Freitag, 6. November 2009

Lateinamerika: Neuer Militärputsch vereitelt?

Paraguay: Präsident entlässt die drei Chefs der Waffengattungen

Von Karl Weiss

Am 5. November 2009 hat der vor einem Jahr gewählte Präsident von Paraguay, Lugo, die Kommandeure aller drei Waffengattungen seines Landes entlassen. Es muss davon ausgegangen werden, dass Lugo ein Komplott zu einem Staatsstreich aufgedeckt hat, in das die drei Generäle (Admiräle) verwickelt waren oder das sie bewusst geduldet haben.

Lugo ist einer der letzhin gewählten linken Präsidenten in Lateinamerika und wird in der Regel mit Hugo Chávez (Venezuela), Evo Morales (Bolivien), Correa (Ekuador), Zelaya (Honduras, gegen den bereits ein Staatsstreich durchgeführt wurde) und Ortega (Nicaragua) in Zusammenhang gebracht.

Evo Morales

Die ersten Hinweise auf einen möglicherweise drohenden Putsch in Paraguay tauchten vor zwei Tagen auf, als der Vize-Präsident der venezuelanischen Gruppe im Lateinamerikanischen Parlament (kein richtiges Parlament, eher eine Vereinigung für Meinungsaustausch), Wimmer, davon sprach, rechtsextreme Kräfte und US-Agenten könnten in dem Staat im Zentrum Südamerikas einen Putsch planen.

Der Präsident Lugo selbst hatte noch einen Tag vor den Entlassungen jegliche Möglichkeit eines Putsches verneint. Auch die Sprecherin der US-Botschaft, Ayalde, dementierte Putsch-Pläne. Allerdings machte sie in ihrem Dementi im Überschwang einen Fehler, der auffiel. Sie sagte, sie kenne keine Pläne für einen Putsch und verneine auch Putschpläne. Wie kann sie sie verneinen, was sie nicht kennt?

Chávez

In Paraguay sind praktisch alle Medien in den Händen der lokalen Oligarchie, wie auch in allen anderen lateinamerikanischen Ländern. Diese Oligarchie herrschte in allen diesen Ländern unangefochten und war repräsentiert durch eine Partei oder zwei Parteien, die eine Alleinherrschaft ausübten oder sich in der Herrschaft ablösten. Die Bevölkerung wurde mit allen Mitteln arm und unwissend gehalten und die Oligarchie kungelte mit dem US-Imperialismus und öffnete ihm das Land zur Ausbeutung. Im Gegenzug gab die jeweilige US-Regierung der lokalen Oligarchie die Möglichkeit, unvorstellbare Reichtümer anzuhäufen.

All dies funktioniert jetzt nicht mehr so, wie es Oligarchien und US-Regierung gerne hätten. In Lateinamerika gibt es eine revolutionäre Unrast und in insgesamt 15 Ländern (nur gezählt Länder mit einiger Bedeutung) sind heute linke oder gemäßigt linke Regierungen an der Macht. Die Parteien der Oligarchie wurden in all diesen Ländern abgewählt.

Doch die Medien sind weiterhin fest in der Hand der Oligarchien, so auch in Paraguay. Eine Zeitung dort versuchte eines der typischen Manöver, wie sie vor Putschversuchen schon öfters beobachtet wurden. Um die Spuren möglichst zu verwischen, behauptete die Zeitung, der venezuelanische Präsident Chávez habe zu einem Putsch gegen Lugo aufgerufen. Diese Meldung wurde ausführlich im Parlament diskutiert, so als ob das irgendeine reale Basis haben könnte. Im Parlament hat Lugo keine Mehrheit.

Nun, Lugo kannte wohl seine Pappenheimer und hat anscheinend gehandelt, bevor es für ihn gefährlich werden konnte.

Bolivien: Bewaffnete Mitglieder von Rechts-Milizen
Bolivien: Bewaffnete Mitglider von Rechts-Milizen beim Putschversuch im letzten Jahr

Nun stellen sich aber wichtige Fragen: Während der Regierung Bush haben sich die USA anscheinend nicht um Lateinamerika gekümmert und die Entwicklung verschlafen. Nun aber, seit Obama ans Ruder kam, bereits ein Putsch (Honduras) und ein Putschversuch (Paraguay). Will der neue Präsident die alte Praxis wieder aufnehmen, für Putsche bzw. Putschversuche sorgen, wenn ihm in einem Land Lateinamerikas irgendetwas nicht passt?

Obama wird natürlich wieder dementieren, aber diesmal werden die diesbezüglichen Fragen nicht so schnell verstummen.

Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen
Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen

Niemand wagt in Lateinamerika einen Rechts-Putsch, wenn er sich nicht vorher mit den USA abgestimmt hat!

Wie es in Lateinamerika nach einem von den USA inspirierten Rechts-Putsch aussieht, berichtet dieser Artikel über Folter:

„Warum wird gefoltert?“. Hier ein Auszug:

„In Chile wurden meist ganze Familien von bekannten Oppositionellen aus den Häusern geholt und in die Folterhöhlen gebracht. Dort wurde dann nicht nur jeweils vor den Augen der anderen Familienmitglieder gefoltert, sondern auch systematisch Sex zwischen den Familienmitgliedern erzwungen, um sie zu demütigen. Der Vater musste es mit seiner Tochter treiben, wenn nicht, wurde die Tochter vor seinen Augen mit Stromstössen in der Vagina gefoltert, die Mutter mit dem Sohn, Geschwister miteinander usw.

Auch die homosexuelle Variante wurde oft erzwungen. Der Vater musste den Sohn von hinten nehmen oder vice versa, die Mutter mit der Tochter den berühmten Oralsex 69 machen.

Die Frau und Tochter eines der bekanntesten Linken in Chile wurden vor seinen Augen zu dieser Form von Sex gezwungen. Dabei war auch er angebunden beim Zusehen. Seine Tochter musste vorher mit dem Mund seinen Penis stimulieren und man machte Fotos von ihm mit Erektion angesichts des Oralsexes von Frau und Tochter. Ebenso hatte man Fotos gemacht, als seine Tochter ihm 'einen blasen' musste. Diese Fotos wurden später vielen Menschen zugänglich gemacht, um ihn allgemein zu desavouieren.

Einem anderen bekannten Politiker, der mit Allende verbunden war, wurde Ähnliches angetan. Man machte einen 16mm-Film von fast 10 Minuten, wie er und sein minderjährigen Sohn sich gegenseitig den Penis mit Lutschen zur Erektion brachten und wie er dann seinen Sohn von hinten nahm, während der sich bis zum Orgasmus masturbierte. Dieser Film wurde ebenfalls während der Herrschaft Pinochets und auch noch danach herumgezeigt, um den Politiker zum Objekt allgemeinen Abscheus zu machen.

Eine besondere Erniedrigung wurde durch das Zwingen zu Sex mit Hunden erreicht. Man hatte man speziell dafür dressierte Schäferhunde, die angebundene und gefesselte nackte Frauen penetrierten. Auf einer Foto-Reihe wird gezeigt, wie drei Frauen mit dem Bauch nach unten liegend jeweils auf einem Stuhl angebunden waren und von zwei Schäferhunden wieder und wieder 'bestiegen' wurden.“

Siehe zur politischen Situation in Lateinamerika auch diesen Artikel: "Fünf neue Stützpunkte für die USA in Kolumbien"


Veröffentlicht am 6. November 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 5. November 2009

GM hat nicht alle Karten in der Hand

Was sollen die Opel-Werker tun?

Von Karl Weiss

GM wird Opel nicht verkaufen. Nach fast einem Jahr von Vorspiegelungen falscher Tatsachen hat GM nun endgültig zugegeben: Man hat überhaupt nicht vor, Opel zu verkaufen (und hatte es wahrscheinlich nie). Man hat ausgelotet, wie viel herausspringen kann an Staatshilfen und an Abstrichen der Arbeiter und will dies Geld nun selbst einstreichen. Danach kann man Opel immer noch zumachen. Die Alternative für Opel ist laut GM-Chef Henderson die Insolvenz. Doch der deutsche Treuhänder Pfeil sagt, wenn es das wollte, hätte GM das längst haben können.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Und damit kommen wir bereits auf den Punkt: GM hat keineswegs alle Karten in der Hand in diesem Spiel. Die Insolvenz von Opel wäre auch für GM ein Desaster. Damit haben die Opel-Werker Trümpfe in der Hand. Die lauten: Streik, Werksbesetzung, so wie 2004 in Bochum. Das ist die Sprache, die man auch in Detroit versteht.

Ein Streik in den vier deutschen Opel-Werken (Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach und Bochum) würde die GM TÄGLICH zwischen 10 und 90 Millionen Euro kosten (je nach den genauen Bedingungen), das ist für einen sowieso schon angeschlagenen Konzern nicht mehr als eine Woche durchzuhalten. Erinnern wir uns: Als die Bochumer Opel-Werker, von der Schließung des Werkes bedroht, im Herbst 2004 zu streiken begannen, knickte GM bereits nach einer Woche ein und der Streik konnte nach 10 Tagen beendet werden.

Würden die Antwerpener Kollegen sich anschließen – was wahrscheinlich ist – würde die Kampfkraft noch stärker. GM ist darauf angewiesen, dass die Opel-Werke Autos bauen und Geld hereinkommt. Es besteht kein Grund zu glauben, GM würde Opel wirklich pleite gehen lassen. Wie gesagt, das hätten sie längst haben können.

Opel Merkel

Wie ist die Situation von GM? Von allen in den USA entwickelten Autos lassen sich außerhalb der USA praktisch keine verkaufen – mit einigen Ausnahmen in Entwicklungsländern, in China und Australien. Das technische Niveau ist viel zu schwach. Das ist auch der Grund, warum GM von der Krise besonders hart getroffen wurde.

Dagegen hat man bei Opel ein anspruchsvolles technisches Niveau. Im Prinzip kann man mit VW mithalten. Hier in Brasilien zum Beispiel kann GM mit Ausnahme eines 'Truck' und eines „SUV“, von dem nur einige hundert im Jahr abgesetzt werden, ausschließlich von Opel entwickelte Fahrzeuge verkaufen und nimmt immer noch den dritten Platz der Verkäufe nach Fiat und VW ein. Im Süden des Landes wird der Kleinwagen „Celta“ mit Opel-Technologie gebaut, daneben im Südwesten der Corsa in mehreren Versionen, dann der Astra und auch der Vectra, alles Original-Baupläne aus Deutschland.

Ähnlich geht es GM, wenn man Märkte in China, in Russland, in Indien usw. erobern will: GM ist mehr auf Opel angewiesen als Opel auf GM.

In den USA selbst hat man es mit geschickten Verkaufs- und Rabatt-Taktiken verstanden, die US-Amerikaner doch noch eine ganze Zeit dazu zu bringen, GM-Autos zu kaufen. Vor allem das intensive Appellieren ans Nationalgefühl hat am Ende doch immer wieder viele US-Bürger dazu gebracht, GM-Autos zu kaufen. Doch dieser Bonus ist nun dahin.

Die leichten Verkaufszuwächse nach dem tiefen Tal der Tränen mit praktisch halbierten Absatzahlen im Verlauf der aktuellen Krise sind ausschließlich auf das mit riesigen Geldsummen ausgestattetet Programm „Cash for Clunkers“ der US-Regierung zurückzuführen. Sobald das ausläuft, beginnt wieder Heulen und Zähneknirschen bei GM. Man hat sich in Detroit bisher von keinem der „bewährten Rezepte“ für die Insolvenz der Firma verabschiedet.

Barack Obama

Die Beteiligung des Staates „Vereinigte Staaten von Amerika“ nützt GM gar nichts, außer für die Geldausstattung. Aber auch die ist nicht endlos. Hohe Verluste wegen Streiks in Europa werden automatisch dazu führen, dass Anweisung gegeben wird: „Erledigen Sie das!“. Gemeint ist: „Bringen Sie die Leute mit Zugeständnissen dazu, aufzuhören.“

Also: Die Opel-Belegschaft (und das gilt natürlich auch für Vauxhall in England) sitzt am längeren Hebel, wenn man wirklich streikt (keine 1-Stunden-Streiks, die hinterher reingearbeitet werden, keine „Warnstreiks“, stattdessen Vollstreik und Werksbesetzung, so wie damals in Bochum!). Magna hätte noch die Möglichkeit gehabt, den Kauf rückgängig zu machen. Die hat GM nicht. Man ist Besitzer und muss für alles aufkommen. Die Drohung mit dem Opel-Konkurs braucht nicht ernst genommen zu werden, denn den will man nicht und er würde die schlechteste aller Möglichkeiten für GM bedeuten.

Es ist sehr wohl möglich, dass Opel noch geschlossen wird, eventuell auch GM überhaupt, denn die USA können nicht Geld bis zum ‚geht nicht mehr’ einschießen, aber das ist ein anderes Kapitel. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit des Überlebens von Opel mit einem wesentlichen Teil seiner Arbeitsplätze gibt, dann kann dies nur durch konsequenten Streik erreicht werden.


Veröffentlicht am 5. November 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 4. November 2009

Brasilien ist der Renner der Saison

Wird Brasilien das Land des Jahres 2010?

Von Karl Weiss

So unglaublich es klingen mag: das Entwicklungsland Brasilien hat es fertig gebracht, sich vom Trend der (fast kompletten) Welt abzukoppeln und aus der Krise heraus zu kommen. Während die USA in einer Arbeitslosigkeit nie gekannten Ausmaßes versinken, während China nun selbst „Bubbles“ erzeugt, während Großbritannien zu einem der Haupt-Risikofaktoren in Europa geworden ist, während Japan in einer Deflation bei gleichzeitigem BIP (Brutto-Inlandsprodukt)-Rückgang versinkt, während Deutschland die ganze Krise noch vor sich hat, hat sich Brasilien durch den Hinterausgang aus der Krise geschlichen.

Brasilien (topographisch)

Wie hat man das geschafft? Nun, Brasilien hat schlicht und einfach das genaue Gegenteil getan, was die bürgerlichen Ökonomen raten. Statt die öffentlichen Ausgaben zusammenzustreichen, hat man sie erhöht. Statt die Sozialausgaben zu kappen, hat man sie gewaltig erhöht. Statt zu privatisieren, hat man das wichtigste Staatsunternehmen, die Petrobras, in staatlicher Mehrheit behalten.

Logo Petrobras

Zum Beginn der Krise waren die brasilianischen Exporte auf etwa 15% des BIP gewachsen, was schon gewisse Bedenken hervorrief. Der Außenhandelsüberschuss war schon nicht mehr so riesig wie ein oder zwei Jahre zuvor, aber dies war auf einen Anstieg der Importe wegen der gut laufenden Konjunktur zurückzuführen, nicht auf eine Verminderung der Exporte. Und dies war erreicht worden mit einem brasilianischen Real, der extrem hoch bewertet war. Zum Beginn der Krise im September 2008 lag der Real bei 1 Dollar 50 – das war im Vergleich zur damaligen Kaufkraft eine Überbewertung von 30 bis 40%. Und – so unglaublich das klingen mag, das war mit den extrem hohen Zinsen geschafft worden, wie sie den Entwicklungsländern auferlegt werden. Zum damaligen Zeitpunkt lag der brasilianische Leitzins bei 12%! Versuchen Sie einmal in Deutschland mit einem Leitzins von 12% zu arbeiten. Sie würden sofort einen extremen Wirtschaftsabschwung auslösen.

All das sind Zahlen, bei denen ein bürgerlicher Ökonom sagt: „Das gibt’s nicht“, aber es war so. Das Wachstum des BIP in Brasilien war zu diesem Zeitpunkt bei 5%, das wurde nur von China und Indien übertroffen. Aber: dieses Wachstum war nur zu einem geringem Teil vom Export abhängig, der größte Teil war Wachstum des Binnenkonsums - also völlig verschieden von der im wesentlichen vom Export getragenen chinesischen Wirtschaft. Wie hatte man das geschafft?

São Paulo, grösste Stadt der südlichen Hemisphere

Präsident Lula, der in seiner ersten Amtszeit noch Neo-Liberales verbrochen hatte, dass man schon meinen konnte, es würde einen Schröder-Verschnitt geben, warf in seiner zweiten Amtszeit das Ruder herum und setzte auf Bekämpfung des Hungers und der Armut. Es wurden die zwei Programme „Fome Zero“ („Hunger Null“) und „Bolsa Familia“ („Familien Stipendium“) aufgelegt, die den Ärmsten der Armen monatlich eine kleine Geldsumme zukommen ließen, die zwar keinerlei Sprünge zuließ, aber zumindest reichte, um nicht zu hungern.

Dazu wurde der Mindestlohn Jahr für Jahr deutlich über der Inflationsrate angehoben. Zudem wurde die Erhöhung jedes Jahr einen Monat früher vorgenommen – er wurde also im 11-Monatsrhythmus angehoben. Heute steht der Mindestlohn bei 450 Reais im Monat bei einer 44-Stunden-Woche, das sind also etwa 250 Dollar. Das ist für ein Entwicklungsland viel. Zwar ist der Mindestlohn in Brasilien nicht zwingend – es gibt keine Strafe für jemanden, der ihn nicht einhält, aber er ist die wichtigste Bezugszahl für Renten und eben auch für Löhne. Viele der anderen Lohnerhöhungen orientierten sich an den Zuwachsraten des Mindestlohns.

Amazonas

Auch im öffentlichen Dienst wurden deutliche Lohn- und Gehaltserhöhungen gewährt, sodass das gesamte Lohnniveau bis hinauf in die Gehälter einen Sprung machte.

Die Effekte dieser Maßnahmen, die relativ billig waren, ist beeindruckend (alles das zusammen kostete deutlich weniger in den vier Jahren der zweiten Amtszeit des Präsidenten als in Deutschland die Rettung der Hypo Real Estate und der Landesbanken). Der Hunger wurde in Brasilien (mit bestimmten Ausnahmen) beseitigt. Das führte dann auch zu einer Verringerung der Kindersterblichkeit in den besonders armen Gebieten und einem Zurückdrängen von Krankheiten. Die Armen in Brasilien (also nicht die, welche in totaler Misere gelebt haben) haben in großen Teilen nun ein Lebensniveau erreicht, das ihnen zum ersten Mal ein Minimum von menschenwürdigem Leben ermöglicht. Wer wenig verdient hat, kann jetzt in vielen Fällen daran denken, die eine oder andere Anschaffung zu machen. Die Zahl der Brasilianer, die sich ein Auto leisten können, ist steil gestiegen, was wiederum einen wesentlichen Teil des Wachstums ausgemacht hat.

Favela in Belo Horizonte

Die Nicht-Regierungs-Organisation „Action Aid“ hat diese Anstrengungen der brasilianischen Regierung gewürdigt. Sie erklärte, Brasilien habe eine Vorbildfunktion für alle Entwicklungsländer mit dieser Politik. Das Land zeige, „was erreicht werden kann, wenn die staatlichen Mittel und die Bereitschaft zur Bekämpfung von Hunger vorhanden sind.“

Nach Ansicht der Direktorin der ‚Action Aid, Anne Jellema, ‚“ist die Rolle des Staates und nicht das Ausmaß des Reichtums für die Fortschritte in Bezug auf Hunger verantwortlich.”

Nach Angaben der Organisation werden in Brasilien etwa 44 Millionen Menschen von den sozialen Programmen erreicht und hungern nicht mehr. Die Programme hätten zu einer Reduzierung von 73% der Unterernährung von Kindern im Lande geführt. Allerdings mahnt die Organisation an, dass viele Landlose und Kleinbauern weiterhin keine Möglichkeit haben, sich ausreichend zu ernähren.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Vielleicht war es nicht ganz unbedeutend für diesen Fortschritt, dass Präsident Lula selbst aus einer extrem armen Gegend stammt und als Kind und Jugendlicher hungern musste. Er weiß, wie weh das tut.

So wurde also Brasilien im Oktober 2008, als sich die Wellen der Krise über die ganze Welt ausbreiteten, mit einem Brutto-Inlandsprodukt angetroffen, das zu fast 80% auf internem Konsum basierte. (Zum Vergleich: In Deutschland waren etwa 40% auf Export basiert).

Rio de Janeiro Botanischer Garten 1

Was passierte? Nun, im wesentlichen das gleiche wie in anderen Ländern: Der Export krachte zusammen wie von einem Tsunami getroffen. Der Kurs des Real fiel innerhalb von Tagen von 1 Dollar 50 auf 2 Dollar 40. Der Index der brasilianischen Börse halbierte sich praktisch. Fast alles Spekulationsgeld aus dem Ausland, das nach Brasilien geflossen war, wurde innerhalb einer Woche abgezogen. Der Verkauf von Autos ging fast auf Null, weil es keine (relativ) billigen und langfristigen Kredite mehr gab. Die Autoindustrie dekretierte Zwangsferien und die Auto-Teile-Industrie entließ Tausende von Arbeitern. Die Auto-Teile-Industrie beschäftigt in Brasilien weit mehr als die Auto-Industrie selbst. Auch die Minengesellschaften und die Stahlindustrie wurden hart getroffen und entließen.

VW Brasilien Autohalde
VW Brasilien: Autohalde auf dem Höhepunkt der Krise

Das ergab natürlich eine deutliche Verringerung des BIP. Fast der ganze Zuwachs bis zum September 2008 wurde bis zum Jahresende aufgezehrt. Allerdings hatte Brasilien keine einzige Bank zu retten und keine Versicherungsgesellschaft. In Brasilien hatte sich niemand in erkennbarem Ausmaß an den Spielkasino-Orgien der Finanzmärkte der ach wie so entwickelten Länder beteiligt.

Damit blieb Geld in den Kassen für ein Konjunktur-Programm. Das allerdings war ein Mini-Programm und beschränkte sich auf zwei Maßnahmen: Es wurde die Verkaufssteuer auf Kleinwagen und elektrische Haushaltsgeräte zeitweise ausgesetzt und die staatliche Bundes-Sparkasse stellte wieder (relativ) billige und langfristige Kredite zum Auto- und Haushaltsgerätekauf bereit – und zwang damit die Banken, dies auch zu tun.

Carnaval Rio 2009 20

So rappelte sich Brasilien langsam wieder auf, was die entwickelten Länder nicht schafften. Mit dem zeitweisen Erlassen von Steuern wurde nicht viel Bedarf vorgezogen, so dass Brasilien jetzt nicht wie Deutschland und andere Länder mit Abwrackprämien ein Loch im Autoabsatz erwarten muss. Ein Teil des Exports ist schon wieder ins Laufen gekommen. China als wichtiger Abnehmer des Eisenerzes aus Brasilien kauft schon wieder recht munter und die ehrgeizigen Pläne zur Ausweitung der Erdölförderung im Meer vor der brasilianischen Küste wurden nicht um einen Cent zusammengestrichen.

Zwar hat das BIP noch nicht wieder seinen Monatshöchststand vom September 2008 erreicht, aber es fehlen nur ein paar Monate, bis dies geschafft sein wird. Der Real hat sich am Dollar schon wieder auf einen Stand von 1,75 hochgearbeitet, die Börse hat einen wesentlichen Teil der Verluste schon wieder aufgeholt und Industrie, Handel, Handwerk und Dienstleistungsbetriebe stellen wieder ein.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Voraussichtlich bis zum März 2010 ist alles wieder auf Vorkrisenstand. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sind es jetzt schon! Zwar sind die - wie auch in anderen Ländern – in Brasilien getürkt, aber das waren sie vorher auch. Relativ ergibt sich da wieder eine Wahrheit.

Inzwischen ist der Ruf Brasiliens als „gute Anlage“ auch bereits auf den flüchtigen Kapitalmärkten angelangt. Spekulationskapital strömte wieder nach Brasilien, einerseits um die weiterhin hohen Zinsen einzustecken und andererseits, um sich am boomenden Aktienmarkt gütlich zu tun. Die Milliarden waren so viel, dass die brasilianische Regierung eine Spekulationsabgabe beschloss für Kapital, das nicht in Sachgütern oder Produktionsmitteln angelegt wird, sondern in Papieren der brasilianischen Zentralbank oder auf dem Aktienmarkt. Die Abgabe beträgt immerhin zwei Prozent. Hätte nun einer gemeint, damit würde der Zufluss von Spekulationskapital gebremst, sah er sich nur einen Tag lang bestätigt. Nach der ersten Schrecksekunde rechneten die Anleger nach und kamen zum Schluss, das zu gewinnende Geld ist auch dann noch ausreichend, um diese Anlage attraktiv zu machen. Der Kapitalzufluss setzte am zweiten Tag nach der Gültigkeit der Abgabe wieder ein. Hier ist die Rede von Milliardenbeträgen von Dollar pro Tag.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Das Interesse der Finanzmärkte – und nicht nur dieser – für Brasilien geht sogar so weit, dass der renommierte Kommentarist der Britischen ‚Financial Times’, Michael Skapinker, in seinem neuesten Kommentar schrieb: „Brasilien ist die Macht, die es gilt, im 21. Jahrhundert zu beobachten.“ Er sagt, es gibt zwei Möglichkeiten, wie es mit Brasilien weitergeht. Die eine wäre, dass die Probleme der schreienden ökonomischen Ungleichheit und des organisierten Verbrechens zum Ausschlaggebenden werden und Brasilien nach unten reißen. Die andere Möglichkeit wäre, die ökonomischen Fortschritte Brasiliens könnten die Probleme bei weitem in den Hintergrund drängen und dem Land eine glänzende Zukunft geben.

Skapinker nimmt keine Stellung, welche der Möglichkeiten er für wahrscheinlicher hält, aber er legt ausführlich die positiven Aspekte dar: „Brasilien wird die große Geschichte des kommenden Jahres sein. (...) Brasilien ist in guter Form aus der Krise herausgekommen. Das Land sitzt auf einer riesigen - gerade eben entdeckten – Erdölreserve im Meer vor der Küste. Es erhielt die größte Finanzinvestition dieses Jahres: 8 Milliarden US-Dollar hat die [spanische] Banco Santander für seine Ausweitung auf Brasilien ausgegeben. Außerdem wird Brasilien Gastgeber der beiden größten Sportereignisse der Welt sein: Die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2014 und die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro im Jahre 2016.“

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Was auch immer die Zukunft Brasiliens bestimmen wird, die Bevölkerung des Landes hat sich in Umfragen extrem optimistisch gezeigt. Man glaubt an eine positive Entwicklung. Die höchste Zustimmung von allen hat der Präsident. Lula kommt in Brasilien in den berühmten demoskopischen Umfragen, bei denen man die Regierung mit „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“, „ausreichend“ und „ungenügend“ einstuft, in der Summe von ‚sehr gut’ und ‚gut’ auf 84%! Das ist die beste Beurteilung, die je ein Regierungschef in dieser Art der Umfragen geschafft hat und auch die bei weitem beste in der Geschichte Brasiliens.

Chávez und Lula

Ein brasilianischer Freund des Bürger-Journalisten charakterisierte das so: „Von 100 schweren Problemen Brasiliens hat Lula EINES in wesentlichen Teilen gelöst, den Hunger, und schon liegen ihm alle zu Füssen.“


Veröffentlicht am 4. November 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 3. November 2009

Scheinwissenschaftliche Öl-Propaganda - Neue Beispiele

‚Spiegel online‘ lügt und verdreht

Von Karl Weiss

Mit spektakulären Überschriften führt „Spiegel online“ eine Hetzkampagne gegen Bio-Kraftstoffe (Bio-Sprit): „Bio-Kraftstoffe sind klimaschädlich“ und „Forscher halten Biosprit für klimaschädlich“. Na, das ist ja sensationell! Alle wissen, dass Biokraftstoffe das Klima schonen und nun finden Forscher plötzlich, sie seien klimaschädlich? Was ist passiert?

Treffende Karikatur

Nun, was passiert ist: Die großen Ölkonzerne sehen ihre Spitzenprofite gefährdet, wenn sie plötzlich nicht mehr die einzigen Spritproduzenten sind und geben eine Menge Geld für Scheinwissenschaftler und Medien-Kampagnen gegen den Biosprit aus.

Einer der gehorsamsten Diener dieser Herren ist „Spiegel online“. Man bezieht sich auf zwei Veröffentlichungen in der renommierten Zeitschrift „Science“. Nur geben beide Veröffentlichungen nicht das her, was in den Überschriften des Spiegel steht. Man setzt darauf, dass kaum einer das Kleingedruckte liest, die Überschriften aber im Gedächtnis bleiben.

Schmelzendes Eis

Der erste Artikel mit der „Überschrift „Greater Transportation Energy and GHG Offsets from Bioelectricity Than Ethanol“ nimmt überhaupt nicht zum Vergleich von Biotreibstoffen mit den fossilen Stellung, sondern schlägt einen weiter entwickelten Antrieb vor: Man solle elektrische Autos benutzen und die Elektrizität aus biologischen Abfallstoffen durch Gärung herstellen, das sei effektiver als die simple Verwendung von Biosprit in Verbrennungsmotoren. Hat also überhaupt nichts mit dem zu tun, was der Spiegel titelt.

Der zweite Artikel („Fixing a Critical Climate Accounting Error“) bezieht sich zwar wirklich auf Biosprit, aber die Wissenschaftler warnen dabei nicht vor dem Biosprit, sondern vor zwei wichtigen Fehlern beim Anbau seiner Ausgangspflanzen: Bio-Sprit-Pflanzen dürfen auf keinen Fall auf Flächen angebaut werden, wo vorher Wald stand, weil der negative Effekt des abgeholzten Waldes auf das Klima für lange Zeit völlig den Vorteil des Bio-Sprits ausgleicht und der Biosprit damit fast völlig diesen Vorteil verliert. Der zweite Fehler, vor dem gewarnt wird, ist die übermäßige Stickstoff-Düngung der Pflanzen, aus denen dann der Bio-Sprit gewonnen wird. Wenn mehr Stickstoff-Dünger ausgebracht wird, als die Pflanze auch wirklich verwendet, wird der überflüssige Stickstoff zum Teil in das extrem klimaschädliche Lachgas umgewandelt, das den Vorteil des CO2-Ausstoßes (Bio-Sprit stößt nur soviel CO2 aus, wie die Pflanze vorher der Luft entnommen hat) mehr als überkompensiert.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Im ganzen Artikel steht dagegen an keiner Stelle, der Biosprit als solcher sei „klimaschädlich“ – ebensowenig wie im anderen. Kurz, es handelt sich bei den beiden Spiegel-Artikeln über „Science“-Beiträge schlicht und einfach um Lügen und Verdrehungen, um dem Bio-Sprit den Garaus zu machen und den Öl-Konzernen ihre Monopolsituation beim Sprit zurückzugeben.


Veröffentlicht am 3. November 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 29. Oktober 2009

Gibt es einen Atomfilz?

Schon wieder eine „wilde Verschwörungstheorie"?

Von Karl Weiss

2. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf jagt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesem Artikel vom 16. Februar 2006, der aktuell wie nie ist, zumal die neue Regierung die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke beschlossen hat.

Atomkraftwerke Deutschland


Man könnte es fast für Routine halten, denn es ist ja nicht das erste Mal, daß Personen im Atomfilz zwischen den Atomkraftwerksbetreiberfirmen und Staats-, Regierungs- und Parlamentsapparat hin oder her wechseln. Ein Subjekt mit Namen Thomauske war 20 Jahre im Bundesamt für Strahlenschutz tätig und genehmigte dort Zwischenlager für die radioaktiven Abfälle der Atomkraftwerksbetreiber. Im Jahr 2003 wechselte der Physiker vom Strahlenschutzamt zum Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall. Die Aufsichtsbehörde findet selbstverständlich daran nichts Ungewöhnliches.

Inzwischen ist Thomauske beim Atomkonzern Vattenfall bereits in die Geschäftsführung aufgestiegen. Er ist jetzt technischer Geschäftführer jenes Teils von Vattenfall, der zusammen mit E.ON die Atomkraftwerke Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel betreibt und den stillgelegten Meiler Stade zurückbaut.

„Die wirklich großen Verbrecher haben niemals ein Unrechtsbewußtsein." hat einmal ein weiser Mann gesagt. An diesen Spruch mag man sich erinnert fühlen, wenn man liest, daß Thomauske ganz unverbrämt in der Öffentlichkeit auftritt, wie kürzlich, und frechdreist die weitere Erkundung des Salzstockes Gorleben fordert sowie den Abschluß des Genehmigungsverfahrens.

Atomkraftwerk

Thomauske leitete beim Strahlenschutzamt die Erkundung des Gorlebener Stockes und war verantwortlich für die Endlagerprojekte Morsleben und Schacht Konrad. Zuletzt war er der Verantwortliche für die Genehmigung der Castor-Transporte und der Zwischen- und Interimslager an den Standorten der Atomkraftwerke. Er war es, der von Anhörung zu Anhörung reiste, anhörte - und dann genehmigte. Die Einwände wurden fast immer ohne weiteres vom Tisch gewischt. Die Anti-Atom-Bewegung klagte ihn damals schon an, mit den Atomkraftwerksbetreibern verbändelt zu sein - aber es ließ sich nicht beweisen.

Der grüne Umweltminister Trittin benutzte ihn als Panzerbrecher zum Durchboxen jeglicher Genehmigung - und versteckte sich dann hinter dem angeblichen Sachverstand Thomauskes. Die Umweltinitiativen sprechen schon seit Jahren vom Atomfilz und klagen die Regierung und das Parlament an, hinter verschlossenen Türen mit den Atomkraftwerksbetreibern gemeinsame Sache zu machen, anstatt sie zu kontrollieren.

Schachtanlage Asse

Es gab schon andere Fälle von Überläufern zwischen zu Kontrollierenden und Kontrolleuren. Der spektakulärste Fall war jener zu Beginn der rot-grünen Koalition, als die neue Koalition in langen Verhandlungen mit den Betreibern den scheinbaren Atomausstieg verhandelte. Das Verhandlungsergebnis war, wie jeder weiß, stattdessen die Garantie der langjährigen Weiterbenutzung der Atomkraftwerke ohne die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen. Die Beauftragte der Grünen bei diesen Verhandlungen wurde kurz nach dem „Kompromiß" von einem der Atomkraftbetreiber zu 'speziellen Bedingungen' eingestellt. Sie beendete ihre politische Karriere. Nun, wenn man wirklich reich ist, braucht man keine Politik mehr zu betreiben - nicht wahr, Herr Fischer? Die Grünen haben es bis heute nicht für nötig befunden, diesen wunderbaren Seitenwechsel auch nur näher zu untersuchen oder irgendwelche Konsequenzen daraus zu ziehen.

Spricht man Politiker, sei es von den Grünen oder den anderen staatstragenden Parteien, auf den Atomfilz an und bezweifelt, daß die Maschinerie für Genehmigungen im Strahlenschutzamt und im Umweltministerium wirklich die Argumente prüft, dann werden die schon mal pampig und geben Ungereimtes von sich über „Aus der linksextremen Ecke", „Unbewiesene Behauptungen", „Wilde Verschwörungstheorien" und ähnliches. Sachliche Antworten sind da eher nicht zu haben. Den Wechsel von Politikern und Aufsichtsbeamten zu den Betreibern und von Managern aus der Betreiber-Branche in Bundestagsausschüsse der Politik finden sie völlig normal und weisen jeden Gedanken an Filz zurück.

Der geneigte Leser mag sich nun selbst ein Bild machen.


Zusatz zum Artikel (29.10.09)
Es muss in diesem Zusammenhang auch an andere Fälle erinnert werden, als Politiker, die sich um die Profite der Stromkonzerne verdient gemacht hatten, nach der politischen Karriere hochdotierte Posten in der Atomindustrie bekamen. Einer von ihnen ist der rechte Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, der nach dem Ende von Rot-Grün beim Atomkraftwerkbetreiber EnBW unterkam.

Rezzo Schlauch

Ein anderer ist der damalige SPD-Minister Clement, der nun einen hochdotierten Posten beim Atomkraftwerkbetreiber RWE hat.

Clement

Es ist offensichtlich, dass es hier ein enges Geflecht von "Erleichterungen" für Atomkraftwerksbetreiber und "Belohnungen" für die Politiker gibt, das in jedem zivilisierten Land als Korruption gekennzeichnet würde - nicht so in der Bundesrepublik Deutschland.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Hat Deutschland die Binnennachfrage gebremst?

Wird der deutsche Export je wieder alte Höhen erreichen?

Von Karl Weiss

Eine Melvyn Krauss, die in einer „Denkfabrik“ der Universität Stanford arbeitet, einer der führenden US-Universitäten, hat einen Gastartikel in der Financial Times Deutschland (FTD) geschrieben, der als Kernthese hat, Deutschland habe gar nicht die Binnennachfrage gebremst, was von der G20 als eine der Ursachen der internationalen Schieflage angesehen wird, die zu den katastrophalen Folgen der Krise führten.

Die G20 hat dann auch Deutschland aufgefordert hat, etwas für die Binnennachfrage zu tun, damit auch andere nach Deutschland exportieren können und nicht immer nur Deutschland in andere Länder.

Deutschland: Exportabhängigkeit: Anteil Auslandsumsatz am Industrieumsatz 1995 bis 2008
Hier wird die völlig absurde Einseitigkeit des Exports im Industrieumsatz dokumentiert.

Diese Kritik und die Empfehlungen der G20 stimmen auch mit dem überein, was der Ex-Bankier Jürgen Jahnke in seinen Internetportal http://www.jjahnke.net/index.html
immer wieder schrieb: Die drei Länder mit gigantischen Exportüberschüssen vor der Krise, China, Deutschland und Japan, haben damit Ungleichgewichte geschaffen, die wesentlich für die Außenhandelsdefizite anderer Länder, vor allem der USA und Großbritannien, verantwortlich waren. Wenn hier diese fünf Länder erwähnt werden, so sind das (nicht zufällig) genau die fünf größten Volkswirtschaften der Erde. Die G20 haben betont, die Ungleichgewichte dieser fünf Volkswirtschaften müssten ausgeglichen werden, was für die Export-Giganten bedeutet, sie müssen die Binnennachfrage gezielt stützen, um damit dem Rest der Welt die Möglichkeit zu geben, in diese Länder zu exportieren.

Die deutsche Politik, allen voran Frau Merkel, setzen dagegen ausschließlich auf eine Erholung der Exporte, wenn es darum geht, wie Deutschland wohl aus der Krise kommen könnte. Und mit ihr zusammen die Westerwelles, die Steinmeiers, die Schäubles und was da sonst noch so kreucht und fleucht und natürlich die großen Gurus, an deren Lippen die Massenmedien hängen, wie Ifo-Chef Sinn und Arbeitgeber-Chef Hundt.

Deutschland ist völlig unschuldig, so wird wieder und wieder versichert, man sei lediglich Opfer der Krise, die von den USA ausgegangen wäre. Das Fehlen eines Unrechtsbewusstsein ist frappant. Genau in diese gleiche Kerbe hackt nun auch Melvyn Kraus, die sich sogar erdreistet, die Aussagen der G20 als ausschließlich von Präsident Obama inspiriert anzusehen und zu fragen „Was erlaubt sich Washington“ und zu konstatieren: „Die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen ist eine Frechheit.“

Das ist allerdings starker Tobak. Dieser Tobak wird völlig ungenießbar, wenn sie dann noch behauptet: „...Deutschland einen Exportüberschuss aufweist, ... nicht, weil man die Inlandsnachfrage bremst.

Das ist kein Tobak mehr, das ist eine freche Lüge.

Was war die Agenda 2010 anders als eine massive Bremse der Binnennachfrage, was war Hartz IV, was war die Freigabe der Leiharbeit, was die Weigerung, einen Mindestlohn einzuführen, wie ihn alle anderen großen Volkswirtschaften haben (mit Ausnahme von China und Japan – welch Zufall, nicht?), was waren die Ein-Euro-Jobs, die viele tausend reguläre Arbeitsstellen ersetzt haben und was war vor allem das Verweigern von Lohnerhöhungen über ein Jahrzehnt, die zumindest auch nur die Inflation ausgeglichen hätten? Dazu kam die grösste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik mit 3 Prozent-Punkten in der Mehrwertsteuer, nachdem man vor der Wahl 2005 geschworen hatte, man werde genau dies nicht tun.

Vergleichen wir die bekannte Statistik zwischen Deutschland und anderen großen Volkswirtschaften: Die Reallöhne, also Löhne von 2000 bis 2008 minus Inflation:

Statistik Reallöhne

Deutschland: - 0,8%

Spanien: + 4,6%

Italien : + 7,5%

Frankreich: + 9,6%

Niederlande: + 12,4%

Polen: + 19,0%

Großbritannien: + 26,1%

Wenn das in Deutschland alles zusammen kein Bremsen, ja sogar eine Vollbremsung, der Binnennachfrage war, dann gibt es kein solches Bremsen.

Und wenn man dieses Argument wegnimmt, dann bleibt von der ganzen Stellungnahme nichts übrig.

Westerwelle

Der Artikel der FTD setzt sich ausführlich mit der Politik der USA auseinander, die ja genau das Gegenteil Deutschlands gemacht haben, riesige Haushaltsdefizite Jahr für Jahr übereinander gepackt haben, riesige Außenhandelsdefizite dazu, finanziert mit Dollar-Bonds, mit Geld-Drucken und mit einem Exzess von Krediten an die Bürger. Natürlich war dies, der umgekehrte Weg Deutschlands, genauso falsch und hat wesentlich zur momentanen Krise beigetragen.

Pfau

Nur war der Deutsche Weg eben die andere Seite der gleichen Medaille, indem bewusst und gezielt die Bevölkerung verarmt wurde, unter dem Vorwand, international „konkurrenzfähig“ zu werden. Nur war man in Wirklichkeit längst konkurrenzfähig, die Lohnstückkosten der Bundesrepublik lagen im Mittelfeld der vergleichbaren Länder. Heute sind sie ganz dort unten angekommen, wo man nur ausgesprochen arme Länder antrifft.

Welt: Vergleich - Arbeitnehmerentgelt in Kaufkrafteinheiten
Hier wird deutlich, wie die Kaufkraft in Deutschland mit Gewalt verringert wurde, um die Lohnkosten so weit zu senken, dass niemand mehr Industrieprodukte so gut und so billig anbieten konnte wie Deutschland.

Sieht man sich nun an, was seit dem Ausbruch der Krise in Deutschland getan wurde: Es gab nicht eine einzige Maßnahme, die zu einer deutlichen Festigung der Binnennachfrage geführt hätte. Die Gelder an die Banken wurden nicht in Kredite an den kleinen Mann umgewandelt, sondern dienen schon wieder zum Aufbau neuer „Blasen“. Die Abwrackprämie, fälschlich Umweltprämie genannt, zog nur Bedarf vor, was sich jetzt besonders negativ bemerkbar machen wird. Das Konjunkturprogrammchen kam praktisch ausschließlich Betrieben und Reichen zu Gute und die stellen eben nicht die Binnennachfrage dar. Binnennachfrage schaffen praktisch nur die Massen der Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen, also 85 - 90% der Bevölkerung.

Lohnstückkosten
Diese Statistik geht nur bis 2002, aber bereits zu diesem Zeitpunkt gehörten die deutschen Lohnstückkosten zu den niedrigsten der Industrieländer. Danach ging es, wie bekannt, noch weiter bergab.

Auch das, was die neue Koalition, fast nicht von der alten zu unterscheiden, als Programm vorgestellt hat: Fast nichts für die Binnennachfrage, nur Vorteile für Unternehmen, den „Mittelstand“ (sprich Besitzer kleinerer Unternehmen) und für Reiche und Superreiche – und die alle schaffen eben fast keine Binnennachfrage. Für den "kleinen Mann" werden die geringen Steuererleichterungen und die minimale Erhöhung des Kindergeldes bei weitem durch die vollständige Übernahme der Kostenerhöhungen im Gesundheitswesen überkompensiert. Die Verarmung der Bevölkerung wird bewusst und konsequent fortgeführt!



Die einzige Hoffnung ist, der Export würde wieder auf frühere Höhen steigen. Ob das mit einem Euro, der ständig gegen den Dollar und das Pfund gewinnt, realistisch ist, sei dahingestellt. Auch die anderen europäischen Länder in der Euro-Zone werden sich gegen ein erneutes Überschwemmen mit deutschen Industrieprodukten zu wehren wissen.

Bundesregierung 3

„Die deutsche Bundesregierung hat in der Krise keinerlei Zugeständnisse gemacht. Warum sollte wir den Deutschen denn nun auf die Beine helfen?“


Veröffentlicht am 28. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 27. Oktober 2009

Ende des Ölzeitalters?

Erdöl ist zu wertvoll zum Verbrennen

Von Karl Weiss

Eine interessante These stellt Tobias Bayer in seiner Kolumne in der Financial Times Deutschland (FTD) auf: Statt dem Gespenst des „Peak Oil“, des akuten Fehlens von Erdöl für die bestehende Nachfrage, werde in absehbarer Zeit genau das Umgekehrte eintreten: Die Nachfrage werde wegen der Umstellungen auf umweltfreundliche Energieformen wegbrechen und es werde Erdöl im Überfluss geben. Die These ist nicht von der Hand der Hand zu weisen, aber aus einem anderen Grunde.

Erdöl 1

In der FTD wird so getan, als ob die Krise ausgestanden sei. Optimistische Voraussagen werden für reale Zahlen genommen – z.B. die Zahlen aus Befragungen von Industrie-Einkäufern. Die wirklich realen Zahlen sprechen aber eine andere Sprache: Die Krise hat gerade erst richtig begonnen. Dies wird ohne Zweifel unter anderem die Folge haben, dass auf längere Zeit der Verbrauch von Erdölprodukten auf niedrigem Niveau verharren wird. Da könnte die aktuelle Förderung tatsächlich ausreichen oder sogar ein Überfluss an Erdöl vorhanden sein.

Der Übergang zu Elektro-Autos dagegen scheint doch viel zu langsam zu sein, als dass da ein Einfluss zu erwarten wäre in den nächsten Jahren. Ebenso ist für den Teil von Erdöl, der zu Diesel-Heizöl verarbeitet wird, keinerlei Ersatz zu erkennen. Speziell, seit in Deutschland, das am weitesten fortgeschritten war mit Bio-Diesel, die Förderung gestrichen und damit der Bio-Diesel-Industrie das Wasser abgegraben wurde.

Schmelzendes Eis

Die Krise hat ja auch noch eine andere positive Seite gezeigt: Die CO2-Emissionen gingen zurück, wenn auch nur geringfügig. Damit gibt es eine kleine Verschnaufpause auf dem Weg in die Klimakatastrophe, die vielleicht jemanden zum Nachdenken bringen könnte. Nachdem sich die USA aber auch unter Präsident Obama weigern, eine bindende Zusage der Reduktion von CO2-Emissionen zu geben, obwohl dies im Moment angesichts der Krise leichter wäre, bestehen wenig Hoffnungen, ohne eine massive Volksbewegung gegen den Wahnsinn des Verbrennens fossiler Rohstoffe die Klimakatastrophe noch abwenden zu können. Sollte die Krise sich allerdings weiter entwickeln und das gesamte Welt-Finanzsystem zusammenbrechen, würde dies sicherlich positive Auswirkungen bezüglich der bereits in den Anfängen stehenden Klimakatastrophe haben. Es sei nur daran erinnert, dass die ersten Zeichen dieser Katastrophe bereits stattfinden: In den letzten zwei ein halb Monaten wurden aus insgesamt 15 verschiedenen Ländern verheerende Überschwemmungen gemeldet, darunter aus drei brasilianischen Bundesstaaten: Rio Grande do Sul, Santa Catarina und São Paulo.

Bayer meint, dass die neuen Vorschriften für den durchschnittlichen Höchst-Verbrauch von Kraftstoff in den USA und in China zu einem Boom von Hybrid— und Elektro-Autos führen würde, aber da scheint er doch zu optimistisch. Im Moment werden deutlich mehr kleinere Wagen gekauft als vor der Krise und damit können die neuen Vorschriften für den durchschnittlichen Höchstverbrauch wahrscheinlich schon eingehalten werden – zumal solche Grenzwerte ja immer nur Richtungen angeben.

In Bezug auf eine Abkehr vom Erdöl ist damit aber noch nichts erreicht. Das Ende des Ölzeitalters steht noch nicht an.

Globale Erwärmung

In verschiedenen ernst zu nehmenden Blogs und auch in geringem Masse in Mainstream-Medien wird die Theorie vom „Peak Oil“ dargelegt: Viele der wichtigsten Erdölförderländer haben den Höhepunkt ihrer Produktion überschritten: Saudi-Arabien, die Golf-Staaten, Großbritannien, Norwegen, Mexiko und Kirgisien. Neue große Funde, die leicht zugänglich sind, gibt es kaum. So schließt man dann: Das Erdöl wird knapp und der Erdölpreis wird deshalb in die Höhe schießen wie eine Rakete.

Allerdings hat niemand dieser Unkenrufer tatsächlich konkretes Zahlenmaterial an der Hand. Die wirklichen Produktionszahlen halten die großen Ölkonzerne (Royal Dutch-Shell, Exxon-Mobil, Caltex-Texaco, British Petrol und Total) nämlich streng geheim. D.h. sie geben immer wieder Zahlen heraus, aber das sind immer nur Teilbereiche, dazu sind solche Zahlen oftmals sichtlich geschönt. Was wirklich abgeht, wissen nur diese Konzerne und sie werden den Teufel tun, das zu veröffentlichen.

Erdöl

Sie betonen in ihren Stellungnahmen immer, es gebe keine Verknappung, es würden immer wieder neue Quellen gefunden und erschlossen und die Furcht vor einem Ende des billigen Öls sei unbegründet. Der katastrophale Anstieg des Erdölpreises auf 170 Dollar pro Barrel im letzten Jahr sei ausschließlich durch Spekulation verursacht worden.

Dagegen sagen die Peak-Oil-Apologeten, es sei undenkbar, dass eine so langdauernde und extreme Ölpreis-Hausse ausschließlich durch Spekulation verursacht worden sei. Die Basis sei vielmehr eine konkrete Verknappung gewesen. Das hat etwas für sich, aber es bleibt eben doch offen, wie viel Verknappung war und wie viel Spekulation.

Wirtschaftsmacht China

Die Überfluss-Seite betont, das Öl aus dem Irak beginne jetzt mit dem Abzug der US-Truppen wieder zu fließen und der Irak sei immerhin der drittgrößte Ölförderer gewesen vor dem Überfall.

Dagegen argumentiert die Peak-Öl-Seite, allein der steil steigende Bedarf Chinas sei bereits genug, um eine Verknappung hervorzurufen. Die Einkommen eines Teils der Chinesen steigen stark, ab einem bestimmten Niveau wolle jeder ein Auto haben und werde Erdölprodukte verbrennen.

So kommt man am Ende immer wieder auf einen relativ ausgeglichenen Markt, der aber heftig unter Spekulation zu leiden hat.

Welt-Ölreserven

Aber unabhängig davon, ob im Moment Knappheit oder Überfluss herrscht, muss die Menschheit auf jeden Fall aufhören, fossile Rohstoffe zu verbrennen. Zum einen wird dadurch die Klimakatastrophe in Gang gebracht und zum anderen ist Erdöl eben wirklich endlich und wird in Zukunft sicherlich ein wichtiger Rohstoff für kommende Generationen der Menschheit sein. Unabhängig von seinem aktuellen Preis ist Erdöl viel zu wertvoll zum Verbrennen (so wie auch Kohle und Erdgas).


Veröffentlicht am 27. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 26. Oktober 2009

Die Briten schlagen alle Minus-Rekorde

Münzen auf Demonstranten auf der Straße

Von Karl Weiss

Obwohl großsprecherisch angekündigt worden war, Großbritannien werde im dritten Quartal 09 aus der Krise herauskommen, war die Wirklichkeit anders: Das britische Brutto-Inlandsprodukt (BIP) sank im dritten Quartal dieses Jahres um 0,4% gegenüber dem Zweiten, in dem es auch bereits um 0,6% zurückgegangen war. Das bedeutet einen Rückgang des BIP im Jahresvergleich um 5,2%. Auch im Vorquartal war schon ein ähnlicher Rückgang im Jahresvergleich registriert worden: -5,5%.

Damit sinkt das BIP im Vereinigten Königreich nun bereits im sechsten Quartal nacheinander. Das hatte es noch nie gegeben seit Beginn der Statistik zu diesem Punkt. Der Vertreter einer großen Britischen Versicherung sagte: „Das dritte Quartal ist furchtbar. In den Daten gibt es nichts Positives.“

Das „Handelsblatt“ gibt als Hauptursache in dem diesbezüglichen Artikel vom 23.10.09 an, dass Großbritannien eine weit geringeren Industrie-Anteil am BIP habe als etwa Frankreich und Deutschland. Dadurch seien auch die Exporte insgesamt schwach. Hier gibt es also eine klare Parallele von Großbritannien mit den USA, siehe auch diesen Artikel: „Fortschreitende Desindustrialisierung der USA: (https://karlweiss.twoday.net/stories/5993170/ )

Großbritannien läuft auch Gefahr, im BIP von Frankreich überholt zu werden. Eine schwierige Situation für Premier Brown, der bis Mitte kommenden Jahres allgemeine Wahlen ausschreiben muss. Der konservative Herausforderer Cameron sieht sich schon in der Rolle des Premierministers und verkündet bereits ohne Unterlass, in diesem Falle eine Volksabstimmung über die erweiterten EU-Rechte des Lissabon-Vertrages anzusetzen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass eine solche Abstimmung mit einem herzhaften „Nein“ ausgehen würde.

So blicken viele Europa-Politiker mit Sorgen auf die tiefe Krise, in welche die Briten abgerutscht sind. Speziell das Britische Pfund ist angeschlagen. Es geht in schnellen Schritten auf das 1:1 mit dem Euro zu, während es noch nicht lange her ist, dass ein Pfund ein und ein halb Euro waren.

Das könnte zwar den britischen Exporten zugute kommen, aber dazu müsste man natürlich eine weite Vielfalt von Industrieprodukten zu exportieren haben und nicht nur Finanzdienstleistungen – mit anderen Worten Luftbuchungen.

Noch zu Beginn der Krise saß die britische Bankenwelt auf höchsten Rossen. Als gleich nach der Beginn der Krise eine Demonstration von aufgebrachten Bürgern durchs Londoner Finanzviertel zog, warfen die Banker mit einem zynischen Lächeln Münzen auf die Demonstranten da unten auf der Straße. Es scheint so, als ob die Geschichte beschlossen hat, sie zur Rechenschaft zu ziehen.


Veröffentlicht am 26. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 23. Oktober 2009

11 000 tote US-Soldaten durch abgereichertes Uran

Schweigen in den Massenmedien

Von Karl Weiss

1. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Mit Beginn von heute, werden wir hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einstellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf jagt und dann nie wieder erwähnt. Heute beginnen wir mit diesem Artikel vom 15. November 2006, der eine Zeit lang zu den 50 meist gelesensten im Blog gehörte.

Einsatz von abgereichertem Uran

Arthur Bernklau, Vorsitzender der Vereinigung „Veteranen für verfassungsmässiges Recht” in New York hat erklärt, die Anzahl von toten US-Soldaten durch „depletet Uranium“ habe die Marke von 11 000 überschritten. Das abgereicherte Uran ist als Ursache des „Golf-Krieg-Syndroms“ bekannt, an dem nach seinen Angaben im Moment 325 000 der 580 000 Soldaten leiden, die im ersten Golfkrieg 1991 eingesetzt waren.Die Zahl bezieht sich auf Veteranen jenes Krieges, die dauernd arbeitsunfähig sind.

Obwohl bekannt war, was die Munition mit abgereichertem Uran den eigenen Soldaten antut, wurde sie auch beim Überfall auf Afghanistan und den Irak verwendet. Sie ist dort weiterhin im Einsatz. Auch Israel hat im kürzlichen zweiten Libanonkrieg diese Munition eingesetzt. Auch in Deutschland ist diese Munition gelagert.

Nach Angaben Bernklaus sind im Moment insgesamt 518 739 ehemalige Soldaten wegen des „Golf-Krieg-Syndroms“ arbeitsunfähig, berichtet „American Free Press“ in Washington (diese Zahl bezieht jetzt auch die aus jüngeren Kriegen ein). Nach den Erfahrungen mit den Veteranen des ersten Golfkriegs wird eine große Zahl von ihnen noch daran sterben.

Abgereichertes Uran ist ein Nebenprodukt der Herstellung von Uran-Atombomben. Munition mit diesem Stoff extrem hoher Dichte statt Blei in den Geschossen hat eine besondere Durchschlagskraft. Das Uran ist aber weiterhin eine radioaktive Substanz mit allen Wirkungen ionisierender Strahlungen wie Krebs, langsamem Dahinsiechen und Tod.

Diese Tatsachen werden in den Massenmedien der USA (und Europas) nicht berichtet oder verniedlicht.

Montag, 19. Oktober 2009

Imperialistische Großmacht Europa

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Von Karl Weiss

Voraussichtlich innerhalb der nächsten Wochen wird der tschechische Präsident Klaus die Ratifizierungsurkunde des europäischen Grundlagenvertrags unterschreiben und damit den Vertrag, genannt Lissabon-Vertrag oder EU-Reformvertrag, in Kraft treten lassen. Damit wird die EU offiziell zu einer aggressiven imperialistischen Großmacht und wird in die Kämpfe um die Nachfolge der Vereinigten Staaten als Supermacht eintreten.

Europa-Demonstration

Europa, das bisher vor allem die wichtige Leistung vollbracht hat, der Menschheit die Aufklärung zu bringen, würde dann zu einer hassenswerten und allseits gehassten Großmacht, so wie es heute die USA sind.

Der Grundlagenvertrag sieht obligatorisch die ständig weitere Aufrüstung der EU und deren weitere Integration vor. Ebenso stellt er klar die internationale Rolle der EU als Eingreifmacht weltweit heraus. Zum Glück wird diese Entwicklung langsam sein und wird eine Reihe schwerster Hindernisse zu überwinden haben.

Vaclav Klaus stellte für viele in Europa, wahrscheinlich für eine Mehrheit derjenigen, die sich wirklich mit dem Thema beschäftigt haben, eine Art von „letzter Hoffnung“ dar, das Inkrafttreten des Vertrags vielleicht doch noch zu verhindern. Doch nun hat Klaus angekündigt, den Vertrag zu unterzeichnen, sobald das Tschechische Verfassungsgericht die letzte Klage dagegen abgewiesen haben wird, was voraussichtlich Ende des Monats der Fall sein wird. Es muss lediglich noch eine „Politische Erklärung“ auf dem anstehenden EU-Gipfel verabschiedet werden, der, wie es der Zufall will, auch Ende des Monats stattfindet.

Wie wenig diese EU noch mit Demokratie am Hut hat, wurde im Prozess des Durchpeitschens des „Lissabon-Vertrages“ deutlich. Die großen EU-Länder verpflichteten die kleinen unter Androhung wichtiger Nachteile, nirgendwo mehr Abstimmungen abzuhalten, sondern den Vertrag in den Parlamenten durchzuwinken. Außer Irland gehorchten alle. Wie in Irland mit einer zweiten Abstimmung mit großen Versprechungen an das leidgeprüfte Irische Volk eine Zustimmung erreicht wurde (eventuell gab es sogar massive Fälschungen), zeigte erneut: Demokratie ist nicht! Die Abstimmungen in den Parlamenten waren von schärfstem Druck innerhalb der Parteien auf jene Abgeordneten bestimmt, die eventuell dagegen gestimmt hätten. Jeder wusste, er würde in dieser Partei nie mehr etwas werden, wenn er das täte. So wurden in fast allen Ländern weit überwiegende Mehrheiten erreicht.

Da nun Präsident Klaus eventuell hätte noch zum Stolperstein werden können, wurde eine Hetze gegen ihn entfacht, die ihresgleichen sucht. Man höre nur, was die Financial Times Deutschland (FTD) in einem Kommentar über Klaus noch am Tag seiner Kapitulationserklärung veröffentlicht hat.

„[Klaus]... will selbst mitspielen im Konzert der Großen. (...) ...er [ist] ein eitler Kaiser ... (...) Nun greift Klaus zu dumpfem Populismus... (...) Indem er nun dreist und aus rein taktischen Gründen seine Forderung aufstellt, überschreitet der tschechische Präsident seine Kompetenzen... (...) Er verhält sich, als sei er eine Mischung aus Exekutive und Legislative. (...) Es ist an der tschechischen Regierung ... ihm klarzumachen, worin seine Aufgabe besteht. (...) Klaus' Aufgabe ist es zu unterschreiben. Mehr nicht. (...) Er ist auf dem Niveau eines Provinzpolitikers angekommen und sollte genau so behandelt werden.“

Lesen Sie sich dieses Zitat ruhig noch einmal ein zweites Mal durch. So kann man in Deutschland das Staatsoberhaupt eines Nachbarstaats behandeln, wenn es die Politik gefährden könnte, die man bevorzugt. Das sind die gleichen Leute, die es nicht EINMAL gewagt haben, F.J. Strauss einen Provinzpolitiker zu nennen, der auch genau so hätte behandelt werden sollen.

Auch der Respekt vor der Funktion eines Präsidenten wird völlig fallengelassen. Hat man schon einmal ein deutsches Medium gehört, das vom Bundespräsidenten verlangt, zu unterschreiben - Nichts weiter?

Der interessanteste Teil dieses Zitats ist aber der, wo man Klaus anklagt, er handele wie eine Mischung aus Exekutive und Legislative. Lassen Sie uns kurz erinnern, was wir im Kapitel ‚Trennung der Gewalten’ in der Schule gelernt hatten. Die Legislative, also das Parlament, hat die Aufgabe, die Gesetze zu machen, das heißt, alles Wesentliche zu bestimmen. Die Exekutive, also die Regierung, hat dagegen die Aufgabe, innerhalb des durch die Gesetze festgelegten Rahmens die Geschäfte zu führen. Nun, wir wissen, dies ist – vorsichtig gesagt – graue Theorie. Die Gesetze werden praktisch ausschließlich in den Ministerien von Beauftragten des Monopolkapitals formuliert und dann von der Regierung beschlossen und das Parlament dient gerade noch als Abnick-August. Wenn wirklich einmal Gefahr besteht, ein solches Gesetz könnte nicht durchkommen, werden die Abgeordneten in Fraktionsdisziplin genommen – Pustekuchen mit „nur ihrem Gewissen verantwortlich“ - und zum Teil auch persönlich erpresst. So ist es in den Zig Jahren Bundesrepublik allerhöchstens zwei Mal vorgekommen, dass ein Gesetz der Regierung nicht angenommen wurde.

Wie hieß das Zitat? Frau Merkel verhält sich, als sei sie eine Mischung aus Exekutive und Legislative? Ach nein, natürlich nicht! Die FTD würde so etwas nie schreiben, denn die Wahrheit ist tabu! Es ist Klaus, natürlich, nur dieser Klaus, dieser Schelm!

Wenden wir uns nun der Frage zu, welches die schweren Hindernisse sind, welche die Politiker, die keine Provinzpolitiker sind, zu überwinden haben werden, um aus einem friedlichen Zusammenschluss von Staaten eine aggressive, unterdrückerische Union zu machen.

1. Das erste große Hindernis ist die Krise

Als all dies geplant wurde, waren die Politiker (nicht Provinzpolitiker) noch nicht gewahr, dass da eine Krise im Anzug ist, denn sie lesen ja nicht den Blog des Bürgerjournalisten. Nun ist die Krise aber wie ein Hurrikan unangekündigt über sie hereingebrochen und sie sind ratlos. Es ist ja bereits klar, die EU wird als Gemeinschaft keineswegs unangetastet aus ihr hervorgehen, eventuell wird es schon keine EU mehr geben, wenn das alles vorbei sein wird. Die Krise ist ja nicht einfach nur eine Wirtschaftskrise, sie ist nicht zuletzt auch eine Krise der Finanzinstitutionen, des ganzen Finanzsystems, eine Krise des Welthandels, eine Krise zwischen der reichen und der armen Welt, eine Krise der Haushaltsdefizite und vor allem anderen eine Krise der Währungen und der Staatsschätze. Die Vorstellung, man könne die geplante ungeheure Aufrüstung nun noch finanzieren, ist ins Reich der Märchen verschwunden. Man wird heilfroh sein können, wenn man den Euro und das britische Pfund über die Krise rettet. Es ist allerdings noch wahrscheinlicher, dass diese Krise sowieso zur Endzeitkrise des Kapitalismus wird, womit sich das Problem der EU-Pläne bereits ergeben hätte.

2. Das zweite große Hindernis: Großbritannien

Europa wurde erst zu Europa, als es auch die Engländer (einschließlich der Waliser, Schotten und Nordiren) mit einschließen konnte. Auch wenn die Briten Europa einfach „den Kontinent“ nennen, mit dem sie offenbar nichts zu tun haben, ist doch Europa undenkbar ohne die Briten. Nur: Die Labour Party, die alle letzten Wahlen gewonnen hat, hat – wie alle sozialdemokratischen Parteien in Europa – ausgedient. Bei den Wahlen, die Premier Brown nicht mehr lange hinauszögern kann, wird aller Voraussicht nach die Konservative Partei ans Ruder kommen, eventuell zusammen mit den Liberalen. Doch die hat bereits definitiv ein Plebiszit über die erweiterten Rechte der EU angekündigt, wenn sie gewinnt. Auch wenn das rein formal zu spät käme (es gibt keine ernsthaften Zweifel, dass die Anti-EU-Fraktion gewinnen wird), wird Europa ein entsprechendes Votum nicht ignorieren können. Es ist im Moment kaum vorstellbar, wie ein Kompromiss aussehen könnte.

3. Das dritte Hindernis: Frau Merkel

Die Bundeskanzlerin ist keine Europäerin und wird auch keine mehr werden. Deutschland hat aber als bevölkerungsreichstes Land der EU eine Schlüsselrolle. Frau Merkel ist Atlantikerin, so wie es Blair war und Brown ist. Das heißt: Die USA, die USA haben immer recht! Damit hängt sie sich aber an einen fallenden Stern. Man möchte fast wetten, sie wird es zu spät merken. Sie hat, wie man mehrfach bemerken konnte, nichts für ihre Partner in der EU übrig. Sie hat, im Zusammenhang mit geforderten einheitlichen europaweiten Maßnahmen gegen die Krise, reihenweise Partner vor den Kopf gestoßen, hat sich ausschließlich den Dingen in Deutschland und der Zusammenarbeit mit ihrem Freund Obama gewidmet. Sie hat im Zusammenhang mit der Opel–Rettung (Achtung: Opel ist nicht gerettet, nicht ansatzweise!) Partner nicht nur vor den Kopf gestoßen, sondern in aller Öffentlichkeit vorgeführt, z.B. die spanische Regierung. Sie sieht Europa ausschließlich als eine Gruppe von Staaten, die mit den USA verbündet sind. Mit ihr werden jene ambitiösen Pläne von Europa nicht zu verwirklichen sein, aber bis auf weiteres wird sie wohl Deutschland repräsentieren.

4. Das vierte Hindernis: Überschuldungen (Euro-Staaten und Großbritannien)

Die EU und speziell die Euro-Zone, die ja das Herz der EU darstellt, erlebten und erleben massive Milliarden-Ausgaben für Bankenstützungen, für Bank-Verstaatlichungen, für Versicherungs-Rettungen, für Abwrackprämien und für Konjunkturprogramme. Staaten wie Irland, Griechenland und Portugal sind in extremer Gefahr, in Überschuldungskrisen einzutreten, auch Spanien könnte dazu gehören. Das gleiche gilt für Großbritannien, das ja ebenfalls in der EU ist. Der Euro ist dadurch gefährdet und sowieso das englische Pfund. Wenn riesige Rettungsaktionen für ganze Staaten notwendig werden sollten oder sogar der Euro den Bach hinunter geht, dann ist die Großmacht Europa sowieso am Horizont verschwunden.

Wie das auch immer im Einzelnen verlaufen mag: Das letzte Wort über die aggressive Großmacht Europa ist noch nicht gesprochen.


Veröffentlicht am 19. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 17. Oktober 2009

Einheitslügen

Deutsche Medien lügen, verdrehen und lassen weg

Von Karl Weiss

Bereits mehrfach hat man die deutschen Medien bei Verdrehungen, Lügen, bewussten Auslassungen und ähnlichem erwischt. Diese Mittel wenden sie gegen die „Feinde“ an, so zum Beispiel gegen Lafontaine, gegen Ahmedinedschad, gegen Hugo Chávez, gegen die Palästinenser und so weiter. Jetzt hat man wieder einen solchen Fall. Die Medien verdrehen und behaupten, Hugo Chávez habe ein Hilton-Hotel enteignet.

Chávez

Das ist Quatsch. Es gibt und gab in ganz Venezuela überhaupt kein Hotel, das der Hilton–Gruppe gehört. Es gab lediglich drei Hotels, die von Hilton verwaltet wurden. Zwei dieser Verwaltungen wurden bereits vor einiger Zeit eingestellt, die dritte lief jetzt aus und wurde nicht verlängert. Damit wird jenes Hotel auf der Touristeninsel Margarita auch nicht mehr den Namen Hilton tragen.

Im gleichen Zuge wurde auch die Konzession der Eigner (einige der Mitglieder der venezolanischen Oligarchie, die über Jahrhunderte das Volk unterdrückt und ausgebeutet haben) nicht verlängert.

Die Ferieninsel Margarita in der Karibik, die zu Venezuela gehört, ist eine der wichtigsten Touristenattraktionen in ganz Südamerika.
Der venezolanische Staat hatte dies gefördert – lange vor Chávez - , indem man Kredite zum Bau von Hotels der internationalen Kategorie zur Verfügung stellte. Die Bauherren waren jeweils Mitglieder der Oligarchie. Chávez hat später solche mit Staatsgelder geförderten Objekte mit Konzessionen versehen. Die Besitzer, die sich der günstigen Kredite erfreuen durften, dürfen die Gebäude und/oder das Land zum Beispiel nicht einfach verkaufen. Sie müssen die Gebäude instandhalten, sie müssen sie der vorgesehenen Funktion zuführen – in diesem Fall als Hotel. Wenn diesen Pflichten nicht nachgekommen wird, hat der Staat das Recht, sie zu enteignen – gegen Entschädigung natürlich.

Dies traf auf das von Hilton unter dem Namen Hilton Margarita verwaltete Hotel zu. Die notwendigen Sanierungsmassnahmen waren nicht durchgeführt worden. Zudem hatten die Eigner aus der Oligarchie mit verschiedenen willkürlichen Auflagen verhindert, dass die internationalen Gäste beim vor kurzem durchgeführten Gipfel Lateinamerika-Afrika dort unterkommen konnten. Damit waren sie ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen und sollen nun enteignet werden – natürlich gegen Entschädigung (wobei diese Entschädigungen natürlich nicht die Phantasiewerte umfassen, welche die Eigner gerne sehen würden).

Venezuela wird dieses Hotel nun selbst betreiben und so wird niemand mehr wegen seiner Hautfarbe dort ferngehalten. Nun, so weit, so gut. Doch was machen Deutsche Medien daraus, die sich selbst gerne als „Qualitätsmedien“ bezeichnen?

Süddeutsche - historisches Foto des Redaktionsgebäudes in der Münchener Sendlinger Strasse

Die „Süddeutsche“ (SZ) titelt ihren Artikel dazu vom 15. 10. 2009: „Enteignet Hilton!“ Das ist angesichts der Tatsachen eine freche Lüge! Dann fügt sie sofort noch eine unverschämte Verdrehung an „..Chávez reißt das Hilton auf der Karibik-Insel Margarita an sich...“. Nicht einmal seine schlimmsten Feinde haben bisher Präsident Chávez persönliche Bereicherung vorgeworfen. Dies ist vielmehr die Spezialität genau jener Oligarchie, die hier betroffen ist und von der SZ mit Zähnen und Klauen verteidgt wird.

Am gleichen Tag berichtet die Financial Times Deutschland (FTD) zu diesem Thema. Der Artikel ist mit Ausnahmen von drei Sätzen und der Überschrift wortgleich mit dem der SZ! Qualitätsmedien!

Aber die FTD lügt genauso frech: „Chavez verstaatlicht Hilton-Hotel“. Und dann wird es noch absurder: „...hat ein historisches Hilton-Hotel auf der Karibikinsel Margarita verstaatlicht.“ Es gibt kein historisches Hilton-Hotel außerhalb der Vereinigten Staaten. In diesem Fall handelt es sich um einen relativ neuen Bau (nichts von historisch!), der allerdings wie alle Bauten in den Tropen eine regelmäßige Wartung benötigt, weil die hohe Luftfeuchtigkeit an der Substanz nagt.

Und was denken sie, schreibt die SZ über das Hotel? „..hat ein historisches Hilton-Hotel auf der Karibikinsel Margarita verstaatlicht.“ Toll, unsere Qualitätsmedien, was?

Deutschland - München
München, Sitz der "Süddeutschen"

Doch die FTD kann‘s noch besser: Sie wählt als Hauptüberschrift einen ausgemachten Unsinn: „Nationalisierung in Venezuela“ und textet: „Der venezolanische Präsident setzt seinen Kurs der Nationalisierung fort...“ Unter Nationalisierung versteht man die Enteignung ausländischer Firmen oder Fabriken, aber das in Frage stehende Hotel gehörte niemals Ausländern.

Wenn der zuständige Redakteur der FTD den von ihm selbst redigierten Text gelesen hätte, dann wüsste er das auch. Da steht nämlich: „Deshalb habe er [Chávez] sich entschlossen, die Besitzer des Hotels, die Mitglieder der venezolanischen Wirtschaftselite [das ist die Bezeichnung, welche die Oligarchie sich selbst gegeben hat] seien, zu enteignen.“

Der Redakteur hat also nur die ersten Zeilen des Textes gelesen, den er wahrscheinlich von einer Nachrichtenagentur vorgelegt bekam, hatte seine eigene Überschrift darüber gestellt, ohne überhaupt zu lesen und fertig war der Artikel. Wie gesagt, Qualitätsmedien!

Wenn der Bürgerjournalist in seinem Blog so etwas machen würde, wären aufmerksame Leser sofort über ihn hergefallen.

Auch der Redakteur der SZ muss eine ähnliche „Qualitätsarbeit“ geleistet haben, denn auch aus seinem Text geht hervor, dass Hilton gar nicht der Eigner des Hotels war. Wie kann man jemanden enteignen, dem das Objekt gar nicht gehört?

Wenn es dagegen darum geht zu hetzen, in diesem Fall gegen Hugo Chávez, dann sind diese „Qualitätsmedien“ immer dabei. Die gleiche SZ, die hier lügt, hat nämlich kürzlich einen Hetzartikel gegen Chávez veröffentlicht, in dem sie ihn wortwörtlich „ Diktator“ nennt und ihm „Willkür“ und „Tyrannei“ vorwirft. Nun ist aber Hugo Chávez wahrscheinlich der am meisten demokratisch legitimierte Politiker der Welt. Er ist nämlich nicht nur bei zwei Wahlen mit hohen Mehrheiten bei hohen Wahlbeteiligungen direkt gewählt worden, sondern hat sich zusätzlich auch bereits zwei Mal in 10 Jahren einem Plebiszit gestellt und wurde immer klar bestätigt.

Das wäre interessant gewesen, wenn Frau Merkel oder Herr Schröder sich solchen Plebisziten zu stellen gehabt hätten. Sie wären mit Pauken und Trompeten durchgefallen! Da ist es schon eine Zumutung, wenn die größte Tageszeitung dieses Landes solche Schimpfereien gegen einen Politiker losläßt, der in perfekter Weise demokratisch legitimiert ist.

Der Hetzartikel der SZ versteigt sich sogar zu der Behauptung, die Opposition in Venezuela werde politisch verfolgt. Gleichzeitig beschreibt der Artikel aber auch eine Demonstration von Tausend Menschen in Caracas gegen Chavez und deren Parolen (u.a. „Weg mit Chávez!“), die unbehelligt bleibt. Wenn von politischer Verfolgung die Rede ist, so sollte die SZ sich vielleicht mal im eigenen Lager umsehen, z.B. in den USA, die sie für eine Demokratie hält, wo die Demonstranten gegen den G20-Gipfel in Pittsburgh kürzlich – in friedlicher Demonstration - von der Polizei zusammengeprügelt wurden.

Ebenso behauptet die SZ in ihrem Hetzartikel, „...die freie Presse [in Venezuela] verstummt nach und nach.“ Das ist starker Tobak angesichts der Realität. In Venezuela - wie auch in anderen südamerikanischen Ländern, wie auch in vielen anderen Entwicklungsländern, wie auch in fast allen entwickelten Ländern – sind die Medien – fast alle – fest in den Händen von Monopolkapitalisten, also der allein herrschenden Klasse, die über diese Medien die ganze Gesellschaft manipuliert, wie wir gerade am Beispiel der SZ und der FTD nachweisen.

Diese Medien nennt die SZ die „freie Presse“. Was daran frei sein soll, müsste man noch erklären. Sie ist in Wirklichkeit extrem unfrei, denn die Journalisten müssen die Sicht der Besitzer darstellen oder sie werden entlassen – bzw. gar nicht erst eingestellt.

Nun, auch in Venezuela sind fast alle Zeitungen und das Fernsehen solche Medien und daher logischerweise streng Anti-Chávez. Auf was sich der Artikel bezieht: Chávez hatte vor zwei Jahren die auslaufende Lizenz des Fernsehsenders „Globo“ nicht mehr verlängert, weil dieser Sender nachweislich aktiv am Putschversuch gegen den gewählten Präsidenten von 2002 beteiligt war. ‚Globo’ brauchte allerdings die Sendungen keineswegs einzustellen. Der Sender kann weiterhin über Kabel, Satellit und Internet empfangen werden.

Die Behauptung, die „freie Presse verstumme“ (will sagen die Monopolmedien), ist einfach absurd angesichts der Wirklichkeit. Es gibt lediglich einen Fernsehsender, der Pro-Chávez ist, alle anderen hetzen unentwegt gegen ihn in Venezuela. Es gibt lediglich zwei Zeitungen, die Pro-Chávez sind, alle anderen hetzen gegen ihn.

Es ist so wie hier in Deutschland: Die Monopolkapitalisten haben alle Medien absolut in der Hand, wenn sich auch hier und dort schon mal eine unabhängige Stimme erhebt. Was dagegen mit der Gewalt der Monopolmacht gecrasht wird, ist die Wahrheit – wie hier mal wieder bewiesen wurde.

Auch in Deutschland sind sich viele Menschen dieser Wirklichkeit bewusst, wie ein Kommentator jenes Hetzartikels in der SZ deutlich macht. Er schreibt: "Allein die Giftigkeit, mit der er hier in der SZ "gewürdigt" wird, beweist, dass der Mann gut ist."


Veröffentlicht am 17. Oktober 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 16. Oktober 2009

Benzin wird Alternativ-Kraftstoff

Da ist Brasilien allen voraus

Von Karl Weiss

Die Petrobras, die halbstaatliche Ölfirma Brasiliens, die als einzige Raffinerien im größten Land der südlichen Halbkugel betreibt und die auch für den Vertrieb eines wesentlichen Teils des im Lande hergestellten Alkohols für Zwecke des Benzin-Ersatzes zuständig ist, hat soeben bekannt gegeben: Die Menge des verkauftem Alkohols in Brasilien hat die des Benzins übertroffen und ist weiter steigend.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Der Präsident der Petrobras fasste dies in die Worte: „Benzin ist zum Alternativkraftstoff geworden.“ Bis zum Jahr 2020 sieht man das Verhältnis von Alkohol (Ethanol) zu Benzin bei 83: 17.

In Brasilien wurde auch bereits vor geraumer Zeit eine andere Entscheidung getroffen, die auch in den entwickelten Ländern überfällig ist: Für Pkw wurde der Gebrauch von Dieselmotoren verboten. Diese sind nur für Fahrzeuge zugelassen, die im wesentlichen dem Güter-Transport dienen.

Logo Petrobras

Wie jeder weiss, sind die Abgase von Dieselmotoren die Hauptursache des Feinstaubs, dessen Konzentrationen in einigen Städten Deutschlands bereit weit über dem zulässigen Limit liegen. Noch mehr: Die Dieselabgase sind die Hauptquelle der krebserregenden Substanzen in diesem Feinstaub.

Ein weiteres Feld, auf dem unsere allseits geliebten kapitalistischen Politiker gegen grundlegende Erkenntnisse des Umwelt- und Gesundheitsschutzes verstoßen, weil sie mit den Automobil- und Ölkonzernen im Bett liegen. Diese Konzerne fürchten jede Veränderung des Status quo, weil dadurch die zwischen ihnen aufgeteilte absolute Dominanz auf jenem Gebiet angekratzt werden könnte.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Auf diese Weise ist in Brasilien deutlich mehr Alkohol/Benzin im Gebrauch als Diesel, zumal es in Brasilien ja keine Heizungen gibt und daher auch kein Heizöl, das ja auch nichts anderes ist als Diesel. Zusätzlich ist in Brasilien das Diesel bereits mit 5% Bio-Diesel versetzt. Doch darüber ein anderes Mal.

In Brasilien sind heute fast alle im Land hergestellt Personenkraftwagen automatisch oder auf Wunsch „Total Flex“, d.h. sie können Alkohol oder Benzin oder jedes Mischungsverhältnis zwischen beiden tanken. Die Sprit-Preise liegen im Bereich 100 : 140 zugunsten des Alkohols. Dafür hat man aber beim Alkohol auch einen zwischen 20 und 40% höheren Verbrauch. Der Vorteil vom Benzin-Tanken ist die größere Reichweite mit einer Tankfüllung. Der Vorteil beim Alkohol-Tanken ist: Man hat ein deutlich temperamentvolleres Auto. (In Wirklichkeit wäre der Mehrverbrauch beim Alkohol nur bei etwa 10% bis 20% gelegen, aber fast niemand kann dem widerstehen, die bessere Durchzugskraft des Alkohols auch auszunutzen – was offensichtlich den Verbrauch erhöht.)

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Im Moment liegen die Benzin-Preise hier in Belo Horizonte bei den billigeren Tankstellen bei 2,20 bis 2,25 Reais pro Liter, was 0,73 bis 0,75 Euro entspricht. Die Alkohol-Preise liegen an diesen Tankstellen bei 1,45 bis 1,50 Reais, etwa 0,48 bis 0,50 Euro. Vor einigen Monaten, als die Alkohol-Preise besonders niedrig waren, hat der Bürger-Journalist in Campinas im Staat São Paulo, wo die Alkohol-Preise schon üblicherweise niedrig sind, einen Tank mit Alkohol zum Preis von 0,85 Reais pro Liter gefüllt, das sind etwa 0,28 Euro.



Auto-Fabriken, die weitgehend „nationalisiert“ sind, in denen also mehr als 85% im Land hergestellte Teile verwendet werden, haben zur Zeit in Brasilien: Fiat, Volkswagen, GM, Ford, Renault (einschließlich Nissan und jenen Autos, die in Europa Dacia heißen), Peugeot-Citroen und KIA. Auto-Fabriken mit geringerem Grad der Nationalisierung haben Honda, Daewoo und Toyota. Im Moment in Planung ist die Fabrik von Hyundai. Zwei Drittel aller in Brasilien verkauften Personen-Kraftwagen sind mit einem 1,0-Liter-Motor ausgerüstet. Fast 90% der Autos verlassen heute als „Total Flex“-Versionen die Fabriken.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Alle diese Auto-Konzerne könnten also diese Technik auch in anderen Ländern anbieten. Sie könnten es dem Konsumenten überlassen, ob er Benzin oder Alkohol tanken will. Dann würden sich schnell überall Alkohol-Zapfsäulen finden. Aber die Spitzen von Auto- und Ölkonzernen sind eng miteinander verkungelt. Die Ölkonzerne versuchen mit allen Mitteln, das Aufkommen alternativer Antriebsarten zu Benzin und Diesel zu verhindern, denn sie verdienen 80% ihres Geldes mit diesem beiden überholten Sprit-Dinosauriern. Die Autohersteller unterstützen sie dabei.

Und die kapitalistischen Politiker sind verkungelt mit eben jenen Monopol-Konzernen und unterstützen sie in der Abwehr jeglicher Alternativen.

Typisch für die Abwehr-Kampagnen ist die mit Millionenbeträgen geführte Public-Relations-Action gegen Biosprit. Ganze Organisationen wurden gegründet, die Erfundenes gegen Biosprit verbreiten und eine Anzahl von Scheinwissenschaftlern legen falsch angelegte Versuchsergebnisse vor, um dem Biosprit den Garaus zu machen. Die Medien verbreiten bereitwillig diese Thesen, ohne auch nur irgendetwas in Frage zu stellen. Organisationen wie ‚Greenpeace’ und ‚Rettet-den-Regenwald’ lassen sich als nützliche Idioten für diese Kampagne benutzen. Auch der Zuständige der UN, Jean Ziegler, verbreitet diesen Unsinn.

Treibstoffpreise Brasilien Juli 08

Ihre „Argumente“ sind im wesentlichen die folgenden:
  • Das „Konkurrenz-zu-Nahrungsmitteln-Argument“

    Es wird behauptet, Bio-Sprit würde Anbauflächen belegen, die dringend für die Ernährung der Weltbevölkerung gebraucht würden, von der sowieso schon ein Teil hungert. In Wirklichkeit aber gibt es keinen Mangel an Nahrungsmitteln, nur einen Mangel an Geld für viele, diese Nahrungsmittel zu kaufen. Die gesamte Nahrungsmittel-Produktion der Menschheit würde im Moment im Prinzip für 12 Milliarden Menschen reichen und bisher sind wir „nur“ etwa 7 Milliarden. Speziell in den Entwicklungsländern gibt es außerdem etwa die gleiche Fläche an ungenutztem landwirtschaftlichen Boden, wie bereits bebaut wird (gemeint ist Boden, der bereits erschlossen ist). Würde man diesen Boden an arme Familien verteilen und ihnen einen angemessenen Preis für die dort produzierten Ernten zahlen, wären mit einem Schlag alle Hungerprobleme der Menschheit gelöst. Allerdings gäbe es dann ein Überangebot an Nahrungsmitteln und eine andere Nutzung von bestimmten landwirtschaftlichen Produkten wäre willkommen, zum Beispiel für Bio-Sprit. Die Haupt-Ursachen für die riesigen Brachflächen in den Entwicklungsländern sind vor allem die Agrarsubventionen der reichen Länder. Die USA, Japan und die EU stecken Unmengen von Geld in die Subventionierung von Agrargütern, die sie dann anschließend zu Spottpreisen überall in der Welt verhökern. In den Entwicklungsländern kann man aber zu diesen Preisen diese Nahrungsmittel nicht erzeugen und so bleiben die Agrarflächen ungenutzt.
Zuckerrohr-Ernte
  • Das Argument „Es–ist-eine-Sünde-Nahrungsmittel-zu-verfeuern“

    Sehr ähnlich wird dieses Argument auch in der Form gebracht, man könne doch nicht Lebensmittel zur Verbrennung in Motoren verwenden, wenn gleichzeitig Menschen des Hungers sterben. Auch in diesem Fall muss daran erinnert werden: Der Hunger in der Welt ist allein ein Auswuchs des imperialistischen Systems, nicht ein Mangel an Nahrungsmitteln. Allerdings trifft das Argument in gewisser Weise auf die in den USA verwendete Art der Alkohol-Herstellung zu: Dort wird Mais angebaut, dann geerntet und dann macht man in einer Anzahl von Fabriken aus den gelben Maiskörnern Alkohol. Das allerdings ist wirklich absurd, weil bei weitem zu teuer. Da die USA mit ihrem subventionierten Mais auch den mexikanischen Markt beliefert (zu Spott-Preisen), gab es da in Mexiko nun auch deutliche Preiserhöhungen für das dortige Grundnahrungsmittel Mais. Allerdings ist das kein Argument gegen den Alkohol als Benzinersatz, sondern eines gegen die kapitalistisch-imperialistischen Verhältnisse. Zuckerrohr hat sich als bei weitem am besten geeignet erwiesen zur Alkoholherstellung. Die brasilianische Methode (man kann inzwischen in Brasilien Alkoholfabriken für die Herstellung aus Zuckerrohr von der Stange kaufen) beinhaltet auch die Verwendung der nicht verwendeten Teile des Zuckerrohrs zur Verbrennung und Energiegewinnung für den Prozess. Dadurch verbessert sich die sowieso schon günstige Energiebilanz im Vergleich zur energiefressenden Benzinherstellung noch weiter.
Brasilien (topographisch)
  • Das „Energie-Bilanz-Argument“

    Im Prinzip schon hundertfach widerlegt, kommt immer wieder das Energie-Bilanz-Argument aufs Tapet. Angebliche Wissenschaftler, finanziert von dubiosen Organisationen, stellen „alternative“ Energiebilanzen auf, die den Vorteil bezüglich des Ausstoßes von CO2 von Alkohol gegen Benzin herunter rechnen, bis er fast völlig verschwindet. Da wird zum Beispiel die Tatsache benutzt, dass Alkohol viel herum transportiert werden muss, während Benzin in den entwickelten Ländern nur von der nächsten Raffinerie herangebracht werden zu braucht, um fast die Hälfte des Vorteils des Alkohols wegzurechnen. Nur hat eben Brasilien bereits gezeigt: Wenn genügend Alkohol verbraucht wird, wird es bald auch lokale Alkohol-Fabriken geben und der Transport spielt keine Rolle mehr. Die grundlegende Frage ist eben: Will man den Wahnsinn stoppen, CO2, das vor Hunderten oder Zig Millionen von Jahren weit mehr in der Lufthülle vorkam und dann in Form verwesender Pflanzen in den Untergrund befördert wurde, wieder in Form von Erdöl hervorzupumpen und durch Verbrennen erneut in CO2 verwandeln, damit die Erdoberfläche wieder, so wie damals, für Menschen unbewohnbar sein wird? Nur, damals gab es noch keine Menschen. Heute aber gibt es etwa 7 Milliarden!
Treffende Karikatur
  • Das Argument: „Die-möglichen-Anbauflächen-reichen-nicht-aus“

    Dies stellt sich beim näheren Hinsehen als gar kein Argument heraus, außer für jemanden, der sich leicht täuschen lässt. Tatsächlich ist die Menge des weltweit verbrauchten Benzins so riesig, dass man diese nicht vollständig durch Alkohol ersetzen kann, ohne wirklich ernsthaft die Nahrungsmittelproduktion zu gefährden. Aber wer hat denn gesagt, das Benzin müsse vollständig ersetzt werden? Wenn es gelänge, bis in 20 Jahren 40 % zu ersetzen, wäre bereits ein wichtiger Schritt in Richtung der Vermeidung der Klimakatastrophe getan.
  • Das „Regenwald-Argument“

    Entgegen der Wahrheit wird immer wieder behauptet, ein wesentlicher Teil des Alkohols in Brasilien werde aus Pflanzen hergestellt, die auf Flächen angebaut wurden, die dem Regenwald abgetrotzt wurden. Das ist nicht der Fall. Etwa 90% des Zuckerrohrs für den Alkohol in Brasilien werden in den Regionen Südost, Nordost und Süd angebaut, die Tausende von Kilometern vom Amazonasregenwald entfernt liegen. Nur weniger als 1% stammen von Zuckerrohr aus der Amazonas-Region, wobei ein Teil davon nicht auf neu gerodeten Flächen angebaut wurde. Der einfache Gründ dafür ist: Die klimatischen Umstände und der Boden des Amazonasregenwaldes sind nicht für den Anbau von Zuckerrohr geeignet (mit geringen Ausnahmen).
Globale Erwärmung

Tatsächlich ist der Alkohol wirklich nicht das ideale Mittel, den Verkehr anzutreiben. Die Mittel, Benzin (oder auch Alkohol) zu sparen, sind vielfältig und sind noch nicht einmal ansatzweise ausgenutzt. Außerdem sollte eine Menschheit, die nicht mehr für den höheren Profit der Groß-Konzerne (und das sind vor allem die Öl- und Auto-Konzerne) leben will, überhaupt in Frage stellen, ob ein Verkehrsmittel wie das Auto, das jährlich mehrere Hunderttausend tote Menschen fordert, überhaupt akzeptabel ist. Zweifellos sind da schienengebundene oder über den Schienen schwebende Verkehrsmittel mehr angesagt. Gibt es aber Schienen, kann auch Strom abgenommen werden und dann ist nur noch die Frage, wie wir den Strom für den Verkehr erzeugen – und das werden wir sicherlich nicht durch CO2-erzeugende Verbrennungsprozesse. Aber dies ist schon ein anderes Thema.

Für den Alkohol gilt: Er ist schnell zugänglich und daher der ideale Ersatz für einen Teil des Benzins IN EINER ÜBERGANSZEIT.

Schmelzendes Eis

Übrigens gibt es inzwischen auch bereits anwendungsreife Verfahren, Alkohol aus organischen Abfällen herzustellen. Ein solches Verfahren wäre wahrscheinlich für Europa ideal, wo es Unmengen von organischen Abfällen gibt, die irrwitzigerweise in Müllverbrennungsanlagen vernichtet werden.

Schließlich sei hier auch noch erwähnt, dass Benzin (wie auch Diesel) krebserregende Anteile enthält, die eigentlich jeden, der an einer Tankstelle, einer Abfüllstation oder einer Raffinerie arbeitet, zum Tragen einer Vollschutz-Maske zwingen müsste – wäre es irgendeine andere Firma. Aber die Ölkonzerne sind so mächtig und politisch gut „vernetzt“, dass die Tankstellen, die Abfüllstellen und die Raffinerien der einzige Platz sind, wo dies Regeln nicht gelten. Alkohol (und Bio-Diesel) sind dagegen nicht krebserregend.


Veröffentlicht am 15. Oktober 2009 in der Berliner Umschau


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik

- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatastrophe

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Dossier der Woche "Dossier Klimakatastrophe" 10 Fragen und Antworten zur Klimakatastrophe

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