Dienstag, 14. November 2006

Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

Der Klimawandel hat längst eine lebensgefährliche Geschwindigkeit angenommen

Von Karl Weiss

Zur Eröffnung der Klimakonferenz der UNO am 13. 11. 2006 hat Generalsekretär Kofi Annan einen Artikel in wichtigen Zeitungen auf der ganzen Welt veröffentlicht, in dem er eindeutig wird: „Wer jetzt noch Zweifel sät [über den bereits fortschreitenden Klimawandel und seine im wesentlichen von Menschen gemachten Ursachen], der hat in Wirklichkeit keine Argumente mehr.”

Die fünf wärmsten Jahre seit 1890

Er weist auf zwei Studien hin, die in den letzten Tagen veröffentlicht wurden: Die eine von Fachleuten der UNO belegt: Die wesentlichen Industrie-Länder – unabhängig von Verpflichtungen , die sie eingegangen sind oder die sie widerrufen haben – produzieren völlig ungebremst vermehrt Trebhausgase, so als ob dies das natürlichste auf der Welt wäre.

Die zweite ist die bisher umfassendste Studie zu diesem Thema, die von der Weltbank unter Leitung ihres Chefökonomomen, Sir Nicholas Stern, erstellt wurde. Wie schon weithin gemeldet, hat diese Studie nicht nur die schon häufig von Wissenschaftlern vorgebrachten Warnungen bestätigt, sondern auch die damit zusammenhängenden ökonomischen Fragen in aller Klarheit auf den Tisch gebracht: Schon die jetzt abzusehenden Folgen des bereits in voller Entfaltung stehenden Klimawandels werden tiefgreifende wirtschaftliche Folgen für die ganze Weltkonjunktur haben, die nur mit den schweren Folgen von umfassenden Wirtschaftskrisen oder Ereignissen wie den beiden Weltkriegen verglichen werden können. Das bezieht sich also auf ein Szenario, in dem sofort einschneidende Maßnahmen unternommen würden (wie etwa die Umstellung von Benzin auf Alkohol und von Diesel auf Bio-Diesel).

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Den zweiten Teil der Warnungen, wie sich auch im Stern-Report angedeutet werden, hat Kofi Annan vorsichtshalber in seinem Artikel weggelassen, denn er muß sich als Diplomat vorsichtig ausdrücken. Dieser Teil beeinhaltet nämlich, was geschieht, wenn nicht sofort durchgreifende Maßnahmen erfolgen: Ab einem bestimmten Zeitpunkt, der nicht genau vorherbestimmt werden kann, aber nicht mehr weit in der Zukunft liegt, wird die Entwicklung zur Klimakatastrophe unumkehrbar, weil sich selbst verstärkende Effekte einsetzen und dann auch die radikalsten Änderungen wirkungslos machen würden.

Globale Erwärmung

Klimakatastrophe bedeutet nicht einfach nur einen ökonomischen Zusammenbruch wie einen Weltkrieg, sie bedeutet das Entziehen der Grundlage des Überlebens der Menschheit, wie wir sie kennen. Sie bedeutet Verwüsten und Versteppen wesentlicher Teile des festen Landes, Wegschwemmen wesentlicher Teile des fruchtbaren Bodens, Versiegen der wesentlichen Trinkwasserquellen der Menschheit, Anstieg des Meeresspiegels in noch nicht genau zu bestimmendem Maß (voraussichtlich um etwa 7 Meter in diesem und weitere 8 Meter im nächsten Jahrhundert) und mit diesen Vorgängen das Verschwinden des wesentlichen Teils der Pflanzen, die eine der Grundlagen der Menschheit sind.

Es ist, so vorsichtig er sich auch ausdrücken muß, zweifellos ein mutiger Schritt von Kofi Annan, in dankenswerter Klarheit zu schreiben: „Die Frage lautet nicht, ob sich der Klimawandel vollzieht, sondern, ob wir in der Lage sind, unsere Denk- und Verhaltensweise rasch genug dieser drohenden Krise anzupassen.“

Es braucht keiner besonderen Erläuterng, an wen sich in der Hauptseite diese Mahnungen richten. Da ist zum einem die USA, die 25% der Treibhausgase erzeugt und die US-Regierung, die sich wohl vor allem betroffen fühlen müßte von der Erwähnung jener, „die noch Zweifel säen“, aber auch die anderen wesentlichen kapitalistischen entwickelten Ländern sind angesprochen: Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und in steigendem Masse China.

Treffende Karikatur

Kofi Annan hat, wie dies auch schon für seine Vorgänger seit Dag Hammersköld galt, sich in dem Masse unglaubwürdig gemacht, wie er bei verschiedenen Gelegenheiten zu nichts anderem als einem Sprachrohr der Regierung der einzig verbliebenen Supermacht wurde, sowie in einigen Fällen auch deren Verbündeten, unter ihnen die unsägliche Bundesregierung.

Andererseits hat er sich allerdings auch bereits einige Male durch mutiges Aussprechen der Wahrheit ausgezeichnet, so z.B. während des Libanonkrieges im Juli, als er die Ermordung von UN-Beobachtern durch zionistische Truppen als absichtliche Tat kennzeichnete.

Annan wird wohl nicht als Retter der Menschheit in die Annalen eingehen, aber gerade seine sonstige weitgehende Zurückhaltung macht seine jetzigen Aussagen um so schwerwiegender.

Werden sich die Regierenden der genannten Läder und die die hinter Ihnen stehenden Konzern- und Bank-Herren von Annans Artikel beeindrucken lassen? Schön wärs!

Für sie gilt aber nur ein Gesetz, das sind die Profite ihrer Konzerne und Banken und davon müssen sich auch ihre Marionetten leiten lassen, die als Ministerpräsidenten, Präsidenten, Premiers und Bundeskanzlerin auftreten. So muss man befürchten: Die Konferenz in Nairobi wird wiederum nicht viel mehr als Schönsprech ergeben oder sogar wieder zu einem totalen Desaster werden, wie die vorausgegangenen Kyoto-Folge-Treffen.

Grönland-Erwärmung-Stand-1985

Grönland Erwärmung Stand 2002

Grönland Erwärmung Überblick - Kartenausschnitt
Die beiden oberen Bilder zeigen in beeindruckender Weise das Fortschreiten der Eisschmelze in Grönland, wie weit es bereits vor 5 Jahren gekommen war. Allerdings ist die Aussagekraft durch die unterschiedlichen Jahreszeiten eingeschränkt. Das untere Bild zeigt den Ort des Satelliten-Fotos und (in Farben) die Anzahl Tage in Grönland mit Eisschmelze.

Leider hat Annan in seinem Artikel auch bereits den Weg gezeigt, wie man sich elegant aus der Affäre ziehen kann: Mit den Verschmutzungszertifikaten. Das ist ein im wahrsten Sinne schmutziger Trick, wie grosse Kraftswerksbetreiber und andere besonders ausgeprägte Luftverschmutzer versuchen können, ohne Umstellung der Technik auf Kohlenstoff-Ausstoss-freie Prozesse so weiterzumachen wie bisher.

Der Trick funktioniert in etwa so: Zunächst wird gesagt, die Entwicklungsländer müssten noch keine Verminderungen der Kohlenstoff-Produktion vornehmen. Sie seinen dazu wirtschaftlich noch nicht in der Lage und/oder so kleine Verschmutzer, die in der ersten Phase noch keine Umstellungen durchzuführen brauchten. Als nächstes regt man dann an, dass dort trotzdem bereits Massnahmen der Umstellung auf Prozesse, die keinen Kohlenstoff ausstossen, durchgeführt werden und man – da kommt nun falsch verstandene Entwicklungshilfe ins Spiel – die eingesparte Kohlenstoffmengen dann an Verschmutzer aus den Indusstrieländern verkaufen kann. So wird dann ein an sich positiver Prozess in den Entwicklungsländern zu einer Ware, die am Markt der Verschmutzungszertifikate gehandelt wird. Für einen Appel und ein Ei kaufen dann Eon, Vattenfall, RWE usw. Verschmutzungszertifikate, statt auf regenerierbare Energien umzustellen.

Insgesamt könnten nach Annans Aussagen damit bis zu 100 Milliarden Dollar den Entwicklungsländern zugute kommen. Hört sich gut an, ist aber wenig für zwei Drittel der Menschheit. Ausserdem wird dieses Geld natürlich nicht den Hungernden zugute kommen, sondern eine Schicht von Superreichen dort noch
fetter machen oder sogar Tochterunternehmen von Monopolkonzernen der imperialistischen Welt.

Das absurdeste von allen unter Einschluss der USA aber ist das angebliche Energieprogramm der Bundesregierng, das alles festschreibt, wie es ist (mit ein paar Schleifchen verschönt).

Energieverbrauch Deutscland

Man sehe sich nur die Graphik an und den Vergleich heute und Planung für 2030: Keinerlei wesentlichen Änderungen sind bis 2030 vorgesehen! Der Anteil des Verbrauchs von Erdöl für den Deutschen Energiebedarf soll in etwa gleich bleiben (38,0 gegen 38,3%)! Der von Braunkohle soll sogar steigen (12,3 gegen 10,8%)! Zwar ist eine Verminderung der Anteils von Steinkohle vorgesehen, aber auch die nur gering (6,7% statt 14,0% ). Der Anteil der Kernenergie soll fast vollständig von Erdgas-Kraftwerken übernommen werden (21,1 auf 31,5%)! Lediglich eine lächerliche Winzigkeit von etwa 8,5% des Energiebedarfs soll von erneuerbaren Energiequellen übernommen werden – und das in einem Zeitram von 25 Jahren (von 2,9 auf 11,5 %)!

Zwar ist eine generelle Verminderng des Verbrauchs vorgesehen, aber wo sind die Massnahmen, die darauf hinausliefen? Keine einzige ist heute eingeleitet. Die Bundesregierung hat mit diesem ihrem Energie-Programm einen Offenbarungseid geleistet.

Was das Merkel-Kabinett da vorhat, kann natürlich sowieso nicht Wirklichkeit werden, weil bis dahin längst die Umweltkatastrophe unumkehrbar auf uns zukommen würde, wenn diese Planung nicht geändert wird.

Wir werden nicht darum herumkommen, wir müssen mit Massenbewegungen und Streiks die Umstellung der Energiebasis gegen den Willen der unsägliche Politiker-Kaste und ihrer Konzerne und Banken durchsetzen!


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 14. November 2006, hier ergänzt und redigiert.

Link zum Originalartikel hier


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatastrophe

Und Pakistan? Und Pakistan?

Woher kommt die Gefährdung?

Pakistan ist Hort und Ausgangspunkt des militanten Islamismus

Von Karl Weiss

Während sich die westliche Welt, sprich: die US-Regierung und ihre Schoßhündchen, lauthals um den Iran sorgen, bleibt eine einfache Wahrheit völlig unbeachtet: Pakistan, das zweitgrößte islamischen Land nach Indonesien mit der wahrscheinlich höchsten Anzahl an militanten Islamisten und Terror-Ausbildungs-Camps, wahrscheinlicher Aufenthaltsort von Osama bin Laden und der Mehrheit der Taliban, hat bereits die Atombombe und hat auch Raketen, die eine solche in entfernte Ziele tragen können.

In einem Interview, das er am Wochenende der „Folha de São Paulo" gab, hat der englische Journalist Robert Fisk, der im Libanon lebt und als der best informierte westliche Journalist des Nahen Ostens gilt, darauf aufmerksam gemacht, daß im Moment die bei weitem größte terroristische und allgemeine Gefahr für den Westen von Pakistan ausgeht.

Fragt man, warum sich niemand um Pakistan sorgt, so bekommt man stereotyp die Antwort: Weil Pakistan ein US-freundliches Regime hat. Nun, was ist US-freundlich in Pakistan? Man gestattet den US-Truppen Stützpunkte, Benutzung von Flughäfen und Überflugrechte, man läßt die CIA im Land toben, man gestattet US-Firmen, pakistanische Arme auszubeuten.

Doch was ist US-freundlich daran, die Taliban zu beherbergen? Was daran, Osama bin Laden Unterschlupf zu gewähren (falls es den noch gibt)? Oder daran, die Scharia in weiten Teilen des Landes anzuwenden? Man gibt keine Erklärungen gegen Israel ab, stellt aber in ganz anderer Weise eine unmittbare und akute Gefahr für dies Land dar als die eventuellen Ambitionen Irans, die noch viele Jahre keine Chance auf Verwirklichung haben - wenn sie denn bestehen.

In keinem anderen Land der Welt werden soviel potentielle Terroristen ausgebildet wie in Pakistan (abgesehen vom Irak, aber das haben sich die US-Politiker selbst zuzuschreiben). In keinem anderen Land gibt es so viele Zwangsheiraten, so viele abgehackte Hände, gesteinigte und ausgepeitschte Frauen, öffentlich Gehenkte wegen Übertretung islamischer Gesetze usw. Nirgends werden die Rechte der Frauen so mit Füßen getreten. Wenn irgendwo die islamistischen Horrorgemälde Wirklichkeit sind, dann in Pakistan.

Die jetztige Regierung Pakistans ist US-freundlich. Ja und? War nicht auch Saddam Hussein ein hochgerüsteter Verbündeter der USA, der sogar im Auftrag der US-Regierung den Iran überfiel? War Osama bin Laden nicht CIA-Agent? Wurden die Taliban nicht mit US-Hilfe so groß wie sie jetzt sind, weil man sie damals gegen die Sowjetunion in Afghanistan hochpäppelte? Eine Regierung kann rasch ihre Politik wechseln oder kann abgelöst werden. Die Atombomben und Trägerraketen aber bleiben.

Alles, was man im Iran gefunden hat, das Verdacht bezüglich möglicher Ambitionen auf Atombomben weckte, stammte aus Pakistan. Man hatte Gerätschaften in iranischen Atomanlagen gefunden, an denen winzige Spuren hochangereicherten Urans nachzuweisen waren. Das war die einzige reale Grundlage all dieser Spekulationen. Es hat sich aber längst herausgestellt, daß es sich um Gerätschaften handelte, die von Pakistan geliefert worden waren und deshalb schon mit hochangereichertem Uran in Kontakt gekommen waren.

Aber über Pakistan ist die US-Regierung nicht besorgt. Man mag den jetzigen dortigen Diktator mit viel Korruption und wohl auch dem Wissen über dessen 'Leichen im Keller' im Zaum halten - aber das galt auch für Saddam Hussein (dem man im Moment gerade mit diesen ‚Leichen im Keller’ den Schauprozess macht).

Wenn der offizielle Untersuchungsbericht über die Anschläge vom Juli letzten Jahres in London stimmt, dann waren zwei der „britischen Jungs", die das angeblich als Selbstmordattentäter begangen haben sollen, auf Ausbildung.....Wo? Im Irak? In Afghanistan? Nein, in Pakistan!

Und da schließ Präsident Bush auch noch mit dem alten Erzfeind Pakistans, mit Indien, einen riesigen Atomdeal ab! Was soll Pakistan dazu sagen? Danke Bush? Was, wenn in Pakistan Kräfte an die Macht kommen, die sich von der US-Regierung verraten fühlen (und mit Grund)?

Laut der 'Washington Times' vom 13. Mai hat Pakistan begonnen, Material für den Aufbau einer Atomindustrie nach Syrien zu liefern. Dies bezieht sich auf einen bekannt gewordenen Bericht aus dem Jahre 2004. Aber wir reden nur vom Iran.

Warum spricht Israel soviel von einem Luftschlag auf die Atomanlagen Irans, aber nicht auf die Atomanlagen Pakistans? Man ist absolut nicht beunruhigt in Tel Aviv? Sollte man aber! Im Gegensatz zu den iranischen Ayatollahs, die Schiiten sind, handelt es sich in Pakistan im wesentlichen um Sunniten.

Läutet da keine Alarmglocke?

Wer sind die Träger des erbitterten Widerstands im Irak? Die Sunniten, nicht wahr?

Oder kapieren wir normalen Menschen nur einfach nicht, daß es um das alles nicht geht, nicht um Islamismus, nicht um abgehackte Hände, nicht um eine ernsthafte Gefährdung Israels, nicht um Sunniten oder Schiiten, nicht um Frauenrechte und vor allem nicht um Terroristen (die sind willkommener Vorwand), sondern daß schlicht und einfach die Dominanz über den Nahen Osten und Mittleren Osten der Punkt ist, denn die kann man nicht von Pakistan aus haben.

Und noch ein kleines Detail: Während der Irak und der Iran zu den größten Erdölförder- und -exportländern gehören (bzw. bezüglich des Iraks gehörten), hat Pakistan kein Öl.

Artikel der "Berliner Umschau" vom 18.5.06, hier leicht redigiert.

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