in der Grundausstattung. Die nächstmöglichen Autos sind dann gleich 3000 Reais (etwa 1100 Euro) teurer oder mehr, zum Beispiel der GM Corsa, der Peugeot 206, der eben erschienene Renault Logan oder eben auch von VW der Fox, alle in der 1-Lier-Version und erst recht alle diese Autos mit größeren Motoren, also mit 1,4-Litern Hubraum oder 1,6 Liter Hubraum.



K.W.: Du hast dich also für einen 1,0-Liter-Motor entschieden. So etwas gibt es in Europa nur für Motorräder. Ist das nicht eine Untermotorisierung?

W.F.: Ja, eigentlich schon. Als die brasilianische Regierung im Jahr 1994 den Absatz von Autos ankurbeln wollte, beschloss man eine geringere Steuer für Autos mit einem 1-Liter-Motor. Daher sind die seitdem deutlich billiger und daher auch bei weitem die meistverkauften. Wenn man vier Leute im Auto hat und eine der steilen Strassen hier in der Stadt hinauf muss, dann hilft nichts als Hinunterschalten in den ersten Gang. Der Gol ist aber ziemlich leicht gebaut (zum Beispiel im Vergleich zum Renault Clio) und er hat auch die höchste Leistung im Vergleich der Acht-Ventiler. Das war auch einer der Gründe, sich für ihn zu entscheiden.

K.W.: Es gibt also auch 16-Ventiler in einem 1-Liter-Motor?

W.F.: Ja. VW hat seinen 16-Ventil-Motor vom Markt genommen. Ich habe gehört, man habe Schwierigkeiten wegen der Wärmeabfuhr gehabt. Aber es gibt bei den anderen weiterhin 1-Liter-16-Ventiler: Bei GM, bei Fiat, bei Ford, bei Peugeot und bei Renault, das sind jene, die 1-Liter-Motoren anbieten. Mir scheint aber der Aufpreis zu hoch für die relativ geringe Mehrleistung – und da ist eben das Problem mit der Wärmeabfuhr. Da fahre ich den Wagen lieber mit Alkohol, da habe ich dann auch mehr Leistung.



K.W.: Dein Gol ist also ein Flex-Fuel-Fahrzeug?

W.F.: Ja, er kann Benzin und Alkohol in jedem Mischungsverhältnis vertragen, auch reinen Alkohol. Reines Benzin gibt es ja in Brasilien sowieso nicht mehr. VW baut in Brasilien jetzt alle Fahrzeuge in der Flex-Fuel-Ausführung, lediglich der Fox für Europa wird noch in der reinen Benzin-Form gebaut.

K.W.: Hätte VW in Europa nicht einen Wettbewerbsvorteil, wenn man einen Fox mit Flex-Fuel-Motor anbieten würde?

W. F.: Ja sicherlich! Man will das wohl nicht aus ideologischen Gründen. Alle Autohersteller (ausser Ford) haben sich darauf eingeschworen, keinen Bio-Sprit zu fördern, da will VW wohl nicht aussscheren.

K.W.: Aber warum? Was haben die Autohersteller davon, wenn die Einführung von Bio-Sprit hinausgezögert wird?

W.F.: Ja , ich vermute, die sind eng verbunden mit den Ölkonzernen, die ihren Hauptprofit aus Benzin und Diesel ziehen. Da will man nicht dazwischenfunken.



K.W.: Sie sind also anderen Konzernen mehr verbunden als ihren Kunden? Wenn man Alkohol tanken kann, kann man doch den ständig steigenden Benzin-Preisen entwischen?

W.F.: Ja, das ist schon verwunderlich, wie wenig die Autokonzerne sich um die Interessen ihrer Kunden kümmern.

K.W.: Zum Glück haben wir hier in Brasilien ja schon seit Jahrzehnten Alkohol als Kraftstoff. Wie ist denn jetzt der Preivergleich?

W.F.: Im Moment tanke ich Benzin für meinen Dienstwagen mit 2,30 Reais [etwa 85 Euro-Cents]. Den ersten Alkohol für den Gol habe ich für 1,30 [etwa 48 Cents] bekommen, das sind also etwa 55 % des Benzinpreises. Man rechnet üblicherweise, mit Benzin braucht man 70% des Alkohols, also liegt man deutlich billiger.

K.W.: Das Auto verbraucht also mehr mit Alkohol?

Treibstoffpreise Brasilien
Dies Foto wurde etwa zur Zeit des Interviews an einer brasilianischen Tankstelle gemacht. Der hier angezeigte Benzinpreis ("gasolina") von 2,23 entspricht etwa 86 Euro-Cents, der Alkohol-Preis ("álcool") von 1,35 etwa 52 Euro-Cent.

W.F.: Ja, aber es ist auch deutlich sportlicher mit Alkohol. Mit meinem Gol mit Alkohol kann ich glatt vergessen, dass er nur einen 1-Liter-Motor hat.

K.W.: Wenn man ihn aber zurückhaltend fährt und das Plus an Leistung von Alkohol nicht ausnützt, hat er dann auch noch einen Mehrverbrauch?

W.F.: Theoretisch verschwindet dann der Mehrverbrauch bzw. wird so gering, dass man es praktisch nicht messen kann. Aber nur die wenigsten bringen es fertig, die Mehrleistung nicht auszunützen, speziell in diesem Fall, wenn man sowieso einen schwachen Motor hat.



K.W.: Was hat ein Flex-Fuel-Fahrzeug, was ein normaler Benzinsäufer nicht hat?

W.F.:Ja, zunächst eine Sonde im Tank, die misst, wieviel Alkohol und wieviel Benzin im Gemisch ist. Dann haben die Ventile und Ventilsitze eine zusätzliche Härtung, weil das Fahrzeug mit Alkohol sportlicher ist. Diese Härtung ist allerdings bei Autos in Europa sowieso üblich, sie wird zum Beispiel auch beim Fox angewandt, der nach Europa geht. Die Einspritzung ist von Bosch in Brasilien entwickelt worden, sie arbeitet unterschiedlich, je nachdem wie das Mischungsverhältnis zwischen Benzin und Alkohol ist. Als letzten Unterschied gibt es neben dem Wassertank für das Scheibenwischerwasser noch einen kleinen Plastiktank unter der Motorhaube, in den man 1 Liter Benzin einfüllt und von Zeit zu Zeit nachfüllt, weil der Alkohol Schwierigkeiten beim Kaltstart macht und daher für den Start hochprozentiges Benzin gebraucht wird.

K.W.: Und was hat das Auto jetzt gekostet? – Das ist die zweitürige Ausführung, ja?

W.F: Ja, genau gesagt dreitürig. Ich habe ein kleines Ausstattungspaket für 480 Reais (etwa 180 Euro) dazu gekauft, zusammen mit ihm kam es fast genau auf 25 000 Reais (etwa 9260 Euro) für das Modell Jahrgang 2008. Was dabei für mich ausschlaggebend war: Es wurde eine Vollfinanzierung angeboten, die mit 0,99% Zinsen pro Monat läuft und mit 60 Monatsraten.

K.W.: Sind das nicht fast 13% Zins pro Jahr – und dann auf 5 Jahre?

W.F.: Ja , das ist unser Problem in einem Entwicklungsland. Die Zinsen für jede Art von Krediten sind weit höher als in entwickelten Ländern. Während in Deutschland 2,5% Jahreszinsen bei Finanzierungen von Neuwagen angeboten werden – manchmal sogar weniger -, zahlt man hier im Bereich von 20 bis 40% Zinsen pro Jahr – und das sind schon Sonderangebote, die man nur bei Neuwagenkäufen bekommt. Normale Kredite zahlen um die 50% Zinsen pro Jahr und mehr.

Insofern waren weniger als 13% pro Jahr schon ein „Schnäppchen“. Auf diese Weise – und zusammen mit der 5-jährigen Laufzeit – konnte ich auf eine Monatsbelastung kommen, die mir noch Luft zum Atmen lässt bei meinem Einkommen.

K.W.: Wieviel zahlst du monatlich?

W.F.: Das sind fast genau 620 Reais (etwa 230 Euro) pro Monat.

K.W.: Lass mich mal rechnen - damit wirst du also am Ende etwa 37 000 Reais gezahlt haben, das sind fast genau 50% mehr als der Preis auf dem Etikett?!

W.F.: Ja, das ist hart. Aber es wird etwas abgemildert, weil hier die Autos nicht so schnell an Wert verlieren wie in Deutschland. Hier gibt es ja nicht Schnee und Glatteis auf den Strassen, die mit Salz bekämpft werden müssen. Mit zehn Jahren z.B. ist ein Auto in Deutschland nur noch einen Bruchteil seines Neupreises wert, wohl weniger als ein Viertel -, während hier nach zehn Jahren so ein Auto noch etwa die Hälfte des Kaufpreises oder mehr bringt beim Weiterverkauf oder beim "In-Zahlung-geben"".

K.W.:Und nun zur Ausstattung. Du sagtest, du hast ein Ausstattungspaket gekauft. Was beinhaltet das?

W.F.: Das war das kleinstmögliche Paket. Ansonsten ist er völlig Grundausstattung. Das Paket habe ich hauptsächlich gekauft, weil es 14-Zoll-Räder beinhaltet. Ich habe die Autos mit 13-Zoll-Rädern nicht so gerne. Außerdem hat er ein paar äußerliche Verbesserungen, die seinen Wiederverkaufspreis einmal heben werden, z.B. Stossstangen in der Karosseriefarbe. Darüber hinaus waren da noch der Heckscheibenwischer und die Heckscheibenheizung dabei.

K.W.: Und ansonsten? Hydraulische Lenkhilfe?

W.F.: Nope! Aber der Wagen ist sehr leicht.

K.W.: Wieviel Airbags?

W.F.: Keine!

K.W.: Keinen einzigen? Und „Air condition“ – bei den hiesigen Temperaturen wünschenswert?

W.F.: Nein, keine „Air condition“.

K.W.: Metallic-Lackierung? Scheibenbremsen hinten?

W.F.: Fehlanzeige – und auch bei elektrischen Fensterhebern, elektrischem Schliesssystem und Alarmanlage!

K.W.: Also die purest mögliche Grundausstattung! Aber vier Räder hat er schon?

W.F.: Hahaha! Ja, vier Räder und sogar ein Reserverad!

K.W.: Also, wäre das nicht ein Basis-Auto für den europäischen Markt? Deutlich unter 10 000 Euro, bereits fertig für Alkohol, fährt aber auch mit Benzin! Mit einer guten Finanzierung könnte es zu Monatsraten von wenig mehr als 150 Euro auf den Markt gebracht werden. Angesichts der allgemeinen Verarmung sicherlich eine Alternative – und mit Qualität VW!

W.F.: Ja, habe ich mir auch schon überlegt. VW könnte sich gut im unteren Marktsegment installieren mit so einem Auto, auch wenn es für europäische Verhältnisse natürlich spartanisch ist. Aber wird der Transport nach Europa nicht den niedrigen Preis verderben?

K.W.: Beim Transport in ganzen Schiffsladungen ist der Kostenanteil pro Auto minimal. VW hat da ja ausführlich Erfahrungen aus den Zeiten, als man täglich Schiffe mit Käfern nach USA geschickt hatte. - Aber wahrscheinlich müsste man wirklich einige kleine Verbesserungen anbringen für Europa, aber der Preis enthält ja bereits eine gute Marge und die Tendenz des steigenden Euro gegen den Real würde zusätzliche Gewinne bringen – ohne dass man etwas dazu tun müsste. Warum VW das wohl nicht tut?

W.F.: Also meine Theorie dazu ist: Zum einen will man nicht der Spielverderber sein, der als erster die Flex-Fuel-Fahrzeuge in grossem Masse in Europa auf den Markt bringt. Aber der Haupgrund dürfte sein: VW ist seit den Zeiten des ersten Golf bemüht, von dem Image des Kleinwagenherstellers wegzukommen. Man will Prestige und man will teurere Wagen verkaufen. Denn es gilt weiterhin: Kleines Auto – kleine Gewinne – grosses Auto - grosse Gewinne.

Obwohl man sich ja mit der Nobelmarke Audi bereits eine Tochter hierfür zugelegt hat, versucht man doch auch die Hauptmarke auf ein höheres Marktniveau zu bringen. Man will „Passat“ verkaufen – und man sehe sich nur das Abenteuer mit dem „Phaeton“ an! Da scheint ein Auto unterhalb des Fox- und Polo-Levels kontraproduktiv.

K.W.: ...und überlässt so den Kleinwagenmarkt der Fiat und nun auch Renault.

W.F.: Ja, übrigens Renault: Eine Woche bevor ich endgültig den Gol gekauft habe, wurde der Logan von Renault in Brasilien vorgestellt. Er wurde hier etwas oberhalb vom 1-Liter-Clio im Preis angesiedelt und ist in der 1-Liter-Auführung mit kleinerer Karrosserie erhältlich und mit dem 1,6-Liter-Motor in einer grösseren Karosserie. Für mich war das also keine Alternative, denn ich brauchte einen niedrigen Preis. Ausserdem hatte Renault keine so günstigen Finanzierungen.

K.W.: Ist die Idee mit dem Image des Herstellers von teuren Autos nicht etwas verbogen, wenn man Volkswagen heisst und mit dem Käfer berühmt wurde?

W.F.: Ja, das ist kurios. Dabei hatte man ja extra eine Nobelmarke mit einem anderen Namen geschaffen, aber Audi scheint wohl eher ein Stiefkind zu sein als die Nobel-Tochter von VW.

K.W.: Nach den letzten Meldungen ist der Inlandsabsatz von VW deutlich eingebrochen in diesem Jahr. Das wäre eigentlich der richtige Moment einen Kleinwagen auf den Markt zu bringen. Die Leute haben nicht mehr soviel Geld in Deutschland.

W.F.: Nun, das ist nicht die erste Fehlentscheidung von VW und wird wohl nicht die letzte bleiben. Man sehe sich nur an, wie die mit der Aufklärung der Bestechung des Betriebsrates mit Prostituierten-Reisen herumeiern, statt endlich reinen Tisch zu machen.

K.W.: Ja, schlecht geführte Konzerne scheinen eine deutsche Spezialität zu sein.

W.F.: Nur die Gehälter und Zulagen für die Konzernchefs, die sind nicht von schlechten Eltern!

– Danke für das Interview!


Veröffentlicht am 30. August 2007 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Freitag, 17. August 2007

Kapitalismus für die Armen, Sozialismus für die Reichen

Zentralbanken "verschenken" über 350 Milliarden Dollar

Von Karl Weiss

Ein Kommentar von Martin Wolf in der Financial Times vom 15. August 2007 hat Aufsehen erregt. Der Kommentator kritisiert scharf die Entscheidung der Zentralbanken der EU, Japans und der USA, Milliardenbeträge in den Markt zu pumpen und an Finanzinstitutionen zu „verschenken“, die mit Geringst-Zinsen versehen sind, von denen andere nicht einmal träumen können. Er erklärt: „Also gilt der Kapitalismus nur für die Armen, für die Reichen haben wir Sozialismus.“

Angesichts der Verengung des Marktes von Krediten (Anleihen), der sich in der vergangenen Woche einstellte, weil eine Anzahl von Banken und anderen Finanzinstitutionen in riesigem Umfang in riskanten Vergaben von Krediten an Kunden verwickelt sind, die sie nicht zurückzahlen können, hatten die Zentralbanken der USA und Japans sowie die Europäische Zentralbank (EZB)riesige Summen „in den Markt gepumpt“, die zusammen über 350 Milliarden Dollar ausmachen. Allein die EZB hat von Donnerstag bis Dienstag 211 Milliarden Euro locker gemacht.

Immobilienkrise USA

Das frohe Pumpwerk

Unter „in den Markt pumpen“ muss man verstehen, die Zentralbanken vergaben Kredite an Finanzinstitutionen, die mit lächerlichen 4% Zinsen (genau 4,07% in Europa) jährlich (oder vergleichbaren Zinsraten) versehen waren, deutlich unter den offiziellen Refinanzierungsraten (Leitzinsen), die z.B. in den USA im Moment bei 5,25% stehen.

Das wird von Kritikern als „Verschenken von Geld“ bezeichnet. Ein Finanzmann sagte gegenüber der brasilianischen Wirtschaftsagentur „invertia“: „Das wird bei einigen Banken am Jahresende ein paar Prozent des ausgewiesenen Profits mehr ausmachen“. Gleichzeitig wies er die Vorstellung zurück, das kurzzeitige Verleihen von Geld durch die Zentralbanken könnte den Weg in die „Rezession“ (sprich Wirtschaftskrise) aufhalten. „Die Ursache ist überbordende Liquidität. Das kann nicht durch noch mehr Liquidität bekämpft werden.“

Eine andere Krisenursache hat Detlev von Larcher vom Attac-Koordinierungskreis ausgemacht:

"Vordergründig ist die Krise entstanden, weil finanzschwache Häuslebauer in den USA ihre Raten nicht mehr bezahlen können. Die eigentliche Ursache aber ist die politisch gewollte Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte“.

Housing Slump

Er spricht von Lotteriespielen der Banken.

„Echtes Lotto unterliegt allerdings gesetzlichen Regeln und strenger Aufsicht.“

Auf die Kontrolle und Bankaufsicht hebt auch der Kommentar von „peeperkorn“ auf einen einschlägigen Artikel der „Süddeutschen“ (14.8./15.8) ab:

„Natürlich ist es richtig, dass der "Kleine (und mittlere) Mann" von den Banken mit aufgedrängten Hypotheken abgezockt wurde und in vielen Fällen in Ruin und Armut gebracht wurde. Hatten wir das nicht auch bei uns - siehe Schrottimmobilien in der Ex-DDR? Unsere Banken und unsere Finanzaufsicht sind offenbar nicht besser als die in den USA.“

Ein anderer Kommentator (Willy Frey) hebt eher auf die Überschuldung der USA ab:

„(...) der ökonomische Effekt kommt daher, dass alles Geld der Welt in den amerikanischen Schuldenmarkt strömt, weil keine Nation sich so gewissenlos verschuldet wie die US-amerikanische. Und damit ist die Erklärung des unglaublich hohen Engagement der EZB gefunden. Die haben schlicht Bammel davor, dass dieses völlig überschuldete US-System zusammenbricht und die USA als Weltmacht den Staatsbankrott erklären müssen. (...) Nach den Regeln der Kunst bewertet, ist die USA schon längst pleite. Let´s face the facts.“

In die gleiche Richtung zielt auch der Kommentator „Bundesboy“:

„Da das Vertrauen nachhaltig gestört ist, wird es nur eine Frage der Zeit sein, wann sich die nächsten Abgründe auftun. (...) dann werden neue Friktionen kommen, denn Amerika hat sich einfach zuviel Geld gepumpt, das wir nie mehr wiedersehen.“

„Vatermann“ dagegen schreibt:

„Ich denke die Banken haben hier einen schönen Reibach gemacht und es vielleicht bewusst kalkuliert das Menschen in den Bankrott getrieben werden! (...) Die europ. deutschen Banken haben sich im Wettstreit jetzt wieder günstiges Geld verschafft . 200 Mrd. € sind doch gutes Geld um bankrotte Hypotheken zu übernehmen!!“

Der Kommentator „fesh“ sieht dagegen eine „Systemkrise“:

„(...) unsere "real existierende Marktwirtschaft" [ist] ein Pyramidenspiel ..., welches ständiges Wachstum benötigt um weiter zu funktionieren. Zu dumm, dass man auf einem endlichen Planeten nicht unendlich weiter wachsen kann. Solvente Schuldner wachsen nunmal nicht auf Bäumen.“

Die Meinung, die Wolf von der Financial Times vertritt, ist dagegen (sinngemäss): Die haben sich verspekuliert. Wenn sie jetzt nicht die Folgen zu spüren bekommen, weil die Zentralbanken ihnen „helfend unter die Arme greifen“, so werden sie genau das gleiche erneut machen.

Auch die Banken müssen die Folgen ihrer Fehlentscheidungen tragen. Der kleine Hausbesitzer in den USA hat zu niedrigsten Zinsen Hypotheken aufgenommen, weil er die Monatsraten zahlen konnte. Nun aber ist der Wert seines Hauses drastisch gefallen und die Zinsen sind nach oben gegangen und er muss monatlich weit mehr zahlen. Da kommt es zu haufenweisen Zahlungsausfällen, gefolgt in der Regel von Verlust des Hauses und evtl. Versteigerung. Es sind Millionen von Fällen in den USA.

"Diese Auswirkung ist katastrophal"

Warum haben die Zentralbanken nicht diesen Häuschenbesitzern geholfen, sondern helfen nun den Banken, die solche Verluste verkraften könnten? In diesem Zusammenhang kam die Aussage vom Kapitalismus, der nur für die Armen gilt, dagegen Sozialismus für die Reichen. Er sagt: „Diese Auswirkung ist nicht einfach nur angreifbar, sie ist katastrophal.“

Die „Bubbles“ (Blasen, überhöhte Preise, die zusammenbrechen müssen) sind nach seiner Ansicht immer sichtbar gewesen, sowohl die japanische Börsenblase in den 80ern, als auch die Börsen- und Immobilienblase in Asien in der Mitte der 90er wie auch die der europäischen und amerikanischen Börsen Ende der 90er-Jahre, genauso wie die aktuelle Immobilienblase in vielen Ländern der Welt, die von 2000 an aufgebaut wurde und nun platzt. Wenn man sehenden Auges in solche Ereignisse hineinläuft, kann es nicht Aufgabe der Zentralbanken sein, die negativen Auswirkungen auf Kreditinstitute abzufedern.

Der Analyst Mario Mattera vom Bankhaus Metzler sagte der Deutschen Presse- Agentur (dpa), es sei frappierend, wie viele europäische und deutsche Banken von der US-Immobilienkrise betroffen seien.

"Deshalb ist das Misstrauen hier sehr groß und der Handel zwischen den Banken derzeit sehr eingeschränkt. Jeder vermutet beim anderen noch schlummernde Risiken.“

Da können der Chef der EZB und Wirtschaftsminister Gloss noch so laut im Wald pfeifen. Es ist nichts ausgestanden, nur hinausgeschoben!


Veröffentlicht am 16. August 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 6. August 2007

Sind die Welt-Agrarpreise zu hoch oder zu niedrig?

Gezielte Desinformation und naives Nachplappern

Von Karl Weiss

Die aktuelle Milchpreiserhöhung (nicht nur) in Deutschland ist in aller Munde. Sind die Agrarpreise nicht einfach zu hoch? Von interessierten Kreisen wird die Mär verbreitet, der Hunger in den Entwicklungsländern (und nicht nur dort) würde darauf beruhen, dass die Lebensmittel zu teuer seien und die Armen sie sich deshalb nicht leisten könnten. Der Anbau von Bio-Sprit würde diese Preise noch weiter nach oben treiben. Wer schon einmal in einem Entwicklungsland war, weiss: Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Agrarprodukte sind zu billig und das verursacht Hunger.

Wieso das?

Die weit überwiegende Mehrheit der armen Menschen in den Entwicklungsländern haben als die wesentliche mögliche Erwerbs- bzw. Unterhaltsquelle den Anbau von Agrarpflanzen oder das Halten von Nutztieren, also die landwirtschaftliche Betätigung. Das gilt auch für die Bewohner von Slums in oder an den Städten, denn diese Slums formen sich dort meist aus Leuten, die aus ländlichen Regionen kommen und in die Städte streben, weil sie von der landwirtschaftlichen Tätigkeit nicht mehr leben können und deshalb versuchen müssen, in den Städten Arbeit (oder jedenfalls Gelegenheitsarbeit) zu finden, um zu überleben.

Gigantische Agrar-Überproduktion

Es gibt eine weltweite gigantische Agrar-Überproduktion in der Größenordnung des Doppelten an Agrarprodukten, die hergestellt werden, als zum menschlichen Konsum gebraucht würde. Mit anderen Worten: Die Menschheit produziert Agrarprodukte für 12 Milliarden Menschen, während sie bisher „nur“ etwa aus 6 Milliarden besteht. Das führt zu niedrigeren Preisen.

Der Hauptgrund für die niedrigen Preise ist aber ein ganz anderer: Die entwickelten Industriestaaten, das betrifft vor allem die USA, Japan und die Länder der EU (in geringem Masse auch Kanada, Australien und Südkorea), haben einen höheren Lebensstandard als die Schwellen- und Entwicklungsländer. In den „reichen“ Ländern könnte sinnvolle landwirtschaftliche Produktion für die menschliche Ernährung aufgrund der niedrigen zu erzielenden Preise (Weltmarktpreise) für Agrar-Rohprodukte nicht betrieben werden. Um trotzdem nicht völlig ohne landwirtschaftliche Produktion dazustehen, subventionieren diese Staaten daher ihre Agrarprodukte, das heißt, sie kaufen sie von den Produzenten zu Preisen deutlich über Weltmarktniveau und verschleudern sie anschließend zu Preisen um oder unter Weltmarktpreisen auf den Märkten der Welt.

Dieser Mechanismus erniedrigt die Weltmarktpreise immer weiter. Zwar gab es in letzter Zeit bei einer Reihe von Agrarprodukten eine geringfügige Erholung, weil gegenwärtig eine hohe Anzahl von Menschen in die Kondition von Konsumenten von höherwertigen Agrarprodukten hineinwachsen, das betrifft vor allem Teile der Bevölkerung in China und Indien. Aber dieser Effekt ist zeitlich begrenzt und betrifft nur einige Agrarprodukte. Generell werden die Welt-Agrarprodukte zu Preisen gehandelt, die in der Herstellung für kleine Bauern selbst in den ärmsten Ländern der Welt nicht zum Lebensunterhalt ausreichen.

Nur wenn man sie in riesigem Umfang auf gigantischen Flächen in Mega-Monokulturen mit vollem Maschineneinsatz und anderen modernsten Methoden in Intensivlandwirtschaft anbaut, kann man zu diesen Preisen noch einen Überschuss erzielen.

Die niedrigen Preise treffen allerdings keineswegs auf industrialisierte Produkte zu. Wenn wir Produkte einer der großen Marken kaufen, z.B. Nestlé, so zahlen wir horrend hohe Preise, die wiederum zum Hunger auf der Welt beitragen, weil diese Produkte für die Armen wirklich unerschwinglich sind. Dafür machen die großen Agrarkonzerne aber Profite, die den Managern dort die Freudentränen in die Augen treiben.

Der offiziell angegebenen Profit (der wirkliche ist natürlich höher) von Nestlé z.B. für das Jahr 2006 ist 7,5 Milliarden Dollar.

Ausdruck von Raffgier

Auch die aktuelle massive Anhebung von Milch-Verkaufspreisen in den Supermärkten und Läden in Deutschland hat nichts mit diesem Problem zu tun, sondern ist schlicht Ausdruck von Raffgier. Die Konzerne der Agrarwirtschaft, die Großhändler und die Supermarkt-Giganten wollen absahnen. Sie halten ihre Profite für gering im Vergleich zu anderen Brachen und beschlossen, dies zu ändern.

Es geht also nicht um die Endverbraucherpreise von Lebensmitteln, es geht um die Ankaufspreise von Roh-Agrarprodukten. Zwischen beiden bestehen selbst bei Produkten, die so gut wie nicht verändert wurden, auf dem Weg vom Bauern zum Supermarktregal Preisunterschiede im Bereich des Dreifachen, des Vierfachen oder des Fünffachen.

Die jährlichen Ausgaben der EU allein für die Agrarsubventionen belaufen sich auf etwa 50 Milliarden Euro. Da sind aber noch nicht eingeschlossen die horrenden Ausgaben für die Bürokratie in Brüssel, die im Wesentlichen die Agrarsubventionen verwaltet. Zugute kommen diese Subventionen hauptsächlich Großagrariern und Konzernen. Damit konterkarieren sie auch noch ihren angeblichen Zweck, dem kleinen Bauern das Leben von der Landwirtschaft zu ermöglichen. Sie tragen im Gegenteil durch Begünstigung der Großagrarier in der Konkurrenz zusätzlich zum Bauernlegen bei.

Hier in Brasilien, von wo dieser Beitrag geschrieben wird, kann man all dies exemplarisch analysieren. Die Slums, hier Favelas genannt, in den großen Städten São Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte, gab es nicht (oder nicht so) in den Vierziger Jahren.

Brasilien: Unmöglich, noch ein Auskommen zu haben

Hauptsächlich im Nordosten Brasiliens, das im Landesinneren wegen des extrem trockenen Klimas sowieso schon schwierige Bedingungen für die Landwirtschaft hat, vermehrte sich die Bevölkerung in schnellem Rhythmus. Soweit sie Landarbeiter auf den Gütern der Großgrundbesitzer waren, wurden sie durch die beginnende Mechanisierung der Landwirtschaft zum Teil arbeitslos. Soweit sie ein Stück eigenes Land hatten, machten es ihnen die fallenden Preise der Agrarprodukte mehr und mehr unmöglich, noch ein Auskommen zu haben, speziell dann, wenn die Familie rasant größer wurde, ohne dass man die Möglichkeit gehabt hätte, zusätzliches Land hinzu zu kaufen oder zu pachten.

Das Ergebnis war die Abwanderung in die Ballungszentren im Südosten Brasiliens, konzentriert auf die drei genannten Großstädte. Insgesamt etwa 30 bis 35 Millionen Personen aus dem Nordosten zogen südwärts und siedelten sich dort, an ihren Rändern oder zum kleineren Teil auch in anderen Städten an. So bildeten sich die Favelas, in Rio de Janeiro hauptsächlich auf den Hügeln der Stadt, in São Paulo und Belo Horizonte an der Peripherie der Stadt.

Während der Zeit der brasilianischen Militärdiktatur (1964 bis 1988) wurde diese innere Migration noch verschärft durch die völlige Rechtlosigkeit, die in den weiten Flächen des Nordostens Brasiliens herrschte bzw. einzog. Großgrundbesitzer, eng mit den Militärs am Ruder verwoben, ließen Pistoleiro-Banden die Kleinbauern vertreiben und eigneten sich deren Land an.

Noch heute sind die weit überwiegende Mehrzahl der Familien in den Favelas sich bewußt, von wo sie kamen. Viele haben noch Verwandte im Nordosten. Die meisten können zumindest angeben, aus welchem Staat sie bzw. ihre Eltern oder Grosseltern kamen: Pernambuco, Bahia, Piauí, Alagoas, Rio Grande do Norte, Ceará, Maranhão usw.

In den Ballungszentren im Südosten wurde die Autoindustrie angesiedelt: VW, GM und Ford im Grossbereich São Paulo, Fiat in Minas Gerais in der Nähe von Belo Horizonte. Später kamen Peugeot in den Staat Rio de Janeiro und Renault nach Paraná. Da wurden Arbeitskräfte gesucht und dahin strebten die Migranten wie von Magneten angezogen.

Im Prinzip liesse sich diese Bewegung wieder umkehren. Man könnte den Familien wieder Land zur Verfügung stellen und sie würden das Leben dort mit Sicherheit dem in den Favelas vorziehen. Aber dafür müssten die landwirtschaftlichen Produkte zu Preisen verkauft werden können, die den Familien ein Auskommen ermöglichen.

Das Problem der Agrarpreise ist also: Sie sind zu niedrig, nicht zu hoch!

Zwar müssten die Kleinbauern dann (wenn die Agrar-Rostoffpreise auf ein vernünftiges Niveau ansteigen) auch mehr für die Lebensmittel zahlen, die sie nicht selbst erzeugen, aber das ist unbeutend, wenn man selbst bestimmen kann, was man erzeugt und damit alles wesentliche selbst hat. So wie früher auch in Deutschland, haben die Bauern meist auch Gärten, in denen sie für den eigenen Bedarf pflanzen. Das wichtigste für einen Kleinbauern ist, dass er vernünftige Preise für seine Erzeugnisse erzielen kann.

Das Problem ist also nicht, dass die Entwicklungsländer Agrarprodukte in die entwickelten Länder exportieren müssten oder sollten, damit es ihnen besser geht, wie irrtümlich in diesem Artikel von Sabine Kebir angenommen wird. Dies würde, wie sie richtig bemerkt, tatsächlich im wesentlichen den Superreichen in den Entwicklungsländern zugute kommen, die heute schon im Geld schwimmen.

Allerdings können Kleinbauern auch indirekt von Exportmöglichkeiten profitieren. Im „Minas-Dreieck“ (Triangulo Mineiro) in Brasilien z.B. gibt es noch eine ganze Reihe von kleineren Bauern und auch eine Anzahl von Kooperativen, also Zusammenschlüssen von Kleinbauern, die gemeinsam einen Maschinenpark unterhalten und eventuell auch gemeinsam ihre Produkte verkaufen und gemeinsam Dünger und Saatgut einkaufen.

Viele von ihnen bauen Baumwolle an, weil dort die Boden- und Klimabedingungen gut dafür sind. Der globale Handelskonzern Cargill hat dort in der Nähe der Stadt Ueberlandia eine grosse Aufbereitungsfabrik, die den Bauern und Kooperativen die Roh-Baumwolle abkauft. Der Preis orientiert sich am internationalen Roh-Baumwollpreis, der täglich in Dollar an der Chicagoer Rohstoffbörse festgelegt wird. Die aufbereitete Baumwolle wird von Cargill dann auf die internationalen Märkte gebracht.

Es geht aber hauptsächlich darum, dass Kleinbauern (im wesentlichen) für den heimischen Markt produzieren und damit ein auskömmliches Leben sichern können. Solange auf die Märkte der Entwicklungsländer aber subventionierte spottbillige Agrarprodukte aus reichen Ländern drängen, ist daran nicht zu denken.

In diesem Zusammenhang hat sich auch Fidel Castro bereits zum Problem des Anbaus von Pflanzen zur Erzeugung von Kraftstoffen geäussert. Er hat offenbar die Grundlagen kapitalistischer Landwirtschaft bis heute nicht gelernt und gemeint, die Verwendung eines Teils der Anbaufläche für Bio-Sprit würde die Lebensmittelpreise hochtreiben und damit den Armen nur schaden. Das ist, bezogen auf einen Markt, der mit einer etwa 100%igen Überproduktion arbeitet, schlicht Unsinn.

Das Problem der Armen ist nicht, dass es keine oder wenig Lebensmittel gibt, sondern das sie sie nicht kaufen können!
Dass sie sie nicht kaufen können, liegt nicht an zu hohen Preisen, sondern am Mangel an Geld! Der Mangel an Geld liegt an den zu niedrigen Ankaufspreisen für Agrarprodukte!


Hatte Fidel Castro recht?

Nun hat sich auch ein katholischer Dominikanerpater, der mit der inzwischen vom Papst verbotenen Befreiungstheologie zu tun hatte, Frei Beto, in Brasilien zu diesem Thema geäussert. Er meint, Fidel Castro habe recht. Er meint, die Bio-Treibstoffe, weil sie anstelle von Nahrungsmittel angebaut würden, seien für noch mehr Hungertote verantwortlich und nennt sie daher „Todes-Sprit“.

Er behauptet, durch die Umwidmung von Feldern in Brasilien zum Zuckerrohranbau für Bio-Ethanol als Benzinersatz würden in Brasilien weniger der traditionellen Nahrungsmittel angebaut, was zu horrenden Preiserhöhungen geführt hätte.

Zitat:
„In Brasilien selbst, (...) habe die Bevölkerung im ersten Halbjahr dieses Jahres für Nahrungsmittel dreimal soviel ausgeben müssen wie im gleichen Vorjahreszeitraum.“

Wenn das wahr wäre, würde der Berichterstatter hier nicht mehr im Internet schreiben. Eine Preiserhöhung um die behaupteten 200% hätte ganz Brasilien aus den Angeln gehoben und Millionen und Abermillionen von Hungertoten verursacht. Nichts dergleichen ist geschehen!

Zwar sind die Grundnahrungsmittel wirklich deutlich stärker in den Preisen angehoben worden als die offizielle Inflationsrate von 3,5% jährlich, aber eben auch nicht um mehr als 10 % in einem Jahr. Zudem haben die Gründe dafür mit der unendlichen Profitgier der Reichen zu tun und nicht mit dem Anbau von Zuckerrohr.

Frei Beto hat mit vielem in seinem Artikel recht. Tatsächlich sind die Arbeitsbedingungen der Landarbeiter, die auf brasilianischen Zuckerrohrfeldern arbeiten, katastrophal, während die Bezahlung zur gleichen Zeit kümmerlich ist. Tatsächlich gibt es im Zuckerrohranbau in abgelegenen Gegenden Sklavenhaltung, siehe hierzu auch im Artikel: „Brasilien und Sklaverei“.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Tatsächlich sind die Grossgrundbesitzer, die Zuckerrohr für Alkohol anbauen, in grossem Masse in Aktionen des „Abzweigens“ öffentlicher Gelder in die eigenen Taschen verwickelt. Tatsächlich sind sie zu wesentlichen Teilen für die Binnen-Migration in Brasilien verantwortlich und damit auch für das Elend in den Favelas und die damit zusammenhängenden Probleme der Gewalttaten, des Drogenhandels, des Menschenhandels usw.

Nur hat das alles nichts mit der Verwendung eines großen Teils der Zuckerrohrernte zur Herstellung von Alkohol als Benzinersatz zu tun, den es ja erst seit einigen Jahrzehnten gibt und der heute verstärkt eingesetzt wird. Frei Beto sagt nämlich völlig zu Recht, das Meiste davon trifft bereits seit der Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal zu, also seit 1822.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Frei Beto behauptet auch, es habe eine Ausweitung von Zuckerrohranbau in Gebiete hinein gegeben, wo vorher Soja angebaut wurde. Dadurch sei ein verstärktes Abholzen des Amazonas-Regenwaldes zum Gewinnen von Feldern für den Soja-Anbau verursacht. Das ist Unsinn.

Das Jahr für Jahr stärkere Abholzen und Abbrennen von Regenwald-Flächen, um darauf später Soja anzubauen, hat nichts mit einer Migration des Soja-Anbaus aus anderen Regionen zu tun. Die Vernichtung von Regenwald für Soja-Anbau wird bereits seit Jahrzehnten durchgeführt, lange vor dem gegenwärtigen Alkohol-Boom.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Die Beschleunigung in den letzten Jahren hat dagegen sehr viel damit zu tun, dass man den Bock zum Gärtner gemacht hat im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso, der eine grössere Ausdehnung als Deutschland hat. Dort wurde vor 6 Jahren der „König der Soja“ und grösster Soja-Anbauer der Welt mit Namen Maggi zum Gouverneur (Ministerpräsident) des Staates gewählt und er baut seine Anbau-Areale seitdem mit noch höherer Geschwindigkeit in den Norden des Bundesstaates aus, der vor Jahren noch wesentlich aus unberührtem Regenwald bestand. Maggi ist Teil der Regierungskoalition Lulas und als solcher ein wichtiger Verbündeter des Präsidenten.

Siehe dazu auch „Abholzen und Abbrennen“:

Schließlich gibt es da noch die bewusst in die Öffentlichkeit lanzierte Tatsache, dass der Preis von Mais deutlich gestiegen ist, speziell in Nordamerika. Es wird wieder und wieder behauptet, dies sei durch die teilweise Verwendung des angebauten Mais für die Herstellung von Alkohol in den USA verursacht. Auch das ist eine Legende.

Der Grund für die höheren Mais-Preise ist Monsantos Genmais. Er ist inzwischen schon so weit in den USA und Kanada verbreitet, dass bereits fast alle Nicht-Gen-Maisfelder durch Samenflug verunreinigt wurden und mehr und mehr auch schon aus Gen-Mais bestehen. Monsantos Gen-Mais ist resistent gegen Monsantos Unkrautvernichtungsmittel ‚Roundup’ und damit ein idealer Profitbringer für den Chemie-Konzern.

Die Bauern, deren Maisfelder durch Gen-Mais verunreinigt wurden, können nicht etwa eine Entschädugung dafür von Monsanto fordern, nein, es ist genau umgekehrt: Monsanto weist mit Proben aus den Feldern nach, das dort zum Teil der von dem Konzern patentierte Mais wächst und verlangt Lizenzzahlungen von den Bauern. Auserdem dürfen die Bauern nicht mehr einen Teil der eigenen Ernte zur Aussaat im nächsten Jahr verwenden, sondern werden gezwungen, das Saatgut von Monsanto zu kaufen.

Die höheren Gerichte in den USA und Kanda haben in allen Fällen der Monsanto Recht gegeben und die Bauern verurteilt. Zudem müssen die Bauern jedes Jahr grössere Mengen von Roundup ausbringen, um Unkraut fernzuhalten.

Das hat den Anbau von Mais in Nordamerika deutlich verteuert und nun haben die Landwirte auch höhere Abnahmepreise für ihren Mais durchgesetzt. Dadurch sind in Mexiko, wo die Tortillas aus Mais Grundnahrungsmittel sind, die Lebensbedingungen der Armen noch weiter verschlechtert worden. Das wiederum hat nun zu ständig wiederholten Behauptungen geführt, dies hinge mit der Verwendung von Mais zur Alkoholherstellung zusammen, die dann von Fidel Castro und nun auch von Frei Beto aufgegriffen wurden.

In Wirklichkeit handelt es sich um gezielte Desinformationen aus Kampagnen, gesponsert von Konzernen der Ölindustrie, der Automobilindustrie und der Energieversorgung, die dann von gutgläubigen Menschen nachgeplappert werden oder von solchen, die sich glauben profilieren zu müssen.


Veröffentlicht in "Nachrichten - heute" am 6. August 2007

Originalartikel

Freitag, 6. Juli 2007

'Gefühlte Inflation' kontra 'Ermittelte Inflation'

Wie die offizielle Inflation nach unten manipuliert wird

Von Karl Weiss

Kürzlich wurde erstmals offiziell zugegeben, die Normalbürger „fühlen“ eine deutlich höhere Inflation als es die Statistik-Institute ermitteln. Der Begriff der „gefühlten Inflation“ wurde eingeführt. Das Gespräch mit einem der „Testkäufer“ hat ergeben, der Normalbürger fühlt nicht nur, dass etwas nicht in Ordnung ist mit den Zahlen der offiziellen Inflationsrate, sondern er hat Recht: Die für seinen Konsum eingetretene Inflation ist wirklich deutlich höher als die offiziellen Zahlen.

Die Tatsache, dass die „Testkäufer“ der Statistikinstitute grundsätzlich keine Sonderangebote berücksichtigen, ist einer der Hauptgründe, warum die offizielle Inflation oft weit unter der von uns „gefühlten Inflation“ bleibt (siehe „Teuro-Effekt“).

Wie der Zufall so spielt, hat der Autor über einen Bekannten hier in Belo Horizonte einen freiberuflichen Mitarbeiter der „Fundação Getúlio Vargas“ (FGV) kennen gelernt, die hier in Brasilien für das Messen der Inflation zuständig ist. Beim Gespräch über seine Tätigkeit kamen extrem interessante Aspekte ans Tageslicht. Auch ihm erscheinen die erhobenen Zahlen für die Werte der Inflation nicht realistisch, sondern nach unten manipuliert.

Als Hauptgrund hierfür (neben der geschickten Auswahl des Warenkorbes) nannte er das Ausklammern von allem, was als Sonderangebot läuft, aus den erhobenen Zahlen.

In der Praxis, berichtete er, läuft das so: Wenn er „Testkäufe“ macht, so kauft er nicht wirklich ein, sondern er notiert die Preise der Waren, die im „Warenkorb“ vorgesehen sind. Mit der entsprechenden Liste geht er anschließend zum Besitzer des Ladens oder zum Abteilungsleiter des Supermarkts und bespricht mit ihm die Preise.

Warum? Ganz einfach. Er darf keinerlei Preis verwenden, der als „Sonderpreis“, „Sonderangebot“, „Lockvogelangebot“, „Ausverkauf“ oder ähnliches deklariert wird. Der Manager teilt ihm also mit, was von den notierten Preisen als „Angebot“ gilt und was der „richtige Preis“ dafür wäre, wenn die Ware nicht im Angbebot wäre. Das führt nach seiner Angabe dazu, dass oft 80% der Preise, die er im Laden notiert hat, durch theoretische Preise ersetzt werden, die in Wirklichkeit niemand zahlt.

Er nannte als Beispiel den ‚Skol’-Preis, der als einer der Warenkorb-Preise für den Unterpunkt „Bier“ erhoben wird. Die Marke Skol ist hier in Brasilien die meistverkaufte Biermarke. In den Supermärkten wird Bier fast ausschliesslich in den kleinen Alu-Dosen mit 350 ml verkauft. Über ganz Brasilien fast einheitlich (ausser in abgelegenen Regionen) wird in diesem Moment eine solche Dose Skol zu Preisen zwischen R$ 1,20 und R$ 1,25 verkauft. Der Preis ohne Sonderangebot ist aber R$ 1,35. 99% des Verkaufs von Skol findet zu Angebotspreisen statt. Trotzdem notiert der Testkäufer einen anderen Preis, in diesem Fall also die 1,35 Reais.

Da ein Euro im Moment bei etwa 2,60 Reais liegt , heisst das, die Käufer erwerben das Bier in Wirklichkeit für zwischen 46 und 48 Cents, während der „offizielle Preis“ bei etwa 52 Cents liegt. Wie das nun die offizielle Inflation von der tatsächlichen abheben kann, zeigte nach seiner Aussage die vergangene Woche. Da wurde nämlich, wie er bemerkte, ein massiver Preisanstieg über alle Supermärkte hinweg versucht, wo in der Regel die Preise pro Dose um 0,04 Reais anstiegen, also zum Beispiel von 1,21 auf 1,25, das ist immerhin ein Anstieg von über 3% innerhalb einer Woche.

Gleichzeitig, so sagte er, wurde aber der offizielle Preis von 1,35 auf 1,34 verringert. Unter der Prämisse, dass fast die gesamte Menge aber eben zu angeblichen Angebotspreisen verkauft wird, verdreht die Erhebung so einen deutlichen Preisanstieg zu einem leichten Preis-Nachlass.

Das gleiche, so sagte er, trifft auch für den Unterpunkt ‚Erfrischungsgetränke’ zu, wozu ebenfalls das meistverkaufte Getränk herangezogen wird, Coca Cola. Er sagte, der offizielle Preis von Coca Cola in der 2-Liter-PET-Flasche, das ist die bei weitem meistverkaufte Version, liegt seit Monaten konstant bei R$ 3,40 (1,31 Euro). In Wirklichkeit wird nirgendwo das Getränk zu diesem Preis verkauft (mit Ausnahme von Läden an Tankstellen und ähnlichen). Vor Monaten noch wurde in Wirklichkeit die Flasche an vielen Stellen für R$ 2,40 (0,92 Euro) angeboten, während sich heute der Preis des braunen Sprudelwassers generell auf Werte zwischen R$ 2,80 (1,08 Euro) und R$ 3,30 (1,27 Euro) erhöht hat. Offiziell also keinerlei Preianstieg, in Wirklichkeit Preiserhöhungen im Bereich von 17 bis 37 %!

Ähnliches trifft nach seiner Aussage für andere viel gekaufte Güter zu, wie Grundnahrungsmittel (Reis, Brot, Bohnen, Margarine, Schinken, Käse usw.), Obst und Gemüse sowie Toilett-Artikel wie Shampoo und ähnliches.

Er erklärte zusätzlich, dass diese Methode auf lange Sicht natürlich keine verringerte Inflation erzeugen kann, denn am Ende müssen ja auch die „offiziellen Preise“ inflationär angeglichen werden, sonst würden sie ja unter die der tatsächlich gehandhabten fallen. Aber, so sagt er, auf diese Weise können jene raschen Inflationsschübe „verdeckt“ werden, die aus verschiedenen Gründen öfters vorkommen.

Wir haben in Europa ja damit Erfahrungen, seit wir die Einführung des Euro erlebt haben, der sich angeblich kaum inflationär ausgewirkt haben soll.

Die Methoden, wie man die Inflationszahlen auf längere Sicht nach unten manipuliert, sind dagegen andere: Vor allem wird dabei der ausgewählte Kreis der Konsumenten benutzt, um eine niedrigere Inflation zu erzeugen. Man nimmt als offizielle Inflations-Messzahl die Konsumgewohnheiten nicht etwa des normalen, wenig verdienenden Bürgers, ebensowenig einen genauen Durchschnitt der Bevölkerung in Einkommen und Ausgaben, sondern einen teuflischen Trick: Man verwendet den Durchschnitt des gesamten Konsums im Land! Dadurch werden die hohen Ausgaben der Reichen voll berücksichtigt, obwohl sie nur eine kleine Schicht der Bevölkerung darstellen.

Das bedeutet, wenn – sagen wir, die Gesamtmenge von Brot, die in einem Monat in einem Land gekauft wird, etwa 1 Milliarde Euros ausmacht, so geht der Brotpreis mit der gleichen Gewichtung in den Inflationsindex ein wie – sagen wir, die gekauften Luxusjachten und anderen privaten Schiffe und Boote, die angenommenerweise ebenfalls eine Milliarde in einem Monat ausmachen.

Dadurch gehen Luxusgüter, wie Jachten, Ferraris und andere Luxusautos, Chinchilla-Mäntel, Dior-Kleider und andere irrwitzige teure Kleidungsstücke, extrem teure elektronische Geräte wie spezielle Riesen-Fernseher und Luxus-Tonwiedergabe-Anlagen, antike Möbelstücke und viele andere in überproportionaler Weise in die Inflationsrate ein. Zwar nicht überproportional im Sinne ihres Anteil am gesamten Konsum des Landes, aber weit überproportional im Sinne der betroffenen Bevölkerung. Luxusgüter haben nämlich die unglaubliche Eigenschaft, kaum je im Preis zu steigen, oft sogar billiger zu werden.

Dieser Trick hat auch noch eine zweite Nebenwirkung, die ebenfalls „hilft“, die Inflationsrate niedrig zu halten: Neue elektronische Produkte, am Anfang meist noch extrem teuer, gehen bereits in diesem frühen Stadium in die Erfassung der Preise ein. Das trifft zum Beispiel für elektronische Cameras zu, als sie noch 10 000 Euro kosteten oder für Plasma-Fernseher, als sie noch 20 000 Euros kosteten oder für Digitalfernseher und Breitbild-Fernseher, als sie noch extrem teuer waren. In dem Masse, wie solche Artikel dann häufiger gekauft werden und dann entsprechend den schnell steigenden Mengen der Produktion billiger in der Herstellung und im Verkauf werden, drücken sie dann die Inflationsrate, obwohl sie teuer, wie sie waren, von fast der ganzen Bevölkerung nicht gekauft wurden.

Er sagte ausserdem, es gäbe noch ein paar andere Tricks, die aber nur sehr geringen Effekt hätten, in der Summe aber auch etwas ausmachen.

Er schätzt, dass die wirklichen Inflationsraten im Bereich von etwa 150% der offiziellen Inflationsraten liegen. Wenn also eine Jahresinflation von nur 2,5% angegeben wird, kann man getrost davon ausgehen, dass für den Normalbürger die Inflationsrate der Produkte, die er kaufte, bei etwa 3,6 bis 4% gelegen hat. Für jemand, der sehr wenig Geld hat und fast alles für das Grundlegende ausgeben muss, ist dieser Effekt sogar noch weit höher.

Er meinte, wenn man die Reichen und das, was fast nur sie konsumieren, aus der Inflationsermittlung herauslassen würde, würde glatt das Doppelte an Inflation herauskommen.


Veröffentlicht am 6. Juni 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 29. Juni 2007

Die Weltwirtschaftskrise - der konkrete Übergang in die Barbarei

Erneut Hedge Fonds (Heuschrecken) in Not

Von Karl Weiss

Bereits vor geraumer Zeit hatte die Europäische Zentralbank davor gewarnt: Ein Crash von grösseren Hedge Fonds könnte eine Kettenreaktion auslösen, die zum Zusammenbruch des fragilen Gleichgewichts des internationelen Finanzsystems führen könnte und damit auch zum Auslöser einer weltweiten Wirtschaftskrise.

Natürlich wäre ein solches Ereignis nicht der Grund der Wirtschaftskrise, der ist, wie immer im Kapitalismus, natürlich die Überproduktion. Da aber alle Anzeichen bereits auf Beginn der nächsten Wirtschaftskrise stehen, könnte ein solches Ereignis in diesem Moment sehr wohl zum Auslöser werden.

Aus diesem Grund standen ja auch schon Limitierungen der Hedge Fonds auf der Agenda des G8-Gipfels in Heiligendamm, wo man sich allerdings auch zu diesem Thema nicht einigen konnte.

Die Hedge Fonds (Hecken-Fonds) sind Anlagen, die extrem riskant sind, aber auch besonders hohe Gewinne versprechen. Die Mittel, die üblicherweise zu diesem Zweck angewandt werden, sind die Übernahme gesunder Unternehmen und das anschliessende künstliche Aufblähen des Umsatzes und das „Aussaugen“ der inneren Werte des Unternehmens. Aus diesem Grunde war in Deutschland schon im Jahr 2005 der Begriff „Heuschrecken“ für diese Fonds geschaffen worden.

Schon im Februar dieses Jahres war ein solcher Fond, „Red Kite“, ins Straucheln geraten, aber mit vereinten Kräften der US-Fed und von Grossbanken konnte ein grösserer Crash noch einmal verhindert werden. Auch im September vergangenen Jahres musste der Amaranth-Fond in einer Grossaktion gestützt werden.

Diesmal sind es gleich zwei milliardenschwere Hedge Fonds, die auf der Rutschbahn nach unten sausen, die beiden wesentlichen Hedge Fonds der US-Investment Bank Bear Stearns, einem der Schwergewichte der Branche. Sie sind so bedeutend, dass sie das Überleben der ganzen Bank in Frage stellen. Die „Süddeutsche“ textet dazu: „Sollten die Fonds geschlossen werden, könnte dies weitreichende Folgen für die globalen Finanzmärkte haben.“

Das Wall Street Journal berichtete, ein erster Rettungsversuch für die beiden angeschlagenen Anlage-Vereinigungen sei gescheitert. Das heisst noch nicht, man wird nicht erneut versuchen, noch einen Pflock einzuschlagen, an dem der Fall der beiden Fonds ins Nichts gestoppt werden kann, aber andererseits lieben es Grossbanken gar nicht, Verluste auffangen zu müssen, besonders wenn sie in Milliardenbeträge gehen.

Allerdings tun sie es oft doch, wenn die Alternative, der Zusammenbruch der internationalen Finanzmärkte, weit höhere Verluste brächte.

Das ist das Besondere an der momentanen Situation: Alle wissen, der Ausbruch der Wirtschaftskrise, der steile Fall der Aktienkurse, hunderttausendfache Konkurse, die – wie sie es lieben zu nennen – „Rezession“, ist nur noch eine Frage des Startschusses, da wird möglich, was eben noch unmöglich war, um es noch ein wenig hinauszuzögern.

Das unlösbare Problems des Kapitalisten im Kapitalismus, das hat Karl Marx im vorletzten Jahrhundert bereits entdeckt, ist der tendenzielle Fall der Profitrate. Für den Kapitalisten interessiert nicht einfach die Gesamtmenge Profit, die er macht, es interessiert dies im Verhältnis zum eingesetzten Kapital, also die Profitrate. Die wird aber mit fortschreitendem Kapitalismus immer schlechter, denn er muss einerseits den Anteil der arbeitenden Menschen an den von ihnen erarbeiteten Werten ständig versuchen zu verkleinern und damit seinen Profit zu erhöhen, aber er wird dann andererseits die produzierten Waren nicht mehr los, weil die übergrosse Mehrheit der Bevölkerung kein Geld mehr hat, sie zu kaufen.

So entstehen die Wirtschaftskrisen, nicht aus Mangel an Kapital, sondern aus Überschuss von Kapital, das keine profitable Anlage mehr findet. Erst wenn in der Krise sagenhafte Mengen von Kapital vernichtet wurden, kann ein neuer Zyclus beginnen. Aber jetzt, zum Ende der kapitalistischen Geschichtsperiode, wird dies Problem immer dringender, immer weniger lösbar. Immer mehr kleinere Kapitalisten gehen pleite, der Prozess der Konzentration nimmt überdimensionale Ausmasse an, Superkonzerne kaufen Superkonzerne, Branchenriesen verschwinden von der Bildfläche (siehe Hoechst und AEG), der Konkurrenzkampf der Giganten wird auf immer höherer Ebene ausgetragen.

Es gibt innerhalb des Systems keinen Ausweg aus diesem Dilemma, darum ist der Kapitalismus zum Untergang verurteilt. Wird er nicht in der geschichtlichen Notwendigkeit vom Sozialismus abgelöst, geht er über in die Barbarei – genau das, was jetzt eben gerade begonnen hat. Nicht von ungefähr beginnen Grosskonzerne, wie VW und Siemens, sich in illegale Geschäfte zu verstricken, nicht von ungefähr lässt sich Bayerns designierter Ministerpräsident Beckstein mit der Hypo-Alpe-Skandal-Bank des Österreichischen Rechtsaussen Haider ein. Alle Skrupel, die es noch gegeben haben mag, werden in beeindruckendem Tempo über Bord geworfen. Der Skandal der Politik in Sachsen lässt grüssen.

Die Hedge-Fonds, deren Gebaren jeglichen Regeln eines „verantwortungsbewussten Kaufmanns“ Hohn sprechen, sind bereits die ersten Anzeichen dieser Barbarei gewesen. Sie sind, um vom Bild der Heuschrecken wegzukommen, die Geier, die über dem sterbenden Kapitalismus kreisen. Sie sind Ausdruck des Grundproblems des Kapitals, ebenso wie Beschleuniger des Prozesses, aber auch Auslöser des Zusammenbruchs.

Nur haben die Hedge Fonds heute zusammengenommen ein Einlagekapital, das etwa 100 mal grösser ist als im Jahr 2000, vor Beginn der letztenWirtschaftskrise. Es könnte passieren, dass diesmal die Krise weit tiefer schneidet als jene von 2001 bis 2003.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Die konkrete Krise der beiden Fonds steht im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Immobilienmarktes in denUSA. Dort sind in fast allen Staaten, vor allem im Bereich der grösserenStädte, die Werte von Häusern, Wohnungen und Grundstücken seit Beginn letzten Jahres um 10 bis 50 % gesunken.

Immobilienzwangsvollstreckung

Da aber der „Aufschwung“ in den USA vorher mit Hypothekenkrediten künstlich erzeugt wurde, denn fast jeder bekam gutes Geld auf seine Immobilie, wenn er eine Anschaffung machen wollte (in den USA haben weit mehr Familien Wohneigentum als bei uns), ist damit nicht nur dieser Schein-Aufschwung beendet, sondern man hat nun Millionen von Familien, die aus ihren Häusern oder Wohnungen geworfen werden, weil sie die steil ansteigenden Raten nicht mehr zahlen können. Damit aber wurden ein beträchtlicher Teil dieser Hypothekenkredite „faul“, was sich nun auf den ganzen Finanzsektor auswirkt, bis jetzt nur auf den der USA.

Housing Slump

Gleichzeitig ist damit die innere Kaufkraft der Vereinigten Staaten, die bisher immer noch die Basis jeglichen Wachstums der Weltwirtschaft darstellte, kräftig angeschlagen. Vorraussichtlich wird der Konsum im Juni ganz oder fast ohne Wachstum sein. Man kann gespannt sein, wie die Internationalen Hüter des Währungs- und Finanzsystems jetzt noch den Beginn des Crash hinauszögern werden (oder wollen).


Veröffentlicht am 29. Juni 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


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Mittwoch, 20. Juni 2007

Ungehört! Unerhört! - Stromrechnung verringern?

Brasilianischer Stromkonzern senkt Preise - Wie konnte das geschehen?

Von Karl Weiss

Eine entsetzliche Nachricht erreichte uns am 19. Juni 2007, um 8h14 in der Frühe: Einer der grossen Stromlieferanten Brasiliens, die „Eletropaulo“, die den wesentlichen Teil des Staates São Paulo mit Elektrizität versorgt einschliesslich der gleichnamigen Stadt, der grössten der südlichen Hemisphäre mit 20 Millionen Einwohnern im Bereich der Metropole, hat angedroht, ihre Stromtarife zum 1. Juli im Bereich von 6 bis 11 % zu verringern, zwischen 6,5 und 7 % für die Privatkunden! Wenn das Schule macht!

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Die Stromkunden, also speziell die breite Bevölkerung, schüttelt sich bereits vor Entsetzen bei dieser Vorstellung. Man stelle sich vor, statt der steten, schon so lieb gewonnenen Strompreiserhöhung nun plötzlich eine abrupte Unterbrechung der natürlichen Abläufe, eine hässliche und völlig unnötige Preisverringerung.

Man weiss ja gar nicht mehr, wie man das nennen soll: Verringerung oder Erniedrigung? Das kam das letzte Mal bei Napoleon vor. Deshalb ist dieses Wort praktisch aus dem Wortschatz verschwunden. Das Wort Erniedrigung zeigt aber schon deutlich an, was gemeint ist: Man wird erniedrigt!

Wo kämen wir da hin, wenn das Schule machte? Das ist, als würde das Leben rückwärts laufen. Welch Horror für die armen Aktionäre, die ihr gutes Geld für Anteile ausgegeben haben und nun um wohlverdiente Gewinne gebracht werden.

Sankt-Franziskus-Kirche von Niemeyer

Was? Die Eletropaulo hat gar keine Aktionäre? Sie ist staatlich und gehört dem Bundesstaat São Paulo? Na, das hätte ich mir ja denken können! Staatliche Firmen, die statt dem natürlichen Verlauf der Dinge zurück zu Napoleon wollen! Pfui Teufel!

Warum hat man denn die Elektropaulo nicht privatisiert, wie dies alle vernünftigen Regierungen auf der Welt getan haben? Was? Es wurde versucht, aber niemand hat sich für ein so defizitäres Unternehmen interessiert? Na sehen Sie! Staatlich – das kann nicht gut gehen. Produziert nur Defizite und will nun auch noch erniedrigen! Welche Erniedrigung!

Was? Die Eletropaulo macht gar keine Defizite mehr? Sie wurde modernisiert und hat so hohe Überschüsse, dass man beschloss, einen Teil davon an die Kunden weiterzugeben? Papperlapapp! Gewinne müssen an Aktionäre gegeben werden, Verluste werden durch Kunden aufgefangen. So ist die natürliche, gottgegebene Ordnung.

O Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Kleine Anmerkung:

Die Eletropaulo bekommt ihren Strom zum grossen Teil aus dem Wasserkraftwerk Itaipú an der Grenze von Brasilien mit Paraguay, nun schon über 10 Jahre fertiggestellt, damals das grösste der Welt (inzwischen längst von chinesischen und indischen überholt). 25 gewaltige Turbinen von Siemens und MTU. Wasserkraftwerke kosten ein Mehrfaches bei der Erstinvestition verglichen zu Kohlekraftwerken. Sie produzieren aber auf Dauer den billigsten Strom, denn sie haben ja ausser der Wartung und Instandhaltung keine weiteren Kosten und halten, gut gewartet, Jahrhunderte. Die Energie wird von der Sonne geliefert, die ja immer wieder genügende Mengen Wasser nach oberhalb des Kraftwerks befördert. In dem Masse, wie die Amortisation der Erstinvestition sich verringert, wird der erzeugte Strom immer billiger. Fragen Sie einmal, wieso das in Deutschland (oder Österreich/Schweiz) noch nie zu sinkenden Strompreisen geführt hat.

Energieverbrauch Deutscland

Übrigens kann man das gleiche, die Energie der Sonne auszunutzen, auch wesentlich einfacher haben mit Sonnenkraftwerken auf der Basis von Photovoltaik. Längst technisch ausgereift. Auch wenn das natürlich in sonnenarmen Regionen wie Deutschland wenig Sinn hat, gibt es doch genügend praktisch menschenleere Wüsten und Steppen in Gebieten, wo die Sonne fast das ganze Jahr mittags fast senkrecht steht. Mit Gleichstrom-Hochspannungsleitungen zu den Verbraucherzentren gebracht, im Verbundnetz die Nächte ausgleichend, könnten 80% der bewohnten Gebiete versorgt werden.

Mit einer Investition von etwa dem, was für den Irak-Krieg ausgegeben wurde und schon genehmigt ist für weitere Ausgaben, könnte man so den Energiehunger fast der ganzen Menschheit in wenigen Jahren auf Sonnenenergie umstellen und sämtliche CO2-Schleudern und Radioaktivitäts-Erzeuger stillegen.


Veröffentlicht am 20. Juni 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 25. Mai 2007

Bruttosozialprodukt-Vergleiche für 2006

China wächst in beeindruckendem Masse

Von Karl Weiss

Jedes Jahr erneut werden mit Spannung die offiziellen Zahlen der internationalen Vergleiche der Brutto-Sozialprodukte der Länder erwartet, speziell jetzt, nachdem die neuen Vergleichsmethoden China bereits in der Nähe der USA sehen. Nach den jetzt veröffentlichten ersten Zahlenreihen der CIA hat China aber bisher die USA noch nicht überholt. Die Reihenfolge der ersten vier bleibt unverändert: USA, China, Japan, Indien.

In diesem Artikel (Dossier) wurde bereits der internationale Vergleich der Bruttosozialprodukte (genau gesagt Brutto-Inlandseinkommen, in Englisch: Gross Domestic Product - GDP) für die Zahlen des Jahres 2005 vorgestellt. Ebenso wurde dort über die zwei Methoden gesprochen, mit denen diese Vergleiche angestellt werden können: Die übliche, die von den offiziellen Wechselkursen der Währungen ausgeht und die Methode PPP (Purchasing Power Parity), die versucht, die wirkliche Kaufkraft zwischen den Ländern zu vergleichen, was offenbar weit realistischere Zahlen ergibt.

Es gibt drei Institutionen, die solche Listen mit internationalen Vergleichen des GDP herausgeben: Die CIA (die tut auch einmal etwas Nützliches) veröffentlicht bereits zum Jahresanfang eine Liste, die auf Schätzungen beruht, dann kommt der Internationale Währungsfond (IWF, auf Englisch: International Monetary Found, IMF) und als drittes die Weltbank, die jene Zahlen aufgrund der Angaben der nationalen Institute ausarbeiten. Die beiden letzteren stehen allerdings erst gegen die Jahresmitte zur Verfügung.[Nun liegen auch die zahlen des IWF vor, siehe unten 'Zusatz zum Artikel']

Im Moment kann also nur die Schätzung wiedergegeben werden, welche die CIA bereits für die Zahlen von 2006 herausgegeben hat.

Zum Vergleich seien hier noch einmal (aus dem oben verlinkten Dossier) die Zahlen von 2005 berichtet (ebenfalls nach der PPP-Methode, es ergibt keinen Sinn mehr, die Zahlen auf der Basis offizieller Wechselkurse zu vergleichen, die von völlig sachfremden Faktoren wie Spekulation beeinflusst sind):

2005-Zahlen

“Hier die Liste der ersten Zehn 2005, GDP (Brutto-Inlandseinkommen) nach PPP-Methode, mit der absoluten Zahl des IMF (in Milliarden "Internationalen Dollar" - Billions of Dollar im Englischen -) und den Prozentzahlen von der Gesamtsumme aller Inlandseinkommen weltweit von IMF/CIA:

1. USA // 12 278 // 20,3% / 20,8 %
2. China // 9 412 // 15,4 % / 13,7 %
3. Japan // 3 911 // 6,4% / 6,6%
4. Indien // 3 633 // 5,9% / 6,2%
5. Deutschland // 2 522 // 4,1% / 4,1%
6. UK // 1 833 // 3,0% / 3,1%
7. Frankreich // 1 830 // 3,0% / 3,1%
8. Italien // 1 668 // 2,7% / 2,8%
9. Brasilien // 1 577 // 2,6% / 2,6%
10.Russland // 1 576 // 2,6% / 2,6%

Zum Vergleich:

Welt // 61 078 // 100%
EU // 12 427 // 20,3/20,4%
Summe der ersten 10 // 40 240 // 65,8/65,6%”

„Danach gibt es die Gruppe der Nationen 11 bis 15, die in allen ... Aufstellungen, allerdings in verschiedener Reihenfolge, die folgenden Länder umfasst: Kanada, Spanien, Mexiko, Südkorea und Indonesien.“

2006-Zahlen

Die Liste für 2006 (nach CIA) sieht folgendermaßen aus (ebenfalls wieder in Milliarden internationaler Dollars):

1. Vereinigte Staaten // 12 980 // 19,9%
2. China // 10 000 // 15,4%
3. Japan // 4 220 // 6,5%
4. Indien // 4 042 // 6,2%
5. Deutschland // 2 585 // 4,0%
6. UK // 1 903 // 2,9%
7. Frankreich // 1 871 // 2,9%
8. Italien // 1 727 // 2,7%
9. Russland // 1 723 // 2,7%
10. Brasilien // 1 616 // 2,5%

Zum Vergleich:
Welt // 65 000 // 100%
EU // 12 820 // 19,7%
Summe der ersten Zehn: 42 667 // 65,6%

Die folgenden auf der Liste (Plätze 11 bis 15) sind die gleichen wie letztes Jahr, diesmal (bei der CIA) in folgender Reihenfolge: Südkorea, Kanada, Mexiko, Spanien, Indonesien.

Wer mehr und genaueres sowie spezielle Zahlen bestimmter Länder wissen will, kann in das englische Wikipedia (en.wikipedia.org) gehen, dort als Suchbegriff GDP eingeben und dann unten auf der Seite auf "List of countries by GDP (PPP)" klicken.

Vergleich

Vergleicht man die Zahlen von 2005 und 2006, so sind wesentliche Veränderungen festzustellen:

1. China verweist mit seinem außerordentlichen Wachstum alle anderen Länder auf die Plätze. Es nähert sich mit deutlicher Geschwindigkeit dem GDP der Vereinigten Staaten an und wird diese voraussichtlich bald überholen. Es hat (nach diesen Zahlen der CIA) fast zwei Prozent des Welt-GDP in einem einzigen Jahr zugelegt, das ist fast soviel wie das ganze GDP der Nummer Zehn, Brasilien. Sowohl die USA als auch die EU haben an Anteil des Welt-GDP verloren, obwohl die USA z.B. ein kräftiges Wachstum um die 700 Milliarden Dollar aufweisen konnte. Hier kommt noch dazu, dass die CIA-Zahlen im letzten Jahr China stark unterschätzten im Vergleich zu den Zahlen des WMF und der Weltbank. Wenn dies diesmal wieder so ist, so kann man auf eine Überraschung gefasst sein, wenn deren Zahlen für 2006 veröffentlicht werden. Vielleicht ist China bereits Nummer 1 der Welt oder jedenfalls sehr nahe den USA.

2. Fast alle anderen Länder unter den ersten Zehn haben Anteile am Welt-GDP verloren, mit Ausnahme von Indien, das seinen Anteil etwa halten konnte (also auch kräftig wuchs) und von Russland, das fast ebenso stark wie China wuchs (wenn auch auf weit kleinerer Grundlage) und Brasilien überholte. Russland hält jetzt den 9. Platz auf der Welt und bedroht bereits ernsthaft den 8. Platz Italiens. Das letzte der vier „Emerging Countries“ (BRIC-Countries: Brasilien, Russland, Indien, China), Brasilien, dagegen hat mit einem niedrigen Wachstum von etwa 4% den 9. Platz verloren.

3. Der Anteil der ersten Zehn am Welt-GDP blieb praktisch genau gleich. Abgesehen von den starken Veränderungen, die jene drei Volkswirtschaften China, Indien und Russland verursachen, sind die Zahlen bei generell geringem Wachstum also sehr vergleichbar mit dem Vorjahr. Es gibt kein Aufholen der Entwicklungsländer, aber auch kein Davonlaufen der entwickelten Länder (immer abgesehen von jenen drei Ländern).

4. Das Wachstum der USA um etwa 700 Milliarden Dollar ist praktisch völlig auf die Kriege zurückzuführen, die man führt, den Irak-Krieg, den in Afghanistan und die Hilfe für Israel im Krieg gegen den Libanon im Juni.

Diese 700 Milliarden Dollar repräsentieren ziemlich genau die Ausgaben für diese Kriege im Jahr 2006 (Die Kriegsausgaben gehen in dem Masse in die GDP-Zahlen ein, wie sie Firmen-Einkommen für die Waffenkäufe erzeugen und wie sie persönliche Einkommen für die Soldaten erbringen). Finanziert wurde all diese Militärausgaben durch neue Staatsanleihen, die in großen Teilen von China und Japan gekauft wurden (was auf das Finanzieren dieser Kriege hinausläuft). Auf der anderen Seite heißt dies, die US-Wirtschaft hat (fast) keinerlei Wachstum mehr aufzuweisen, wenn nicht kriegsbedingt.

Das belegt, was bereits wiederholt hier gesagt wurde: Ohne die „Kriege gegen den Terror“ wäre längst eine Weltwirtschaftskrise ausgebrochen, denn die US-Wirtschaft hätte keinerlei Wachstum mehr, was nach bisherigen Erfahrungen auf alle anderen übergreift. Eine der wesentlichen wirklichen Gründe für den Irak-Krieg, wie auch für die aktuelle Ausweitung der Aktionen in Afghanistan, ist der Versuch des Hinauszögerns der Wirtschaftskrise.

Dies hat allerdings alle Spannungen innerhalb des weltweiten Finanzsystems weiter geschürt, was nach aller Logik zu einer weit tieferen Krise führen müsste, wenn sie schließlich doch ausbricht. Man muss davon ausgehen, die Finanz-und Wirtschaftsexperten der US-Regierung suchen in diesem Moment verzweifelt einen Ausweg aus dieser Situation, der die USA nicht in eine abgrundtiefe Krise wirft.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies zur Wahnsinnstat eines Überfalls auf den Iran führt, um weiter Zeit zu gewinnen.

Doch dann würde den USA eine Rechnung präsentiert, die sie nicht zahlen können: Die Ölrechnung. Würde im Zuge eines Iran-Überfalls der Ölpreis in die Nähe der 100 Dollar pro Barrel steigen oder sogar höher – und das ist extrem wahrscheinlich -, würde die Rechnung für das importierte Öl der USA so ansteigen, dass Japan und China dies nicht mehr finanzieren könnten. Dann wäre die Weltwirtschaftskrise unaufhaltbar – und es wäre abzusehen, die USA könnten am Ende dieser Krise und dieser Kriege ihren Status als alleiniger Herrscher der Welten verloren haben.

Veröffentlicht am 24. Mai 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Zusatz zum Artikel (8.10.2007)

Jetzt liegen auch die Werte des IMF (International Monetary Found) für 2006 vor. Auch hier, wie bei den CIA-Zahlen, hat China noch nicht die USA eingeholt, ebensowenig wie Indien Japan. Allerdings sind beide nicht mehr weit entfernt.

Noch einmal: Hier handelt es sich nicht um die "traditionellen" Vergleiche des "Bruttosozialprodukts" (genau gesagt: 'Gross Domestic Product' - Brutto Inlandseinkommen), die nach den normalen Wechselkursen des Weltmarkt vergleicht, sondern um eine andere Methodik, genannt PPP, die auf einem vergleich auf der Basis der wirklichen Kaufkraft der Währungen im Land beruht.

Wer sich genauer informieren will, gehe auf den Link im obigen Artikel zum Artikel über die Zahlen von 2005.

Hier die Zahlen des IMF - GDP–PPP- 2006:

(MID= Milliarden Internationale Dollars)

Welt //100%//66229 MID

EU//21,0%//13881 MID

1. USA//19,7%//13021 MID
2. China//15,1%//9984 MID
3. Japan//6,3%//4171 MID
4. Indien//6,3%//4159 MID
5. Deutschland//3,9%//2559 MID
6. Grossbritannien//3,2%//2122 MID
7. Frankreich//2,9%//1935 MID
8. Italien//2,7%//1791 MID
9. Russland//2,6%//1727 MID
10. Brasilien//2,6%//1701 MID

In der Folge: Spanien, Mexiko, Kanada, Südkorea, Indonesien, alle mit um die 1000 Milliarden Internationalen Dollar. Danach ein grösserer Abstand, hinter dem es mit etwa 700 Milliarden weitergeht.

Vollständige Liste hier

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