Samstag, 3. November 2007

Vorbeugender Todesschuss in der EU offiziell eingeführt

Scotland Yard schuldig - keinerlei Konsequenzen

Die Ermordung von Jean Charles Menezes wird ungesühnt bleiben

Von Karl Weiss

Der Fall Jean Charles Menezes: Am 1. November ist in London der zweifelhafte Ersatzprozess zu einem Schuldspruch gekommen, den die britische Justiz gegen “die Polizei” statt gegen die verbeamteten Mörder veranstaltet hat. Scotland Yard wurde für schuldig erklärt. Der Richter erklärte in seiner Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse, die Polizei führte ihre Operation so schlecht durch, dass das Publikum in Gefahr war und Jean Charles erschossen wurde. Folgerungen: keine!

Mit Scheinattentäter verwechselt

Am 22. Juli 2005, zwei Wochen nach den Terroranschlägen in der Londoner U-Bahn mit vielen Toten und einen Tag nach einem Schein-Attentat (Nachahme-Täter ohne funktionierenden Sprengstoff) von vier jungen Leuten, wurde Jean Charles, ein Brasilianer, der legal in Großbritannien lebte und als Elektriker arbeitete, mit einem der vier Verdächtigen des Scheinattentates verwechselt.

Jean Charles Menezes
Hier sei in Gedenken an den Ermordeten sein Bild eingestellt

Als er sich in der U-Bahn gesetzt hatte, stürmten Polizisten einer sogenannten Elitetruppe in Zivil in den Waggon, ohne anzukündigen, sie seien Polizisten. Sie riefen nur „down!, down!“ und schienen in diesem Moment für die Zeugen eine bewaffnete Bande zu sein, die einen Überfall durchführte.

Exekution eines bereits Überwältigten

Jean Charles reagierte so wie andere Passagiere. Er erhob sich und ging in die entgegengesetzte Richtung. Er wurde von insgesamt fünf Polizisten überwältigt und festgehalten. Obwohl er nicht einmal mehr den kleinen Finger rühren konnte, schossen die Polizisten ihm insgesamt acht Mal in den Kopf. Das gesamte Gesicht wurde weggeschossen. Eine Identifizierung war erst Tage später durch einen DNA-Test möglich.

Es wurde also genau das durchgeführt, was Innenminister Schäuble auch bereits für Deutschland gefordert hat: Der vorbeugende Todesschuss bei Terrorverdacht.

Welches Niveau des Verdachts ist notwendig?

Nur hatte Jean Charles absolut nichts mit Terrorismus zu tun. Er hatte nur das Pech, im gleichen Häuserblock wie einer der Verdächtigen zu wohnen. Da kommen wir auch schon zu einem der entscheidenden Punkte: Es wird, wenn von Terrorverdächtigen gesprochen wird, so wie das der Präsident des BKA, der Innenminister, Beckstein und eine Horde weiterer Politiker zu tun pflegen, nie vom Niveau des Verdachtes gesprochen.

Ist er mit höchster Wahrscheinlichkeit in die Vorbereitung eines Teroranschlages verwickelt? Gibt es konkrete einschlägige Zeugenaussagen gegen ihn? Wie ist die Zuverlässigkeit der Zeugen einzuschätzen?

Der Fall Menezes zeigt, nein, man legt sich keineswegs auf wirklich heisse Fährten fest. Ein so minimaler Verdacht wie der, im gleichen Häuserblock wie eine Verdächtiger (nicht etwa eines Terroranschlages, sondern eines Scheinanschlages) zu wohnen, reichte bereits aus, um den vorbeugenden Todesschuss einzusetzen.

Jeder kann unschuldig in Verdacht geraten!

Sie, ich, jeder von uns kann so völlig ohne konkrete Verdachtsmomente innerhalb von Minuten zu einem „potentiellen Terroristen“ werden, denn man in den Kopf schiessen muss, weil er sonst eventuell noch den Sprengstoffgürtel auslösen könnte, den Terroristen ja immer am Körper tragen.

Damit ist auch die landläufige Gegenargumentation widerlegt, wer nichts getan habe, brauche auch nichts zu befürchten. Jean Charles Menezes, nicht mehr erkennbar wegen des fehlenden Gesichtes, winkt uns aus seinem Grab zu: Jeder, jeder kann unschuldig in Verdacht geraten!

Lügen und erschreckende Details

Die Meldungen hier in Brasilien zu dieser Schein-Verurteilung der englischen Polizei beziehen sich meist auf Details, die währenddes Prozesses ans Tageslicht kamen bzw. die als Erfindung der Polizei entlarvt wurden:

Er hätte trotz eines warmen Sommertages eine dicke Jacke getragen, unter der ein Sprengstoffgürtel hätte stecken können. Das war eine Polizeilüge. Er hatte eine leichte Jeans-Jacke an, unter der kein Sprengstoff zu verstecken war. Er sei auf der Flucht vor den Polizisten über eine Absprerrung der U-Bahn gesprungen. Das Video zeigte: Er schlenderte völlig unbedarft in den Bahnhof, holte sich eine Zeitung aus dem Automaten, kaufte ein Ticket, ging ganz ruhig durch die Sperre und bestieg den U-Bahn-Zug.

Andere Polizei-Erfindung: Er sei illegal in England gewesen, deshalb sei er vor Polizisten geflüchtet. In Wirklichkeit hatte er eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Er flüchtete auch überhaupt nicht.

Ebenso wurde deutlich: Er wurde von seinem Haustor bis zur U-Bahn von vielen Zivil-Polizisten überwacht, die über Funk mehrfach die Einsatzleiterin fragten, ob sie ihn nicht ansprechen oder überwältigen sollen. Nach den Aussagen wurde immer wieder Anweisung gegeben, ihn nur zu beobachten.

Die Ausrede für dies unverständliche Verhalten der Einsatzleitung war, man befürchtete, er habe eine Sprengstoffgürtel an und würde ihn zünden, wenn man ihn stoppt. Nur war aber die Behauptung mit der dicken Jacke schon widerlegt und es wurde unhaltbar, weiterhin vom Sprengstoffgürtel zu sprechen. Auch hat noch nie ein Terrorist ausserhalb des Nahen und Mittleren Ostens einen Sprengstoffgürtel benutzt.

Bewusstes Hinlenken auf neue Katastrophe?

Es wird deutlich, es handelte sich darum, man wollte den Zwischenfall bewusst zuspitzen, indem man wartete, bis die „Elitetruppe“ den Verdächtigen erreicht hatte. Das war nämlich erst in jener U-Bahn-Station der Fall. Hier, ausgerecht am Ort mit der grössten Menschenansammlung, liess man nun die Truppe auf den Verdächtigen los.

Pleiten, Pech und Pannen? Nicht unbedingt. Die andere Theorie ist, man wollte, soweit möglich, eine neue zugespitzte Situation schaffen, die dann eventuell endgültig die ganze Bevölkerung dazu gebracht hätte, dem völligen Aussetzen aller bürgerlichen und demokratischen Rechte zuzustimmen.

Laut den Zeugenaussagen hätte Jean Charles, wäre er wirklich ein Terrorist mit Sprengstoffgürtel gewesen, nämlich sehr wohl noch Zeit gehabt, eine Sprengung auszulösen, bevor er überwältigt wurde – in einer vollbesetzten U-Bahn!

Kaltblütiger Mord

Eine Erklärung, warum man ihn, nachdem er keinen Sprengstoffgürtel gezündet hatte und von fünf Polizisten überwältigt und festgehalten war, dann noch erschossen hat (kaltblütiger Mord)– und warum mit so einem Overkill von 8 Schüssen in den Kopf – gibt es nicht. Die Einsatzleiterin hat in mehreren Aussagen in Abrede gestellt, den Tötungsbefehl gegeben zu haben. Die wahrscheinlichste Deutung ist, die „Elitetruppe“ hat den generellen Auftrag, keine Zeugen für ihr Vorgehen zu hinterlassen – auch wenn das in einer vollbesetzten U-Bahn-Station ein wenig absurd ist.

Aber was ist schon nicht absurd an diesem Fall.

Die Mitglieder der „Elitetruppe“ (wenn das die Elite ist, dann stelle man sich die anderen vor!) bekamen vor Gericht das Recht, ihre Aussagen hinter einem dunklen Vorhang und unter einem Code-Namen zu machen. Auch das widerspricht bereits einem rechtsstaatlichen Prozess.

Einmaliger Ausrutscher?

All diese vielen absurden Details lenken aber eigentlich von dem Hauptpunkt ab: War dies ein einmaliger Ausrutscher? Hat man sich entschuldigt und für die Zukunft dafür gesorgt, dass so etwas nicht wieder geschehen kann? Nein, im Gegenteil.

Bereits damals hat der Premier Blair ausdrücklich betont, er werde sich nicht hierfür entschuldigen, denn man hätte so handeln müssen, es hätte sich ja um einen Terroristen mit Sprengstoffgürtel handeln können. Es gab aber gar keine dicke Jacke, unter der ein solcher Gürtel hätte versteckt werden können. Er hatte also in Wirklichkeit einen anderen Grund, denn er benutzte eine Ausrede, wie sich dann ja herausstellte.

Selbstverständlich hat er auch später jegliche Entschuldigung abgelehnt.

Keinerlei Entschuldigung

Auch der andere Verantwortliche, der damalige Chef von Scotland Yard, der zufällig auch Blair hiess, hatt Gleichlautendes gesagt. Alles sei korrekt abgelaufen, kein Polizei-Fehler, nur eine tragische Verwechslung.

Auch der englische Innenminister hat immer wieder betont, gegen mutmassliche Terroristen müsse man so vorgehen. Es handele sich um einen tragischen Unglücksfall, aber das Vorgehen sei völlig korrekt gewesen.

Justiz stützt Vorgehen - keine Straftat

Dazu kommt nun, die englische Justiz hat genau diese Auslegung gestützt, indem sie die Eröffnung eines Verfahrens gegen die verbeamteten Mörder von Jean Charles ablehnte und dies dann auch in der Revisionsinstanz bestätigte. Stattdessen hat sie nun das unwürdige Schauspiel eines Prozesses durchgezogen, der die Polizei verurteilte, nur gibt es keinerlei Konsequenzen.

Vorbeugender Todesschuss offiziell eingeführt

Damit ist der vorbeugende Todesschuss auf eventuell Terrorverdächtige, auch wenn bestenfalls winzigste Hinweise gegen die Person vorliegen (wie das Wohnen im gleichen Häuserblock wie ein Verdächtiger), zur offiziellen EU-Politik geworden. Umso mehr gilt dies natürlich für weniger weitgehende Massnahmen, wie das „Verschwinden-lassen“ (Festnehmen ohne Anklage, ohne Benachrichtigung der Angehörigen und ohne Recht auf einen Anwalt und in Folterhöhlen stecken).
Der grosse Bruder von jenseits des Atlantik hat es uns vorgemacht, nun wird es Zeit, dies auch hier zu praktizieren.

Kein Gesetz nötig

Man braucht nämlich, so hören wir Verteidigungsminister Jung sagen, dafür überhaupt keine Gesetze. Dort in England gab es ja keineswegs ein Gesetz, das den vorbeugenden Todesschuß erlaubt hätte. In einem „übergesetzlichen Notstand“ ist der Regierung und ihren Polizisten und Soldaten immer alles erlaubt – und wer den übergesetzlichen Notstand feststellt, ist natürlich die Regierung – dazu ist sie ja Regierung – verstanden? Na endlich.


Veröffentlicht am 2. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 2. November 2007

Sex unter 18? 10 Jahre Gefängnis!

Die Absurditäten der christlichen Extremisten in den USA

Von Karl Weiss

Das Apellationsgericht von Atlanta hat nach vier Jahren die Strafe für Genarlow Wilson aufgehoben, der es gewagt hatte, bereits unter 18 Sex zu haben.

Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Georgia, der US-Bundesstaat mit der Hauptstadt Atlanta, so etwas wie die Hauptstadt des Südens der USA, ist seit Jahren fest unter der Knute extremistischer republikanischer Christen, die, wie auch in anderen Bundestaaten, die Strafgesetzgebung nach und nach entsprechend ihren Moralvorstellungen umgestalten.

Absurd-hysterische Gesetze

Der junge Genarlow war dort vor vier Jahren zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er mit seiner zwei Jahre jüngeren Freundin Oralsex gemacht hatte. Diese Art absurd-hysterischer Gesetze wird über die EU jetzt auch versucht, Europa überzustülpen.

Genarlow hatte mit 17 Jahren eine Freundin, die 15 war. Beide hatten Oralsex und das war herausgekommen. Dies wurde laut einem damals neuen Gesetz als „Kindsmissbrauch“ geahndet, weil in vielen Staaten der USA – und nach einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung bald auch in Deutschland – alle unter 18 als „Kinder“ definiert werden und damit der gesamte Bereich von Sex unter Gleichaltrigen, die unter 18 sind, unter „Kinderschändung“ fällt.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Interessant die Frage, warum die junge Dame nicht auch wegen Kindsmissbrauch angeklagt wurde, da sie doch ebenfalls Oralsex mit einem 17-jährigen „Kind“ gemacht hatte.

Oralsex ist pervers

In Georgia, wie auch in anderen von den christlichen Extremisten gehaltenen US-Staaten (z.B. auch Michigan, also nicht nur Südstaaten; siehe den Fall in Michigan hier) kam noch die Besonderheit hinzu: Man hatte keine so schwere Bestrafung für „normalen“ Sex unter Minderjährigen vorgesehen, aber sehr wohl für angeblich perverse Abarten. Darunter fällt nach der Meinung christlich-extremistischer Spinner der Oralsex. Näheres hierzu in diesem Artikel.

Hätte Genarlow mit seiner Freundin nur Sex mit Penetration gemacht, wäre die Höchststrafe 12 Monate Gefängns gewesen. Auch bereits absurd, aber die christlichen Hysteriker sind erprobt darin, immer absurdere Strafbestände zu schaffen.

Keine vorzeitige Entlassung auf Bewährung

Nun hatte Genarlow in Erwartung von zwei Jahren abgebüsster Gefängnisstrafe zum ersten Mal die Möglichkeit, um eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung zu bitten und tat dies. Doch der Staatsanwalt tat alles, um seine vorzeitige Entlassung zu verhindern. Auch er ist offensichtlich einer jener „wiedergetauften“ Christen vom Typ Bush, die sich als der wandelnde Wille Gottes auf Erden begreifen.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 18

Der junge Genarlow, verurteilt 2004, ist seit Dezember 2005 im Gefängnis. Sein Anwalt hat dann, da die vorzeitige Freilassung aussichtslos erschien, eine Revision des Verfahrens angestrengt.

Soeben ist die Entscheidung des Appelationsgerichtes mit 4 zu 3 Stimmen gefallen: Die Strafe für Genarlow wurde aufgehoben. Die Mehrheit argumentiert, die Tat von Genarlow sei zwar bestrafenswert gewesen, aber doch in der Schwere nicht mit dem Missbrauch eines Kindes durch einen Erwachsenen zu vergleichen. Die Minderheit dagegen bezog sich auf den zur Tatzeit geltenden Gesetzeswortlaut, der tatsächlich im Fall erschwerender Umstände eine Strafe von 10 Jahren vorsah. Als erschwerender Umstand wurde der Fakt des Oralsexes eingestuft.

Keine Freilassung

Wenn man meinte, Genarlow sei nun freigelassen worden, so irrte man. Im Fall von Aufhebung von Bestrafungen hat die Staatsanwaltschaft das Recht auf eine neue Verhandlung, wenn sie dies beantragt, was hier wohl erfolgen wird. Dann wird es von der Entscheidung eines weiteren Richters abhängen, ob Genarlow bis zu jenem Prozess in Freiheit kommt oder ihn im Gefängnis abwarten muss.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 2

Für Genarlow wird es einen riesigen Unterschied ausmachen, ob es bei der Aufhebung seiner Strafe bleibt oder ob er vorzeitig auf Bewährung entlassen wird, denn in den USA ist jeder rechtskräfteig wegen eines Sexualdeliktes Verurteilte sein Leben lang gebrandmarkt.

Lebenslängliche Brandmarkung

Er muss sich lebenslänglich mit seinem Aufenthaltsort melden und wird dann im Internet als „Sex Offender“ gebrandmarkt, mit Foto, Adresse und Benennung seiner Straftat (in diesem Fall „sexueller Angriff mit erschwerenden Umständen auf Minderjährige“).

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Auch in Europa beginnen die Regierungen und speziell in Deutschland die christliche Union unter Frau Merkel bereits die ersten Gesetze dieser Art zu versuchen, heimlich, still und leise durch den Bundestag zu bringen. Die entsprechenden Artikel zu diesen Umtrieben sind die beiden Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht Teil 1 und Teil 2.

Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.



Veröffentlicht am 1. November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“


Zusatz zum Artikel (5.7.08)

Nur um einen ungefähren Eindruck zu geben, mit welcher Grössenordnung von Problem man in einem "normalen" Land zu rechnen hat, wenn Sex mit 15-jährigen Mädchen oder jüngeren auch dann als "Kinderschänden" bestraft wird, wenn es sich um einverständlichen Sex unter (fast ) Geichaltrigen handelt, hier eine aktuelle Zahl aus Brasilien:
Bei einer anonymen Umfrage mit repräsentativem Charakter wurden u.a. die Mädchen befragt, mit welchem Alter sie das erste mal Sex hatten (die Frage bezog sich dabei eindeutig auf "richtigen" Sex, also Penetration): Das Ergebnis: Schon mit 15 oder jünger hatten Sex 36% (in Worten: sechunddreissig) der Mädchen!

Donnerstag, 1. November 2007

Bert Brecht - Die Resolution der Kommunarden

Da das Topic Alternativ-Politik in diesem Blog etwas unterbelichtet ist, stelle ich hier ein Gedicht von Bert Brecht ein, das ich gerade ausgegraben habe und das für sich selbst spricht.
Karl Weiss


Resolution der Kommunarden

Von Berthold Brecht

In Erwägung unserer Schwäche machtet
ihr Gesetze, die uns knechten soll'n
die Gesetze seien künftig nicht beachtet
in Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll'n

In Erwägung, daß ihr uns dann eben
mit Gewehren und Kanonen droht
haben wir beschlossen,
nunmehr schlechtes Leben
mehr zu fürchten als den Tod.

In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
wollen wir mal feststell'n,
daß nur Fensterscheiben
uns vom Brote trennen, das uns fehlt.

In Erwägung, daß da Häuser stehen
während ihr uns ohne Bleibe laßt
haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
weil es uns in uns'ren Löchern nicht mehr paßt.

In Erwägung, es gibt zuviel Kohlen
während es uns ohne Kohlen friert
haben wir beschlossen, sie uns jetzt zu holen
in Erwägung, daß es uns dann warm sein wird.

In Erwägung, es will euch nicht glücken
uns zu schaffen einen guten Lohn
übernehmen wir jetzt selber die Fabriken
in Erwägung, ohne euch reicht's für uns schon.

In Erwägung, daß wir der Regierung
was sie immer auch verspricht, nicht trau'n
haben wir beschlossen, unter eig'ner Führung
uns ein gutes Leben aufzubau'n .

In Erwägung, ihr hört auf Kanonen
and're Sprachen könnt ihr nicht versteh'n
müssen wir dann eben, ja das wird sich lohnen
die Kanonen auf euch dreh'n.

Mittwoch, 31. Oktober 2007

Fussball-WM 2014 in Brasilien - ja und?

Die Königlichen Hoheiten winken huldvoll aus den Ehrenlogen

Von Karl Weiss

Als die Entscheidung der Vergabe der Fussball-WM 2014 nach Brasilien bekanntgegeben wurde, gab es in Brasilien nicht ein einziges Freudenfeuerwerk. Das hing natürlich auch damit zusammen, dass Brasilien als einziger Kandidat übriggeblieben war und man bereits wusste, wer ausgewählt wurde. Aber es hing auch damit zusammen, dass der Fussball in Brasilien eine Sache ist, in der ein Fan bestenfalls als passiver Konsument geduldet wird. Wie im Kaiserreich wird alles von oben gesteuert und niemand hat ein Mitspracherecht.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel

Nun, das ist wohl auch nicht so wesentlich anders als im ‚Kaiserreich’ F.C. Bayern München oder beim DFB. Fans sind zwar im Fussball durchaus willkommen – als willenlose Claqueure. Aber als erwachsene Menschen, die einen Anspruch darauf haben, gehört zu werden, sind sie in allen Ländern den Fussball-Oberen nicht genehm.

Man stelle sich vor, ein Mayer-Vorfelder hätte regelmässige Umfragen über anstehende Fragen unter Fans durchführen lassen. Das ist in etwa so, als ob der Sonnenkönig Ludwig der Vierzehnte von seinen diversen weiblichen Gespielinnen gelassen hätte.

Und so ist es mit dem Fussball bis heute in fast allen Ländern. Wer eine Ausnahme kennt, ist mit seinem Kommentar willkommen.

Die Fans in Brasilien lassen ganze Feuerwerke bei jedem Tor ihres Vereins in die Lüfte steigen, aber die WM im eigenen Land (auch wenn man es schon vorher wusste) war keine Feier wert. Rein zufällig war der Berichterstatter vor einigen Jahren auch an jenem Tag in Deutschland, als verkündet wurde, die WM 2006 werde in Deutschland stattfinden. Auch damals: Keine Freudenfeuer, keine spontanen Zusammenkünfte, um zu feiern. Fussball ist aufgeteilt in die „Grosskopferten“, die bestimmen, und uns, die wir zu konsumieren haben.

Fussball ist ein letztes Überbleibsel des Feudalismus. Herrscher defilieren, lassen sich feiern oder weisen harsch Kritik zurück. Die Politiker schwänzeln um den Fussball herum wegen seiner Popularität und übergeben öffentliche Gelder in ungeahntem Ausmass an die Veriene.

Die Sauereien, die Korruption, der Missbrauch öffentlicher Gelder, die Schiedsrichterskandale, die Steuerhinterziehung, all das ist international. Inter Mailand, Real Madrid, Borussia Dortmund, alle schon dreimal bankrott und doch sind sie da. Gesponsort mit Steuergeldern? Die Präsidenten von Vereinen, die sich reich geschwindelt haben: Bis heute wurde noch kein einziger zur Rechenschaft gezogen.

Die FIFA hatte eine Rotation der Kontinente beschlossen, um die extreme Dominanz, die Nordamerika und Europa bei der Austragung der Fussball-WMs hatten, etwas zu mildern. Nach der „Asien-WM“ 2002 in Japan und Südkorea war Europa dran, diesmal mit Deutschland 2006. Danach wurde Afrika ausgewählt und innerhalb kurzer Zeit stellte sich Südafrika als einzig übriggebliebener Kandidat für die WM 2010 heraus.

Als nächstes kam Südamerika dran, wo schon seit 1950 nur noch eine Weltmeisterschaft stattgefunden hatte, in Argentinien 1978. Argentinien winkte schnell ab als möglicher Kandidat. Nur Kolumbien und Brasilien blieben über. Doch Kolumbien hatte keine Chance, denn man hatte an dies Land bereits die WM 1986 vergeben gehabt, doch es musste diesen Auftrag zurückgeben, weil es in einem Bürgerkrieg versunken war; Mexiko sprang in die Bresche. So gab Kolumbien denn auch bald auf. Blieb nur Brasilien, immerhin der einzige fünfmalige Gewinner dieser Weltmeisterschaft. Das letzte Mal war die WM 1950 in Brasilien gewesen.

Um den feudalistischen Charakter des Weltfussballs richtig deutlich zu machen, kam es denn auch bei der Pressekonferenz, welche die Fifa gestern zusammen mit den Repräsentaten Brasiliens, unter ihnen Präsident Lula, im neuen aufwendigen FIFA-Gebäude in der Schweiz anlässlich der Verkündigung der „Wahl“ Brasiliens für die WM 2014 abhielt, zu einer Szene des Zusammenstosses zweier Welten, wie sie nicht charakteristischer hätte sein können.

Der Präsident des brasilianischen Fussball-Verbandes Teixeira ist der Schwiegersohn von João Havelange, dem legendären brasilianischen Sonnenkönig im Fussball, lange Jahre “Besitzer“ der FIFA. Wie die Regeln es wollen (natürlich gibt es keine weibliche Erbschaft der Macht im Fussball) wird der Schwiegersohn der neue König. So steht auf der einen Seite die königliche Phalanx.

Da gab es auf der anderen Seite aber Journalisten aus der heutigen, der realen Welt und die wagten es Fragen zu stellen. Da war eine unwürdige Plebejerin, eine kanadische Journalistin, so kühn, eine „ungehörige“ Frage an seine Majestät, König Teixeira, zu stellen. Sie sagte, Brasilien sei doch, wenn man den Irak und Afghanistan mal ausnehme, das Land mit der höchsten Zahl der Morde auf der Welt und auch sonst geprägt von Gewalt. Was Brasilien denn zu tun gedenke, um bis 2014 zu Umständen zu kommen, unter denen die vielen Besucher nicht in akuter Gefahr wären.

Statt nun den Plan Brasiliens zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität darzulegen – das konnte er auch nicht, denn es gibt ihn nicht – begann der Erbe des Sonnenkönigs mit rotem Kopf zu fragen, wer den die (unverschämte) Fragerin sei, wie ihr Name sei, von welcher Publikation und aus welchem Land.

Kaum hatte er „Kanada“ gehört, begann er zu räsonieren. Die Gewalt sei doch wohl ein internationales Problem und nicht ein spezifisch brasilianisches. So würden in den USA (immerhin weiss der Mann, dass USA und Kanada in Nordamerika liegen) doch in regelmäßigen Abständen bewaffnete Schüler in die Schulen gehen und reihenweise Menschen umbringen und überhaupt Kanada: Bei der kürzlich ausgetragenen Weltmeisterschaft „unter 20“ dort hätten kanadische Polizisten chilenische Spieler verprügelt.

Tja, so weist man unverschämte Frager zurecht, wenn man König ist.

Der „Clash“ der Kulturen.

Die Brasilianer sind nun natürlich keineswegs traurig, dass die Weltmeisterschaft bei ihnen stattfinden wird. Sie wissen ja auch noch nicht, wie die Eintrittskarten in die Stadien aufgeteilt werden. Sie glauben heute noch, eine reale Chance zu haben, solche Karten zu ergattern, speziell zu den Spielen Brasiliens.

Würde einer von ihnen Kontakt zu deutschen Fussballfans haben, so könnte er erfahren, nur etwa 25% der Eintrittskarten der Spiele der einheimischen Mannschaft werden unter den Fans verlost, die sich im Internet als Kandidaten eingetragen haben. Sie müssen Internet haben und müssen Bankkonto haben, was auf die überwiegende Mehrheit der brasilianischen Fans nicht zutrifft. Ein wesentlicher Teil der Karten wird über die Sponsoren-Firmen verteilt. So trifft sich in den Stadien statt der Fans eine Mischung von unerträglichen Schicki-Mickis mit Kokain-Genuss mit Leuten aus anderen Ländern.

Aber – wie gesagt - das wissen die Fans in Brasilien nicht und so freuen sie sich wirklich ehrlich auf jene Weltmeisterschaft.


Veröffentlicht am 31. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 30. Oktober 2007

Das neue soziale Image der SPD: 6 Euro pro Stunde

Zeitungsbericht: Sicherheitsleute auf SPD-Parteitag deutlich unter geforderten Mindestlohn bezahlt

Von Karl Weiss

Wie tiefgreifend das neue soziale Profil der SPD nach dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag ist, enthüllte der ‚Stern’ am 28. Oktober 2007: Die Sicherheitsleute auf dem Parteitag bekamen weniger als 6 Euro in der Stunde bezahlt.

SPD Oktober 2007

War die SPD früher mal eine Arbeiterpartei, die bei Parteitagen und anderen Veranstaltungen eine „Kämpfertruppe“ von gestandenen Arbeitern aufstellte, für den Fall, es würden ein paar Faschisten versuchen zu stören, so ist sie heute zu einer Partei von Besserverdienenden geworden, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Sie muss für ein Heidengeld eine Sicherheitsfirma engagieren, die sie vor Arbeitern schützt, die eventuell einmal ihre Wut handgreiflich auslassen wollten.

Doch genau dieses teure Sicherheits-Unternehmen zahlt seine Leuten fast nichts, fast alles wird vom Chef bzw. den Aktionären eingesteckt. Vor lauter Räsonieren hatten die SPD-Oberen vergessen, sie waren die Verantwortlichen auch für die Sicherheitsdienstleute von der Fremdfirma an diesen Tagen.

Sich allerdings die Mühe zu machen zu fragen, was die denn bekommen für ihre Arbeit und eventuell den Unterschied zu den eigenen Forderungen vom Mindestlohn zu zahlen, das wäre denn doch zu weit gegangen – wo kämen wir denn da hin?.

So kam es, wie es kommen musste, während auf dem Podium der Vizekanzler Müntefering einen Mindestlohn von „sieben-fünfzig“ verlangte, wurde er von Sicherheitsmännern bewacht, die im Auftrag von Parteichef Beck nicht einmal ganz 6 (in Worten: sechs) Euro pro Stunde erhielten.

Eine von ihnen erklärte, er arbeite auf dem Parteitag 16 Stunden am Stück und bekomme dafür weniger als 100 Euro, und davon gehen noch Anfahrtskosten, Steuern und Sozialabgaben ab.

Im Monat, so sagt er, kommt er kaum je auf netto 700 Euro. Zum Leben bleiben in manchen Monaten kaum 200 Euro.

Und nun höre man, was sein zeitweiliger „Arbeitgeber“ Beck auf eben jenem Parteitag sagte: "Der Mindestlohn ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der ... arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann."

Ja, da bleibt kaum ein Rest von Glaubwürdigkeit für das neue Grundsatzprogramm, das man extra für ein Heidengeld bei einer Werbeagentur in Auftrag gegeben hatte.

Scheint sich irgendwie zu einem Syndrom entwickelt zu haben bei der SPD: Fette Moneten für jene, die es sowieso dicke haben und holen bei denen, die nichts haben.


Veröffentlicht am 30. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 24. Oktober 2007

Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

In eigener Sache

Von Karl Weiss

Die beiden Dossiers Sexualstrafrecht, Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1 und Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2, die am 8. August und am 4. September 2007, in “Nachrichten – heute” erstveröffentlicht und dann auch angereichert mit Beispiel-Fotos in dieses Blog gestellt wurden ( hier und hier ), sind inzwischen zu den bei weitem meistgelesenen Artikeln geworden, speziell der Teil 1, der im Original inzwischen über 33 000 Mal angeklickt wurde.

Er ist damit auch auf der Seite „Nachrichten – heute“ der meistgelesene Artikel geworden.

Aber auch der zweite Teil ist viel gelesen, in beiden Veröffentlichungen zusammen inzwischen an die 12 000 Mal angeklickt. Im Blog karlweiss sind beide Artikel zusammen etwa 13 000 Mal gelesen worden (die Aktualisierung der "Top 6 Dossiers" folgt noch).

[Aktualisierung vom 25.1.2008: Inzwischen gibt es auch bereits den dritten Teil des Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht. Der erste Teil des Dossiers ist in der Originalversion nun bereits fast 50 000 Mal angeklickt worden. Hier im Blog hat der zweite Teil über 25 000 Leser gefunden, der erste Teil beinahe 15 000. Auch dieser Artikel "In eigener Sache" ist bereits über 9000 Mal angeklickt worden.]

Inzwischen hat sich auch herausgestellt: Die Idee, diese Artikel im Blog mit Bildern aus dem „Nudisten-Album“ anzureichern, hat die Problematik noch deutlicher werden lassen. Auch im deutschsprachigen Raum, nicht nur in den USA, gibt es Leute, die verfechten, ihre Moralvorstellungen müssten mit den Mitteln des Strafrechts durchgesetzt werden.

Eine grosse Anzahl von Foren im Internet hat diese Probleme diskutiert. Hier ein typischer Ausschnitt aus einer der Diskussionen, in diesem Fall des Forums ubuntuusers:

Chrissss:

„(...) sich jemand aufregt, dass er seine netten Familienfotos aus Nudistencamps nun nicht mehr seinen Freunden zeigen darf. Sorry, die Beispiele dort sind pornografischer Natur und ich bin froh, dass man solch (ich zensiere mich freiwillig) hinter Schloss und Gitter sperren kann. Nacktbilder von Kindern zu verbreiten, und seien sie noch so "harmlos", ist und bleibt pervers und nun gibts auch die Mittel die Produzenten solcher Bilder zu belangen.“

queue:

„Ich habe mir die Bilder auf der verlinkten Seite angesehen, und irgendwie finde ich überhaupt nichts Verruchtes oder Unnatürliches daran.
Wenn sich jemand an solchen Bildern aufgeilen kann, dann ist es eher ein Armutszeugnis für die Gesellschaft, in der diese Bilder irgendwie verboten wirken. Und wer das erregend findet, der kann auch MTV gucken, wo sich minderjährige Mädchen in Musikvideos räkeln und im Bikini über Laufstege wackeln.“

Ein anderer Diskutant in diesem Forum argumentiert mit der einschlägigen „Bravo“-Seite:

Dort wird alles – und zwar aufgeteilt nach Altersklassen 12 bis 13, 14 bis 15 und 16 bis17 – an männlichen und weiblichen Modellen bis ins Detail der Sexualorgane gezeigt. Man hat sich sogar die Mühe gemacht, Galerien über das unterschiedliche individuelle Aussehen der Sexualorgane in diesem Altersbereich anzulegen und zu zeigen.

Bravo- Junge und Mädchen

Hier nur eine kleine Auswahl von weiteren Fotos, die es bei „Bravo - Dr.Sommer“ zu sehen gibt.

Bravo - Stellung

Da gibt es die Fotos von Stellungen,

Bravo - Stellung 1

Bravo - Stellung 2

Bravo - Stellung 3

Bravo - Stellung4

Bravo Stellung 5

Bravo - Stellung 6

Bravo - Stellung7

Bravo - Stellung 8

Bravo - Stellungen

Fotos und Zeichnungen zu „Aufklärung“ und "Petting"

Bravo - Aufklärung

Bravo - Aufklärung 1

Bravo- Aufklärung2

Bravo Aufklärung 3

Bravo- Aufklärung 5

Bravo Aufklärung 10

Bravo Aufklärung 12

und von Selbstbefriedigung,

Bravo - Selbstbefriedigung

Bravo - Selbstbefriedigung 1

Bravo - Selbstbefriedigung 2

Bravo - Selbstbefriedigung 3

Fotos zu Sex,

Bravo - Sex

zum ‚ersten Mal’ und

Bravo - Erstes Mal

zur Brust.

Bravo Brust

All dies bezogen auf Altersbereiche, die unter 18 liegen (unabhängig davon, ob eines der Modelle eventuell schon über 18 war). Dies alles, wohlgemerkt, im offenen Internet. Man braucht sich nicht einmal mit E-Mail-Adresse anzumelden, um all dies zu sehen.

Nur der Vollständigkeit halber: Hier ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt gezeigt von dem, was dort zu sehen ist.

Das ist das Niveau von Offenheit und Freiheit, mit dem Nacktheit in Deutschland behandelt wird, auch und speziell im Altersbereich von 12 bis 17 Jahre, und darüber hinaus auch Sex, Selbstbefriedigung, Stellungen beim Sex usw. All das wird nicht nur besprochen, sondern auch abgebildet. Niemand nimmt daran Anstoss, denn ein nackter menschlicher Körper und Sex sind kein Tabu mehr, im Gegenteil, man ist heute der Meinung, ältere Kinder und Jugendliche sollten über all dies Bescheid wissen – und dazu gehören natürlich auch Abbildungen.

Es ist offensichtlich, dies lässt sich mit den Absichten der Schöpfer jener neuen Gesetzesnormen nicht vereinbaren.

Tatsächlich würde dieses Aufklärungsmaterial nach dem neuen Gesetz aus „Dr. Sommer“ und der Bravo-Site eine hochkriminelle Organisation von Kinderporno im Internet machen, noch dazu mit kommerziellen Absichten (nämlich die Zeitschrift zu verkaufen). Das könnte interessant werden.

Ein anderes Beispiel sind die Fotos, die man in ‚wikipedia’ offen ansehen kann, wenn man zum Beispiel unter Penis nachsieht:

Hier kann man einen Penis in Normalzustand und eregiert sehen,

Wikipedia: Penis, normal und eregiert

ebenso wie auch einen beschnitten Penis mit halber Erektion.

Wikipedia - Beschnittener Penis

Geht man mit dem gleichen Begriff in Wikipedia Commons

kann man darüber hinaus auch noch ein Video von einem ejakulierenden Mann sehen und eine ganze Fotostrecke mit Penissen, einschliesslich einem mit Masstab,

Wikipedia Commons - Penis mit Skala
Ob das Zoll (inches) sind? Dann wäre das allerdings ein Prachtexemplar.

mit einem masturbierten Penis,

Wikipedia Commons Masturbation

noch zwei eregierte Penisse

Wikipedia - Eregierter Penis
ein kleinerer

Wikipedia - Eregierter Penis 1
und ein normaler

und schliesslich auch einen besonderer Länge.

Wikipedia Commons - Erektion
und Hässlichkeit

Wiederum ist hier nur ein Teil dessen gezeigt, was man dort sehen kann. Nun mag einer sagen, das ist ja nun speziell im Zusammenhang mit Aufklärung über den Körper und über Sexualität. Natürlich, aber auch die beiden betreffenden Artikel sind eben in aufklärerischen Zusammenhang. Die Fotos von Nackten stehen darin, um das im Text gesagte deutlicher zu machen.

Die Wiedergabe der Fotos hier ist ebenfalls zu aufklärerischem Zweck. Es geht darum zu dokumentieren, was heute jedem (und auch jedem Kind) am Computer mit Internetanschluss zugänglich ist, ohne Aufsehen zu erregen. Die hier gezeigten Fotos sind daher nichts „Abartiges“ oder „Perverses“.

Am Beispiel der Meinung von Chrissss zeigt sich, es gibt nicht nur in Kreisen extremistischer Christen in den USA, sondern auch bei uns Fanatiker, die es für absolut richtig halten, jegliche Nacktheit (speziell bei Kindern, aber auch Jugendlichen) zu verbieten. Zwar wird nur von Fotos gesprochen, aber es ist schon klar, man kann nicht Fotoapparate generell von jedem Strand oder Camp entfernen – schon gar nicht in Zeiten, in denen praktisch jedes Handy schon eine Foto-Funktion hat.

Damit ist die gesamte Nudisten-Bewegung nach Meinung von Chrissss reif für das Gefängnis, ebenso wie alle Eltern, die ihre Kleinkinder am Strand ohne Bekleidung spielen lassen und dann auch Fotos machen. Zumindest, so sagt Chrissss, müssten diese Eltern dann jene „pornografischen“ Fotos unter strengsten Verschluss halten. Nacktbilder von Kindern, die fast jeder deutsche Vater oder deutsche Mutter schon gemacht und herumgezeigt hat, meint Chrisssss, seien „pervers“ und erklärt uns, - jedenfalls fast alle Deutschen, die Kinder haben – generell für ein Volk von Perversen.

Vor solch hysterisch extremistischen Fanatikern graust es einem wirklich, speziell wenn man annehmen muss, die deutsche Regierungspartei CDU/CSU glaubt mit ähnlich fundierten Begründungen deutsche Gesetze verändern zu müssen.

Damit ist auch die Ansicht einiger Diskutanten widerlegt, es handele sich gar nicht darum, jegliche Nacktfotos und jegliche angezogenen Fotos mit „aufreizender“ Wirkung (auf Personen, die nicht genannt sind) von Personen unter 18 mit schweren Gefängnisstrafen zu belegen – einschliesslich aller Personen, die (wiederum nach Ansicht ungenannter Personen) aussehen wie unter 18. Es wird deutlich, es geht wirklich genau darum – denn all dies ist ja „pervers“ – und „Perverse“ müssen schliesslich weggesperrt werden.

Es zeigt sich also, die Warnungen in jenen Artikeln waren keineswegs „übertrieben“ oder „an den Haaren herbeigezogen“, sondern sind real – die Absurditäten können aber noch verhindert werden, denn das Gesetz ist ja noch nicht verabschiedet – ganz zu schweigen von weiteren Verschärfungen, die sicherlich anstehen, wenn dieses Gesetz ohne Widerstand durchgewinkt würde.

Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.



Zusatz zum Artikel

anlässlich der Verabschiedung des neuen Sexualstrafrechts im Bundestag:

Um einen ungefähren Eindruck zu geben, wie es um den Sex von Jugendlichen in Deutschland bestellt ist, hier einige Zahlen aus der letzten Sex-Studie des Stern:

„Im Alter von 14 Jahren hätten nach den neuesten Zahlen zwölf Prozent der Mädchen und zehn Prozent der Jungen bereits einen Geschlechtsverkehr erlebt. Im Alter von 15 Jahren seien es 23 Prozent der Mädchen und 20 Prozent der Jungen, mit 16 Jahren 47 Prozent beziehungsweise 35 Prozent. Bei den 17-Jährigen berichteten 73 Prozent der Mädchen, schon Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Bei den Jungen seien es in diesem Alter (...) 66 Prozent.“

Es ist also (73/66%) nicht irgendeine Minderheit, die vor dem Erwachsen-Sein bereits Geschlechtsverkehr hat. Und man darf im Zeitalter des Fotohandy davon ausgehen, dass in nicht unwesentlichen Teilen dieser Fälle Fotos und Videos aufgenommen werden. Diese sind nach neuer Gesetzgebung in Deutschland „Kinderpornos“, jedenfalls dann, wenn sie nicht unter völligen Verschluss und bei den beiden bleiben. Bereits das Verschicken per E-Mail-Anlage verwirkt eine Gefängnisstrafe! Umso mehr, wenn Mädchen ihr „Eroberung“ den Freundinnen zeigen oder Jungs ihren Freunden. Die Absurdität dieser Gesetzgebung ist nicht mehr zu überbieten.


Weitere Aktualisierung
Die oben angebenen Zahlen von Klicks auf die Artikel zur Verschärfung des Sexualstrafrechts in diesem Blog sind schon lange nicht mehr aktuell. Das Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1 alleine ist nun bereits 112 000 Mal angeklickt worden, das Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2 sogar schon 133 000 Mal. Alle drei Dossiers zusammen haben bereits die Zahl von 300 000 Klicks erreicht. Der hier vorliegende Artikel geht im Moment gerade auf die 75 000 Klicks zu.


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Dienstag, 23. Oktober 2007

Wieder ein Angegriffener durch Elektroschocker getötet

Tödliche Waffe "Taser"

Von Karl Weiss

Nach Angaben der kanadischen Polizei war am vergangenen Wochenende das 16. Todesopfer in Kanada durch den Einsatz des Elektroschockers „Taser“ zu beklagen.

Elektroschocker "Taser"

Ein Reisender aus Osteuropa hatte im Flughafen von Vancouver (Westküste) offenbar einen schweren Angstanfall, hämmerte mit den Fäusten gegen Scheiben des Flughafens und warf einen Gepäckwagen um. Obwohl er für Niemanden eine Gefahr war und es nicht die geringsten Anzeichen gab, dass er nicht leicht von zwei Polizisten hätte überwältigt und ruhig gestellt werden können, wurde er stattdessen mit der Elektroschocker-Waffe „Taser“ angegriffen, die nur angewandt werden soll, wenn „normale Mittel“ keinen Erfolg versprechen oder wenn der Sicherheitsbeamte sich in Lebensgefahr befindet.

Nach zwei Elektroschocks wurde er ohnmächtig und verstarb kurze Zeit später.

Die kanadische Polizei gab an, dies sei das 16. Todesopfer dieser „nichttödlichen“ Waffe im Land. In Kanada wird sie erst seit letztem Jahr eingesetzt.

In ganz Nordamerika ist dies nach Angaben eines Rechtsanwalts aus Vancouver seit 2003 in etwa das 300. tödliche Opfer. In den bisher bekannt gewordenen Fällen war praktisch nie eine akute Gefahr für den Polizisten oder Sicherheitsbeamten gegeben.

Das war eigentlich als Grund angegeben worden, warum man sie mit „Taser“ ausgerüstet hatte. So könnten sie sich in lebensgefährlichen Situationen zur Wehr setzen, ohne den Angreifer töten zu müssen. Tatsache ist, alle bisher bekannten Einsätze der Elektroschock-Waffe waren in Situationen, in denen keinerlei Lebensgefahr für die Polizisten oder Sicherheits-Männer bestand.

Auf dieser Basis forderte der Rechtsanwalt aus Vancouver das Verbot dieser Waffen.


Veröffentlicht am 22. Oktober 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 22. Oktober 2007

Ist São Paulo schon Meister?

Nach Sonntags-Sieg bereits 13 Punkte Vorsprung

Von Karl Weiss

Der São Paulo F.C. hatte vor diesem Spieltag 11 Punkte Vorsprung auf den zweiten, Cruzeiro Belo Horizonte. Nun kam es an diesem Sonntag, dem 21. Oktober, zum ‚Showdown’ der hauptsächlichen Titelkandidaten. Cruzeiro musste in São Paulo im Morumbi-Stadion antreten. Am Ende stand es 1:0 für São Paulo.

Damit hat der Club nun 13 Punkte Vorsprung vor dem neuen Zweiten, Palmeiras.
Das dürfte bei sechs noch ausstehenden Spieltagen nach menschlichem Ermessen ausreichen, auch wenn São Paulo kürzlich zwei Spiele hintereinander verloren hat. Cruzeiro hat ihm nämlich den Gefallen getan, auch 2 Spiele zu verlieren und eins Unentschieden zu beenden, so dass der Vorsprung von São Paulo sich sogar vergrößerte.

Am vorherigen Spieltag hatten sich die zwei Verfolger des Spitzenduos, Palmeiras São Paulo und F.C. Santos mit einem Unentschieden gegenseitig die Punkte abgenommen, so dass Cruzeiro weiterhin der Hauptverfolger von São Paulo blieb – sofern man bei damals 11 Punkten Abstand von Verfolger sprechen kann. Von hinten hatte sich vorher schon Santos herangeschlichen unter seinem international bekannten Trainer Luxemburgo und stand dann nur noch 1 Punkt hinter Cruzeiro. Nun hat aber an diesem Spieltag Palmeiras gewonnen und Santos sowie Cruzeiro haben verloren. Damit bleibt Palmeiras als einzig ernst zu nehmender Verfolger übrig.

Wiederum, wie schon in den letzten beiden Jahren, muss bei einem Artikel über die 1.Liga des Fußballs in Brasilien vor allem die extreme Ausgeglichenheit der Mannschaften hervorgehoben werden. Es ragen zwar an der Tabellenspitze immer wieder Clubs heraus und auch am Ende der Tabelle setzen sich ein oder zwei früh nach unten ab. So steht América Natal z.B. mit nur 16 Punkten jetzt 15 Punkte hinter dem Vorletzten, aber das Mittelfeld ist so kompakt, dass mit jedem Sieg und jeder Niederlage ein Fahrstuhl durch die Tabelle läuft.

Im aktuellen Moment ist der Unterschied vom 6., das ist im Moment Flamengo Rio de Janeiro, und dem 15., Sport Recife, das ist nur zwei Plätze vor dem 1.Abstiegsplatz, gerade mal 6 Punkte. Es könnte also passieren, dass Sport nach zwei Siegen in der nächsten Woche auf dem 6. Platz stände, der eine sichere Bank auf die Teilnehme der Copa Sulamerica darstellt, die im nächsten Jahr wieder in der 2. Jahreshälfte ausgetragen wird, während Flamengo nach zwei Niederlagen auf Platz 15 abgerutscht sein könnte.

Extrem abstiegsbedroht ist nun Corinthians São Paulo, vor zwei Jahren noch Meister, Nummer 2 in der Zahl der Fans in Brasilien, der in der 20-Millionen-Stadt mehr als das dreifache an Anhängern hat als Tabellenführer São Paulo. An diesem Wochenende gab es eine schmerzliche Niederlage in der letzten Minute durch einen Elfmeter gegen Nautico Recife, einen der wichtigsten Mitkandidaten auf den Abstieg. Das sind 6-Punkte-Spiele. Nun hat Corinthians drei Punkte Abstand zum rettenden 16. Platz. Dort vor ihm steht auch noch ein Traditionsclub, Goiás, dem ein guter Endspurt zuzutrauen ist. Die nächsten Vereine sind bereits 5 Punkte in der Tabelle entfernt.

Das Schicksal besiegelt mit dem Abstieg scheint auch schon mit Niederlagen an diesem Wochende für Juventude Caxias do Sul und Paraná Clube Curitiba. Schwerlich können sie sich noch aus dieser Situation befreien.

Herauszuheben ist: Flamengo Rio de Janeiro, der in Brasilien bei weitem anhängerstärkste Verein, der Club Zicos, hat sich mit einem bravourösen Zwischenspurt vom letzten Platz auf Platz 6 gehievt. Allerdings war jener letzte Platz vor allem durch eine Anzahl von Spielausfälle bedingt, die inzwischen wieder aufgeholt wurden – und die alle Heimspiele waren. Auch diesmal gab es wieder einen Sieg, diesmal mit 2:0 über Gremio Porto Alegre, das nun auf den 5.Platz zurückgefallen ist.

Damit ist Flamengo an Fluminense vorbei gezogen. Fluminense war vor zwei Wochen noch als einziger Verein aus Rio de Janeiro im Vorderfeld angesiedelt, nachdem man Flamengo 2:0 besiegen konnte. Doch nun hat Flamengo bereits überholt und Botafogo, lange Zeit Tabellenführer, doch dann in ein tiefes Loch gefallen, hat wieder aufgeschlossen und belegt den 9.Platz. Dagegen hat Vasco Rio de Janeiro, mit viel Elan gestartet, in letzter Zeit neben einigen Siegen auch herbe Rückschläge einstecken müssen, so wie an diesem Wochenende wieder mit einem 0:1 bei Atletico Belo Horizonte, was diesen Verein zunächst einmal aus der Nähe der Abstiegszone herausgeholt hat. Vasco steht jetzt auf Platz 12 (punktgleich mit Atletico Mineiro), der nicht einmal zur Teilnahme an der Copa Sulamerica nächstes Jahr berechtigt, wo Vasco aktuell noch vertreten ist.

Der Verfasser dieser Zeilen kann beim Schreiben hier im Hintergrund die Freudenrufe „Galo!“ hören von Fans, die sichtlich erleichtert sind. Galo ist der Hahn, das Symboltier von Atletico Mineiro.

In der zweiten Jahreshälfte wird in Südamerika nun schon seit längerem die Copa Sul(d)america ausgetragen, das ist so in etwa der südamerikanische UEFA-Cup. Zusätzlich zu jenen in der Tabelle, die es nicht in die „Libertadores“ geschafft haben, darf auch der jeweilige Meister dort wieder mitspielen. Wie auch bei der Libertadores, werden die besten mexikanischen Vereine ebenfalls eingeladen, so dass auch hier, wie bei der Libertadores, eine südamerikanische Meisterschaft plus Mexiko gespielt wird.

In diesem Jahr hatte man zur Südamerika-Meisterschaft auch den Meister der US-amerikanischen Liga, DC United, eingeladen.

Es waren nach der Vorrunde 4 brasilianische Vereine übrig geblieben, 4 argentinische, 3 mexikanische und jeweils ein Vertreter aus den USA, aus Equador, aus Chile, aus Kolumbien und aus Uruguay.

Weiter kamen im Achtelfinale der mexikanische Meister America aus der Hauptstadt Mexiko Stadt gegen eine andere mexikanische Mannschaft, die Millionarios aus Kolumbien gegen Colo Colo Santiago de Chile im Elfmeterschiessen, Chivas aus Mexiko gegen die US-Mannschaft DC United durch ein Auswärtstor und Defensor aus Uruguay gegen die equatorianische Mannschaft El Nacional.

Die anderen vier Achtelfinalspiele waren Begegnungen zwischen Brasilien und Argentinien. Das Duell der Giganten ging unentschieden 2:2 aus. River Plate Buenos Aires gewann zu Hause 4:2 gegen Botafogo Rio de Janeiro. Da reichte der vorhergegangene 1:0-Heimsieg für Botafogo nicht aus, um das wettzumachen. Der eher wenig bekannte argentinische Club Arsenal warf Goiás Goiánia aus dem Wettbewerb. Zwar gelang Goiás ein Unentschieden im Rückspiel in der argentinischen Stadt Sarandí, aber die Argentinier hatten im Hinspiel 3:2 in Brasilien auswärts gewonnen.

Die anderen beiden Spiele gingen zugunsten der brasilianischen Vereine aus. Vasco Rio de Janeiro gelang es, die 0 : 2-Niederlage in Argentinien gegen Lanus mit einem 3:0 zu Hause zu übertrumpfen. Die bei weitem am intensivsten erwarteten Spiele waren aber die beiden Begegnungen zwischen dem besten Club Südamerikas, den Sieger der Libertadores Boca Juniors Buenos Aires und dem brasilianischen Meister und Spitzenreiter der Tabelle, São Paulo F.C.. São Paulo hatte Anfang des Jahres eine Schwächeperiode gehabt und so war es nicht zu dem eigentlich erwarteten Spiel zwischen beiden im Endspiel der Libertadores gekommen.

Nun musste also das Achtelfinalspiel der Copa Sulamerica als Ersatz herhalten. Boca Juniors gelang es im Hinspiel zu Hause bis auf 2:0 davonzuziehen. Man musste aber gegen Spielende noch das 2:1 durch São Paulo hinnehmen, was die Hoffnungen des Clubes aus der gleichnamigen grössten Stadt der südlichen Hemisphere am Leben liess. Und tatsächlich, es gelang am 29. September ein 1:0 gegen die Boca Juniors zu Hause, was durch das erzielte Auswärtstor São Paulo zum Sieger des Duells machte.

Auch in der Copa Sulamerica muss die Ausgeglichenheit der Mannschaften hervorgehoben werden. Im Achtelfinale gab es neben einem Elfmeterschiessen und zwei Entscheidungen durch das Auswärtstor ausschliesslich Entscheidungen durch ein Tor Unterschied in der Summe beider Spiele.

Im Moment finden nun also die Viertelfinalspiele statt. Drei der Hinspiele wurden am 10. Oktober ausgetragen. America gewann in der mexikanischen Hauptstadt mit 2:0 gegen Vasco Rio de Janeiro, was die Chancen des brasilianischen Vereins aus der „wunderbaren Stadt“ wohl auf annähernd Null brachte.

São Paulo verlor überraschend zu Hause gegen die Millionarios aus Bogota, hat aber noch die Chance, mit einer Energieleistung auswärts weiterzukommen. Die argentinische Mannschaft von Arsenal musste sich zu Hause mit einem 0:0 gegen Chivas aus Mexiko zufriedengeben, das dürfte auch für die Mannschaft aus Sarandí schwierig werden. Das vierte Hinspiel von Defensor Montevideo gegen River Plate Buenos Aires wurde auf den 25. Oktober verlegt, wenn die anderen bereits die Rückspiele bestreiten. Eine weitere Entscheidung zugunsten eines urugaianischen Vereins, wie sie in Südamerika nur noch mit einem Achselzucken kommentiert werden.

Es besteht eine gute Chance, dass zwei mexikanische Vereine in den Halbfinalspielen stehen werden. Wenn, dann kommen sie gegeneinander, was bereits einen mexikanischen Vertreter im Endspiel garantieren würde, wahrscheinlich Meister America.

Sollte São Paulo doch noch weiterkommen, kann man ihm einen Erfolg im Halbfinale zutrauen und es käme zum nächsten Giganten-Duell zwischen America und São Paulo im Endspiel. Da São Paulo gleichzeitig auch die Meisterschaft nach Hause schaukeln muss, wäre America Favorit.


Veröffentlicht am 22. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 19. Oktober 2007

CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft!

In Richtung auf die autoritäre Diktatur und den Überwachungsstaat

Von Karl Weiss

Angesichts des Trommelfeuers von Forderungen des Innenministers Schäuble nach Überwachungsmassnahmen und nach dem Abbau bürgerlicher Rechte sowie der Unterstützung, die er durch die Kanzlerin selbst erfährt, fragen sich in Deutschland immer mehr, ob die Haupt-Regierungspartei CDU/CSU eigentlich fest an die Demokratie gebunden ist. Da lässt ein kürzlich entdecktes Zitat aus einer älteren Rede von Frau Merkel, in der sie sagt, wir hätten keinen Anspruch auf Demokratie, alle Alarmglocken schrillen.

Zum 60. Geburtstag der CDU im Juni 2005 hat die Vorsitzende Frau Merkel, damals noch nicht Bundeskanzlerin, eine Rede gehalten, die unserer Aufmerksamkeit wert ist. Damals hat niemand besonders Acht gegeben, was da auf einem Festakt gesagt wurde. Hätte man aber sollen. Frau Merkel sagt nämlich da, wir haben keinen Anspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft, sie legt deutlich dar, die Christdemokratie will einen grundlegenden Umschwung in der Politik, nicht einfach gewisse Verschlimmbesserungen, es geht in die autoritäre Diktatur und in den Überwachungsstaat. Selbst die Koalitionspartner von der SPD dürften stutzen, wenn sie lesen, was da wirklich gesagt wurde.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Vielen Dank dem Leser dieses Blogs 'wolfh', der auf die Rede aufmerksam gemacht hat.

Der Tenor der Rede ist:
  • Alles müsse nun grundlegend anders gemacht werden. Grundlegendes Abwenden vom Bisherigen. Insgesamt sieben Mal in der Rede wird wiederholt, das Bisherige taugt nicht mehr, auf keinem Fall mehr „weiter so“, bzw. es müsse nun bahnbrechend Neues getan werden. Die CDU sei nichts mehr von dem, was sie einmal war.
  • Ausdrücklich wird gesagt: Kein Anspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft
  • Der Nationalismus wird gepredigt. An insgesamt vier Stellen der Rede wird sich ausdrücklich auf die Nation bezogen.
  • Das deutsche Volk muss sich als Schicksalsgemeinschaft begreifen, wird zweimal gesagt. Das riecht meilenweit nach dem faschistoiden „Volksgemeinschaftsgedanken“.
  • Es wird einerseits gesagt, man brauche einen festen Kompass, andererseits, man stände über allen Ideologien, man sei weder rechts noch links. Auch eine Aussage, wie sie schon von Faschisten gemacht wurde.
  • Der Staat wird von jeder Verantwortung entbunden. Er sei vielmehr überfordert. Die Verantwortung müsse in den Schulen, Familien, Vereinen, Nachbarschaften und Freundeskreisen übernommen werden. Ausdrücklich wird aufgefordert, den jungen Leuten hinterherzuschnüffeln.
  • Nun müsse realistische Politik gemacht werden und in der Realität gebe es nichts politisch Korrektes. Man hört Rechtsaussen wie Henrik Broder sprechen.
  • Alle Besitzstände (wie Rentenansprüche, Gesundheitsversorgung und solche auf Arbeitslosenunterstützung) müssen (fast) vollständig abgeschafft werden. Wer so etwas will, soll bei Privatfirmen einzahlen.
  • Die Politik muss einheitlich sein, „wie aus einem Guss“. Ebenfalls ein beliebtes Thema bei Faschisten.
  • Alle kollektiven Lösungen sind abzulehnen, wie etwa die Verantwortung des Staates für das Ganze. Dagegen müsse auf den Einzelnen gesetzt werden, die Familie, den Betrieb (die sagenhafte „Betriebsgemeinschaft“), den Verein und die Gemeinde.
Ob wirklich allen CDU/CSU-Wählern bewusst ist, sie geben ihre Stimme einer Partei, die alles anders machen will als vorher? Das ist ziemlich genau das Gegenteil von konservativer Haltung. Damit dürfte der Wertkonservativismus, wie ihn Kohl noch repräsentierte, in der CDU/CSU endgültig zu "ferner liefen" geworden sein.

Hier im Einzelnen die entsprechenden Zitate aus der Rede von Frau Merkel:

Zunächst das Wichtigste, das den Ton angibt:

„Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“

Dann die einzelnen Punkte auf dem Weg zu einer Gesellschaft ohne Demokratie und soziale Marktwirtschaft:

„Wir sind nicht einer Ideologie verpflichtet.(...) Unsere Motivation heißt Deutschland. (...) [Die CDU ist] die Partei des Neubeginns in Deutschland. Die CDU war und ist nie eine Partei, die Angst hat. Wir haben keine Angst vor wegweisenden Entscheidungen. Vor bahnbrechenden Entwicklungen.“

„...steht unser Land wieder an einer entscheidenden Weggabelung. (...) ... brauchen wir eine veränderte gesellschaftspolitische Architektur, um die materiellen, die sozialen und die moralischen Werte unseres Landes zukunftsfähig zu machen. Ein „Weiter so“ geht nicht mehr.“

„Mut zur Auseinandersetzung, um eigene Überzeugungen auch gegen Widerstände zu behaupten und durchzusetzen. (...) Politik, die ... das Bekenntnis zu einem Kompass wagt. Ein Kompass, der die Wertegebundenheit unserer Politik verbürgt.“

„Unser Staat ist überfordert. Wir müssen ihn wieder befähigen, seinen Aufgaben ... nachkommen zu können. ... befreit ...vom Glauben an die Überlegenheit kollektiver Lösungen, (...) Wir setzen auf den Einzelnen, auf seine Familie, seine Gemeinde, seinen Verein, seinen Betrieb.“

„Ich weiß, heute werden unsere Reformkonzepte von nicht wenigen als zu weitreichend empfunden und kontrovers diskutiert. Aber ich bin überzeugt: Morgen werden sie die Grundlage für ein neues gemeinsames Verständnis sein. (...) Die CDU [passt] nicht in das gewohnte Schema. Sie [ist] weder rechts noch links.“

„...wir uns nicht mit zunehmenden Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft abfinden dürfen. Verdrängung hilft nicht. Auch Illusionen helfen nicht. Die Wirklichkeit ist nicht politisch korrekt. (...) Eine Million Kinder in Deutschland leben heute von der Sozialhilfe. Ihr Lebensunterhalt ist gesichert [???]. Aber ihre Lebenschancen drohen zu verderben. Viele dieser Kinder sind völlig sich selbst überlassen. Oft interessiert sich niemand dafür, ob und was sie lesen, was und wie viel sie fernsehen, wie sie lernen und ihre Freizeit verbringen. Diese Kinder steigen nicht aus freier Entscheidung aus, sie werden zurückgelassen."

"Ich nenne das fürsorgliche Vernachlässigung. Wir können das nicht hinnehmen.(...) ... ein Prinzip, das wir anwenden müssen, und das ist das Prinzip Verantwortung. Diese Verantwortung geht uns alle an. Sie ist eine gemeinsame Aufgabe der Politik, der Wirtschaft, der Schulen, der Vereine, der Familie, der Nachbarn, der Freunde. (...) ... wenn Kinder von vornherein auf der Schattenseite der Gesellschaft leben. ... wenn junge Leute den Einstieg in das Arbeitsleben nicht finden.“

„...die Spaltungen in unserer Gesellschaft heilen. Wir werden sie aber nur heilen können, wenn die Bürger unser Land als Schicksalsgemeinschaft - als eine Nation – begreifen.“

„Die geistigen Ressourcen von 1968 waren zu eng für die Zukunft unseres Landes. Die Utopien dieser Generation müssen der Realität Platz machen, wenn das Land eine gute Zukunft haben soll. Nun übernimmt die nächste Generation. Es ist Zeit für eine realistische Politik.“

„Wenn wir die Kraft haben, die Wahrheit der Illusion entgegen zu setzen, wenn wir die Kraft für eine realistische Politik haben, dann wird die Macht alter Besitzstände vor den neuen Wirklichkeiten unserer Generation keinen Bestand mehr haben.“

„Mir scheint, von uns wird mehr verlangt. Gleichsam eine Quadratur des Kreises, ein grundsätzlicher Wandel politischen Handelns.

Dabei geht es um eines: Weg vom Stückwerk. Hin zu einer Politik aus einem Guss. Wer A sagt, muss auch B sagen.“

„Zurzeit habe ich ... allerdings den Eindruck, dass manche unserer verehrten politischen Gegner [in der CDU] eine Partei bekämpfen, die es gar nicht [mehr] gibt. Aber seis drum.“

„[Die Zukunft wird uns daran messen, ob wir] an einer entscheidenden Weggabelung eine gestaltende Kraft geblieben sind oder nicht, ob wir den Herausforderungen der Zeit gerecht geworden sind oder nicht, ob wir die Weichen für einen Politikwechsel gestellt haben oder nicht.“

Und zum Abschluss für jeden, der es noch nicht verstanden hat:

„Ich sage heute: Wir werden es grundlegend anders machen, damit es grundlegend besser wird für Deutschland.“

Der hauptsächliche Grund, warum diese Rede damals nicht mehr Aufsehen hervorgerufen hat, dürfte sein, es wurden keine Details genannt, wie denn wirklich dieses Deutschland ohne Demokratie und soziale Marktwirtschaft aussehn würde. So blieb die Aussage, es gäbe keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft, fast völlig unbemerkt.

Heute aber, nach zwei Jahren „Grosse Koalition“, müssen wir einerseits sagen, bisher wurde jene vollständige Kehrtwendung noch nicht durcgesetzt, da ist wohl auch der Koalitionspartener noch hinderlich. Aber gleichzeitig haben wir jetzt eine klare Vorstellung, was gemeint war mit diesen Worten. Die diversen Ankündigungen und Forderungen von Schäuble zum Gang in den vollständigen Überwachungsstaat und zur Aufhebung von bürgerlichen Rechten machen deutlich, wohin es gehen soll, wenn nur endlich der unbequeme Koalitionspartner abgeschüttelt würde.

Verteidigungsminister Jung konnte ganz forsch erklären, er habe schon eine Gruppe von Piloten, die dem Befehl zum grundgesetzwidrigen Abschuss von Passierflugzeugen folgen würde. Damit hat er deutlich gemacht, er hat bereits Militärs, die auf ihn und nicht mehr aufs Grundgesetz eingeschworen sind, die – wenn Jung das für nötig hält – den Militärputsch durchführen würden.

Es ist auch höchstes Augemerk auf die Bemerkung zu legen, alle Besitzstände seien abzuschaffen.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, das ist die Ankündigung des Streichens aller Renten- und Arbeitslosen-Unterstützungs-Ansprüche wie auch der Gesundheitsversorgung über die Sozialversicherung (bis auf irgendwelche unbedeutenden Reste). Der eine oder andere mag dies als übertrieben ansehen, „das würden die nicht wagen“, aber es wird ja auch ausdrücklich gesagt, man erwartet Widerstände und sie würden gebrochen werden.

Ebenso ist in diesem Zusammenhang zu sehen, wie zunehmend jegliche grundsätzliche Opposition in Deutschland als „terroristisch“und „Terrorismus“ verunglimpft wird. Die Gleichsetzung der kämpferischen ausserparlamentarischen Opposition mit Terrorismus hat System.

Da solche radikalen Massnahmen sicherlich nicht ohne Widerstand bleiben würden, kann man damit im „grossen Krieg gegen den Terror“ die Unterdrückung und Ausschaltung der Dissidenten als „leider notwendig“ abhaken.

Stasi 2.0

Da muss man sich auch erinnern, Schäuble hat gegen „Terroristen“ bereits die Abschaffung der Unschuldsvermutung gefordert, er hat sich für vorbeugende Haft und vorbeugendes Erschiessen angeblicher Terroristen ausgesprochen.

In diesem Zusammenhang muss auch die in der CDU weit verbreitete Verehrung von Filbinger gesehen werden. Schäuble hat sich nicht umsonst im Rollstuhl auf den beschwerlichen Weg nach Freiburg gemacht, um seinem engen Freund die letzte Ehre zu erweisen. Die innige Verquickung von Teilen der CDU/CSU mit faschistischen oder faschistoiden Kräften ist früher schon aufgefallen.

Was als grundlegende Neuausrichtung genannt wurde, ist nichts anderes als der Weg in eine Diktatur oder jedenfalls ein extrem autoritäres System und in einen Überwachungsstaat, gegen den die Stasi-Republik eine lahme Vorstufe gewesen wäre.

Zieht man all dies in Rechnung, wird diese Aussage in Merkels 2005-Rede zu einem Fanal:

„Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“


Veröffentlicht am 19. Oktober 2007 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Hier ist der Link zu Merkels Rede (pdf-Dokument)

Donnerstag, 18. Oktober 2007

Der Süden beginnt sich zu organisieren

Der IBAS-Gipfel

Freihandelszone Indien, Südafrika und Mercosur vorgeschlagen

Von Karl Weiss


Auch wenn es schon oft Absichtserklärungen gab und die wirkliche Realisierung von Freihandelszonen meist an den verschiedensten Details scheitern, ruft doch die Erklärung des brasilianischen Präsidenten Lula beim IBAS-Treffen (Indien, Brasilien und Südafrika) in Südafrikas Hauptstadt Pretoria Aufmerksamkeit hervor. Er schlug eine Freihandelszone von Indien und Südafrika mit dem Mercosur vor, in dem die wichtigsten Länder Argentinien und Brasilien sind.

Dies würde die bevölkerungsreichste Freihandelszone auf der Erde schaffen. Die drei Länder haben bereits vor Jahren die IBAS-Gruppe geschaffen und hatten an diesem Mittwoch ihr zweites Gipfeltreffen. Lula verhandelte mit dem südafrikanischen Präsidenten Mbeki und dem indischen Premier Maonma Singh.

Die drei Länder sind bereits seit Jahren die Vertreter der 'Gruppe der 20', die alle wesentlichen Entwicklungsländer bzw. Schwellenländer umfasst, bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO, die im Moment mit der sogenannten Doha-Runde nicht vorwärtskommen, denn die Entwicklungsländer bestehen darauf, im Gegenzug zur völligen Öffnung ihrer Märkte für Industrieprodukte und Kapital der imperialistischen Großmächte eine Öffnung von deren Märkten für Agrarprodukte aus dem Süden zu erhalten.

Dagegen wehren sich die EU, die USA und Japan mit aller Kraft. Sie wollen ihr teures System der Agrarsubventionen aufrecht erhalten, das so gut wie alle Agrarprodukte der Entwicklungsländer vom Eingang in ihre Märkte blockiert und außerdem Konkurrenz zu den Produkten der Entwicklungsländer auf den internationalen Märkten macht.

In diesem Zusammenhang bemerkte Lula, der im Moment eine Rundreise durch eine Anzahl afrikanischer Länder macht, die reichen Länder müssten aufhören, die Entwicklungsländer als Bittsteller zu betrachten. Er sagte im Kongo, die aktuelle Weltordnung sei voll von Ungleichbehandlungen und offensichtlich nicht in der Lage, dringende Fragen der Entwicklung und der kollektiven Sicherheit zu lösen – mit einem deutlichen Seitenhieb auf die imperialen Kriege der Vereinigten Staaten.

In einem Artikel von Lula, der aus Anlass des Gipfels in der indischen Zeitung „The Hindu“ erschien, erklärt er, der nächste aktuelle Schritt sei eine verstärkte Zusammenarbeit der drei Schwellenländer aus Asien, Afrika und Südamerika.

Mit deutlicher Anspielung auf den G8-Gipfel, zu dessen Schluss noch einige Vertreter von Schwellenländern eingeladen waren, erklärte Lula: „Es hat wenig Wert, zur Nachspeise beim Bankett der Mächtigen eingeladen zu werden.“

Die USA haben in den letzten Monaten versucht, eine Gegen-Repräsentation gegen die IBAS-Gruppe als Gesprächspartner auf die Beine zu stellen, konnten aber nur Länder wie Guatemala und Costa Rica dafür gewinnen. Als einziges grösseres Land erklärte sich Mexiko mit seinem durch Wahlbetrug an die Macht gekommenen US-freundlichen Präsidenten bereit, den Pfad der Unterwerfung unter US-Interessen zu folgen.

In diese Richtung gehen folgende Anmerkungen Lulas: „Die ärmeren Länder sollten verstehen, dass die Attitüde der Unterwerfung nicht weiterhilft.“ „Entweder erheben wir unser Haupt und fordern eine gerechte Vereinbarung oder wir werden weitere 20 Jahre in einer handelspolitisch ungerechten Welt leben.“

Lula erwähnte die bereits stattfindende Zusammenarbeit von Indien und Brasilien in der Pharmazeutischen Industrie. Indien produziert eines der Medikamante des „AIDS-Cocktails“ (unter Bruch der zweifelhaften US-Patente) auch für Brasilien und im Gegenzug Brasilien ein anderes auch mit für Indien. Südafrika und andere afrikanische Länder wurden eingeladen, sich der Anti-Aids-Politik der Schwellenländer anzuschliessen.

Brasilien ist das Entwicklungsland mit der geringsten relativen AIDS-Todes-Rate und dem geringsten Zuwachs an Infektions-Fällen, weil man eine konsequente „Benutzt-Kondome“-Politik betreibt, Kondome kostenlos verteilt, die Prostituierten zu Schutzorganisationen zusammenschliesst und jedem Infizierten kostenlos den „Cocktail“ zur Verfügung stellt.

Als andere Ziele einer gemeinsamen pharmazeutischen Politik wurden Malaria und Tuberkulose genannt.

Eine andere wichtige Waffe der Länder des Südens, so Lula, sind die Bio-Kraftstoffe, die angesichts der Explosion der Ölpreise und dem ständig knapper werdenden Öl-Nachschub eine der grössten Einzel-Rechnungen für die meisten Entwicklungsländer und eine andauernde Abhängigkeit darstellen. Ein grosser Teil der Entwicklungsländer haben klimatische Konditionen zum Anbau von Zuckerrohr, aus dem Alkohol als Benzin-Ersatz hergestellt werden kann.

Brasilien als das Land mit jahrzentelanger Verwendung von Alkohol-Autos bietet seine Erfahrungen diesen Ländern an, um eine eigene Alkohol-Industrie aufzubauen. In modernen Produktionsanlagen, in denen die nicht verwertbaren Teile des Zuckerrohrs zur Energiegewinnung für den Prozess verwendet werden, kann Alkohol zu Preisen unterhalb von Benzin hergestellt werden und der Zuckerrohr-Bauer hat noch ein Auskommen.

Etwas ähnliches gilt auch für Bio-Diesel, das in Brasilien erfunden wurde. Während die deutsche Bundesregierung in einer wilden Geisterfahrt auf der Gegenfahrbahn der Tendenz zu den Bio-Kraftstoffen die Steuerbefreiung für Biodiesel aufgehoben und damit der deutschen Bio-Kraftstoff-Industrie den Garaus gemacht hat, will Brasilien bis 2020 das Diesel, das in grossen Teilen importiert werden muss, vollständig durch Bio-Diesel aus nachwachsenden Rohstoffen ersetzen.

Lula wies stolz darauf hin, dass Brasilien die USA wegen ihrer Subsidien der Baumwolle bei der Welthandelsorganisation verklagt hat. Die Vereinigten Staaten mussten daraufhin die Subventionen verringern, was nicht nur Brasilien, sondern auch vielen anderen Entwicklungsländern zugute kommt.

Beim Treffen in Pretoria kam, wie zu erwarten, auch die Sprache auf Fussball, denn in Südafrika und danach wahrscheinlich Brasilien, zwei fußballverrückten Ländern, werden die beiden nächsten Fussballweltmeisterschaften stattfinden. Außerdem hat Südafrika gerade den brasilianischen Trainer Parreira für seine Nationalmannschaft engagiert, der bei der Weltmeisterschaft in Deutschland das brasilianische Team führte.

Mbeki meinte, falls man verliert, werde man dem Trainer die Schuld geben und Lula gab zurück, es sei normal, gegen Brasilien im Finale zu verlieren.

Am Abend reiste Lula nach Angola weiter, einem anderen grossen Land portugiesischer Sprache.

Ob aus der vorgeschlagenen Freihandelszone je etwas wird, steht in den Sternen.

Es ist deutlich, warum Lula versucht, den südamerikanischen Freihandelsmarkt Mercosur über den Kontinent auszuweiten, denn er ist mit seiner 'gemässigten' Politik hier nicht mehr der Held. Diese Rolle fällt nun vielmehr Chavez und Morales zu. Für Lula, der versucht, Brasilien zu einer regionalen Oberherrschaft zu führen, kann darum der Ausweg nur lauten, über die Grenzen des Kontinents hinauszusehen.

Die Schwierigkeiten, die EU und USA haben, die Entwicklungsländer um sich zu scharen, wie sie das früher problemlos konnten, haben sicherlich sehr viel mit den Überfällen auf arme Entwicklungsländer wie Afghanistan und Irak durch Großmächte wie die USA oder Vereinigungen wie die NATO zu tun, wo im Moment zwei der bluttriefendsten Gewaltherrschaften der Menschheitsgeschichte ihre tödlichen Seiten von Geschichtsbüchern schreiben – ganz zu schweigen vom drohenden Angriff auf den Iran.

Irak-Krieg US-Aggression

Ob sich die NATO mit ihrem Überfall auf Afghanistan und die USA mit der Koalition der Willigen auf den Irak wirklich der Folgen bewusst waren, die diese imperialen Kriege für die politische Sicht in armen Länder und deren fast immer extrem „gemässigten“ Regierenden haben?

Irak: Weinendes blutbeflecktes Kind, dessen Vater und Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Heute ist es bereits schwierig, noch Regierende von Entwicklungsländern zu finden, die weiterhin alles, was aus Washington kommt, bedenkenlos anbeten, während andererseits die Sympathien für die Aufbegehrenden, wie Kuba, Venezuela, den Iran, Equador oder Bolivien immer mehr zunehmen.

Afghanistan: US-Armee zerstört Filmkamera

Ob das wirklich das war, was man erreichen wollte? Die Faszination Amerika, die über Jahrzehnte einen ungebrochenen Glanz hatte, auch zu Zeiten des Vietnam-Krieges, ist am Verblassen. Aber sie war neben der wirtschaftlichen Macht und der militärischen Stärke einer der Pfeiler der Weltmacht USA.

Auch der andere Pfeiler „militärische Unbesiegbarkeit“ ist nicht mehr sehr überzeugend, nachdem das Abenteuer im Irak selbst nach Eingeständnis der US-Generäle, die dort gedient haben, nur noch als Desaster angesehen wird.

Schliesslich ist auch der dritte Pfeiler, die absolute Oberherrschaft durch die wirtschaftliche Stärke der US-Ökonomie, nicht mehr zweifelsfrei – im Gegenteil, man spricht schon offen davon, die USA würden in eine Krise schlittern und man müsse sich von ihnen abkoppeln.


Veröffentlicht am 18. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 15. Oktober 2007

'Gegen Demokraten helfen nur Granaten'

Gezielte Förderung der Faschisten in Deutschland

Von Karl Weiss

Ein Interview von Peter Kleinert mit dem evangelischen Schulpfarrer Dr. Stoodt, dieser Tage veröffentlicht in Kleinerts `Neue Rheinischen Zeitung`, legt den Finger in eine offene deutsche Wunde: Die systematische Förderung sowie das gleichzeitige Herunterspielen der faschistischen Gefahr in Deutschland durch angeblich christliche Politiker und durch die Massenmedien.

Das Interview fand bisher nur wenig Resonanz, zumal die NRhZ mit ihrem „Flyer“ im Internet außerhalb des Kölner Bereichs noch wenig bekannt ist.

In den Jahren 2000 bis 2006 gab es in Deutschland insgesamt 1343 Fälle rechtsextremer Gewalttaten, von Anschlägen über Morde zu schweren Körperverletzungen mit Dauerfolgen und Körperverletzungen. Dazu kommen Tausende von Fällen, in denen die Täter nicht oder nicht eindeutig als Rechtsaussen identifiziert wurden, was dann nicht als 'rechtsextreme Gewalt' registriert wird. Dabei wurden in insgesamt 1640 Fälle Waffen gefunden, die eindeutig sogenannten Neonazis zuzuordnen waren, auch dies nur die Spitze des Eisbergs.

Seit 1989 sind 136 Menschen in Deutschland dem Terror von Faschisten, hier meist ‚Nazis’ genannt, zum Opfer gefallen. Diese Zahl wird von den deutschen bürgerlichen Medien verheimlicht und so getan, als sei die RAF z.B., die niemals auch nur nahe solchen Zahlen kam, eine Gefährdung des ganzen Staates gewesen, während die meist `Neonazis` genannten Gruppen behandelt werden, als seinen es ein paar unbedeutende Spinner.

Schiesstraining von Faschisten in Aargau, Schweiz
Schiessstand in Aargau, 10.8.2007, links am Boden Völkel, als Ausbilder: Wagner

Im August dieses Jahres wurden durch Zufall zwei bundesweit bekannte Faschisten in der Schweiz bei Schiessübungen gefilmt – mit Sturmgewehren! Faschisten sind nicht nur für praktisch alle politisch motivierten Gewalttaten in der Bundesrepublik verantwortlich, sie bereiten sich auch bereits auf die gewaltsame Machtübernahme vor. Sie kündigen dies bei ihren Aufmärschen ungestraft an.

Trotzdem wird uns von der Politik, den Sicherheitsbehörden und den bürgerlichen Medien vorgegaukelt, die Gefahr ginge von dubiosen islamistischen Grüppchen aus. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.

Es handelte sich auf dem Schiessstand in der Schweiz um die bekannten Faschisten Übelacker und Völkel aus dem unmittelbaren Umfeld des hessichen NPD-Vorsitzenden Wöll. Der Präsident des Hessischen ‚Verfassungsschutzes’ dagen erklärte entgegen aller Offensichtlichkeit, die NPD würde für ihre „Meinung“ werben und nicht auf bewaffnete Aktionen setzen.

Er muss es besser wissen, denn der ‚Verfassungsschutz’ und die NPD sind, bestätigt von Bundesverfassungsgericht, nicht klar auseinanderzuhalten. Damit wird deutlich, der ‚Verfassungsschutz’ versucht in der Öffentlichkeit die rechte Gewalt zu negieren und damit die Putschpläne zu fördern.

Ein anderer Teil der Förderung der Faschisten ist die - vorsichtig ausgedrückt – eigenwillige Auslegung des Paragraphen 139 des Grundgesetzes, in dem völlig eindeutig jegliche faschistischen Nachfolgeorganisationen für illegal erklärt sind. Die NPD und die diversen „Wehrsportgruppen“ brauchen also gar nicht verboten zu werden, sie sind bereits illegal und müssen lediglich verfolgt werden. Das wird nicht getan, man sagt entgegen der Rechtslage, die NPD sei eine legale Partei und deren Aufmärsche müssten daher von der Polizei geschützt werden.

Wohin das führt, wurde im Juli in Frankfurt bei einem Aufmarsch des rechten Mob deutlich. Im Vorfeld erklärte der Frankfurter Polizeipräsident, man sei nicht um die NPD besorgt, die habe man „im Griff“, Sorgen würden die linken Gegendemonstranten bereiten. Und so wurde auf der Demonstration gehandelt.

Die Faschisten wurden von einem absurd riesigen Aufgebot von Polizisten vor den Gegendemonstranten geschützt, sie durften sämtliche Auflagen übertreten, offen Straftaten begehen unter den Augen der Polizei, doch gemäss der These des Polizeipräsidenten hatte die Polizei keine Problem damit.

Man höre, welche Sprechchöre die hessische NPD auf diesem Marsch skandierte, die von der Polizeiführung mit Achselzucken quittiert wurden:
  • „Linkes Gezeter – neun Millimeter“
  • „Schlagt den Linken die Schädeldecke ein“
  • „Gegen Demokraten helfen nur Granaten“
Der Demonstrationsanmelder, Marcel Wöll, NPD-Landesvorsitzender und zugleich zentrale Figur der „Freien Nationalisten Rhein-Main“ wurde von einem der verschwindend wenigen Zuschauer seiner Kundgebung mit eingeweichten Keksen beworfen. Seine Reaktion darauf bestand darin, dass er brüllte: „Kameraden, wenn wir eines Tages in Deutschland aufräumen, werden wir dabei keinen Zwieback in der Hand haben, das kann ich Euch versprechen!“

Stoodt kommentiert dies im Interview, das seinen wohl eher eben jene Sturmgewehre, mit denen jetzt geübt wird.

Pfarrer Dr. Stoodt
Der Frankfurter Studentenpfarrer und Antifaschist Dr. Stoodt

Die Polizei dagegen kümmerte sich ausschliesslich darum, linke Gegendemonstranten abzudrängen. Zitat aus dem Interview:

„Nun – wir haben ja gesehen, wie 8.000 PolizistInnen die knapp 600 Nazis im Griff hatten: Auflagenverstöße, Verstöße gegen das Strafrecht, Hasspropaganda, Verherrlichung des NS-Regimes und vor allem: ein offener Antisemitismus, wie ich ihn in den letzten 30 Jahren in Frankfurt nie erlebt habe – das alles wurde geduldet, obwohl Demo-BeobachterInnen und JournalistInnen aktiv darauf hinwiesen, dass gerade gegen Auflagen oder sogar das Strafrecht verstoßen wurde. Polizeiliches Achselzucken war die Folge. Uns liegt eine schriftliche Zeugenaussage von einem Fotojournalisten vor, aus der hervorgeht, dass nach Auskunft eines vor Ort anwesenden Polizeirats die Polizeieinsatzleitung im expliziten Auftrag der Staatsanwaltschaft so gehandelt hat, was selbst bei eingesetzten Polizeibeamten aus NRW zu Kopfschütteln führte. Das ist beweisbar und belegt.“

Es geht also nicht nur um Verharmlosung, es geht um offene Förderung!

Der interviewte Pfarrer drückt das so aus: „Das politische Feindbild der hessischen Exekutive ist völlig klar. Sie hat am 7. Juli ihre demokratische Ehre verloren.“ Das betrifft eben nicht nur den Frankfurter Polizeipräsidenten und die Staatsanwaltschaft, sondern auch den hessischen Ministerpräsidenten und den zuständigen Innenminister.

Übelacker und Wöll bei Faschisten-Aufmarsch
Übelacker (schwarzes Kleid), der NPD Bundes-Vorstand Schwerdt (lila Hemd) und der hessiche NPD-Vorsitzende Wöll (braunes Hemd , wie treffend) bei einem NPD-Aufmarsch in Jena im August 2006

Nicht zufällig beschäftigt die Stadt Frankfurt auch eben genau jene Faschistin Übelacker, die bei den Schiessübungen erwischt wurde. Die Frau arbeitet bei bei Mainova, dem Frankfurter Energieversorger mit städtischer Beteiligung.

Charakteristisch auch: Obwohl ‚Verfassungsschutz’ und NPD bis zur Unkenntlichkeit miteinander verwoben sind, wussten die ‚Verfassungsschützer’ nichts von den Schiessübungen in der Schweiz oder taten jedenfalls so. Dabei hatten sie behauptet, die Franktfurter Gruppe „Freie Nationalisten Rhein-Main“, die inzwischen weitgehend in der NPD aufgegangen ist, werde mit „höchster Aufmerksamkeit“ beobachtet.

In Wirklichkeit tat man überrascht, als in der Schweiz die Bilder von der Schiessübung veröffentlicht wurden und nicht nur der Schweizer Nationalratskandidat Roland Wagner, sondern auch die beiden deutschen Jung-Faschisten von der NPD idetifiziert wurden. Hierauf aufmerksam gemacht, erklärte der ‚Verfassungsschutz’ wiederum mit den gleichen Worten, man werde das mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.

Völckel und Übelacker bei Faschisten-Aufmarsch in Wiesbaden
Die beiden Schiesswütigen bei einem Faschistenaufmarsch im Frühjahr in Wiesbaden; Völkel in Bildmitte mit Tarnjacke, Übelacker links davon mit brauner Jacke

Statt die Haltung zu ändern und endlich aus der passiven Beobachterrolle und Verneinung jeder Gefährlichkeit der NPD herauszutreten, „business as usual“. Wahrscheinlich wird man auch den Putschversuch der Rechtsaussen, der bereits angekündigt wurde (‚wenn wir in Deutschland einmal aufräumen“) mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.

Genauso charakteristisch auch die Reaktion der bürgerlichen Medien. Ausser in Frankfurt selbst wude all dies totgeschwiegen. Die Frankfurter Rundschau brachte nur eine kurze Meldung ohne Namensnennungen. In der ‚Hessenschau’ interviewte man den Präsidenten des hessichen Verfassungsschutzes dazu, wobei er die oben genannten Beschwichtigungen von sich gab, ohne dass nachgehakt wurde.

Dabei ist in hessen die gezielte Förderung von Faschisten keine Ausnahmefall. Von den vier Leibwächtern von Friedmann, so hat sich herausgestellt, waren drei Faschisten. Einer von ihnen wurde, als der Skandal aufflog, in diejenige LKA-Abteilung versetzt, in der untergetauchte NS-Verbrecher „gesucht“ werden. Es sind also keine „Fehler“, die da passieren, sondern es ist Politik.

Da kann man nur mit Shakespeare sagen: „May it be madness, there is method in it!”


Hier ist der Link zum ganzen Interview


Veröffentlicht am 15. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 9. Oktober 2007

Auf zum letzten Gefecht!

Die Protagonisten mit Weitblick bekommen schon Angstschauer

Von Karl Weiss

Heribert Prantl, der Leiter der Redaktion Innenpolitik der „Süddeutschen“ hat sich schon verschiedentlich als weitblickender Journalist bewiesen. Wenn er einen Kommentar schreibt, wird er in der Sozialdemokratie meist mit Aufmerksamkeit gelesen.

Er hat nun am 5. Oktober in einem Kommentar so etwas wie das Ende der Demokratie vorausgesehen, wenn die Enteignung der Steuer- und Sozialabgabenzahler so weitergeht. Er sieht die Möglichkeit, die Mehrheit des Volkes könnte sich erheben gegen die steigenden Zumutungen und kleidet das in die Worte: „Es geht darum, die Demokratie zu sichern.“

Er darf natürlich nicht die Wahrheit schreiben: „Es geht darum, den Kapitalismus zu sichern.“, sonst wäre er seinen Job schnell los. So verwendet er denn den Begriff Demokratie, der eigentlich etwas ganz anderes meint, genauso wie Präsident Bush als Synonym für Kapitalismus.

So gesehen ist sogar Pakistan ein demokratisches Land, wie jetzt behauptet wird, wenn dort Wahlen stattfinden. Die kleine Nebensächlichkeit, dass eine Militärdiktatur herrscht und auf den Straßen ist, der Diktator gleichzeitig Chef der Armee und Hauptkandidat ist und Gegenkandidaten deportieren ließ, spielt da keine Rolle. Er sichert die „Demokratie“.

Was Prantl im wesentlichen sagt, ist einfach: Wenn es so weitergeht, wird die SPD bald zu einer Splitterpartei verkommen sein. Darum muss einiges ein klein wenig zurückgenommen werden an der Agenda 2010. Im wesentlichen will er drei Dinge: Die von Beck bereits vorgeschlagene Verlängerung des Arbeitslosengelds I, die von Müntefering befürwortete Einführung eines Mindestlohns und eine Mindestabsicherung im Alter. Ebenso deutet er an, man müsse den Freibetrag für Erspartes im Hartz IV erhöhen. Das sei, so unkt er, das Gefecht um das Überleben der Sozialdemokratie und nennt denn auch seinen Kommentar „Das letzte Gefecht der SPD“.

Der Begriff „das letzte Gefecht“ stammt aber aus der ‚Internationalen’, wo geschmettert wird „Völker hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!“, dem Lied des Sozialismus-Kommunismus. Nicht von ungefähr kam ihm diese Assoziation, denn das ist es genau, wovor er vor Angst bibbert, was ihm die kalten Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt: Die Arbeiter zusammen mit den anderen Teilen des Volkes lassen sich nicht mehr alles gefallen, proben den Aufstand und führen ihn dann auch durch. Das will er verhindern, wenn er sagt, die „Demokratie“ müsse gerettet werden.

Er hat nämlich, so wie andere Weitblickende auch schon, die deutliche Linkstendenz im deutschen Volk gemerkt, die zeitgleich mit einer Rechtstendenz der Politikerkaste und der Wirtschafts- und Finanzbosse abläuft. Er hat die Umfragen gelesen, wo fast 50% der Befragten bundesweit erklärten, sie fänden die Idee des Sozialismus gut, sie sei in der DDR nur nicht verwirklicht worden.

Er bemerkt, die Menschen lassen sich nicht mehr so leicht gegen Streiks aufhetzen, wie es seine Zeitung unter seiner Verantwortung gerade gegenüber dem Streik der Zugführer versucht hat. Ein wenig oberhalb seines Kommentars kann mal lesen: Der Streik wurde weithin mit Verständnis aufgenommen.

Er hat registriert, dass es nicht gelungen ist, die Montagsdemonstrationen abzuwürgen. Er weiss, sie können jederzeit wieder zum Sammelbecken der Empörten werden, wenn eine der nächsten Brutalitäten fällig ist.

Er ist sich vermutlich bewusst, wie die MLPD, gerade 25 geworden, an Rückhalt gewinnt und bereits Streiks ausgelöst und beeinflusst hat. Er ist sich deren Mitgliederwachstum bewusst und dass sie eben dabei ist, die relative Isolation, in der sie sich befand, zu durchbrechen.

Er spürt wohl, die alten Mittel des Antikommunismus, zu schreien „Stalinismus! Stalinismus!“ und „Bolschewiken, Bolschewiken!“ wirken nicht mehr wie früher.

Denn alles Ideelle, so lehrte Marx schon im vorletzten Jahrhundert, hat eine materielle Basis. Die materielle Basis des Reformismus (gleichlautend mit SPD und Rechte Gewerkschaftsführung) ist auf Dauer ausgehöhlt, nur noch Hülse fast ohne Inhalt. Da bricht auch der Überbau zusammen, der sich in der Vergangenheit auf der materiellen Grundlage von Lohnsteigerungen, Altersabsicherung, Arbeitlosen-Vergütung und sozialen Rechten erhob.

Man höre, wie er das auszudrücken beliebt: „Soziale Rechte sollen den Zusammenhalt der Gesellschaft wahren. Wenn das nicht mehr Agenda der Politik ist, dann verwahrlost zuerst die Sozialdemokratie und dann die Gesellschaft.“

Nun, wenn das Verwahrlosung ist, dann kann man nur sagen: „Wacht auf, Verdammte dieser Erde! Verwahrlost Euch!“


Veröffentlicht am 9. Oktober 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

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