Montag, 4. August 2008

Brasilien jenseits von Fussball und Samba, Teil 6: Die Landschaften Brasiliens - Der Amazonas-Regenwald

Teil 6: Die Landschaften Brasiliens: Der Amazonas-Regenwald

Von Elmar Getto

Es irrt, wer sich ganz Brasilien als einen Dschungel vorstellt, den Dschungel Amazoniens und den Dschungel der Großstädte. Zwar ist die Regenwald-Landschaft des Amazonasgebietes wirklich das größte zusammenhängende Urwaldgebiet der Erde und nimmt mehr als 50% der Fläche Brasiliens ein und die Großstädte wie São Paulo und Rio de Janeiro sind wirklich städtischer Dschungel, aber Brasilien hat noch 8 weitere Landschaftstypen zu bieten: Mata dos Cocais, Cerrado, Caatinga, Floresta tropical, Pantanal, Mata das Araucárias, Campos Gerais und Mangues litoráneos.

Regenwald

Aber langsam, fangen wir am Anfang an. Brasilien ist ein Land von kontinentalen Ausmaßen, mit der fünftgrößten Flächenausdehnung (etwa 8,5 Millionen Quadratkilometer) nach Rußland, Kanada, China und den Vereinigten Staaten, deutlich größer als Australien und Indien. Es ist das größte Land der Südhalbkugel, auch wenn man nur den Teil südlich des Äquators zählt. Es ist das einzige Land der Erde, durch das sich sowohl der Äquator als auch einer der Wendekreise zieht (in diesem Fall der Wendekreis des Steinbocks).

Das Amazonasgebiet im weiteren Sinne in Brasilien nimmt etwa 5,5 Millionen Quadratkilometer ein, also deutlich mehr als die Hälfte der brasilianischen Gesamtfläche, davon sind etwa 60% (3,3 Millionen Quadratkilometer) – noch – mit Regenwald bedeckt. Dabei handelt es sich bei diesen Regenwäldern aber keineswegs um eine einheitliche Landschaft.

Brasilien (topographisch)

Der überwiegende Teil der dortigen Regenwälder sind Überschwemmungs-Regenwälder, d.h. sie stehen einen Teil des Jahres (in der Hochwassersaison – das ist meist um den August herum) unter Wasser. Dieser Typ des Regenwaldes ist weitgehend ohne Unterholz, also kein „Dschungel“, weil ja hier auf dem Boden nur Pflanzen überleben können, die es schaffen, innerhalb eines Jahres (oder mit etwas Glück innerhalb von zwei Jahren) so hoch zu wachsen , daß sie bereits eine monatelange Überschwemmungsperiode überstehen. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Bäume. Der Besucher einer der Urwald-Lodges im Bereich der Großstadt Manaus kann also bequem im Regenwald spazieren gehen und Ausschau nach Äffchen oder nach den beliebten eßtellergroßen Spinnen (Vogelspinnen) halten.

Die sind völlig harmlos und giftfrei, können allerdings beißen. Der Führer läßt schon einmal eine auf seinem Arm laufen. Neben diesen kurzweiligen Urwaldspaziergängen bietet man dort auch das morgendliche Piranhas-Fischen an – als Köder verwendet man erstklassiges Rindfleisch. Zum Mittagessen werden dann die gefangenen Piranhas gegrillt (War das nicht umgekehrt, daß die Piranhas uns fressen? Verkehrte Welt! Außerdem hätte das Rindfleisch besser geschmeckt, bevor es durch den Magen der Piranhas ging).

Abends fährt man mit einem Boot Krokodile fangen. Genau gesagt sind es Kaimane (Jacaré) und es ist der Führer, der sie packt. Das ist nicht ganz so schwer und gefährlich, wie man es sich vorstellt, denn die verharren ganz still, geblendet von den hellen Taschenlampen – aber wehe, wenn sie einen Moment aus dem Lichtkegel kommen. Zu finden sind sie auch leicht, denn ihr Augen reflektieren den Lampenschein. Der Führer greift sich natürlich nicht gerade die 2 oder 3 Meter langen Exemplare, sondern die von 1 m oder kleiner. Er bringt sie ins Boot und dann gibt es Photo—Session.

Die männlichen Touristen dürfen ihre Furchtlosigkeit beweisen, reihum das Untier halten und sich photographieren lassen. Blitzlicht nicht vergessen! „Eine Hand am Kopfansatz, eine am Schwanzansatz, vom Körper weghalten und nicht loslassen, auf keinen Fall loslassen!“ Danach setzt man das verstörte Wesen wieder in sein Habitat.

Am nächsten Tag ist dann schon wieder Furchtlosigkeit angesagt. Es wird gefragt, ob man sich nicht mit einem Bad im Fluß erfrischen will. Da man aber noch den Fischreichtum (Piranhas) und Kaiman-Reichtum der Gewässer im Gedächtnis hat, ist man eher zögerlich. Erst wenn man dann ein paar kleine Indio-Mädchen sich dort im Wasser vergnügen sieht und der Führer versichert hat, daß nach seinem Wissen noch keinem Touristen etwas zugestoßen sei, gehen die Mutigsten ins Wasser. Das Wasser ist so trüb, angereichert mit winzigsten Schwebstoffen, die nichts anderes als Teile des Regenwaldes sind, schon in Zersetzung begriffen, daß es bereits in 1 Meter Wassertiefe zappenduster ist, wenn man taucht.

Die nächste Lektion im Überwinden von Urängsten kommt etwas später, wenn man eine Boa constrictor von 5 Metern Länge streicheln darf. Diesmal ist Halten nicht angesagt. Der Führer meint, die könne sich schon einmal blitzschnell um den Körper schlingen und dann gehe einem schnell die Luft aus. Man brauche dann vier starke Männer, um das Leben des Menschen zu retten. Übrigens, Schlangen sind überhaupt nicht schleimig, sondern ganz trocken.

Die Ausflüge per Boot gehen zu einem berühmten See mit zig Victoria Regias (das sind die Seerosen mit den riesigen schwimmenden Blättern, auf die man ein Kleinkind setzen kann, was mit herumgereichten Photos bewiesen wird – das Kleinkind sollte allerdings still sitzenbleiben) und zum Zusammenfluß des Rio Solimões mit dem Rio Negro in der Nähe von Manaus, wo sie den Amazonas im engeren Sinne bilden, hier schon Kilometer breit. Noch ein gutes Stück kann man die beiden Farben der Flüsse im gemeinsamen Bett verfolgen – das hellbeige, trübe Wasser des Solimões rechts und das fast klare, dunkelbraune des Negro links. Dort trifft man mit etwas Glück einige der rosa Süßwasserdelphine, die es nur hier gibt und die sich – wie Meeresdelphine – einen Spaß daraus machen, mit den Booten zu schwimmen.

An höher gelegenen Stellen wächst aber auch Unterholz und bildet den berühmten undurchdringlichen Dschungel. Es gibt auch Bereiche im Amazonasgebiet, die keineswegs dicht bewaldet sind, wie z.B. die Gebirgs-Region an der Grenze zu Venezuela, wo sich auch Brasiliens höchster Berg, der Pico de Neblina findet, genauso hoch wie die Zugspitze. Es gibt auch tiefer liegende Regionen, die fast das ganze Jahr unter Wasser stehen und wieder eine andere Art von Regenwald beherbergen.

Amazonas

Andere Bereiche des Amazonasgebietes sind ebenfalls nicht mehr bewaldet, besonders im Süden und Westen des Gebietes. Das hat aber keine natürlichen Ursachen, sondern hier wird abgeholzt und abgebrannt. Die Vernichtung von Regenwald im Amazonasgebiet hat sich in den letzten Jahren noch weiter beschleunigt.

Alle noch auf der ECO Rio im Jahre 1992 vollmundig angekündigten Fortschritte sind nicht eingehalten worden. Das euphorisch als „Rettung des Regenwaldes“ angekündigte System SIVAM (die vollständige Überwachung des Amazonasbeckens auf der Basis von Radarstationen und Satelliten) ist Wirklichkeit geworden, wird aber zu allem Möglichen genutzt, nur nicht zur Verhinderung der Regenwaldvernichtung und zur Verfolgung der Täter. Auf SIVAM wird u.a. noch in einer der nächsten Folgen der Brasilien-Serie "Jenseits von Fussball und Samba" eingegangen.

Geht das Abholzen und Abbrennen im beschleunigten Rhytmus der letzten Jahre weiter (und man muß eher befürchten, daß sich der Rhytmus noch steigert), wird der Regenwald im Amazonasgebiet binnen dreißig bis vierzig Jahren auf eine Anzahl unzusammenhängender Wälder reduziert sein, deren (positiver) Einfluß auf das Klima gering sein wird.

Die jetzige Klimagenesung durch die Urwälder des Amazonasbeckens wird von allen Wissenschaftlern als ausschlaggebend für das gesamte Klimageschehen im Bereich des atlantischen Ozeans und der Karibik und darüber hinaus angesehen. Der Regenwald verdunstet riesige Mengen Wasser pro Tag und nimmt die dafür benötigte hohe Energiemenge aus dem Wetterablauf heraus. Der Einfluß, den das Ausbleiben oder wesentliche Verringern dieses Effekts auf das Klima der Region und darüber hinaus haben würde, ist im Einzelnen umstritten unter den Forschern, aber alle sind sich einig, daß diese Auswirkungen katastrophal sein würden.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Die Szenarien schließen unter anderem folgendes ein:

- Vervielfachung der Zahl der schweren und superschweren Hurrikans, die sich auf die Karibik, Mittelamerika, Mexiko und die Vereinigten Staaten zu bewegen würden

- Extreme Intensivierung und Perpetuierung des Effektes „El Ninho“, was eine dramatische Erhöhung der Umwetter an den Pazifikküsten des amerikanischen Kontinents hervorrufen würde.

- Beeinflussen oder sogar Umlenken des beständigen Südostwindes, der vom Südatlantik in die Karibik bläst und damit Wasser in den Golf von Mexiko drückt, was den Golfstrom, die stärkste Meereströmung auf der Erde, auslöst. Ein Ausbleiben des Golfstromes würde wesentliche Teile Europas in sibirische Kälte stürzen und nach heutigen Begriffen unbewohnbar machen.

- Ausdehnung der Hurrikan-Vorkommen auf den Südatlantk. Diese würden dann die Küsten Brasiliens, Uruguays und Argentiniens heimsuchen.

- Ausbreiten von Steppen und Wüsten in Südamerika

Ebenso hätte eine wesentliche Verringerung der Regenwälder im Amazonasbecken Auswirkungen im Sinne einer Beschleunigung der Erderwärmung, weil die Bäume ja Kohlenstoff speichern, das als Kohlendioxid, dem Treibhausgas, freigesetzt würde. Eine weitere Erderwärmung würde die oben genannten Klimaveränderungen, also vor allem das häufigere Auftreten und die Intensivierung katastrophaler Stürme und Unwetter, noch beschleunigen.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Wer die jetzt noch vorhandenen majestätische Grösse des Regenwaldgebietes am Amazonas einmal ‚erleben’ will und aus irgendwelchen Gründen vorhat, nach Brasilien oder Argentinien zu fliegen, der sollte einmal statt des direkten Fluges einen über Miami oder Orlando nehmen und dann einen Tagflug von Miami/Orlando nach São Paulo/Rio de Janeiro. Diese Strecke ist von vielen Luftfahrtgesellschaften intensiv beflogen mit insgesamt 12 täglichen Flügen, davon mindestens ein Tagflug und einer Anzahl von Flügen, die alle zwei Tage oder wöchentlich gehen.

Auf diesem Flug, man fliegt in südöstlicher Richtung – Südamerika liegt ja deutlich weiter östlich als Nordamerika - erreicht man den südamerikanischen Kontinent etwa auf der Höhe von Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. Kurz danach fliegt man über das Orinokobecken, wo ebenfalls in riesigem Umfang Regenwald zerstört wird. Nach der darauffolgenden Bergkette ist man bereits über (fast) unberührtem Regenwald, der zum Amazonasbecken gehört und nun hat man 4 und einhalb Stunden Flug über Regenwald vor sich. Erst wenn man 4 einhalb Stunden später den Fluß Araguaia mit der Grenze der brasilianischen Bundestaaten Mato Grosso und Goiás überfliegt, weicht der Regenwald anderen Landschaften, weil man hier ins Gebiet der zentralen brasilianischen Hochebene kommt.

Zählt man den Orinoko mit, ist man sogar 5 Stunden über Regenwald geflogen (Fünf Stunden, das ist etwa die Zeit eines Fluges von der äußersten südwestlichen Ecke Portugals zum hohen Norden des Ural, also diagonal durch ganz Europa). Von oben wird einem klar, warum manche dies die „Grüne Hölle“ genannt haben. Man sieht nur grün und gewundene Flußläufe dazwischen, kein Haus, kein Dorf, kein Nichts – und das für 5 Stunden Flug! Würde man genau aufpassen und z.B. den Moment abpassen, wann man über den eigentlichen Amazonasstrom fliegt, könnte man schon Ansiedlungen erkennen, aber wer kann schon 4 einhalb bis 5 Stunden intensiv beobachten.

Dieses beeindruckende Erlebnis könnte einen fast zur Annahme bringen, eine so gewaltige Masse Wald könne man nicht so schnell niederbringen, aber das ist ein Irrtum. So massiv er hier auch auftritt, der Regenwald ist ein extrem empfindliches Gebilde.

Der Hauptgrund ist, daß die Humusschicht extrem dünn ist. Während ein Wald in den „gemäßigten Zonen“ der Erde, wie in Deutschland, eine meterdicke Humusschicht erzeugt (das ist vor allem verrottendes organisches Material), hat ein tropischer Regenwald lediglich eine Humusschicht von mehr oder weniger 10 Zentimetern.

Die Ursache ist, alles verrottet hier bedeutend schneller. Die höheren Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit führen alles, was von den Pflanzen herunterfällt (über die Aktion von Mikrolebewesen) innerhalb kürzester Zeit in Feinhumus über, der dann sofort wieder anderen Pflanzen als Nahrungsquelle dienen kann und dient. Im deutschen Wald dagegen kann man das ganze Jahr über die Blätter vom vergangenen Herbst liegen sehen. Im Frühling kann man an vielen Stellen noch deutlich die zwei Schichten der Blätter vom Vorjahr und vom Jahr davor unterscheiden und die vor eineinhalb Jahren abgefallenen Blätter als Einzelstücke identifizieren. D.h. das Verhältnis zwischen lebender organischer Masse und toter organischer Masse ist im tropischen Regenwald fast ganz auf der Seite „lebend“, im deutschen Wald weitgehend auf der Seite „tot“.

Sind unter den zehn Zentimetern nur Sand oder Felsen, müssen sich die Bäume zur Seite hin abstützen, also ein Wurzelwerk fast ausschliesslich nach den Seiten entwickeln (einige der Bäume können auch Wurzeln in Sand bohren, die dann zum Abstützen dienen, aber dazu braucht man eben Sandboden). Viele der wirklich hohen Urwaldriesen bilden einen sternförmigen Stamm aus, der ihnen eine bessere Abstützung ermöglicht. Andere lassen Wurzeln auch aus den Ästen nach unten wachsen, um damit zusätzliche Stützen zu haben. Trotzdem, sie sind bei weitem nicht so standfest wie ein Baum mit Pfahlwurzel in Deutschland, der sich zehn oder zwanzig Meter in den Boden bohrt.

Öffnet man im Regenwald eine Schneise, wird der Wind viele der umliegenden Bäume fällen. Zwar kann der Regenwald in einem jahrelangen Prozess solche Schneisen zuerst mit kleinen Pflanzen, dann Büschen und schliesslich kleineren und letztendlich größeren Bäumen wieder auffüllen, aber das klappt eben auch nur, wenn man die Schneise ganz sich selbst überläßt. Eine Schneise, in der bereits Erosion begonnen hat, kann kaum noch geschlossen werden.

Ist ein Stück Land einmal abgebrannt worden, ist Ackerbau getrieben worden oder hat man Gras und Kräuter für die Rinder wachsen lassen, ist die Humusschicht verschwunden und es kann sich kein neuer Regenwald mehr bilden. Die häufigen Regenfälle erodieren dann dieses Stück, was zum Niedergang auch des umliegenden Regenwaldes führt. Die Erosion breitet sich dann selbständig aus. Es braucht gar nicht mehr abgeholzt und abgebrannt werden.

Um dort neuen Regenwald entstehen zu lassen, muß man zunächst Humus aufbringen und dann typische Bäume und Sträucher des Regenwaldes pflanzen, ein extrem umständlicher, teurer und langwieriger Prozess. Bis auf einem so zurückgewonnenen Waldgebiet wieder die richtigen Urwaldriesen wachsen können, die schon mal bis zu 70 Meter hoch werden, dauert es leicht 100 und mehr Jahre.

Die andere wesentliche Frage im Zusammenhang mit dem Verschwinden bzw. Verringern des Regenwaldes ist die der Bio-Diversität, des Artenreichtums. Dabei handelt es sich nicht um den natürlichen Prozeß, daß einige Spezies verschwinden und neue entstehen, sondern daß das Verschwinden, die Ausrottung, einseitig beschleunigt wird und die Natur mit dem Formen neuer Spezies nicht mehr nachkommt, also die Gesamtzahl der Spezies – sowie ihrer Unterarten – sich verringert. Bis zu einem bestimmten Punkt hat das wenig Auswirkungen auf die Bewohnbarkeit des Planeten durch Menschen – ab diesem Punkt aber verschlechtern sich dramatisch die menschlichen Lebensbedingungen bis hin zur drohenden Ausrottung der Menschheit, weil der Mensch in Symbiose mit Tieren und Pflanzen lebt. Verschwinden grosse Teile von ihnen, kann auch der Mensch nicht mehr überleben.

Das Amzonasgebiet ist der Hort der größten Zahl von Spezies auf der Erde. An der Oberfläche leben ca. 2 Millionen verschiedener Spezies.

Was die Tiere betrifft, schätzt man, daß bisher erst etwa 30% davon bekannt sind. Über 95% der Spezies im Amazonasgebiet sind Wirbellose, also Insekten, Spinnentiere, Krebse, Krabbentiere, Garnelen, Schmetterlinge, Ameisen, Flöhe, Asseln, Quallen, Skorpione, Würmer, Seesterne, Einzeller wie Bakterien und Amöben und noch Hunderte von anderen Klassen, die nur da zu sein scheinen, um Biologiestudenten zur Verzweiflung zu bringen.

Die höheren Pflanzen machen in etwa 90 000 Spezies aus. Allein an Baumarten kommen pro Hektar Amazonaswald zwischen 40 und 300 verschiedene vor.

Diese ganze Bio-Diversität ist heute massiv bedroht. Selbst wenn heute das Abbrennen und Abholzen der Wälder deutlich eingeschränkt würden, ginge die Ausrottung von Arten noch lange ungehemmt weiter. Die menschlichen Aktivitäten haben nämlich bereits schwer umzukehrende Prozesse in Gang gesetzt, obwohl das Amazonasgebiet nur gering besiedelt ist.

Am verheerendsten wirkt sich das Quecksilber aus. In großen Teilen des Amazonasgebiets wird Gold aus den Sanden gewonnen mit dem Verfahren der Extraktion durch Quecksilber. Dieses Gold-Gewinnen wird industriemässig und zehntausendfach betrieben und die dabei verwendeten Quecksilbermengen gehen zu 100% in die Flüsse über. Dort reichern sie sich in den Sanden an und werden nach und nach in Form wasserlöslicher Salze an das Flußwasser abgegeben. Viele Gewässer im Amzonasgebiet enthalten heute bereits deutliche Mengen von Quecksilber. Besonders empfindliche Arten werden dadurch bereits ausgerottet. Das rottet dann wiederum Arten aus, die von jenen gelebt haben und danach solche, die von den anderen gelebt haben usw., d.h. es sind immer ganze Nahrungsketten betroffen. Andere Tiere und Pflanzen werden zwar vom Quecksilber nicht getötet, nehmen es aber in ihre Struktur auf. Wen sie dann wieder anderen als Nahrung dienen, werden diese dann mit Quecksilber angereichert und eventuell ausgerottet. Selbst wenn heute sofort mit der Quecksilber-Gold-Methode aufgehört würde, fänden sich noch über Jahrzehnte Quecksilberkonzentrationen in vielen Teilflüssen, Pflanzen und Tieren.

Der zweite verheerende Einfluß auf den Artenreichtum wird durch die häufigen menschlichen Invasionen in vorher unberührte Gebiete verursacht. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Goldsucher und um Drogenhändler.

Der Goldreichtum der Flußsande im Amazonasgebiet muß ja irgendwo herkommen, also forscht man in höher liegenden Gebieten nach Goldvorkommen. Es wird geschätzt, daß mindestens 10 000 Gruppen von Goldsuchern im Amazonasgebiet unterwegs sind. Von Zeit zu Zeit treffen sie auf einige der Indios, die noch übriggeblieben sind und die gewaltsamen Auseinandersetzungen füllen die Schlagzeilen brasilianischer Zeitungen. Im Prinzip braucht man zum Goldsuchen zwar eine Lizenz und auch der Zugang zu unberührten Gebieten ist von Erlaubnissen abhängig, der zu Indio-Reservaten sogar völlig verboten, aber wo kein Kläger, da auch kein Richter. Diese Gruppen sind in der Regel von reichen Brasilianern und Ausländern mit guten Beziehungen zu Regierungsstellen angeheuert und ausgerüstet worden, die dafür sorgen, daß sie unbehelligt bleiben.

Außerdem ist das Amazonasgebiet einer der größten Drogenumschlagplätze der Erde. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Kokain aus den benachbarten Ländern Peru und Kolumbien, Kokain, der Party-Droge, die auf keiner Party der Wohlhabenden in USA und Europa fehlen darf. Das hauptsächliche Ziel der Transporte sind die USA und bestimmte Umschlagpunkte in Mittelamerika, an denen auf Schiffe nach Europa umgeladen wird. Der Transport wird wesentlich mit Kleinflugzeugen durchgeführt. Zuerst wird das Kokain zu einem der Flußarme geschafft, die in den Amazonas münden. Von dort geht es mit Booten zu Schneisen, die man in den Urwald schlägt und wo man Zwischenlagerplätze und eine Rollbahn für Kleinflugzeuge anlegt. Mit diesen Flugzeugen wird die Droge dann zu neuen Umschlagplätzen in Mexiko, Nicaragua, Honduras, Costa Rica oder Panama geflogen, von wo aus man direkt in die USA fliegt oder sie wird zu improvisierten Landebahnen an Stränden in Mittelamerika geflogen, wo auf Boote und dann auf Schiffe umgeladen wird, die nach Europa gehen.

Dies alles läuft unter Oberaufsicht und heftiger Anteilnahme der CIA ab, wie der heldenhafte Reporter Garry Webb aufdeckte, der dafür sterben mußte. Ein großer Teil der Drogengelder geht an die CIA, die dafür sorgt, daß alles reibungslos läuft und viele seiner sonstigen Aktivitäten damit finanziert, wie Attentate auf Staatsoberhäupter, Terroranschlage, Produktion von Bin-Laden-Videos, Ausbildung von arabischen Selbstmord-Jet-Piloten und andere. Damit ist auch klar, daß niemand, weder die brasilianische Regierung noch die US-Amerikanische irgend etwas dagegen unternehmen wird.

Diese häufigen menschlichen Einfälle in vorher unberührte Urwaldgebiete vertreiben eine Anzahl von scheuen Tieren, teilweise dauerhaft. Damit verschieben sich wiederum ökologische Gleichgewichte und Arten sterben.

Wenn wir noch lange brauchen, um diesem kapitalistischen System den Garaus zu machen, wird es schon sehr spät sein. Jedes Jahr zählt. In nicht allzu ferner Zukunft sind die Prozesse unumkehrbar.


Heute also der sechste Teil der Brasilien-Reihe von Elmar Getto, hier leicht redigiert vom Autor. Er erschien ursprünglich in 'Rbi-aktuell' am 18. Januar 2005.

Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Mittwoch, 30. Juli 2008

Obamas Rede in Berlin ist verräterisch

Eine neue Epoche der Clinton-Politik?


Von Karl Weiss


Ja, was Obama in der Rede an der Siegessäule als aussenpolitisches Programm vorgestellt hat, wäre eine neue Clinton-Politik, eine neue Epoche des Menschenrechts-Imperialismus. Aber wird Obama, wenn er gewählt wird, ab Januar 2009 die gleichen Bedingungen vorfinden wie Bill Clinton Anfang 1993? Nein, er wird mit völlig anderen Problemen zu kämpfen haben, denn die ökonomischen Grundlagen sind nun völlig andere. Die USA und mit ihnen der weltweite Kapitalismus wird genau zu diesem Zeitpunkt auf grundlegende und unvermeidliche ökonomische und andere Probleme treffen, die unabhängig vom Willen von Politikern, Zentralbankchefs und Präsidenten aufkommen.

Barack Obama

Ja, Obama hätte das Zeug, ein neuer Kennedy zu werden, ja, diesen sogar zu übertreffen. Seine Reden sind blendend (im doppelten Sinne des Wortes) und der dunkle Teil seiner Hautfarbe scheint zu signalisieren, er habe etwas gemein mit den Unterprivilegierten dieser Welt, was das frauenfressende Millionärssöhnchen aus Boston niemals aufweisen konnte, aber Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der weltweite Kapitalismus nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges in eine lange Aufschwungphase eingetreten und Prosperiät griff um sich, was John Fitzgerald wohl unnachahmlich repräsentierte. Nun aber hat der Kapitalismus seine letzten Karten ausgespielt, er kann keinerlei akzeptable Zukunft mehr bieten, er steckt in unausweichlichen Krisen (sei es ökonomisch, politisch, ökologisch oder in solchen der Glaubwürdigkeit), muss mehr und mehr zur Gewalt greifen, um die rebellierenden Völker im Schach zu halten.

Dafür ist aber Bush der richtige Repräsentant, nicht Obama. Wenn er gewählt wird, so wird er ein Fisch auf dem Trockenen sein, einer, der nichts vom Versprochenen halten kann (speziell jene Versprechen, die er gar nicht gemacht hat, die man in ihn hineinprojeziert). Die weltweite Wirtschaft ist auf dem Weg in die Weltwirtschaftskrise und wie tief diese ausfallen wird, ist im Moment nicht vorhersehbar und wohl auch kaum vorstellbar. Ausdruck und Inbegriff dieser Krise werden die USA sein und Obama, wenn er denn gewählt wird, Ausdruck und Inbegriff der USA. Statt hinauszuziehen in alle Welt und ein Land nach dem anderen in den Sack der USA zu stecken, wird ihn die wirtschaftliche Wirklichkeit im eigenen Land mit Massenarbeitslosigkeit und -armut, Hunger und Unruhen einholen.

Und er kann dem nicht einfach mit Konjunkturprogrammen entgegentreten, denn der Dollar verfällt jetzt schon und wird nicht mehr viel Gelddrucken wegstecken. Ab einem bestimmten Moment müssen die Gläubigerstaaten anfangen, US-Staatsanleihen massiv auf den Markt zu werfen und dann wird der Traum von der einzigen Supermacht ausgeträumt sein.

Wenn Sie einen Eindruck bekommen wollen, was diese Wirtschaftskrise in den USA in der Praxis bedeuten wird, dann hören Sie nur diese Meldungen: Die Kaffe-Shop-Kette Starbucks klagt heute bereits über 40% Umsatzeinbusse in ihren Cafes in den USA und schliesst sie reihenweise. In Cleveland, einer grossen Industriestadt im Staat Ohio, gehören heute bereits 10% aller Wohnhäuser den Banken. Und das, bevor die USA überhaupt offiziell in der Wirtschaftskrise ankommt!

In der arabischen Welt hat Obama bereits jetzt, noch nicht einmal als Kandidat der Demokraten gewählt, alle Vorschusslorbeeren aufgebraucht. In den Zeitungen, Runfunk- und Fernsehstationen dort wird wieder und wieder verbreitet, was er vor Repräsentanten des Zionismus versprach: Jerusalem wird für ewig ungeteilt die Hauptstadt Israels sein. Damit ist bereits klar: Es wird keinen Frieden in Nahost geben, der eigentliche Kern der Stärke islamistischer Kräfte wird aufgebaut statt geschwächt und Obama hat sich einen schweren Felsblock zum Tragen aufgeladen.

Barack und Michelle Obama im Wahlkampf

Kleinbürgerliche Schichten in Europa und sogar ein Teil der Arbeiter mögen noch eine Zeit lang geblendet sein von dem, was sie in Obama sehen wollen, doch die meisten von ihnen werden erschrecken, was da wirklich kommen wird und desillusioniert werden, so wie es auch mit den Integrationsfiguren Blair und Schröder geschah, die ja ebenfalls Blender waren: Heute will kaum einer mehr wirklich an sie geglaubt haben.

Nur hat sich der Verfall des Kapitalismus beschleunigt und damit wird die Halbwertszeit neuer Hoffnungsträger als Politiker immer kürzer werden.

Und es wird nicht einfach nur eine wirtschaftliche Krise sein, es wird eine umfassende Krise der ganzen Lebensbedingungen der Menschheit sein. Mit dieser Krise geht der Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei über, wird in Todeskrämpfen geschüttelt. Nur ist ein Gesellschaftssystem kein Mensch, es stirbt nicht einfach, es muss hinweggefegt werden!

Bereits jetzt zeigt sich bei den Lebensmittelpreiserhöhungen: Der Markt, der im Kapitalismus eigentlich alles heilen soll, funktioniert nicht, weil er von Monopolen beherrscht ist.

Das gleiche gilt für die Ölpreise und damit jene von Benzin und Diesel: Es wird kein Zurück zu einem Erdölpreis von 70 Dollar pro Barrel geben, wie bürgerliche Ökonomen prophezeien. Eine Welt mit einem Erdölpreis von 150 Dollar ist aber nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verschieden.

Das Geld für alle diese erhöhten Preise muss von irgendjemand aufgebracht werden – und raten Sie einmal, wer das sein wird? Richtig! Sie und ich! Die massive Verarmung der Massen hat gerade erst begonnen!

Dabei wird gleichzeitig die beginnende Klimakatastrophe mehr und mehr deutlich werden. Die Zahl von klimabedingten Katastrophen wird weiterhin ansteigen, die Rückversicherer werden drastisch die Prämien steigern müssen und alles wird deutlich teurer, weil alle Versicherungen deutlich teurer werden.

Nach den letzten Messungen beschleunigt sich der Abbau des schwimmenden Eises in der Nordpolregion so sehr, dass man in fünf Jahren mit eisfreien Sommern dort rechnet. Damit wird aber der Reflektions-Effekt der weissen Eis-und Schneemassen wegfallen und weit mehr Wärme von der Sonneneinstrahlung dort absorbiert werden. Niemand weiss, ob damit nicht bereits der Weg zurück aus der Klimakatastrophe verbaut und der Punkt ohne Wiederkehr überschritten ist und man bereits voraussagen kann, wann es keine Menschheit mehr geben wird, wie wir sie kennen.

Ein weiterer G8-Gipfel ist verübergegangen, ohne dass man sich auf konkrete und drastische Massnahmen gegen die Erwärmung des Erdklimas durch den CO2-Ausstoss verständigt hätte. Auch Obama hat keine solche Massnahmen in seiner Rede auch nur erwähnt, obwohl er doch wissen müsste: Es muss weltweit dagegen vorgegangen werden – und das rasch!

Die Politik kündigt immer Verringerungen bis 2050 an – nur um damit jede wirksame Massnahme heute NICHT zu beschliessen. Nach der Analyse aller Fachleute ist es aber 2050 längst zu spät.

Charakteristisch dafür die heutige deutsche Bundesregierung: Grossmäulig werden Verringerungen bis 2050 angekündigt. Konkret beschlossen wird aber nur ein geringfügiger Zuschuss zu Altbaurenovierungen, der bestenfalls 0,1% des deutschen Energieverbrauchs einsparen kann.

Auch die Regenwälder werden munter drauf los weiter vernichtet, dass es eine Art hat, ohne dass irgendjemand ernsthaft etwas dagegen tut. Wenn erst einmal ein wesentlicher Teil der Regenwälder Südamerikas, Zentralafrikas und Indonesiens unumkehrbar versteppen und verwüsten – und das kann in 10, 15 Jahren der Fall sein -, wird es keine Möglichkeit für Milliarden Menschen mehr geben, auf diesem Planeten zu überleben.

Und nun urteilen Sie selbst: Ist Obama mit seiner Rede diesem Szenario gerecht geworden?


Veröffentlicht am 28.7.2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 29. Juli 2008

BRASILIEN JENSEITS VON FUßBALL UND SAMBA, TEIL 5: BRASILIEN UND GOLD

EL DORADO - DER GRÖSSTE GOLDFUND BIS DAHIN

Wie die Kolonialländer ausgeraubt wurden

Von Elmar Getto

"Das brasilianische Gold hinterliess Baracken in Brasilien, Tempel in Portugal und Fabriken in England." (Eduardo Galeano, lateinamerikanischer Schriftsteller)

Brasilien (topographisch)

Gold faszinierte die Menschheit seit Urzeiten. Bis etwa um 1620, als das erste Gold in Brasilien gefunden wurde, hatte die Menschheit schon beachtliche Mengen davon angesammelt, sei es, um Schmuckstücke daraus zu machen oder einfach, um die Macht zu nutzen, die Gold (und damit Geld) auch damals schon gab. Ab diesem Jahr wurde aus Brasilien während der folgenden 200 Jahre noch einmal in etwa die gleiche Menge an Gold abtransportiert und nach Europa gebracht, wie jene, die bereits im Besitz der Menschheit war.


Brasilien ist an Bodenschätzen eines der reichsten Ländern der Welt, in dieser Hinsicht vergleichbar mit Südafrika. Vor allem Gold, Diamanten und Smaragden finden sich in beiden Ländern – die erdhistorisch zusammen lagen, bevor die Kontinente auseinanderdrifteten – in beeindruckenden Mengen. Beide Länder haben gewaltig unter diesem Reichtum gelitten und leiden darunter, so wie der Kongo, der bis heute wegen seiner Diamanten nicht zur Ruhe kommt, so wie der arabische Raum, der ohne Unterbrechungen überfallen wird wegen seines Ölreichtums, zerstückelt und in kleinen Teilen verspeist.

Gold

Als ab 1492 Amerika erobert wurde, legte man das Hauptaugenmerk auf etwaige Goldvorkommen. Tatsächlich fand man auf dem Gebiet des heutigen Mexico und der heutigen Vereinigten Staaten ein wenig Gold, aber nichts, was den Aufwand gerechtfertigt hätte (erst viel später wurden die USA einer der wesentlichen Goldproduzenten). Die Suche der Spanier nach „Eldorado“ blieb ohne Resultat. Wer eine Zeit später wirklich so etwas wie ein „Eldorado“ entdeckte, waren die Portugiesen, die sich mit dem östlichen Teil des südamerikanischen Kontinents hatten zufrieden geben müssen.

Portugal war aufgrund seiner Großmachtambitionen bereits bis über beide Ohren verschuldet – an die britische Krone. England benutzte seine engen Bindungen zu Portugal, um ein Gegengewicht gegen die damalige Weltmacht Spanien auf der iberischen Halbinsel in seinen Händen zu haben.

Als Karl der Fünfte im Jahre 1516 den spanischen Thron bestieg (den er von seinem Großvater Ferdinand - der Kolumbus nach Westen geschickt hatte - geerbt hatte) und 1519 dann auch den Deutschen und Österreichischen Thron erbte (von seinem anderen Großvater Maximilian dem Ersten), als er ‚Mexico’ und ‚Peru’ erobert hatte (will sagen die Azteken und die Inkas versklavt hatte), herrschte der spanische Herrscher über das bei weitem größte Imperium, das es je in der Menschheitsgeschichte gegeben hatte – man sagte, daß in seinem Reich die Sonne nie unterging. Spanien war, was heute die USA ist – der ‚Herr der Erde’.

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

England war zu diesem Zeitpunkt eine aufstrebende Macht. Heinrich der Achte von England (der zwei seiner Gattinen enthaupten ließ, darunter Anna Bolena, die Mutter der späteren Elisabeth I.) war anfänglich noch Verbündeter Karls V., solange es gegen Frankreich ging, aber im weiteren Verlauf der Geschichte (Elisabeth I., konnte bereits die Armada Spaniens besiegen - 1588) wurde die Auseinandersetzung zwischen England und Spanien zum wesentlichen Kampf um die Weltherrschaft, der erst im Jahre 1805 mit der Niederlage der spanischen Armada gegen die englischen Schiffe Admiral Nelsons bei Trafalgar endgültig zugunsten Englands entschieden wurde.

Während dieser ganzen Zeit benutzte England Portugal als Faustpfand gegen Spanien, zum einen als Verbündeter, aber ebenso als abhängige Macht aufgrund ihrer massiven Verschuldung gegenüber England. Es konnte also nichts Schlimmeres passieren für Spanien (und nichts Besseres für England), daß ausgerechnet auf dem Gebiet Portugals in Südamerika große Goldvorkommen entdeckt würden, aber genau dies geschah.

Corcovado von Botafogo aus

Als das Innere des inzwischen schon ‚Brasilien’ genannten portugiesischen Kolonie in Südamerika erforscht wurde, fand man unter anderem im Jahr 1620 auf dem Gebiet einer Ansiedlung genannt Sabará eine ergiebige Goldmine. Heute ist Sabará nicht mehr als ein kleiner Ort in der Nähe der Millionenstadt Belo Horizonte, Hauptstadt des Bundestaates Minas Gerais (‚Allgemeine Minen’, man stelle sich vor, wieviel Minen es geben muß, bis man einen ganzen Bundesstaat so nennt).

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Bis dahin war Gold im wesentlichen in den Flußsanden gefunden worden. Von Zeit zu Zeit fand man kleine schimmernde Goldstückchen. Es gab aber auch schon Goldminen, wo Gold aufgrund seiner Farbe zwischen Quarzgestein und ähnlichem gefunden wurde – so z. B. im Harz und im Schwarzwald – heute alle längst ausgebeutet. Etwa zu dieser Zeit wurde aber die Entdeckung gemacht, daß Gold auch in schwarzen Einlagerungen zwischen Gneis und Granit gefunden werden kann. Dort ist das Gold in so kleinen Partikeln vorhanden, daß sie schwarz statt golden erscheinen. Die zeitweilige Hauptstadt von Minas Gerais, die damals ‚Vila Rica’ (reiche Anziedlung) hieß und sich schnell zur größten Goldstadt der damaligen Welt entwickelte, heißt bis heute Ouro Preto, ‚schwarzes Gold’.

Schnell stellte sich heraus, daß nicht nur in Sabará und Ouro Preto, sondern in vielen Gemeinden der ganzen Region Gold in allen möglichen Formen vorkommt, und nicht nur Gold, sondern auch Diamanten und Smaragden. Es gelang Portugal, diese Entdeckungen weitgehend geheim zu halten und in aller Stille ein System der Maultier-Transporte aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’ an die Küste zu organisieren, nach Parati, wo die Schätze nach Portugal eingeschifft wurden (man kann heute diese Maultierpfade noch besichtigen), um von dort in grossen Teilen umgehend nach England weiter gesandt zu werden, um die Schulden zu bezahlen. Wenn Sie heute unsagbare Schätze im Tower von London bewundern können, wenn die britische Königsfamilie eine der reichsten der Welt ist, so haben Gold und Edelsteine aus Brasilien wesentlich dazu beigetragen.

Nachforschungen in Ouro Preto ergaben, daß zum Zeitpunkt des Höhepunkts des Goldbooms in der Region, das war etwa um 1780 herum, allein im Gebiet der Gemeinde Ouro Preto über Tausend (1000!) Goldminen arbeiteten, von denen keine weniger als 10 Tonnen Golderz pro Jahr produzierte, einige wesentlich mehr. Nimmt man einen Durchschnitt von etwa 15 Tonnen, sind das allein für eine Gemeinde 15.000 Tonnen pro Jahr Golderz (das etwa 5% reines Gold enthält).

Es gab aber mehr als 50 Gemeinden in der Region im Bereich von Hundertfünfzig Kilometern um Belo Horizonte herum (die Region ‚Zentrales Minas Gerais’), die in ähnlicher Weise Gold produzierten. Nehmen wir nur 25 von ihnen mit einem Schnitt von 500 Goldminen mit einem Schnitt von 10 Tonnen pro Jahr (das ist tief geschätzt), so gab es zu dieser Zeit in der Region eine jährliche Produktion von 140.000 Tonnen Golderz (einschliesslich Ouro Preto). Nimmt man an, dass für den gesamten Zeitraum von 200 Jahren ein Schnitt von nur einem Zehntel dieses Wertes erreicht wurde (erneut tief geschätzt), also 14.000 Tonnen Golderz jährlich, so hat die Europäische Union (man kann heute nicht mehr ein einzelnes Kolonialistenland verantwortlich machen, denn im finanz-politischen Sinne sind alle unsere Länder in der Europäischen Union aufgegangen) sich aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’ etwa in der Grössenordnung von 2 Millionen und 800 Tausend Tonnen Golderz und damit 140 000 Tonnen reines Gold unrechtmässig angeeignet (um das Wort Raub zu vermeiden).

Das wäre nach dem heutigen Goldwert von etwa 10.000 Dollar pro Kilogramm reinem Gold ein Gesamtwert von 1,4 Billionen Dollars, in englischer Zählung "1,4 Trillion Dollars".

In Wirklichkeit sind diese Werte weit höher, denn zum damaligen Zeitpunkt war der Goldwert viel höher als heute. Außerdem wurde ja nicht nur in dieser Region Gold gefunden und abgebaut, sondern auch in anderen Regionen Brasiliens, wenn auch diese Region die zentrale Goldregion war. Ebenso kommt dazu, daß aus Brasilien ja nicht nur Gold herausgeholt wurde. Für Diamanten z.B. dürfte fast die gleiche Relation gelten, nämlich daß etwa die Hälfte aller Diamanten der Menschheit zum Zeitpunkt 1822 (der Unabhängigkeit Brasiliens) aus Brasilien stammten, für Smaragde sogar noch mehr. Einige der größten Smaragdvorkommen der Erde sind in Brasilien, z.T. ebenfalls in der genannten Region, z.T. im Bundesstaat Pernambuco.

Der damalige Goldpreis für ein Kilo lag nach einem Buch, das vor einiger Zeit in Brasilien veröffentlicht wurde, in der Größenordnung des Jahreseinkommens eines hohen königlichen Beamten, wie z.B. Vasco da Gama (das ist der, der den Seeweg nach Indien um das Kap der Guten Hoffnung herum entdeckt hat).

Jenes Buch sagt, dass der Goldpreis in den folgenden 200 Jahren in etwa in dieser Höhe blieb. Nehmen wir den Betrag des Jahresgehaltes eines heutigen Ministers (Sekretärs) der Europäischen Union, das dürften mindestens 200.000 Euro sein (das ist wieder niedrig geschätzt), so können wir sehen, daß der damalige Werte des Goldes etwa 20 mal so hoch wie heute war. Würden wir diesen Faktor 20 auf den obigen Betrag von ‚1,4 Trillion Dollars’ anwenden, so kommen wir etwa auf "28 Trillion Dollars" (eine Trillion in englischer Zählweise ist eine 1 mit 12 Nullen).

Angesichts solcher Beträge, die aus Brasilien geraubt wurden, sollten wir einen Blick auf die heutige Situation Brasiliens werfen:

Während die Brasilianischen Banken (und die ausländischen Banken in Brasilien) Jahr für Jahr neue Rekordprofite vermelden, während die Reichen in Brasilien in einem Meer von Freudentränen schwimmen vor lauter steigenden Profiten, sinkt das Volk mehr und mehr in eine noch tiefere Armut. Die offiziellen Zahlen der UNO (man weiß nicht, inwieweit sie zuverlässig sind) sagen, daß 70 der 170 Millioner Brasilianer unterhalb der offiziellen Armutsgrenze von 1 Dollar pro Tag und Person leben und daß von diesen 70 Millionen 50 Millionen an Hunger und Unterernährung leiden. Diese Zahlen sind noch untertrieben, denn man weiß nicht, wie die UNO sich vorstellt, daß man mit unter 1 Dollar pro Tag evtl. nicht an Unterernährung leiden könnte.

Favela in Belo Horizonte

Die offiziellen Zahlen der Arbeitslosigkeit sind geschönt, aber der Industrieverband von São Paulo hat neue Zahlen veröffentlicht, die im Grossraum São Paulo eine tatsächliche Arbeitslosigkeit von fast 30% der aktiven Bevölkerung zeigen und diese Zahl dürfte der tatsächlichen deutlich näher sein und auch ähnlich oder höher in anderen Regionen sein.

Die Folge dieser tiefen Armut ist, daß tagtäglich Hunderte von Kindern in Brasilien an den Folgen der Armut sterben (von den Erwachsenen gar nicht zu reden).

Man mag der Meinung sein, daß hierfür hauptsächlich die ungleiche Verteilung des Einkommens im Land die Ursache ist. Tatsächlich ist die Menge an Geld beachtlich, die jedes Jahr von korrupten Politikern aus den öffentlichen Kassen in die eigenen Taschen umgeleitet wird, aber sie gehen nach Schätzungen einer unabhängigen NGO (Non-Governamental Organisation) nicht über etwa 20% des Budgets hinaus und machen damit nur einige Prozent des Bruttosozialprodukts aus.

Dagegen haben die Zinszahlungen für die Schulden Brasiliens jetzt die Marke von 50% des Staatshaushaltes überschritten. Im Jahr 2003 zahlte Brasilien etwa 50 Milliarden Dollar (‚50 Billion Dollars’) an Zinsen. Das sind nur die Zinsen, darin sind noch keinerlei Rückzahlungen enthalten. Die Höhe der Gesamtschulden Brasiliens sind aufgrund der Ereignisse der letzten Jahre (drei kurz aufeinanderfolgende Wirtschaftskrisen, jeweils verbunden mit hohen Zinsen, erneuten Kreditaufnahmen und steigendem Dollarkurs, was die Schulden im Zeitraum der 8 Jahre der letzten Regierung mehr als verdoppelt hat) so angewachsen, daß sie objektiv unbezahlbar geworden sind. Selbst in Tausenden von Jahren und selbst unter günstigsten Umständen könnte das brasilianische Volk dies nicht zurückzahlen.

Nun mag jemand sagen, na, warum hat sich Brasilen denn auch soviel Geld geliehen?

Nur ist Brasilen eben schon mit diesen Schulden geboren worden und hat es seitdem nicht geschafft, sich derer zu entledigen. Als 1822 der damalige Statthalter des portugiesischen Königs (seines Vaters), Dom Pedro I., die Unabhängigkeit Brasiliens erklärte, war dies nicht der heroische Akt der Auflehnung gegen den Vater, sondern die gut durchgerechnete Möglichkeit für Portugal, sich unbezahlbarer Schulden (an die englische Krone) zu entledigen. Die Gesamtschulden Portugals wurden (als Preis für die Unabhängigkeit) schlichtweg auf Brasilien übertragen.

Auch muß man sehen, in welcher Position sich ein an sich reiches Land wie Brasilien damals befand. Es war vollkommen ausgeraubt und arm und wurde kurz danach auch von Dom Pedro I. zurückgelassen in schwierigsten finanziellen Verhältnissen.

Wenn wir die oben genannte Summe von 28 Trillion Dollars diesen Zuständen gegenüberstellen, ergeben sich weitgehende Folgerungen. Dabei muß man auch noch berücksichtigen, daß dies tiefe Schätzungen waren, die nicht einmal anderes Gold außerhalb dieser Region einschlossen, ebensowenig wie andere Güter und Edelstoffe, die aus Brasilien herausgeholt wurden.

Nehmen wir einmal an, Brasilien würde heute Schadenersatz (Reparationen, Ausgleichzahlungen) verlangen, was es in Wirklichkeit nicht tut.

Wenn aber (mit vollem Recht) jüdische und andere Zwangsarbeiter (der Begriff Sklaven, den es ja schon gibt für Zwangsarbeiter, wurde aus guten Gründen peinlichst vermieden) des faschistischen Deutschen Hitlerregimes vom heutigen Deutschland Ausgleichszahlungen verlangen konnten und bekommen haben für sich bzw. für ihre Nachkommen, so hat ganz offensichtlich auch ein kolonialistisch ausgebeutetes Land das Recht dazu.

Diese Ausgleichszahlungen an ehemalige jüdische und andere Sklaven des "Dritten Reiches" waren mehr symbolische Zahlungen, die nur Bruchteile des Wertes betrugen, den ihre Arbeit wirklich Wert war, soweit den Medien entnommen werden konnte. Um dies zahlen zu können, wurde ein Fond geschaffen, in den einerseits die deutsche Bundesregierung einzahlte (das waren also Steuergelder, die aus dem deutschen Volk herausgeholt wurden) und andererseits von betroffenen Industriefirmen erwartet wurde einzuzahlen. Nach diversen begründeten Drohungen mit Schadenersatzprozessen in Milliardenhöhe in den USA fand sich schließlich wirklich ein Teil der Firmen bereit, ein paar ‚peanuts’ beizusteuern.

Würde Brasilien vergleichsweise sich mit 10% zufriedengeben und würde auf Schadenersatz für alle anderen Werte verzichten außer dem Gold aus der Region ‚Zentrales Minas Gerais’, so hätte die Europäische Union immer noch 2,8 Trillion Dollars (oder entsprechend weniger in Euro) zu entrichten. Nehmen wir nun an, Brasilien würde in unendlicher Güte eine Rückzahlungsdauer von 500 Jahren akzeptieren, so wären Jahresraten von etwa 50 Milliarden (Billions) Euro fällig. Da die Gesamtschulden Brasiliens etwa 600 Billions of Euro betragen, wären die Schulden in zwölf Jahren bezahlt und es ständen immer noch 488 Jahre von jährlichen Zahlungen aus.

Natürlich ist klar, daß die Europäische Union nichts dergleichen als Schuld anerkennen und bezahlen wird. Das herrschende Finanzkapital in der EU wird ganz im Gegenteil darauf bestehen, daß Brasilien weiterhin Jahr für Jahr astronomische Summen nur als Zinsen zahlt und wird auch nicht mit sich darüber reden lassen, wenigstens die Schulden zu erlassen, die Brasilien von Portugal geerbt hat.

Der International Monetary Found (IMF, dessen Vorsitzender der jetzige Bundespräsident Köhler bis kurz vor seiner Wahl war) hat letzthin die hervorragende Zahlungsmoral und –pünktlichkeit Brasiliens gelobt und angekündigt, daß Brasilien mit seiner jetzigen Politik keine neuen ‚Abmachungen’ mit dem IMF mehr schließen muß, sondern jederzeit ‚gut’ ist für neue Anleihen, um die Schulden Brasiliens (und damit seine jährlichen Zinszahlungen) noch weiter zu erhöhen. Der IMF ist also zufrieden mit der Zahl der sterbenden Kinder in Brasilien.

Da Köhler nun deutscher Bundespräsident ist – und gerade noch Fachmann für Kindermord war – hat er in seiner Weihnachtsansprache uns auch gleich deutlich gemacht, daß dies nun auch auf Deutschland zukommen wird. Er forderte uns auf, Nachbarschaftshilfen einzurichten und uns an afrikanischen Ländern zu orientieren, denn er weiß nur zu genau, daß die herrschende Allparteienkoalition afrikanische und brasilianische Zustände nun auch in Deutschland einführen will. Hartz IV ist nur der erste Schritt dazu. Da wird man Nachbarschaftshilfe brauchen, um die Zahl der täglich wegen Armut sterbenden deutschen Kinder niedrig zu halten.


Dies ist der fünfte Beitrag der Brasilien-Reihe von Elmar Getto, ursprünglich veröffentlicht in "Rbi-aktuell" vom 29.12.2004, hier in einer vom Autor berichtigten und leicht redigierten Version


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Montag, 28. Juli 2008

Cícero zu Hertha

Fluminense verlor die Endspiele der Libertadores

Von Karl Weiss

Nach einer unerklärlich schwachen Leistung in der ersten Halbzeit beim Hinspiel (in der Höhenlage von Quito) der beiden Endspiele der Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück zur Champions Leage, konnte Fluminense Rio de Janeiro den Rückstand nur noch ausgleichen und verlor im Elfmeterschiessen gegen LDU aus Ekuador. Der Fluminense-Mittelfeldspieler Cícero wurde danach an Hertha Berlin verkauft.



Fluminense war die beste Mannschaft der Gruppenphase der Libertadores und hatte, um es bis ins Endspiel zu schaffen, neben dem überragenden südamerikanischen Verein Boca Juniors Buenos Aires zwei der besten brasilianischen Mannschaften zu eliminieren, São Paulo F.C. und Gremio Porto Alegre. São Paulo hat die beiden letzten brasilianischen Meisterschaften gewonnen und Gremio ist im Moment an der Tabellenspitze der brasilianischen ersten Liga, die noch in der Hinrunde ist.

Der Gegner von Fluminense in den Endspielen, Lega Desportiva Universitária (LDU) aus der ekuadorianischen Hauptstadt Quito, hatte ebenfalls bereits schwere Brocken zu überwinden, wie das argentinische Team San Lorenzo, das den Lokalrivalen River Plate ausgeschaltet hatte und vor allem den Mitfavoriten und mexikanischen Meister America Mexico Stadt, konnte aber immer mit einem wichtigen Umstand rechnen: Die Höhenlage seines Stadions in Quito mit mehr als 2500 Metern.

Dieser Vorteil galt allerdings nicht gegen America, denn deren Stadion liegt sogar noch höher. Fluminense war also gewarnt. LDU war in der gleichen Gruppe wie Fluminense gewesen. Fluminense hatte da die Mannschaft zu Hause besiegt und in Quito ein 0 : 0 geschafft, das Traumergebnis für jeden Flachland-Club in dieser Höhe.

Bei den Spielen der südamerikanischen Vereinswettbewerbe in Stadien in Höhenlagen reist man im allgemeinen erst unmittelbar vor dem Spiel an, denn eine Adaptation an die Höhe, die drei Wochen dauert, ist nicht möglich, wenn man am Wochende spielt, am Mittwoch ein Höhenlagen-Spiel hat und am nächsten Wochenende schon wieder ran muss.

Fluminense versuchte aber die Schwierigkeiten zu vermindern, die man in der ungewohnt dünnen Luft hat, wenn man sportliche Höchstleistungen verbringen will, indem der Verein einen grossen Teil des Teams bereits eineinhalb Wochen vor dem Spiel nach Quito reisen liess und in Brasilien die ersten Spiele der Meisterschaftsrunde von Ersatzmannschaften bestreiten liess. Diese Rechnung ging nicht auf, ja, sie wurde zum Desaster. In der Meisterschaft lag Fluminense nach vier Spieltagen auf dem letzten Platz und hat bis jetzt Schweirigkeiten, sich dort unten herauszuwursteln und die Libertadores-Krone ging verloren.

In der ersten Halbzeit in Quito zeigte Fluminense eine völlig unakzeptable Leistung, konnte nie ins Spiel finden noch den Gegner an seinen Kombinationen hindern und lag am Ende der Halbzeit mit 4 :0 zurück!

Dann allerdings, in der zweiten Halbzeit, fand das Team sein Spiel und wurde sogar überlegen. In einigen Situationen schienen eher die ekuadorianischen Spieler Schwierigkeiten zu haben als die Brasilianer aus der Stadt auf Meereshöhe. Es gelang, die zweite Halbzeit mit 2:0 zu gewinnen, was aber immer noch eine 4:2 Niederlage als Ergebnis hatte.

Immerhin gab es noch Hoffnung. Mit einem 3 : 0 zu Hause oder einem 4:1 würde man Sieger sein und das schien nicht völlig ausgeschlossen. Und bei einem 2:0? Ja, das war eben der Knackpunkt, denn genau dies Ergebnis kam dann auch zustande.

In der Libertadores gilt, wie auch in der Champions-Leage, die Regel, dass Auswärtstore doppelt zählen, aber nicht in den Endspielen. Wäre das auch in den Endspielen gültig gewesen, hätte Fluminense mit dem 2: 0 zu Hause die Libertadores gewonnen gehabt, aber so musste man in eine Verlängerung, die nichts mehr veränderte und dann ins Elfmeterschiessen.

Dort benutzte der ekuadorianische Torwart einen Trick, auf den der Schiedsrichter hereinfiel. Er blieb vor dem Elfmeter mit dem Rücken zum Spieler im Tor und drehte sich erst um, wenn der Schiedsrichter den Elfmeter mit einem Pfiff freigegeben hatte, um zu versuchen, ihn zu halten.

Tatsächlich irritierte er damit einen der brasilianischen Schützen und konnte dessen Schuss abwehren. Dann beim entscheidenden Elfmeter von Thiago Neves, der verwandelt werden musste, sonst hätten die Brasilianer verloren, weitete er seinen Trick aus: Er wartete wieder mit dem Rücken zum Gegner, bis die Exekution freigegeben war, drehte sich zum Spieler – und ging aus seinem Tor heraus auf den Schiedsrichter zu, irgendetwas sagend. Der Brasilianer Thiago Neves stutzte kurz, verwandelte aber dann den Elfmeter, der ja freigegeben war. Der Schiedsrichter liess sich aber vom Torwart einwickeln und liess den Elfmeter wiederholen. Tatsächlich war der Brasilianer nun so irritiert, dass er schwach schoss und der Torwart den Elfmeter abwehren konnte. LDU hatte die Libertadores gewonnen!

Fluminense war am Boden und nun begann der Ausverkauf. Thiago Neves wird wahrscheinlich von Barcelona gekauft und Cícero geht nach Deutschland zu Hertha.


Cícero im Dress von Fluminense

Cícero ist ein defensiver Mittelfeldspieler, der sich – neben den für einen Brasilianer obligatorischen technischen Fähigkeiten – vor allem durch seine Vielseitigkeit auszeichnet. Er ist beidfüssig und versteht das defensive Fussballgeschäft genauso gut wie das offensive. Er wurde in mehreren Spielen von Fluminense als offensiver Mittelfeldspieler eingesetzt und auch schon als Stürmer. In einem Spiel war er auch rechter Aussenverteidiger.

Cícero wird am 26. August 24 Jahre alt, könnte sich also noch weiter entwickeln. Man sehe nur, wo Luca Toni mit 24 war. Allerdings wird er sich noch sehr entwickeln müssen, wenn er es zum Beispiel bis in die brasilianische Nationalmannschaft schaffen wollte. Er ist also wohl sein 800 Tausend Euro wert und könnte sich zu einem bedeutenden Spieler mausern.

Er war entscheidend am Höhenflug von Fluminense in 2007 und 2008 beteiligt. Er wurde von einem kleinen Verein Anfang 2007 an Fluminense ausgeliehen, das später 20% seiner Rechte kaufte. Er war eine der wesentlichen Stützen der Mannschaft beim Gewinn des Pokals in jenem Jahr, was Fluminense das Recht auf Teilnahme an der Libertadores sicherte und ebenfalls an der herausragenden Leistung von Fluminense als bester brasilianischer Verein und Endspielteilnehmer in der diesjährigen Libertadores.

Er ist nicht – oder jedenfalls noch nicht – der Typ eines genialen Regisseurs im Mittelfeld, keine Führungspersönlichkeit, niemand, der durch seine Leistung schon verloren geglaubte Spiele herausreisst, aber er bringt ein gerüttelt Mass an Kreativität mit, was ihn zu einem extrem nützlichen Spieler machen kann.

Er hat in der Saison 2007 bei Fluminense sechs Tore erzielt, ein guter Schnitt für einen defensiven Mittelfeldspieler. Eines der Tore war am vorletzten Spieltag das spielentscheidende Tor beim 3 : 2-Sieg gegen Juventude, das den dritten Platz der Meisterschaft sicherte und Juventude zum Abstieg verurteilte. Er kann also in geeigneten Situation als Überraschungsmoment vorne auftauchen und die gegnerische Hintermannschaft vor Probleme stellen. Man kann ihn in gewisser Weise mit Salihamicizc vergleichen. Wer dessen Tätigkeit bei den Bayern verfolgt hat, kann sich vorstellen, welche Bedeutung ein solcher Spieler für ein Team gewinnen kann. In einem Spiel der Rio-Meisterschaft (Anfang des Jahres werden in Brasilien noch die Regionalmeisterschaften ausgetragen) gegen den Erzrivalen Flamengo war Cícero mit zwei Toren spielentscheidend, eines davon in der Nachspielzeit.

Er kommt aus einfachen Verhaltnisse, wird also wohl am Anfang die üblichen Eingewöhnungsprobleme von Brasilianern in Deutschland haben, aber Hertha hat ja Erfahrungen mit Brasilianern und wird ihm da wohl helfen können. In den ersten Spielen wird man Geduld mit ihm aufbringen müssen. Er wurde in einem kleinen Ort im Landesinneren von Espirito Santo geboren, das ist jener Bundesstaat nördlich von Rio de Janeiro. Cícero (mit Akzent auf dem i ) ist keiner der üblichen Spitznamen, sondern sein Vorname. Er heißt Cícero Santos.

Und – Achtung Berliner Frauen! – er ist unverheiratet und im Moment solo, wie er betont. Ein Reporter konnte ihm die Äusserung entlocken, er werde in Berlin nicht nur den Erfolg suchen, sondern auch eine Frau.

Nun, seit 18. Juli trainiert er mit der Hertha und man kann ihm und Hertha nur alles Gute wünschen.


Veröffentlicht am 28. Juli 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Freitag, 25. Juli 2008

Der Exkanzler und die kriminellen Machenschaften

Schröder lässt Läden durch Anwaltskanzleien einschüchtern

Von Karl Weiss

Den damaligen Kanzler Schröder fanden einige noch ganz sympathisch, aber nun verspielt er das bisschen Ansehen, das er noch hatte. Er hat (nach einer Berichtigung) keinen Anlass gefunden, die Äußerungen über ihn in Jürgen Roths Buch "Der Deutschland-Clan - Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz" beanstanden zu können, da ließ er seine Rechtsanwälte einfach Buchhandlungen einschüchtern, um das Buch nicht zu verkaufen.

Würden Sie oder ich so etwas tun, wären wir wegen Nötigung dran, aber bei Schröder wird es natürlich bei einem weiteren Verlust seines Ansehens bleiben, denn Politiker sind für ihre Taten ja nie verantwortlich.

Schröder

Eigentlich war damals schon klar geworden, wes Geistes Kind Schröder ist, als er einen Journalisten vor Gericht zerrte, der die offensichtliche Tatsache ausgesprochen hatte, dass Schröder die Haare färbt.

So etwas nennt man auf gut Deutsch Korinthenkackerei.

Nun aber hat er die Grenze des einfach nur Unschicklichen überschritten und ist in den Bereich der kriminellen Machenschaften geraten, jedenfalls nach Ansicht des Autors.

Basis dieser ganzen Geschichte ist jene Machenschaft, die man auch schon als kriminell ansehen kann, als er kurz vor dem von ihm selbst eingeleiteten Ende seiner Kanzlerschaft einen großen Deal mit der russischen Gazprom abschloss, seine mächtige Stellung als Kanzler nutzend, die Gaslieferungen an Deutschland und eine neue Pipeline einschloss, die Polen umging, indem sie auf dem Meeresboden der Ostsee verlegt werden sollte, und so die Gebühren (und den politischen Einfluss) für die Durchleitung durch Polen einsparte.

Dies war damals als politischer Husarenstreich angesehen worden. Das deutsch-polnische Verhältnis, sowieso schon durch einige deutsche Rechtsaussen belastet, die immer noch Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges revidieren wollen, wurde dadurch zusätzlich belastet, aber was kümmert das einen Kanzler, der bereits wusste, er würde Neuwahlen provozieren und danach nicht mehr am Ruder sein.

Nach einigen Wochen pathetischer Auftritte musste Schröder schließlich öffentlich zugestehen, er hatte die Wahlen verloren und war abgewählt. Noch während die Bildung der großen Koalition festgeklopft wurde, wurde bekannt, er wird in den Aufsichtsrat der russischen Gazprom gerufen werden, natürlich mit einer fürstlichen Bezahlung.

Nun kann ihm niemand nachweisen, dies wurde bereits vereinbart, als er den Deal als Kanzler abschloss. So bleibt ihm eine Anklage wegen Korruption erspart. Trotzdem darf man öffentlich sagen, der enge zeitliche und inhaltliche Zusammenhang ist ein eindeutiges Indiz für die Käuflichkeit von Herrn Schröder.

In diesem Sinne sagte dies denn auch der bekannte Polizei-Reporter Jürgen Roth in seinem Buch "Der Deutschland-Clan - Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz", das kürzlich erschienen ist (ein Buch, das empfehlenswert ist). Nur gefiel das Herrn Schröder nicht, dem Politiker mit den Schäfchen im Trockenen. Also ließ er seine Anwälte eine Kampagne gegen das Buch bei Buchhandlungen in Hamburg beginnen.

Die Anwälte fragten in verschiedene Buchhandlungen nach diesem Buch, liessen es bestellen und kauften es. Anschliessend schickte man an die Buchhandlungen die berühmten „Abmahnungen“, also kostenbewehrte Unterlassungserklärungen, das Buch werde in Zukunft nicht mehr verkauft.

Selbstverständlich gibt es überhaupt keine Rechtsgrundlage dafür, denn das Buch ist frei verkäuflich und Schröders Klage auf das Streichen einer ihn betreffenden Passage war zurückgewiesen worden.

Es handelt sich also um eine reine Einschüchterungsmassnahme. Nun gibt es aber einschlägige Paragraphen, in denen zum Beispiel steht „wer einen anderen mit einem Übel bedroht, um ...Vorteile zu erlangen“ und „wird mit Gefängnis oder Geldstrafe nicht unter...bestraft“.

Allerdings werden wir natürlich lange warten können, bis ein deutscher Staatsanwalt Schröder und seine Anwälte vor den Kadi bringt. Wahrscheinlich geht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, bevor dies geschähe. Interessanterweise ist dieses Geflecht von Straffreiheit für jedweden Politiker genau eines der wesentlichen Themen des Buches.

So werden die Thesen des Buches, die (laut Süddeutscher Zeitung) „nicht jedem gefallen müssen“, von Schröder und seinen Anwälten auch noch unabsichtlich bestätigt. Mit anderen Worten: Politiker gehen in Deutschland mit ihren kriminellen Machenschaften straffrei aus.

Wer weitere Beispiele ausser Schröder hierfür nachprüfen will, siehe dieser Artikel: „Politiker nach der Karriere“.


Veröffentlicht am 25. Juli 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 24. Juli 2008

Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise

Spanien, Irland und Dänemark haben die USA überholt

Von Karl Weiss

Ein Dossier der Financial Times Deutschland (FTD) enthüllt: Im Prozess des fortschreitenden Eintauchens in eine Weltwirtschaftskrise haben drei europäische Länder bereits die USA überholt. Sie haben bereits zwei aufeinanderfolgende Quartale mit fallender Wirtschaftsleistung und damit das offizielle Kriterium der Wirtschaftskrise erfüllt (von den bürgerlichen Ökonomen schamhaft „Rezession“ genannt).

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Es handelt sich um Spanien, Irland und Dänemark. Im internationalen Vergleich der GDP (Gross Domestic Products) für 2007 mittels der PPP-Vergleiche, nach der Liste des Internationalen Währungsfonds (IWF), ist Spanien Nummer 11 der Länder, also keineswegs ein unwesentliches Land.

Das trifft eher auf die beiden anderen europäischen Staaten zu: Dänemark ist Nummer 49 der Liste und Irland Nummer 51.

Wesentlicher als die genaue Bedeutung dieser Länder ist aber, ob es Ausnahmeerscheinungen sind oder Vorboten. Was genau geht in den drei Ländern vor?

Housing Slump

Alle drei haben – ähnlich wie die USA – eine Immobilienblase aufgebaut in den vergangenen Jahren, also eine starke Überbewertung von Immobilienwerten, die dann, im Verlauf des letzten und diesen Jahres, in sich zusammenfiel und dabei viele kleine Immobilienbesitzer mit sich zog. Wie in den USA, haben in diesen Ländern Viele ihr Häuschen oder ihre Eigentumswohnung verloren, weil plötzlich die Monatsraten explodierten und/oder der Restwert der Immobilie geringer wurde als der noch geschuldete Betrag.

Dadurch platzten viele Hypotheken und die darauf spezialisierten Banken mussten riesige Abschreibungen vornehmen oder gingen sogar Pleite.

Das entscheidende: Hierdurch wurde in gewaltigem Masse Kaufkraft aus der Bevölkerung genommen, was die Inlandsabsätze in den Keller gehen ließ. Alle drei Länder haben nur begrenzte Exporte – und so rutsche das Inlandsprodukt ins Negative, für zwei aufeinanderfolgende Quartale im Vergleich zum vorherigen. In allen drei Ländern macht zudem die Bautätigkeit etwa 10 % der Wirtschaftsleistung aus, weit mehr als etwa in den USA oder Deutschland.

Immobilienkrise USA

Ist nun die Sache mit der Immobilienblase immer Vorläufer der Wirtschaftskrise? Keineswegs. In den letzten Jahren allerdings war von den Grossinvestoren in gewaltigem Masse auf steigende Immobilienpreise in vielen Ländern gewettet worden. Dadurch wird in einer Anzahl von Ländern der Beginn der Wirtschaftskrise mit einem Platzen der Immobilienblase einhergehen.

Es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die drei Länder nur Vorboten sind. Es sind auch schon die nächsten beiden Kandidaten bekannt: Laut einem Ökonomen der Commerzbank, so berichtet die ‚Finanzial Times Deutschland’, sind dies das Vereinigte Königreich und Frankreich. In England ist schon die erste Hypothekenbank (Northern Rock) Pleite gegangen und die Immobilienpreise sinken. In Frankreich gibt es auch bereits erste Anzeichen einer beginnenden Immobilienkrise.

Northern Rock Pleite

Kleinere Länder ohne riesige Rücklagen in den Zentralbanken haben nicht die Möglichkeit, wie etwa die USA, einfach riesige Staatsausgaben, wie etwa die für den Irak-Krieg, zu inszenieren, was natürlich den formalen Beginn der Wirtschaftskrise hinauszögern kann.

Doch auch die US-Regierung wird ihre Schulden nicht weiterhin bis ins Unendliche erhöhen können. Wenn sie eine gewise Höhe erreicht haben werden, gibt es für die Gläubigerstaaten, allen voran China, Japan, Süd-Korea, Grossbritannien und Deutschland, keinen anderen Ausweg mehr, als grosse Mengen von US-Staatsanleihen auf den Markt zu werfen, was zweifellos der Beginn des Falls eines Weltreiches sein wird.


Veröffentlicht am 24. Juli 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Freitag, 18. Juli 2008

Terrorattacken vom 11. September: US-Regierung bezahlte Israelis für Tanzen und Feiern!?

Ein weiteres unglaubliches Indiz für die Verbindung der US-Regierung mit diesem Terrorangriff

Originalveröffentlichung

Von Karl Weiss

Eine halbe Million Dollar hat die US-Regierung an ein Unternehmen überwiesen, kurz vor den Terrorattacken des 11. September 2001, das dann an jenem Tag Angestellte des Unternehmens, israelische Staatsbürger, in der Nähe der beiden Türme des World Trade Centers (WTC), verkleidet als Araber, Freundentänze aufführen, das Geschehen filmen und Schreie des Entzückens ausstossen liess. Dies wurde jetzt durch eine "Watchdog"-Organisation mit dem Namen FedSpending herausgefunden.

Drei der fünf tanzenden Israelis bei ihrem Fernsehauftritt in Israel
Hier kann man drei der fünf tanzenden Israelis bei ihrem Auftritt im israelischen Fernsehen im Oktober 2001 sehen

Umnittelbar nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 war eine kleine Episode zu weltweiter Kenntnis gelangt: Eine Gruppe von Arabern habe während der Anschläge in der Nähe des WTC (genau gesagt auf dem anderen Ufer des Hudson River) Freundentänze aufgeführt, gefilmt und gefeiert.

In aller Welt war dies als Anzeichen gewertet worden: Die Araber im allgemeinen hätten diese Anschläge für gut gehalten und befürwortet. Indirekt konnte dies sogar als Begründung herhalten, warum man den Irak überfiel – war das nicht ein arabisches Land?

Der Angriff auf die Zwillingstürme des „World Trade Centers“ war später als Begründung einer generellen Änderung der Politik genommen worden. Weil man nun „unter Beschuss“ läge, gälten alle früheren Regeln des bürgerlichen Rechts nicht mehr.

Dabei wurden u.a. die feiernden Araber immer wieder als Begründung genannt.

Die Gruppe von jungen Leuten in Araber-Tracht war u.a. auch deshalb aufgefallen, weil sie bereits 15 Minuten, nachdem das erste Flugzeug den einen Turm des World Trade Centers getroffen hatte, zu feiern begannen. Zu diesem Zeitpunkt gingen noch alle sowohl in den USA als auch in der übrigen Welt davon aus, es habe sich um einen fürchterlichen Unglücksfall gehandelt.

Erst nachdem auch der andere Turm von einen Passagierflugzeug getroffen wurde, war allen schlagartig klar geworden: Es handelte sich um einen terroristischen Angriff!

Woher also konnten diese „Araber“ Kenntnis davon gehabt haben, es sei kein Unglücksfall? Nun, eigentlich nur, wenn sie in die Vorbereitungen verwickelt waren oder jedenfalls von ihnen wussten, oder?

Damit war klar, man brauchte sie nur festzunehmen und würde bereits nahe an den wirklichen Tätern sein.. Dies galt umso mehr, als die jungen Leute auch noch feierten und filmten und jubelten, als Stunden später die beiden Türme nacheinander einstürzten.

Sie wurden dann später, als sie in New Jersey Flugzeuge nach Israel besteigen wollten, auch in Polizeigewahrsam genommen.

Nur stellte sich dann sofort heraus: Auch wenn sie wie saudi-arbische Scheichs gekleidet waren, es waren junge Israelis! Unerklärlicherweise liess man sie bereits 5 Tage nach der Festnahme laufen (nach anderer Quelle: nach einem Monat) und nach Israel ausfliegen.

Dort gaben sie im Fernsehen ein Interview: Sie hätten den Auftrag gehabt, die Ereignisse zu dokumentieren. Sie gaben nicht an, wer sie im voraus von den Anschlägen informiert hatte.

Alle arbeiteten für eine Umzugsfirma mit dem Namen Urban Moving Systems, eine Firma, von der man nach Angaben von FBI und CIA heute weiss, es war eine Deckfirma des israelischen Geheimdienstes Mossad. Die Firma wurde drei Tage nach den Anschlägen von 9/11 von Polizisten des FBI aufgesucht und geschlossen. Alles Vorhandene wurde mitgenommen.

Der Chef der Firma wurde festgenmmen, bis auf die Unterhosen ausgezogen, mit einer Augenbinde versehen und 14 Stunden ununterbrochen verhört. Danach liess man ihn laufen und er verschwand nach Israel.

Dann, nachdem man ihn hatte gehen lassen, wurde eine internationale Fahndung nach ihm ausgeschrieben, unter den drei Namen Suter, Dominik, Levinson, Ornit und Suter, Ornit.

Und – noch verdächtiger – ein Dominik Suter reiste im Jahr 2003 unbehelligt in die USA ein und gründete eine neue Firma, diesmal ein Reinigungsunternehmen.

Wer all dies bis hierher gelesen hat, mag denken: „Na, das ist mal wieder typisch Internet. Haarsträubende erfundene Verschwörungstheorien, mit viel CIA und Mossad.“

Doch nun kommt das wirklich Unglaubliche: Alles ist bestens belegt. Wer sich die Mühe machen will, kann eine Zusammenfassung von allem hier nachlesen.

Wer alles ganz genau belegt haben will: Hier sind die Links zu den verschiedenen Details:

1. Überweisung von 500 000 Dollar an Urban Moving Systems

2. Fahndung nach Dominik Suter: FBI suspect list 22.5.2002

3. Drei der fünf jungen Israelis am israelischen Fernsehen (mit Bild)

4. Das Video über die tanzenden Israelis und ihr Auftreten am israelischen Fernsehen im Oktober 2001

5. Artikel eines ehemaligen CIA-Agenten in „The American Conservative“, in dem über Spionage-Tätigkeit des Mossad in den USA berichtet wird, darunter auch der hier genannte Fall. Er berichtet u.a., die fünf jungen Israelis tanzten bereits, als die Welt noch der Meinung war, Zeuge eines schrecklichen Flugzeugunglück zu sein.

6. Sende-Manuskript von Fox News zu diesem Fall. Dies wurde nie gesendet und alles aus dem Internet genommen. Aber das Internet verliert nichts.

7. Hier eine Quelle
mit ausführlichen Videos dazu zur gleichen, zensierten Sendung von Fox News wie unter 6.

8. Andere Quelle für die Überweisung an die Umzugsfirma und deren Zusammenhänge (check it all twice!).

9. Quelle für die neue Firma des damaligen Chefs der Umzugsfirma

10.Der Journalist Wayne Madsen (hier seine Site: http://www.waynemadsenreport.com/) hat sich ausführlich mit diesem Fall beschäftigt und Material zusammengetragen. Einen ausführlichen Artikel von ihm kann man hier nachlesen.

Kurz: Alles ist bestens belegt. Stellt sich natürlich die Frage: Ist dies nun ein unwiderlegbarer Beweis, die US-Regierung hat 9/11 selbst inszeniert oder jedenfalls bewusst geschehen lassen? Nein. Aber zusammen mit den anderen Indizien und Anhaltspunkten sowie den offensichtlichen offiziellen Lügen in diesem Zusammenhang gibt es ein überwältigendes Indiziengebäude (siehe auch die anderen Artikel zu 9/11).

Weitere Artikel zu 9/11:

- Bush und Bin Laden sind eine symbiotische Einheit

- Wahrheit gibt es erst nach 40 Jahren

- 9/11: Wilde Verschwörungstheorien oder berechtigte Zweifel?

- Wie hält es der evangelische Pressedienst mit der Wahrheit?

- Was ist die Mehrheitsmeinung in den USA?

- Eine Explosion des Unglaubens

- Bewusste Manipulationen im Kommissionsbericht

- Sie wussten es vorher!

- Die Terroristen sind selbst fabriziert

- Verdacht vor dem 11. September abgewürgt

Donnerstag, 17. Juli 2008

Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung

Hartz IV und Sozialhilfe: Die neueste Schikane

Von Karl Weiss

Sozialhilfeempfänger haben Anspruch auf einen staatlichen Zuschuss, wenn sie spezielle Anschaffungen machen müssen. Das trifft zum Beispiel zu, wenn Kleidung gekauft werden muss, weil die alte zerschlissen ist. Nun hat ein Sozialamt aber entschieden, die Antragstellerin müsse sich auf gebrauchte Kleidung verweisen lassen. Ein Sozialhilfeempfänger habe keinen Anspruch auf fabrikneue Kleidung.

Hartz-Protest 02

In diesem Fall ging das Sozialamt so weit, im Internet nach entsprechenden Angeboten zu googeln und wurde auch fündig. Man legte dem entscheidenden Gericht Ausdrucke von Internet-Seiten vor, die billige/gebrauchte Kleidung anboten. Das entscheidende Gericht war das Landessozialgericht von Schleswig Holstein. Es benutzte die vorgelegte Internetseite, um im Sinne des Sozialamtes zu entscheiden, ohne überhaupt der Frage nachzugehen, ob sich ein Sozialhilfeempfänger einen Computer und Internetanschluss überhaupt leisten kann.

Ein anderes Landessozialgericht hatte bereits früher geurteilt, Hartz-IV-Betroffenen hätten keinen Anspruch auf einen Zuschuss, wenn ihr Computer nicht mehr funktioniere und ein Neuer angeschafft werden müsse.

Das ist deutlicher Ausdruck deutscher Gerichtsbarkeit. Der Computer wird einerseits von einem Gericht als Luxusartikel angesehen, andererseits muss ein Sozialhilfeempfänger im Internet googeln, um gebrauchte bzw. billige Kleidung zu finden.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Das ist die typische Situation des „Hauptmann von Köpenick“: Er bekommt keine Arbeit, weil er keine Wohnung hat und bekommt keine Wohnung, weil er keine Arbeit hat. Deutsche Gerichte lieben es, ausweglose Situationen für den Untertan zu schaffen.

Hier ein Auszug aus dem Urteil:

„...sei zutreffend vom Beklagten auf die Zumutbarkeit der Anschaffung von gebrauchten Kleidungsstücken verwiesen worden.

Diese Auffassung teilt der Senat; (...) wobei letztlich der Kleidungsbedarf insgesamt ggf. dadurch gedeckt werden müsste, dass gebrauchte Kleidung, z. B. in Secondhand-Geschäften, auf Flohmärkten oder über das Internet erworben wird.“

Auch der Hinweis auf Flohmärkte und Secondhand-Geschäfte zieht nicht, denn nicht jeder hat Zugang zu solchen Kaufgelegenheiten. Ausserdem sind dort auch nicht alle Grössen und Formen erhältlich. Hartz-IV-Geschädigte und Sozialhilfeempfänger generell auf gebrauchte Kleidung zu verweisen, ist schlicht und einfach abartig.

Hartz-Protest 01

Das Entscheidende an diesem Gerichtsurteil auf der Ebene des Landes-Sozialgerichtes ist nämlich nicht der konkrete Fall, sondern die Tatsache, dass diese Regel nun allgemein angewandt werden wird, immer mit dem Hinweis auf dieses Urteil.

Dabei sollten wir nicht vergessen: Es sind keineswegs nur die Richter, die sich mit dicker Brieftasche auf unsere Kosten gütlich tun. Es ist auch die Politikerkaste, die das neue Sozialgesetzbuch beschlossen hat, das die Grundlage für solche Entscheidungen liefert: Es waren die Politiker von CDU/CSU und SPD, von Grünen und FDP, die dies gemeinsam auf dem Gewissen haben!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Hartz IV muss weg!


Veröffentlicht am 17. Juli 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

Montag, 14. Juli 2008

Fannie und Freddie in der Bredouille

Der nächste Schritt beim Rutsch in die Weltwirtschaftskrise

Von Karl Weiss

Hier bereits mehrfach vorausgesagt, erleben wir im Moment das Abrutschen in die Weltwirtschaftskrise, das eben in die zweite Phase eingetreten ist. Auslöser (aber nicht Ursache) war die US-amerikanische Immobilienkrise, aber die eigentliche Krise besteht im Rückgang der weltweiten Produktion, im Schließen von Fabriken und Firmen und Vernichten von Produktionskapazitäten.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Die zweite Phase begann am Freitag und hängt wiederum mit dem US-Immobilienmarkt zusammen. Die riesigen Immobilien-Finanzierer Fannie Mae und Freddie Mac seien in seriösen Finanzierungsproblemen, wurde berichtet, nachdem die US-Regierung bereits die wesentlich kleinere Immobilien-Bank Indy Mac übernahm. Die Kurse (Dow Jones) in New York reagierten mit einem Verlust von 2% an einem Tag und der Index rutschte unter die Marke von 11.000 Punkten, die eigentlich eine starke Stopp-Linie hätte darstellen sollen.

Man erinnere sich daran: Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde die Marke von 20.000 Punkten für möglich gehalten.

Housing Slump

Indy Mac, eine Hypotheken-Bank, war praktisch Pleite gegangen und wurde von dem Hilfsfond aufgefangen, den die Regierung den Banken vorgeschrieben hatte, nachdem die Sparer insgesamt 1,3 Milliarden Dollar abgezogen hatten. Das ist der zweitgrößte (oder drittgrösste) Banken-Crash in der ganzen US-Geschichte!

Dies allein hat aber noch keine verheerenden Folgen. Die kündigen sich vielmehr an, wenn die beiden riesigen US-Immobilien-Banken „Federal National Mortgage Association“, genannt Fannie Mae, die größte Hypothekenbank der Welt, und die zweitgrößte, „Federal Home Loan Mortgage Corporation“, genannt Freddie Mac, in ernste Schwierigkeiten geraten, was für diese Woche erwartet wird.

Die beiden Banken bedienen im Moment praktisch alleine die Immobilien-Darlehen und Hypotheken in den USA, nachdem sich alles, was Beine hatte, aus diesem Markt zurückgezogen hat. Es ist undenkbar, die beiden würden Pleite gehen, denn damit wäre der gesamte Immobilien-Sektor gestoppt. Niemand könnte mehr bauen oder kaufen (es sei denn, er hätte alles Geld bereits vorher flüssig).

Immobilienkrise USA

Man kann also sicher davon ausgehen, die US-Regierung wird die beiden auffangen, sei es mit Steuergeldern und/oder mit Hilfe anderer Banken.

Trotzdem wäre eine solche Auffangaktion ein Desaster. Die Bedingungen, zu denen noch Hypotheken und Bau-Finanzierungen gewährt würden, verschlechterten sich gewaltig und die Bautätigkeit würde zusammenschnurzeln wie ein Hamburger in der Bratpfanne

Auch international hätte dies schwere Auswirkungen, denn der Hypothekenmarkt ist auch bereits globalisiert, wie sich u.a. an den Problemen der deutschen Landesbanken gezeigt hat.

Zwar ist noch nicht sicher, ob eine grosse Auffangaktion notwendig sein wird, aber die Börsen – auch ausserhalb der USA – werden bereits auf die Möglichkeit reagieren. Die Aktienkurse der beiden Institute brachen seit Beginn der Immobilienkrise bereits um etwa 90% ein. Am vergangenen Freitag verlor die Fannie-Aktie etwa 30%, die von Freddie um die 28%.

„Wir befinden uns inmitten eines Tsunamis im Finanzsektor. Dies ist ein Sturm, den die USA zuvor noch nie erlebt haben", sagte Peter Kenny, Direktor von Knight Equity Markets, laut einer Meldung der Wiener „Presse“.

In einer anderen Presemeldung wird berichtet, die Analysten erwarten in Deutschland einen Dax von 5600 für diese Woche.

Wichtig ist aber zu sehen: Die Weltwirtschaftskrise steht erst am Anfang. Bisher hat sie im engeren Sinne noch gar nicht begonnen. Das offizielle Kriterium einer Weltwirtschaftskrise ist, wenn die wesentlichen OECD-Länder zwei aufeinananderfolgende Quartale mit Verringerung des GDP (so etwas wie das das Bruttosozialprodukt) aufweisen. Das ist bisher noch in keinem Land der Fall.

Wenn das im Moment ein Tsunami ist, dann stelle man sich vor, welche Worte man verwenden wird, wenn die Weltwirtschaftskrise im engeren Sinne wirklich ausbricht.


Veröffentlicht am 14. Juli 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Zusatz zum Artikel vom 15.7.08
Wie sich die Immobilienkrise in den USA konkret auswirkt, zeigt eine Meldung, die heute um die Welt ging: In der grossen Industriestadt Cleveland, Ohio sind bereits 10% aller Häuser im Besitz der Banken, d.h. die ehemaligen Besitzer haben sie an die Bank verloren, weil die Raten zu hoch wurden. Die Banken warten auf bessere Zeiten, um die Häuser zu versteigern, denn im Moment sind die Preise auf Niedrigst-Niveau.
Wie die Wirtschaftskrise in den USA voranschreitet, sieht man an einer anderen Meldung: General Motors hat heute angekündigt, die noch vorhandenen Personalkosten um 10% vermindern zu wollen, also Massenentlassungen, nachdem man vorher bereits das Schliessen von vier der Fabriken angekündigt hatte.


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

Sonntag, 13. Juli 2008

Niemeyer ist 100 – 'Auf dem Höhepunkt des Schaffens'

BRASILIEN JENSEITS VON FUßBALL UND SAMBA, TEIL 4:
Niemeyer ist 100 - "Auf dem Höhepunkt des Schaffens"


Von Elmar Getto

Niemeyer – wer war das noch gleich? Oscar Niemeyer! Aaaah richtig, jener große Architekt des 20. Jahrhunderts, der Brasilia gezeichnet hat! Wann ist der eigentlich gestorben? Hat jemand irgendetwas von ihm gehört?

Niemeyer

Oscar Niemeyer lebt, ist im Dezember 2007 100 Jahre alt geworden und erklärte in einem Interview, er stehe auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Er betont, daß er Brasilianer ist. Er hält weiter seinen kommunistischen Ansichten die Treue und arbeitet intensiv, im Moment an mehreren großen Projekten, abgesehen von einigen Oberaufsichten über die Realisierung älterer Projekte. Einer seiner Mitarbeiter im Studio im obersten Stock eines Gebäudes an der Copacabana in Rio mit Blick auf eine der beeindruckendsten Landschaften der Erde, wo Niemeyer weiterhin von Montag bis Samstag arbeitet, sagt: „Ich arbeite mit Niemeyer seit 35 Jahren, aber ich habe nie eine Phase gesehen, in der er so kreativ war. Er zeichnet jeden Tag Formen, die man noch nie gesehen hat.“


Brasilien (topographisch)

Dies ins Stammbuch jener kleingeistigen Philister in den Manager-Etagen deutscher Firmen, die Menschen mit 50 Jahren bereits zum alten Eisen werfen.

Niemeyer ist mit Sicherheit das größte Phänomen der Architektur des 20., aber eben auch des 21. Jahrhunderts und ebenso ein Phänomen in seiner Aktivität mit 100 Jahren. Ein großer Teil dessen, was sich moderne Architektur nennen kann, basiert auf seinen Ideen und Werken. Er hat die moderne Architektur mehr beeinflußt als alle anderen. Für sein Lebenswerk hat er 2004 den japanischen Kaiser-Preis erhalten. Die Irakische Architektin Zaha Hadid, die in London lebt, erwähnte ihn bei der Preisverleihung des Pritzker-Preises (der 'Nobel' der Architektur) 2004 ausdrücklich als hauptsächlichen Einfluß.

Niemeyer Nationalkongress

Keine brasilianische Stadt, die etwas auf sich hält, ohne Werke Oscar Niemeyers.

In São Paulo steht bis heute das erste moderne Wohnhochhaus aus den vierziger Jahren, in Form eines S, das heute zwischen vielen anderen ähnlichen fast nicht mehr auffällt. Nur war es eben das erste und fast alles, was heute an Wohnhochhäusern gebaut wird, wird zum Abklatsch oder zu etwas weniger Gelungenem als dieses erste. Auch die Gedenkstätte für Lateinamerika (1988) von ihm in dieser Stadt bleibt ein Anziehungspunkt für Architekturstudenten.

Niemeyer

Einen seiner größten Siege feierte Niemeyer 2004, als im Ibirapuera-Park in São Paulo das Auditorium eingeweiht wird, das er in den fünfziger Jahren (!) projektierte, ein Gebäude, bei dessen Anblick jedem das Wort ‚hypermodern’ einfällt.

Der Ibirapuera-Park war in den fünfziger Jahren von Burle Marx, einem anderen berühmten Brasilianer, wohl dem besten Landschafts-Architekten des 20. Jahrhunderts, konzipiert worden und einige Gebäude wurden von Niemeyer eingefügt, doch das Auditorium war damals nicht gebaut worden. Es ist an einer Seite offen, bezieht so den Park mit ein und öffnet die Veranstaltungen für alle Parkbesucher, ein demokratisches Auditorium (was natürlich nur in einem warmen Land wie Brasilien möglich ist).

Niemeyer Palácio Planalto

In Rio de Janeiro ist es vor allem das Monument der Gefallenen des 2.Weltkriegs am Strand von Flamengo, das die Aufmerksamkeit jedes Besuchers findet. Von ihm ist auch das Gebäude des Lateinamerikanischen Parlaments und das des Museums der modernen Kunst, gleich in der Nähe. Eines der gelungesten in seiner Leichtigkeit ist aber mit Sicherheit sein Museumsbau in Niteroi, der Stadt auf der anderen Seite des Zuckerhutes, eine Art UFO, schwebend über dem Meer an einer felsigen Steilküste, genau an jenem Punkt, an dem man die schönste Sicht auf das gegenüberliegende Rio de Janeiro mit seinen runden Bergformen hat, die fast wie von Niemeyer geschaffen scheinen (in Wirklichkeit dürfte es anders herum sein: Die runden Bergformen haben zum Teil die Ideenwelt Niemeyers geprägt).

Niemeyer Museum zeitgenössische Kunst

Rio hat seinem Sohn Oscar Niemeyer auch die treffendste Huldigung dargebracht: Die Straße zwischen den Stränden São Conrado und Leblon im Stadtgebiet von Rio, über einem Felsabsturz ins Meer, einer der landschaftlich schönsten Punkte der Erde, heißt schon seit vielen Jahren Avenida Niemeyer.

In Belo Horizonte steht der erste moderne Sakralbau, das Kirchlein des heiligen Franziskus am Ufer des Pampulha-Sees mitten in der Stadt, das 1940 eingeweiht wurde. Es war das erste Mal, daß jemand geschwungene Formen in Beton in einem Gebäude eingesetzt hat. Gerade war der Stahlbeton erfunden worden und damit die Möglichkeit, einem Gebäude jede beliebige Form zu geben, rund, mit weiten Überhängen usw.

Sankt-Franziskus-Kirche von Niemeyer

Die katholische Kirche weigerte sich jahrelang, das neue Kirchlein zu weihen, das vom damaligen Bügermeister der Stadt, Juscelino Kubitschek, in Auftrag gegeben worden war. Das Werk eines Atheisten und Kommunisten, das wollte man nicht als Kirche.

Erst als Architekten und Architekturstudenten aus aller Welt begannen nach Belo Horizonte zu pilgern, nahm man das Geschenk an. Zusammen mit seiner Rückwand, völlig in blauen Fliesen, geschaffen vom brasilianischen Maler Portinari (darstellend das Leben des Heiligen), stellt das Kirchlein nicht mehr ein architektonisches Werk, sondern ein einmaliges Kunstwerk dar, etwas, das man von späteren modernen Sakralbauten nicht sagen kann. Seine Form in vier Bögen mit einem kleinen Glockenturm, der nach oben hin breiter wird, ist der eigentliche Anfang und Ausdruck aller modernen Architektur. Heute gibt es kein Brautpaar in Belo Horizonte mehr, das nicht in dieser Kirche getraut werden will.

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-3

Und schließlich - Brasilia. Als Kubitschek 1955 zum Präsidenten gewählt worden war, beschloß er, das Augenmerk Brasiliens, das immer auf der Küste gelegen hatte, ins Landesinnere zu lenken. Dort sollte eine neue Hauptstadt, Brasilia, geschaffen werden, weit im Inneren des Landes, auf einer dürren Hochebene gelegen, am Rande des Bundestaats Goias, und dort ließ er – wie in den USA – einen eigenen Bundestaat schaffen und ihn ‚Föderativer Distrikt’ (Distrito Federal) nennen.

Diese neue Hauptstadt sollte vor allem die Modernität Brasiliens und den Fortschritt (der in der Fahne Brasiliens steht) dokumentieren und so gab er den Architekturauftrag an Niemeyer, der den Plan der ganzen Stadt in Form eines Flugzeugs entwarf. Auch die einzelnen Regierungsgebäude und die Kathedrale wurden von ihm gezeichnet. Niemeyer lebte drei Jahre auf der Baustelle und entschied und überwachte jedes Detail.

Kongress Brasilien Brasilia

Steht man heute auf dem ‚Platz der drei Gewalten’ in Brasilia, vor sich das Parlamentsgebäude mit der konkaven Kuppel für den Senat und der konvexen für das Abgeordnetenhaus, zur rechten den Präsidentenpalast mit einer großen Auffahrtsrampe über einem riesigen Wasserbecken, zur Linken das Gebäude des Obersten Gerichtshofs mit einer überdimensionalen modernen ‚Justitia’, dann wird einem klar, daß diese Gebäude, vor fast 50 Jahren eingeweiht, heute kein Architekt besser oder moderner konzipieren könnte. Niemeyer selbst sagt dazu im Interview: „Wenn Sie dort stehen, mögen Ihnen die Gebäude gefallen oder nicht, aber Sie können nicht sagen, Sie hätten so etwas schon einmal gesehen.“

Niemeyer Nationalkongress

Vom genannten Platz geht die große Mittelachse Brasilias aus, an der alle Ministerien stehen. Am anderen Ende der Achse war schon damals ein Kulturzentrum vorgesehen, das aber nicht zur Ausführung kam. Es ist jetzt in Planung. Das zentrale Gebäude wird ein kuppelförmiger Bau von 80 Metern Durchmesser sein, aus dem ein Beton-Halbkreis herausragt, so daß der Eindruck vom Saturn mit seinem Ring entsteht.

Niemeyer Nationalmuseum Brasilien

Sollte jemand einmal nach Brasilien reisen, wird er wohl auch in Ouro Preto halt machen, der am besten erhaltenen Barock-Stadt Brasiliens (wir hören demnächst noch von ihr, wenn es um das brasilianische Gold geht). Dort kann man im ‚Grand Hotel’ absteigen, das von niemand Geringerem als Niemeyer konzipiert wurde.

Hier zeigt er, in einem Umfeld herausragender barocker Architektur, die Lösung für das Problem jedes Architekten, der mit einem historischen Umfeld konfrontiert ist: die Bescheidenheit. Er maßt sich weder an, Barockarchitektur zu imitieren, noch stellt er modernistische Niemeyer-Architektur großkotzig gegen die historischen Kirchen. Er schafft einen niedrigen, langgesteckten Bau am Berghang, der seine Modernität nicht verleugnet, sich aber ganz zurücknimmt in modernistischen Details. Wer dort absteigt, kann sein Früstück in einem Raum mit Blick über die Stadt einnehmen, der vom Meister persönlich mit Zeichnungen auf den Wänden und einem Spruch ausgeschmückt ist.

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-4

Aber Niemeyer arbeitet(e) nicht nur in Brasilien. Sein internationaler Durchbruch kam, als er 1947 den Zuschlag für sein Projekt für das UN-Gebäude in New York bekam. Danach folgten Hunderte von Projekten: Er konzipierte eine Moschee in Algerien, die den damaligen Premier Boumedienne, der gerade den langen Befreiungskrieg gegen die Franzosen gewonnen hatte, zum Ausruf hinriß: „Das ist eine revolutionäre Moschee!“

Er entwarf für die KP Frankreichs das neue Zeitungsgebäude, noch vor wenigen Jahren überraschte er erneut mit einem Observationsturm mit Hotel und Restaurant in Brighton in England und 2004 wurde eine riesige Skulptur von ihm nach Frankreich geschafft, die an der Nationalbibliothek in Paris aufgestellt wurde.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Überhaupt ist Niemeyer nicht nur Architekt, sondern auch ein Zeichner und Bildhauer von hoher künstlerischer Qualität. In Niteroi z.B., wo inzwischen 11 seiner architektonischen Werke zu bewundern sind, viele innerhalb von Gehweite (es gibt dort einen Niemeyer-Weg, der einige verbindet), wurde vor kurzem das neue Theater eingeweiht, in dem er ebenfalls die Idee des „offenen Theaters“ zur Ausführung bringt. Dort hat er die gesamte Malerei in der Innenausstattung und an der Aussenwand sowie eine Anzahl von Skulpturen selbst ausgeführt.

In einer Anzahl von Ländern, in denen der Antikommunismus Staatsreligion ist, so wie die USA und die Bundesrepublik, wird Oscar Niemeyer im allgemeinen mit Mißachtung gestraft. Wo kämen wir hin, wenn wir noch einen Kommunisten als Genie feiern würden? Wenn überhaupt erwähnt, wird er als ‚umstrittener Architekt’ bezeichnet, seine Gebäude in Brasilia als ‚pathetisch’.

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-2

Auch brasilianischen reaktionären Politikern ist Niemeyer ein Dorn im Auge. Der Bürgermeister von Rio de Janeiro, Maia, ein Politiker vom Typ Stoiber, der seine Wiederwahl sichert, indem er rigoroseres Vorgehen gegen die Kriminellen verspricht, während die Kriminalität ohne Halt ansteigt, ließ eine Anzahl von Skulpturen entfernen, die Niemeyer auf eigene Kosten am Leme-Strand hatte aufstellen lassen und die von der Bevölkerung angenommen worden waren.

Eine andere Art der Mißachtung ist, speziell, wenn sich Deutsche mit ihm beschäftigen, die wiederholte Erwähnung seiner ‚deutschen Abstammung’, die ihn selbst auch in Wut bringt, so als ob ein ‚richtiger’ Brasilianer (Wer wäre das? Ein Indio, ein Schwarzer?) niemals in der Lage wäre, Herausragendes zu leisten. Hat man je gehört, daß große Geister aus den USA (ja, auch in einem Land, das von George W. Bush regiert wird, gibt es große Geister, ich erwähne nur Noam Chomsky) andauernd als ‚von irischer, italienischer, englischer, deutscher oder sonstiger Abstammung’ bezeichnet werden? Wird etwa andauernd erwähnt, daß Thomas Mann ‚brasilianischer Abstammung’ war (seine Mutter war Brasilianerin)?

Oscar Niemeyer 99

Das größte Projekt, das momentan in Bau ist, ist sein neu konzipiertes Regierungszentrum des Bundesstaates Minas Gerais auf einer Fläche von etwa 42 Fußballfeldern in einem Stadtteil von Belo Horizonte. Das verwegendste ein Museum in Fortaleza, das im Meer gebaut wird. Auch in Niteroi ist ein Merresmuseum unter dem Meeresspiegel in Planung. Eben eingeweiht wurde die neue Zentrale der brasilianischen Itaipu-Verwaltung (Itaipu ist das riesige Staudamm- und Stauseeprojekt an der Grenze zu Paraguay zusammen mit diesem Land). Neben dem Verwaltungsgebäude und einem großen Auditorium umfaßt es einen See, einen Turm, eine Brücke über den See usw. Die Paraguayaner auf der anderen Seite des Flusses waren so begeistert, daß sie das gleiche für ihre Seite bei ihm in Auftrag gaben.

Befragt, was er an seinem 100. Geburtstag machen werde, antwortete er: „Ich werde verschwinden. Nichts ist wichtig. Jeder hinterläßt eine kleine Geschichte und verflüchtigt sich.“ (Mit 100 wird wohl die Frage nach dem Geburtstag irgendwie identisch mit der Frage nach dem Todestag.)

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-5

Schließen wir mit dem Satz, den Niemeyer in seinem Arbeitsraum zwischen einigen Zeichnungen an die Wand geschrieben hat: „Das wichtigste ist nicht die Architektur, sondern das Leben, die Freunde und diese ungerechte Welt, die wir verändern müssen.“


Dieser 4. Teil von Elmar Gettos Brasilien-Reihe wurde am 27.12. 2004 in "Rbi-aktuell", heute Berliner Umschau, veröffentlicht, hier vom Autor redigiert und aktualisiert.

Weitere Artikel zu Niemeyer im Blog:

- Was schert es den Mond...

- Niemeyer ist 100 - und arbeitet noch jeden Werktag


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Montag, 7. Juli 2008

Exxon Valdez-Fall mit Taschengeldzahlung beendet

Strafe auf 500 Millionen Dollar reduziert – Exxon verbucht Gewinn im Fall

Von Karl Weiss

Die Exxon, heute Exxon Mobil, war im Jahre 1989 für das verheerendste Tankerunglück der Geschichte verantwortlich, bei dem in Alaska der Supertanker Exxon Valdez auf einen Felsen fuhr und seine gesamte Ladung von 100 000 Tonnen Rohöl (nach anderen Angaben 50 000 Tonnen) ins Meer nahe der Küste laufen ließ. 1900 km (!) der Küste von Alaska, die extrem fischreich war, wurde mit Öl und Schlamm bedeckt.

Exxon Valdez Spill

An der Katastrophe verdient

Bis heute hat sich die Meeresfauna und –flora dort nicht vollständig erholt. Doch die Exxon hat an dieser Katastrophe verdient - so unglaublich es erscheinen mag. Soeben wurde vom Obersten US-Bundes-Gerichte die Strafe auf ein Taschengeld zusammengekürzt

Die Verantwortung des Konzerns für das Unglück ergab sich aus zwei Fakten: Erstens hatte er als Kapitän auf dem Schiff einen für seine Trunksucht bekannten Mann eingesetzt. Zweitens war der Tanker (wie auch fast alle anderen Öltanker bis heute) nicht mit einer doppelten Wandung ausgestattet.

Die Exxon Valdez fuhr in jener Nacht im gut ausgeschilderten Prince William Sound, als der Kapitän seinen Posten verließ. Der als Alkoholiker bekannte Mann hatte nach einer Zeugenaussage im Prozess auch an diesem Tag zumindest vier Wodka getrunken. Obwohl das Fahren in einer landnahen Wasserstrasse (das Unglück geschah nur wenige hundert Meter vom Land entfernt) höchste Aufmerksamkeit verlangt, ging der Kapitän von der Brücke. Tatsächlich kam die Exxon Valdez dann von der Fahrrinne ab und krachte in einen Felsen.

Hätten die Supertanker wenigstens eine Unterteilung in verschiedene Tanks, sodass bei einem Loch in der Aussenhaut nur einer der Tanks ausläuft und nicht gleich die ganze Ladung, so wäre der Umfang der Schäden durch Unglücke geringer. Aber die großen Ölkonzerne sind die Besitzer der Welt und kümmern sich einen feuchten Kehricht m Umweltschäden. Zum Verhältnis der Ölkonzerne zur Umwelt siehe auch diesen Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/3049483/

Jeder kleine Besitzer einer Tankstelle ist gezwungen, Tanks mit doppelter Wandung zu benutzen und zusätzlich eine automatische Warnung einzubauen, um Lecks sofort zu melden. Die Ölkonzerne dagegen dürfen Riesenmengen des extrem umweltschädlichen Rohöls durch die Weltmeere schippern ohne die geringsten Sicherheitsvorkehrungen – und sogar noch Alkoholiker als Kapitäne einstellen.

Der Exxon-Valdez-Fall war darum so desaströs, weil der Unfall in Landnähe geschah und die schmierige schwarze Pampe sich auf 1900 km der Küste von Alaska legte. Dort sind die Laichplätze der wichtigsten internationalen Fisch-Populationen. Vor allem wurden Milliarden von Heringseiern vernichtet. Aber auch die Lachse laichen in den dortigen Gewässer, in diesem Fall weiter die Flüsse hoch, in den Süsswasserbereichen, die aber ebenso von der Ölpest betroffen waren.

Exxon Valdez Spill 1

Es waren 32 000 Menschen bzw. Familien unmittelbar von den Auswirkungen betroffen, vor allem Ureinwohner (Eskimos), die vollständig von der Fischerei für ihre Ernährung abhängen, aber auch andere Fischer, die ihren Broterwerb verloren, ebenso wie Besitzer von Küstenstreifen, die nun zu nichts mehr benutzt werden konnten.

Jeder dieser 32 000 Familien (das betrifft nur jene, die sich gemeldet haben; die Schätzungen gehen auf weitere Zehntausende, die nie Gelegenheit hatten, sich zu melden) hat die Exxon einen Betrag von etwa 15 000 Dollar als Entschädigung bezahlt. Es ist offensichtlich, dass dieser Betrag, den ein normaler Unterabteilungs- oder Gruppenleiter bei der Exxon im Monat verdient, bestenfalls symbolisch genannt werden kann.

Insgesamt hatte die Exxon damals etwa 500 Millionen Dollar an Entschädigungen gezahlt und für Reinigungsmaßnahmen ausgegeben, das ist für die Exxon Mobil ein Taschengeld, denn die Gruppe macht heute einen jährlichen Reingewinn von 43 Milliarden Dollar (Milliarden, nicht Millionen! Reingewinn, nicht Umsatz!) – und das, bevor der Ölpreis begann zu explodieren! Die gesamten Entschädigungen machten also gerade 1 % eines einzigen Jahresgewinns aus, während die Fisch-Populationen sich heute, 19 Jahre später, immer noch nicht erholt haben.

Exxon behauptet, alle Küstenbereiche gesäubert zu haben, aber die Wahrheit ist weit trauriger. Nur an Küstenstrichen und Stränden, die leicht für Menschen zugänglich sind, wurde gereinigt. Alle unzugänglichen Stellen sind bis heute verschmiert.´


Tausende von Familien von Ureinwohnern mussten in die nächsten Städte ziehen und dort um Almosen betteln, wie auch die Familien von Fischern.
Es waren in jenen Gewässern auch industrielle Fischfänger unterwegs, vor allem sieben Firmen, die in Seattle ihren Sitz haben, die sogenannten „Seattle Seven“. Exxon brachte es fertig, sie mit jeweils etwa 7 Millionen Dollar abzufinden, was bestenfalls für einen Monatsfang reichte. Man schaffte dies mit der Drohung, die Firmen würden sonst überhaupt keine Geld sehen, bis das oberste US-Bundesgericht entschieden hätte.

Wie lange das dauert, konnte man nun sehen. Die New York Times berichtete am 26. Juni 2008 über das abschließende Urteil des Obersten US-Gerichtshofs zur „Bestrafung“ des Konzerns, also etwa 19 Jahre nach der Katastrophe. Die ursprünglich als Strafe für das Fehlverhalten der Firma festgesetzte Summe von 5 Milliarden Dollar wurde auf ein Zehntel gekürzt, auf 500 Millionen Dollar, das ist, wie oben schon gesagt, ein Taschengeld für die Exxon Mobil.

Das Argument der Obersten Bundesrichter für diese Kürzung war, die Bestrafung und die Entschädigungszahlen müssten in etwa im Verhältnis 1:1 stehen. Die Tatsache also, dass völlig unzureichende Entschädigungen gezahlt wurden, wird nun als Argument genommen, um auch die Bestrafungssumme zu kürzen.

Nun mag jemand sagen, zwei Mal 500 Millionen Dollar, also insgesamt 1 Milliarde Dollar, das tut doch selbst einer Exxon Mobil weh. Nun, das sind etwa 2% eines heutigen Reingewinns in einen Jahr.

Aber es fragt sich: Hatte die Exxon Mobil dies wirklich zu zahlen? Die Antwort ist nein.

Die damalige Exxon konnte gleich nach den Desaster den ursprünglich vorgesehen Bestrafungsbetrag von 5 Milliarden Dollar als erlaubte und nicht zu versteuernde Sonderrücklage anlegen. Was man damit an Steuern gespart hat und an Zinsen und Zinseszinsen eingenommen hat, übersteigt heute, nach 19 Jahren, bereits bei weitem die 1 Milliarde Dollar, die zu zahlen waren bzw. sind. Mit anderen Worten: Die Exxon Mobil hat an der von ihr verursachten Katastrophe noch verdient!

Nicht einmal den Supertanker hat die Exxon verloren: Die Exxon-Valdez wurde repariert und fährt heute unter dem von der Konzernbezeichnung bereinigten Namen „SeaRiver Mediterannean“ auf den von Unterwasser-Felsen bedrohten Gewässern. Findet sie wieder einen solchen Felsen, werden wiederum 100 000 (oder 50 000) Tonnen Rohöl auslaufen. Weder Konzerne noch Regierungen haben also auch nur versucht, aus dem Desaster zu lernen.

So ist das im staatsmonopolistischen Kapitalismus: Die Monopolkonzerne haben sich Staat und Gesellschaft vollständig untergeordnet und müssen keinerlei andere Autorität fürchten, ausser natürlich der Revolution!


Veröffentlicht am 7. Juli 2008 in der Berliner Umschau


Originalveröffentlichung

Sonntag, 6. Juli 2008

Ausgerottete Künstler

Brasilien jenseits von Fußball und Samba

Teil 3: Ausgerottete Künstler

Von Elmar Getto


Nun wieder zurück zu den Indios. Vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, daß der amerikanische Kontinent erst vor etwa 10.000 bis 12.000 Jahren von Menschen besiedelt wurde, Südamerika erst vor etwa 5.000 bis 7.000 Jahren. Archäologie wurde in den Amerikas wenig bis gar nicht betrieben, denn was wollte man schon finden von den Vorfahren der Indios und Indianer, die man ja zum grossen Teil noch um das Jahr 1500 in der Steinzeit vorgefunden hatte. Allerdings hatten die doch schon sehr entwickelten Kulturen der Azteken, Mayas und Inkas da schon einige Fragezeichen gesetzt. So wurde denn auch die Archäologie praktisch ausschließlich in den Gebieten dieser Kulturen betrieben.

Erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann man, zunächst sehr sporadisch, auch außerhalb dieser engen Bereiche nach Spuren der ersten Bewohner der Amerikas zu graben, zunächst mit spärlichen Erfolgen.

Eine erste Sensation stellte sich ein, als man einige Hügel an den Stränden im südlichen Brasilien näher untersuchte.

Es stellte sich heraus, daß die Hügel künstlich aus Sand, Muscheln und Tonerde aufgeschüttet und mit einem bisher unbekannten Verfahren verfestigt worden waren. Diese sogenannten Sambaquis dienten Wohn-, Verteidigungs- und/oder Kultzwecken.

Die Sensation waren die dort gefundenen ‚Zoolithen’, geschliffenen Steinfiguren, die Tiere darstellen, Vögel, Fische usw. In anderen Steinzeit-Ausgrabungen hatte man schon behauene Steine gefunden, die bestimmte Tiere darstellten, aber nie vorher mit einer perfekt geschliffenen Oberfläche und auf einem künstlerischen Niveau, das einen modernen Bildhauer vor Neid erblassen läßt. Der Grad des Realismus der Darstellung wie auch der Grad der Abstraktion von der genauen natürlichen Form läßt auf ein künstlerisches Niveau schließen, die bisher für Steinzeitkulturen absolut unbekannt war.

Diese Kunstwerke konnte man im Original sehen in der Ausstellung ‚Antes’ , die 2004 in Rio de Janeiro gezeigt wurde.

Im Grunde mußte bereits zu jenem Zeitpunkt die gesamte Vorstellung der südamerikanischen Indios als „primitive Wilde“ einer Revision unterzogen werden, was aber noch nicht getan wurde. Doch dann, als die Grabungen auf verschiedene Gegenden Brasiliens ausgeweitet wurden, in den 90er Jahren und den ersten Jahren des neuen Jahrtausends, kamen immer mehr Zeugen hoher künstlerischer Vollendung ans Tageslicht und die Ergebnisse der C14-Analysen verlegten die Besiedlung Südamerikas immer weiter in die Vergangenheit. Über 20 000 Jahre und 30 000 Jahre kam man so schließlich zu den letzten Funden in einem Nationalpark im brasilianischen Bundesland Piauí, wo letztes Jahr Reste eines menschlichen Skeletts eindeutig als 50 000 Jahre alt identifiziert wurde.

Damit ist die gesamte bisherige Auffassung über die Ausbreitung der Menschen über die Kontinente widerlegt und es müssen neue Ansätze verfolgt werden und die Folgen dieser neuen Erkenntnisse für die gesamten bisherige Konzeption der menschlichen Vorgeschichte untersucht werden.

Es wurden in Brasilien Keramiken, z.B. der Santarém-Kultur, gefunden, die bis zu 30 000 Jahre alt sind. Die frühesten Steinzeitkeramiken in Europa sind 32 000 Jahre alt, also eine fast simultane Entwicklung.

Im Moment wird in Brasilien fieberhaft gegraben und es kommen fast wöchentlich neue phantastische Dokumente von fortgeschrittenen kulturellen Erzeugnissen ans Tageslicht. Die oben genannte Ausstellung zeigte einige der letzten Funde und Erkenntnisse. Die Sensation der Archäologie im Moment ist Brasilien!

Die Keramiken der Santarém-Kultur sind von einer feinen Ausarbeitung und haben Ziselierungen, wie sie bei Keramiken extrem ungewöhnlich sind. Auch sie können kaum als Kunsthandwerk betrachtet werden. Sie müssen in einer Reihe von Stücken als Kunstwerke angesehen werden. Diese Kultur verschwand aus unbekannten Gründen, bevor die Europäer Brasilien eroberten.

Etwas ähnliches gilt für die Marajoara-Kultur. Ihre Überreste wurden und werden auf der Insel Marajó ausgegraben, das ist die Insel von der Größe der Schweiz im Delta des Amazonas. Sie trennt die beiden wesentlichen Flußarme, allein der südliche, der an Belém, der Hauptstadt des Bundesstaates Pará (da kommen die Para-Nüsse her) vorbeifließt, über 50 km breit. Auch ihre Keramiken sind von künstlerischem Niveau. Sie kannten bereits eine weiße Glasur, ebenfalls ungewöhnlich bei Steinzeit-Keramiken, auf der sie dann nach dem Brennen mit roten und schwarzen Farbstoffen Keramikmalereien anbrachten, die in voller Schönheit erhalten sind. Sie begruben u.a. ihre Toten in Keramiktöpfen von Menschengröße mit solchen Ausschmückungen.

Was aber wirklich ‚das Aktuellste’ ist in der Archäologie, sind die Ausgrabungen und Entdeckungen in jenem Nationalpark im Bundesstaat Piauí, der schon erwähnt wurde. Dort tauchen fast monatlich unerwartete Neuigkeiten auf. Dort wurden Höhlen- und Felszeichnungen gefunden, die alle in Europa bekannten an Quantität und teilweise auch an Qualität übertreffen. Sie sind aus dem gleichen Zeitraum wie z. B. die von Altamira in Südfrankreich. Ob es sich bei diesen Steinzeitkulturen um Vorfahren der Indios handelt, die später angetroffen wurden, ist noch nicht bekannt. Auch diese Zeichnungen, darunter eine imposante Anzahl von Sex-Darstellungen in verschiedensten Stellungen, konnten in der oben genannten Ausstellung besichtigt werden.

Auch findet man immer wieder neue Muiraquitãs, von denen wir im letzten Teil bei Mario de Andrades ‚Macunaíma’ schon gehört haben. Sie repräsentieren ein Niveau der Jade-Schnitzereien, wie man es vorher nur in entwickelten Kulturen Chinas gesehen hat. Daß viele von ihnen, wie schon erwähnt, die Form eines Frosches haben, erklärt sich nach den neuen Erkenntnissen der Naturmedizin.

Aus bestimmten Fröschen haben die Indios eine Substanz gewonnen, die gute antibiotische Eigenschaften hat. Wenn indianische Medizinmänner also „Zaubergetränke“ brauten, hatte dies Sinn und es konnten tatsächlich Infektionen geheilt werden. Der Frosch symbolisiert deshalb schon lange bei den Indios die Gesundheit und ist damit die beliebteste Form der Muiraquetãs, die ja Amulette darstellen und Gesundheit bringen sollen.

Als ob das noch nicht reichen würde, hat man im brasilianischen Bundesstaat Paraíba auch noch Felsgravuren mit bisher ungeklärtem Alter gefunden (Pedra do Ingá), die einmalig sind. Es handelt sich nicht um Gravuren mit bildlichen Darstellungen, wie man sie bei Steinzeitkulturen erwartet, sondern um Symbole, Muster und Zeichen, die in die Felswand gegraben sind. Andere Steinzeitkulturen haben nach den bisherigen Kenntnissen so etwas noch nicht hervorgebracht. Eine Replika der gesamten Felswand war ebenfalls auf der oben genannten Ausstellung zu sehen.

Zusammengefaßt kann man schon jetzt sagen, daß noch weitere archäologische „Leckerbissen“ zu erwarten sind und daß feststeht, daß die frühen Bewohner Südamerikas z.T. ein künstlerisches Niveau erreichten, das man sonst nur aus „Zivilisationen“ kennt.

Unklar bleibt, ob die Indios, die 1500 von den europäischen Eroberern angetroffen wurden, auch Künstler dieser Qualität waren oder ob alle diese Kulturen zu diesem Zeitpunkt bereits ausgestorben waren. Da sich die Eroberer nie die Mühe gemacht haben, die künstlerischen Ausdrucksformen der Indios auch nur zur Kenntnis zu nehmen, kann man wenig darüber sagen.

Die heute übrig gebliebenen Indios sind mit Sicherheit nicht mehr als ein müder Abglanz von allem, was sie damals darstellten. Entwurzelt, dezimiert, eine geschlagene, untergehende Kultur – und selbst untergehen läßt man sie nicht in Würde.

Als im Jahre 2000 die fünfhundert Jahre seit der „Entdeckung“ Brasiliens gefeiert wurden, protestierten die Indios gegen die einseitige Geschichtssicht, die die Eroberung als „Entdeckung“darstellt und den Aspekt der fast völligen Ausrottung der Indios nicht einmal mit einem Nebensatz erwähnt. Der damalige Präsident Cardoso von Brasilien sprach die unsäglichen Worte: „Die Indios haben schon viel erhalten. Wenn sie heute demonstrieren, so weil sie mehr wollen....“

Man stelle sich vor, ein deutscher Bundeskanzler würde angesichts einer Demonstration von Juden sagen: " Die Juden haben schon sehr viel erhalten. Wenn sie heute demonstrieren, dann weil sie mehr wollen."

Hier ist der Eindruck einer brasilianischen Besucherin der genannten Ausstellung im Moment des Verlassens des Gebäudes:

„Ich war verwirrt, als ich aus den abgedunkelten Räumen der Ausstellung ins Tageslicht hinaustrat, an einem regenverhangenen Sonntag. Wie konnten die Indios jahrhundertelang als primitive Wilde behandelt und ‚verkauft’ werden und haben doch so phantastische Kunstwerke hervorgebracht? Ich stand einen Moment sinnend am Haupteingang des Gebäudes und sah auf den Platz, den Candelária-Platz, gleich links von mir die große Candelária-Kirche. Da fiel mein Blick auf ein kleines, schlichtes Holzkreuz, das dort vor der Kirche steht. An diesem Ort hatte 1993 ein Exekutions-Trupp von Polizisten 6 Straßenkinder erschossen und weitere 5 schwer verletzt, das bekannte ‚Candelária-Massacre’. Ich war wieder auf dem Boden des heutigen Brasiliens, des Brasiliens, das Millionen von Indios auf dem Gewissen hat und darauf besteht, weiterhin massenhaft Menschen zu töten. Sind es doch im Moment etwa 40 000 Brasilianer pro Jahr, die gewaltsam ums Leben gebracht werden.“

Wieviele Indios und Indianer wirklich zum Zeitpunkt der europäischen Eroberung in den Amerikas lebten, ist bis heute umstritten. Niedrige Schätzungen gehen von etwa 5 Millionen in Nord- und 4 Millionen in Südamerika aus. Die letzte Schätzung spricht dagegen von zwischen 50 und 100 Millionen in den Amerikas. Genauso wenig weiß man genau, wieviel davon direkten Massakern zum Opfer fielen, wie viele als Folge der Versklavung starben, wieviele von den von Weißen eingeschleppten Krankheiten dahingerafft wurden, wie viele Selbstmord begingen und wie viele an Hunger und Unterernährung und den damit zusammenhängenden Erkrankungen zugrunde gingen, weil sie nicht mehr den Lebensraum hatten, den ihre Weise zu leben braucht. Sicher ist nur, daß für alle diese Todesarten die Europäer verantwortlich waren.

Will man die Weißen ein wenig von Schuld freisprechen, so schätzt man den Anteil der Toten durch Krankheiten auf mehr als die Hälfte und das mag stimmen, nur kann man nicht davon ausgehen, daß diese Art der Ausrottung immer unbeabsichtigt war.

Besonders die Pocken (englisch: „Smallpox“) haben eine famose Rolle bei den Eroberungen gespielt. Man weiß heute, dass die Truppen des Aztekenkönigs Montezuma durch die Pocken fast halbiert wurden, bevor es die Spanier mit dem Rest aufnahmen. Das gleiche wiederholte sich kurz danach bei der Eroberung des mächtigen und wehrhaften Inkareichs. Die Ureinwohner der Amerikas hatten keinerlei Abwehrkräfte gegen Krankheiten, die gesunde junge Europäer normalerweise überlebten. Pocken und Masern waren für sie immer tödlich, andere typische Krankheiten wie der normale Schnupfen verliefen weit schwerer. Es liegen keine Beweise vor, daß die Spanier dies bereits zu diesem Zeitpunkt bewußt als Waffe einsetzten, aber es kam ihren Absichten sicherlich sehr entgegen. Später wußte man aber mit Sicherheit, daß die Pocken eine tödliche Biowaffe waren.

Es gibt dazu einen Brief aus dem Jahre 1763, geschrieben vom damaligen Oberkommandierenden der Britischen Truppen in Nordamerika, Feldmarschall Sir Jeffrey Amherst, als Antwort auf die Frage eines seiner Kommandeure, eines gewissen Bouquet, der angefragt hatte, ob man nicht die Pocken unter den ‚illoyalen’ Stämmen der Indianer mit Hilfe des Verteilens infizierter Decken verbreiten könne.

Zeichnung von der Übergabe der mit dem Pockenvirus infizierten Decken an die Indianer

Amherst to Bouquet, 17th of July 1763: „You will do well to try to inoculate the Indians by means of Blanketts as well as to try Every other method that can serve to Extirpate this Execrable Race. “ [Großschreibung im Original]

Amherst hatte zu diesem Zeitpunkt gerade siegreich den sieben Jahre dauernden Krieg gegen die Franzosen um die Herrschaft in Kanada abgeschlossen (1756 – 1763) und war nun mit dem ‘Pontiac Aufstand’ der Ottawa-Indianer konfrontiert. Pontiac war der Häuptling der Ottawa-Indianer.

Ist es nicht Ironie, daß ‚Pontiac’ heute eine der großen Automarken in den Vereinigten Staaten ist? Ob da wohl jedes Auto mit einer Decke kommt?

All dies läßt sich leicht verifizieren, wenn man „Jeffrey Amherst“ googelt.

Aber selbst wenn man davon ausginge, daß der krankheitsbedingte Teil der Ausrottung immer unabsichtlich geschehen wäre, sind auch die Massaker, die Versklavung und die die bewußte Beschneidung des Lebensraumes schon genügend, um den ach so christlichen Europäern den bewußten und massenhaften Genozid vorzuwerfen – und das über mehrere Jahrhunderte hinweg.

Und um speziell vom Christentum zu reden, die Missionare waren zu allen Zeiten und sind es noch heute Hauptträger und Mittäter dieses wahrscheinlich größten und langdauernsten Genozids der Menschheitsgeschichte. Sie kamen üblicherweise mit oder kurz nach den Eroberern, sie setzten sich dort fest und gaben damit allen eventuell einschleppbaren Krankheiten die beste Chance, die Ureinwohner zu infizieren. Sie setzten alles daran, sie von ihren Gewohnheiten abzubringen und halfen dadurch, sie ihrer Lebensgrundlage zu berauben. Sie versuchten, die Medizinmänner, die nach heutigen Erkenntnissen weit fortgeschrittenes Wissen über Naturmedizin hatten, zu desavouieren und raubten den Indios und Indianern damit eine andere Grundlage zum Überleben, vor allem aber segneten sie und die Kirchen, die sie gesandt hatten, alle einzelnen Genozid-Maßnahmen ab, seien es die Massaker, die Versklavung oder der Landraub. Der Papst verkündete auf Anfrage ausdrücklich, daß diese Indios keine unsterbliche Seele hätten und damit wie Tiere behandelt werden durften. Als die Jesuiten einmal gegen die Behandlung der Indios protestierten, ließ der Papst die Jesuiten aus Südamerika abziehen. (Diese Fakten kommen u.a. im Film „Mission“ vor, der im Gebiet der Grenze zwischen Brasilien und Paraguai spielt.)

Die missionarische Tätigkeit war (und ist), bestens belegt, eines der wichtigsten Probleme, das die amerikanischen Ureinwohner hatten (und haben). In dieser Erkenntnis haben heute die meisten Staaten in Südamerika, speziell Brasilien, Paraguai und Bolivien, die Missionstätigkeit bei Stämmen, die noch im Regenwald und entfernt von den Weißen leben, unter Strafe gestellt. Ungeachtet dessen gibt es weiterhin gewisse religiöse Organisationen, die unter höchster Geheimhaltung solche Stämme suchen und ‚missionieren’.

Ein Beispiel dafür kann man in einem Bestseller des US-amerikanischen Autors John Grisham, „Das Testament“ nachlesen, in dem er u.a. von einer Missionarin im Pantanal im Grenzgebiet zwischen den drei genannten Staaten erzählt. Während der Roman natürlich erfunden ist, stellt er in einer Anmerkung des Autors am Schluß des Buches fest, daß er seine Kenntnisse dieser Gegend, in der es noch Indio-Stämme gibt, die keinen oder wenig Kontakt zu Weißen hatten, von einem baptistischen Missionar hat, der ihn auf eine Tour ins Innere des Pantanal mitgenommen hat. Im Buch selbst wird auch über die strenge Geheimhaltung dieser baptistischen Missionstätigkeit berichtet.

Wenn heute gewisse Politiker von unserer ach so hehren westlich-christlichen Zivilisation und ihren hohen Werten schwafeln, (die es gegen die Angriffe durch die so weit unter unserer stehenden muselmanischen Kultur zu verteidigen gelte), so sollten wir uns immer daran erinnern, was die Träger dieser westlich-christlichen Zivilisation schon angerichtet haben und, wenn man nur in den Irak sieht, weiter anrichten. Wann hätten je islamische Eroberer auch nur annähernd Vergleichbares getan?


Dies ist der dritte Teil der Brasilien-Serie von Elmar Getto. Er erschien in "Rbi-aktuell", heute Berliner Umschau, am 8. Dezember 2004, hier in einer vom Verfasser redigierten und aktualisierten Version.


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

Artikel und Dossier der Woche

Artikel der Woche "CDU: Kein Anspruch mehr auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft" Da wurde es von Frau Merkel vorhergesagt

Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Israel und der Konflikt...
ICH FRAGE MICH WARUM DIE JUDEN SO BRUTAL GEGEN DIE...
mik4777 - 30. Jan, 20:32
Abscheulich!!!
Wie man überhaupt im Ansatz auf den Gedanken kommen...
david3371 - 3. Okt, 19:02
Der Vatikan schützt die...
Sehr geehrter Herr Weiss, der Vatikan k a n n die...
MoMa - 6. Jan, 10:28
Fünf Jahre ist das jetzt...
Fünf Jahre ist das jetzt her!!! Die eine Immobilienkrise...
girico - 6. Mär, 13:34
Ich teile nicht diese...
Ein führender Landespolitiker oder ein wichtiger Geschäftsmann...
Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

Status

Online seit 7111 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

Credits

Archiv

Dezember 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 
 
 

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Zufallsbild

UK: Anstieg Staatsschulden 2000 bis 2011

kostenloser Counter

Blogverzeichnis - Blog Verzeichnis bloggerei.de

AbbauRechte
AlternativPolitik
Brasilien
Deutschland
Fussball
Imperialismus
InternetundMeinungsfreiheit
Lateinamerika
Medien
NaherOsten
Oekonomie
Sozialabbau
Umwelt
Willkommen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren