Dienstag, 22. Juni 2010

Auch kapitalistische Quellen bestätigen: Wir werden bestohlen und belogen

Die „Rettungsschirme“ sind für Banken, nicht für den Euro

Von Karl Weiss

Dass Leute wie der Bürgerjournalist und andere Sozialisten die riesen-milliardenschweren 'Bail-Outs' und „Rettungspakete“ kritisieren und sie als schlichten Raub am Bundesbürger bezeichnen, war natürlich zu erwarten und überrascht wohl nicht. Nun beginnen aber auch immer mehr kapitalistische Quellen genau das zu bestätigen, was wir die ganze Zeit sagen.

Diebe unter uns

Diese Mal ist es das populäres Magazin „seite3“ der Schweiz, das nun nicht im mindesten im Verdacht steht, sehr sozialistisch zu sein, das uns Klartext serviert:

Unter dem Titel „Wurde Europa von Bankstern übernommen?“ zitiert es den „Wirtschaftsguru“ Beat Kappeler damit, beim Griechenland Rettungspaket hätte es sich um ein Banken-Rettungspaket gehandelt. „Die EU verschenkt also das Geld ihrer Bürger und zwingt sie damit in die Abhängigkeit der Zentralbanken. (...) Denn wer die Macht über das Geld hat, hat auch die Macht über die Regierung.“

Auch was der ehemalige Europa-Banker und Staatssekretär im Finanzministerium Jürgen Jahnke zu den Behauptungen von Frau Merkel in ihrer Regierungserklärung zum „Rettungsschirm“ zu sagen hat, ist aufschlussreich, denn auch er ist nicht im geringsten verdächtig, mit irgendwelchen sozialistischen Zielen zu kokettieren.

Er schreibt in seinem interessanten Portal www.jjahnke.net zur Behauptung von Frau Merkel, Deutschland habe auf Pump gelebt: „Eine Merkel-Lüge“

Frau Merkel behauptete: "Zu viele wettbewerbsschwache Euroländer haben über ihre Verhältnisse gelebt. Das ist die eigentliche Ursache des Problems. Auch wir Deutschen haben im Übrigen nicht seit gestern, sondern schon seit über 40 Jahren Schulden gemacht. Auch wir leben auf Pump."

Demgegenüber stellt Herr Jahnke klar:

„Was für ein Unsinn! Deutschland lebt seit Jahren unter seinen Verhältnissen. Allein in den acht Jahren zwischen 2002 und 2009 hat Deutschland fast 1.000 Milliarden Euro [ 1 Billion!] mehr eingenommen, als es ausgegeben hat, und entsprechend kumulierte Leistungsbilanzüberschüsse zu Lasten seiner Binnenkonjunktur aufgebaut (...). Im Durchschnitt für jeden Haushalt in Deutschland 46.150 Euro. Das Geld ist dann über die Zahlungsbilanz in Kapitalexporten gelandet, als Investitionen in ausländischen Finanzpapieren (auch miesen amerikanischen), Unternehmen, Krediten ans Ausland und ausländischen Staatspapieren (auch Griechenland) etc..

Weiter schreibt er:

„Deutschland hat sich viel zu wenig gegönnt und damit seine Binnenkonjunktur im Kühlschrank gehalten und zugleich eine zerstörende Unwucht in der Eurozone erzeugt. Das ist die Wahrheit. Alles andere ist verlogene Volksverdummung. Was Merkel hier absichtsvoll durcheinander wirft ist die Staatsverschuldung (die bei uns im internationalen Vergleich relativ gering ist) und die Auslandsverschuldung, mit der man auf Pump leben würde, während doch Deutschland einer der weltgrößten Gläubiger geworden ist. Alles Lüge also. Man muss es einmal so hart formulieren.“

Das alles sollten wir uns gut merken, wenn wir wieder vermerkelt werden.


Veröffentlicht am 21. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Freitag, 18. Juni 2010

Die Sorgen um die „Demokratie”

Das Gedenken an den 17. Juni

Von Karl Weiss

Ja, sie sind besorgt, die deutschen Politiker und auch jene „Staatsmänner“ und „Staatsfrauen“, die sie um sich scharen. Diesmal ließen sie Gesine Schwan, die schon als Zählkandidatin für die Bundespräsidentenwahlen diente, eine Rede zum 17. Juni halten. Der 17. Juni nämlich dient immer noch als „Gedenktag“ auch wenn wir den Tag der deutschen Einheit jetzt am 3. Oktober feiern.

Bundestag - Reichstag

Der 17. Juni war immer, bis zur Vereinigung Deutschlands, ein Tag der großen Grundlüge des westdeutschen Teilstaates, an dem Krokodilstränen über die Spaltung geweint wurden, die doch von eben jenen Tränenträgern durchgeführt worden war.

Nein, die Spaltung war nicht von den Kommunisten auf der Ostseite provoziert worden – im Gegenteil, die drängten auf eine Vereinigung. Sie war von vornherein im Plan des US-Präsidenten und fanatischen Antikommunisten Truman, der 1947 den Weg Deutschlands in neue Bahnen gelenkt hatte.

Vorher hatten die Siegermächte auf westlicher Seite geplant, aus Deutschland einen reinen Agrarstaat zu machen, die Kriegsverbrecher zu verurteilen, jegliche Industrie in Deutschland dem Erdboden gleichzumachen und keine neue zuzulassen. Deutschland sollte für ewig ein Protektorat der westlichen Siegermächte bleiben.

Die Sowjetunion, damals noch sozialistisch, spielte nicht mit in diesem Spiel und so wurde bereits früh die Teilung geplant.

Die Westmächte begannen, Industrie in Deutschland zu zerstören, begannen die „Nürnberger Prozesse“, internierten Wirtschaftsbosse usw. Doch dann plötzlich, 1947, in Deutschland herrschte Hunger, wurde all dies gestoppt und die drei Westzonen wurden nun darauf vorbereitet, als Speerspitze im Kampf um die Weltherrschaft gegen die Sowjetunion zu dienen. Truman und seine Berater hatten entdeckt, die Sowjetunion muss vernichtet werden, denn der Kommunismus ist die wichtigste Gefahr für das kapitalistische Weltsystem. Da man die Atombombe hatte, wäre dies auch nicht so schwierig. Allerdings musste man die Welt auf den Gebrauch der Atombombe gegen die Sowjetunion einstimmen.

Atombombe 2.Weltkrieg

Man entließ alle deutschen Wirtschaftbosse und liess sie wieder ihre Posten an der Spitze von Konzernen einnehmen, die Zerstörung der Industrie wurde gestoppt, die Nürnberger Prozesse, die ja gerade erst angefangen hatten, abrupt abgebrochen und man entwickelte eine „Freundschaft“ mit jenem Typ von Politikern, wie sie dann zur Regel wurden, eben jene, denen die „Freundschaft“ mit Amerika alles war und die deutschen Interessen nichts bedeuteten, allen voran Konrad Adenauer.

Diese Politiker schafften es dann auch, innerhalb von eineinhalb bis 2 Jahren die drei Westzonen zu einem gemeinsamen Staat unter Oberaufsicht Amerikas umzumodeln, die Spaltung Deutschlands zu besiegeln und dem neuen deutschen Staat eine scheinbar demokratische Verfassung zu geben, auch wenn dort das Privateigentum (an Produktionsmitteln) als unantastbar erklärt wurde und damit der Kapitalismus als Staats- und Wirtschaftsform definiert wurde.

So blieb der damaligen sowjetischen Besatzungszone nichts anderes übrig, als sich auch als Staat zu konstituieren, die DDR wurde gegründet.

Die Pläne Trumans, den Kommunismus mitsamt der Bevölkerung von der Oberfläche der Erde zu fegen mit einem massiven Angriff mit Atombomben, wurden aber frustriert. Bereits im Jahre 1948 wurde die erste sowjetische Atombombe erprobt und bald hatte die Sowjetunion auch die neu entwickelte Wasserstoff-Bombe.

Zwar konnte die Führung der USA im eigenen Land eine hysterische Kommunistenverfolgung in Szene setzen, aber weltweit passierte genau das Gegenteil. Alle Staaten im sowjetischen Einflussbereich führten den Sozialismus als Wirtschaftsform ein und 1948 kam auch noch China, damals bereits das bevölkerungsreichste Land der Erde, zur Gruppe der sozialistischen Staaten hinzu.

Der 1950 von Truman vom Zaum gebrochene Korea-Krieg sollte diesem Vormarsch Einhalt gebieten, doch den musste man nach einem Jahr bereits abbrechen, da man ihn militärisch zu verlieren drohte.

Damit war die Ausgangsposition der Epoche des „Kalten Krieges“ geschaffen, die erst 1989 zu Ende gehen sollte.

Die Bundesrepublik war Frontstaat geworden und wurde mit harter Hand auf dem Pfad des offiziellen Antikommunismus gehalten, u.a. mit dem Verbot der kommunistischen Partei und mit dem Berufsverbot von wirklichen Demokraten im öffentlichen Dienst, die als "Linksextreme" geschmäht wurden. Jeder, der die Augen offen hatte, konnte sehen, es handelte sich immer um etwas völlig anderes als eine Demokratie.

Doch die Medien stellten nur die Sicht der Konzern- und Bank-Herren dar und es gelang ihnen, dem Westdeutschen über viele Jahre eine Scheinwelt vorzuführen. Nun zerbricht mehr und mehr diese Illusion. Die Wahrheit scheint immer mehr auf. Die Glaubwürdigkeit der Politiker, die nichts anderes als Apologeten des Kapitals sind, geht mehr und mehr den Bach hinunter.

Diebe unter uns

So konnte Frau Schwan nun folgendes erklären:

„...dass es unter der Oberfläche gärt, kann niemand abstreiten." Die Gefahr ohnmächtiger Wut mache sich in der Gesellschaft spürbar breit. Immer mehr Menschen fragten sich etwa, ob es gerecht sei, Milliardenbürgschaften für die Rettung des Bankensystems auszugeben, während kurz danach diese Institute riesige Gewinne verbuchten. Die Distanz zur Demokratie wachse auch durch die zunehmende Schere bei der Vermögensverteilung. (...) Die Demokratie müsse zeigen, dass sie besser als die kommunistische Ideologie in der Lage sei, Freiheit und Recht dauerhaft zu sichern.“

Ja, da hat man nun wirklich ein Problem. Wenn es eben keine Demokratie ist, sondern eine Diktatur der Konzerne und Banken, dann kann die „Demokratie“ eben auch nichts zeigen. Wenn die Konzerne und Banken uns mit unseren Steuern und Abgaben für ihre Verluste zahlen lassen wollen, dann wird eben deutlich: Freiheit und Recht nur im Sozialismus/Kommunismus, der Kapitalismus dagegen schließt Demokratie aus!


Veröffentlicht am 18. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 17. Juni 2010

Kommt jetzt der zweite große Krisenabschwung der Depression?

Erholung passé?

Von Karl Weiss

Der wichtigste US-Krisenfrüherkennungsfaktor „Weekly Index“ des ECRI fiel in der Woche vor dem 4. Juni 2010 auf –3,5% und erreichte damit ein 44-Wochentief. Das kündigt typischerweise einen neuen Abschwung an. Damit wäre die „Erholung“, die noch gar nicht stattgefunden hat, bereits wieder passé.

Barack Obama
Auch US-Präsident Barack Obama konnte die US-Wirtschaft bisher nicht auf die Beine bringen

Das Blog „wirtschaftsquerschuss.blogspot.com“ wird jetzt nur noch von Zeit zu Zeit aktualisiert, ist dann aber immer seiner Zeit voraus – und den anderen Blogs. Diesmal wird uns der Frühindikator des ECRI vorgestellt. Es handelt sich um einen Indikator, der kurzfristig Auskunft über den Wirtschaftsverlauf in den USA gibt.

Dieser Index gibt eine gewichtete Summierung von 7 wichtigen US-Wirtschaftszahlen wieder, die Entwicklung der Geldmenge, die Preise für industrielle Märkte, die Spreads und die Erträge von Anleihen, die Erstanträge auf Arbeitslosigkeit, die Hypothekenanträge und die Entwicklung der Aktienkurse. Er hat erfolgreich den Beginn der Wirtschaftskrise im März 2001 angesagt, wie auch die aktuelle Krise, beginnend im Dezember 2007.

Im aktuellen Fall gibt der Indikator als annualisierte und geglättete Wachstumsrate erstmals seit 51 Wochen wieder einen negativen Trend wieder. Das kann bereits signifikant sein, aber das ECRI selbst, das ‚Economic Cycle Research Institut’, weist daraufhin, dass dies erst die erste Woche mit einem negativen Trend war und damit noch nicht genügend Nachhaltigkeit vorliegt, um jetzt schon den zweiten Abschwung innerhalb der aktuellen Krise vorhersagen zu können.

Der „Wirtschaftsquerschuss“ aber sagt: „...der ECRI US-Weekly Leading Index dürfte bereits eine deutliche negative Indikation für das Wirtschaftswachstum in den USA sein.“

USA-Staatsverschuldung - Das ist eine Exponentialfunktion!
Das ist eine Exponentialfunktion!

Besonders die sich verschärfende Situation der Banken in den USA (und nicht nur dort) wird als Anzeichen dafür genommen Es wird hingewiesen „...auf die ungelöste Problematik von immensen Milliarden Dollar an nicht ausgewiesenen faulen Krediten in den Bilanzen der US-Finanzindustrie...“.

Als Beispiel dient die Goldmann Sachs Bank, die schon als Krisengewinnler da stand. Ihr Aktienkurs ist letzthin konsequent gefallen und liegt nun auf dem Stand vom 22. Mai 2009, das war der Höhepunkt des ersten Abschwungs in der aktuellen Krise.

USA: Monatliche Ausgaben und Einnahmen pro Fiskaljahr

Würde sich diese Vorhersage bestätigen, nähme die jetzige Krise ein Ausmaß von mindestens der Tiefe der „Großen Depression“ an, die 1929 begann und sich bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges hinzog. Sie würde dann noch Jahre dauern. Wiederum, wie schon 2007/2008, wären die USA der Vorläufer für den Rutsch in die Krise für die anderen Länder.


Veröffentlicht am 17. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 16. Juni 2010

Was ist ‘CALA BOCA GALVÃO’?

Ein Internet-Ereignis

Von Karl Weiss

Halb Brasilien biegt sich vor Lachen, aber es hat diesmal nicht mit den Fußballweltmeisterschaften zu tun. Die brasilianische Twitter-Seite „CALA BOCA GALVÃO” ist zum internationalen Hit geworden.

Diese Twitter-Seite wurde in Brasilien bei einem Sportereignis so oft angeklickt, dass sie in den internationalen Twitter-Rankings aufschien. Dies wiederum führte dazu, dass in den verschiedensten Ländern, auch in Deutschland, gefragt wurde: „Was ist CALA BOCA GALVÃO“?

Wer in Brasilien lebt, weiß sofort, was mit diesem Titel gemeint ist (Auflösung am Ende des Artikels).

Das führte dann dazu, dass ein paar brasilianische Spaßvögel Videos auf Englisch entwickelten, die alle möglichen Erklärungen für dieses scheinbar so schwierig zu lösendes Rätsel aufboten.

Eine Site entwickelte die Theorie, dies sei ein neuer Song von Lady Gaga.

Die größten Lachsalven ruft aber eine Seite auf Englisch in „You Tube“ hervor, die man unter eben jenem Spruch oder auch unter „Help us save the Galvão Bird“ finden kann.

In diesem Video wird nun behauptet, es gäbe einen Galvão Vogel, der vom Aussterben bedroht sei.
Gezeigt wird aber der kleine grüne Papagei, ein Vogel, der in Brasilien extrem häufig ist. Schwärme von diesem Papagei machen mit ihrem Krächzen einen Heidenkrach und haben schon so manchen hier aus einem wohlverdienten Schlaf geweckt. Selbst hier im Gebiet der Großstadt Belo Horizonte, kommen kleinere Schwärme vor. Der Vogel ist also alles andere als vom Aussterben bedroht.

Dann wird ein Bild von einem Umzug einer Sambaschule im Karneval gezeigt, auf dem die Kostümierten eine Kopfbedeckung mit grünen Federn tragen und behauptet, dieser Gebrauch seiner Federn sei der Grund für das vermeintliche Aussterben des Vogels. Alle in Brasilien wissen natürlich, dass diese Federn gefärbte Straußenfedern sind.

Dann werden Szenen von Drogenhändlern gezeigt und behauptet, die würden zu hohen Preisen die Federn des Galvão Vogels handeln. Schließlich muss auch noch der Film über einen bekannten brasilianischen Spiritisten herhalten, in dem der Schauspieler als Wissenschaftler vorgestellt wird, der angeblich zur Unterstützung der Anstrengungen aufruft, den Galvão-Vogel zu retten. Der wissenschaftliche Name des Vogels sei angeblich ‚Silentium Galvanensis’, was den aufmerksamen Beobachter eigentlich schon stutzig machen müsste.

Schließlich wird dazu aufgerufen, auf die Twitter-Seite von CALA BOCA GALVÃO zu klicken. Jeder Klick würde eine Spende von 10 Centavos für die Rettung des Vogels auslösen.

Tatsächlich kamen so auch eine Menge internationaler Klicks auf diese Seite zustande.

Zugrunde liegt diesem Zwitscher-Ereignis, dass die brasilianische eine der ganz großen Twitter-Gemeinden ist, die nicht das Englische benutzen (immerhin sind es jetzt beinahe 200 Millionen Brasilianer).

Dazu kommt, dass CALA BOCA GALVÃO für jeden außerhalb Brasiliens ein scheinbar unauflösliches Rätsel darstellt. Auch wer spanisch spricht (oder die Portugiesen) und weiß, dass CALA BOCA „Halt den Mund“ oder besser „Halts Maul“ heißt, eröffnet sich nicht, was gemeint ist.

Und nun die Auflösung: Galvão ist der Vorname des brasilianischen Sportreporters Galvão Bueno. Der spricht und kommentiert im fast Monopol-Sender Globo fast alle Sportereignisse, und das seit über 20 Jahren. Bei fast jeder Sportübertragung im Fernsehen muss man sich seine Stimme anhören. Er kann keinen Moment seinen Mund halten und seine Kommentare sind meistens seicht und manchmal auch blöde oder unsinnig, so dass der einigermaßen gebildete Teil der Leute in Brasilien (und das sind ja meistens die mit Internet-Zugang) ihn einfach nicht mehr hören kann. Der Vorname Galvão ist so selten, dass man hier sofort weiß, wer gemeint ist, wenn man den Aufschrei der gequälten Seelen CALA BOCA GALVÃO hört. So kam die Twitter-Seite „Halts Maul, Galvão“ zustande, die dann so viel Unterstützung bekam.


Veröffentlicht am 16. Juni 2010 in der Berliner Umschau. Dort steht auch das beschriebene 'You tube'-Video im Artikel. Link hier rechts


Zusatz zum Artikel (17.6.2010)

Falls jemand das für eine grobe Übertreibung oder einen Scherz hielt, so sehe er sich diesen Artikel der New York Times von gestern an:

http://www.nytimes.com/2010/06/16/nyregion/16about.html?src=mv

Es handelt sich tatsächlich um ein nie vorher gesehenes Phänomen.

Dienstag, 15. Juni 2010

Ist das BPs Untergang?

Ein Artikel der Financial Times Deutschland legt dies nahe

Von Karl Weiss

Die BP ist in „trouble“. BP will sagen: British Petrol. Man hat zwei Firmen, eine davon die bekannte Halliburton des früheren US-Vize-Präsidenten Cheney, damit beauftragt, eine Tiefwasserbohrung im Golf von Mexiko nach Erdöl zu veranstalten und die Dinge gingen schief. Die Plattform hieß „Deepwater Horizon“.

auf-zum-strand-tanken

Es wurden offenbar einfachste Sicherheitsregeln nicht eingehalten und die Ölplattform explodierte und sank kurz danach. Bis heute wurde die Zahl der Toten dieser Katastrophe nicht bekannt gegeben. Und die Folgen sind noch weit fürchterlicher als 10 oder 40 Tote.

Es ist der größte „Oil-Spill“ aller Zeiten. Und das endgültige Ausmaß ist noch nicht bekannt. Als die „Exxon-Valdez“ in den vorher fischreichen Gewässern Alaskas auf Grund lief und anschließend praktisch die ganze Ladung von Rohöl in die Umwelt entließ, war dies bereits das größte Desaster der Geschichte der Ölproduktion. Nun aber ist nicht die Menge Öl, die in eines der großen Tankschiffe passt, die jene mögliche Katastrophe begrenzt, diesmal wurde das Bohrloch selbst freigesetzt, der absolute Albtraum jedes Öl-Ingenieurs.

Seitdem fließt ein Strom von Erdöl aus jenem freigesetzten Bohrloch und alle Maßnahmen, dies zu unterbinden, liefen schief. Es muss sogar damit gerechnet werden, dieser Ausfluss von Öl in das Meer wird erst im Verlauf von Monaten drastisch zu verringern sein und auch das ist nicht sicher.
Was ist da schiefgelaufen? Wie konnte die BP ein solches Desaster geschehen lassen, obwohl alle Spezialisten bereits auf solche Möglichkeiten aufmerksam machten?

Die BP, speziell in Form ihres Vorstandsvorsitzenden Tony Hayward, hat – nachdem das Desaster schon nicht mehr zu verheimlichen war – auch noch alle publizistischen Fehler gemacht, die man in solchen Situationen machen kann. Er war nie präsent, wenn die Fischerhäfen am Golf von Mexiko besucht wurden, er versprach den Fischern nie großzügige Abfindungen, obwohl die Reingewinne der BP im Bereich von zig Milliarden das ohne Probleme hergegeben hätten.

Stattdessen erklärte er, die beiden Firmen, die er kontraktiert hatte für diese Bohrung, neben der Halliburton die Transocean, eine Schweizer Firma, seien verantwortlich.

BP New Logo

Er musste dies bereits nach kurzer Zeit zurückziehen. Die Konzession war an BP vergeben worden und jegliche Unterkontraktanten hätten an strenge Regeln gebunden werden müssen. Da scheint es aber gehapert zu haben. Heute versucht die BP schon nicht mehr, die Schuld auf die „Contractors“ abzuschieben.

Hayward, der bei Analysten immer als Vorzeigemanager galt: Hayward hat Kosten gespart, Stellen gestrichen, Gewinne gesteigert, ein Vorstandsvorsitzender jener Art, wie sie diese Großkonzerne nun im Dutzend hervorbringen: Er weiß sicherlich, wie man die Profite der BP ins fast Unermessliche steigert, aber er hat nicht den geringsten Kontakt zu den Normalsterblichen, kann sich gar nicht vorstellen, wie das Leben normaler Menschen vor sich geht und er hat vor allem auch keinerlei wirkliche Kenntnisse über die Technik von Tiefseebohrungen.

So ging es völlig an ihm vorbei, dass eine Anwesenheit nötig gewesen wäre, als Präsident Obama die betroffenen Regionen besuchte. Zunächst ließ er noch verlautbaren, es trete gar kein Öl aus. Als sich dies nicht mehr verheimlichen ließ, keinerlei Präsenz vor Ort, keinerlei Versprechen von großzügigen Ausgleichszahlungen. Dies zumindest hatte der damalige Präsident der Exxon in Alaska noch von sich gegeben - allerdings später nicht eingehalten.

Na, zumindest ist er ehrlicher als der damalige Exxon-Präsident.

Doch der damalige Tanker-Unfall war ein schlimmer Unfall. Diesmal handelt es sich um eine Katastrophe. Keine bisherige Umwelt-Katastrophe lässt sich mit dieser vergleichen. Die Ölmengen sind bis jetzt bereits zehn mal mehr als damals (nach bereits überholten Angaben). Vor allem aber, die Küsten, wo all dies anlandet, sind nicht mehr die extrem dünn besiedelten Alaskas, wo ganze Eskimo-Stämme ihre Lebensgrundlage verloren und in die nächst gelegen Städte flüchten mussten, um zu betteln.

Diesmal handelt es sich um einige der dichtest besiedelten Küsten überhaupt. Hunderttausende und Millionen sind betroffen. Nicht nur, dass die Fischer keine Beute mehr finden, nicht nur, dass die Krebse und Hummer verschwinden, nicht nur, dass die Shrimps und anderen Schalentiere nicht mehr auftauchen, nicht nur die völlige Unmöglichkeit noch irgendwelche lohnenswerten Fischzüge zu machen.

Was stärker wiegt, ist die Vernichtung bestens bekannter Urlaubsgebiete, ist die völlige Verhinderung der normalen Strandvergnügen, ist das Auslöschen von Hunderten von Kilometern von sauberem Strand für Jahrzehnte – wenn nicht auf ewig.

Dazu kommen die ausgedehnten Bereiche der Florida-Küste, in denen Hunderttausende von US-Rentnern ihre wohl verdiente Rente genießen. Sie alle hatten sich Appartements an der Küste gekauft, die nicht nur ein Strandleben, sondern auch die Möglichkeit von Fischfang-Abenteuern beinhalteten. Damit dürfte nun Schluss sein.

Damit ist die Golf-Coast-Katastrophe bereits heute weit gigantischer als jene der Exxon-Valdez. Die BP scheint dies erst in den letzten Tagen bemerkt zu haben, doch ihre Antworten bleiben extrem vage. Es wird von weiteren Monaten gesprochen, bis der Öl-Austritt wirklich gestoppt werden kann.

Dies alles allerdings dürfte bereits vorher klar gewesen sein. Jeder verantwortliche Ingenieur hat bereits berichtet, dass dies passieren könnte oder wenn er dies offiziell nicht hat, dann unter Druck des Konzerns. Die Risiken der Ölförderung in großen Tiefen und die hohen Kosten waren bereits bekannt.

Doch müssen wir von einem Konzern wie BP besonders hohe Standards verlangen. Der Bürger-Journalist war bereits einmal indirekt Angestellter der BP. Genau gesagt war die Firma, in der er arbeitete, Vertriebsorganisation einer BP-Tochter. Als solcher, wurde man in bestimmte BP-Orientierungsprogramme einbezogen. Dort wurde einem unter anderem klar gemacht: Die BP kann nicht länger die relativ hohe Zahl von Angestellten verkraften, die Opfer eines Auto-Unfalls mit Alkohol-Ursachen werden. Die BP dekretiert: Wer wegen Fahrens unter Alkohol-Einfluss verurteilt wird, wird unmittelbar entlassen, auch wenn er nur bei einer Vertriebsorganisation einer BP-Tochter arbeitet.

Das ist sicherlich eine keineswegs zu verurteilende Sicht der Dinge. Aber hätte ein Konzern, der sich in dieser Beziehung so weit aus dem Fenster lehnt, nicht auch in Bezug auf die absolute Sicherheit von Ölquellen gegen Explosionen und unerwünschten Öl-Austritt in ähnlich rigoroser Weise vorgehen müssen?

Nun, die BP ist einer der fünf großen internationalen Ölkonzerne auf der Welt, die da sind: Exxon-Mobil, Shell, Chevron-Texaco, Total und BP. Alle fünf kämpfen um die Vorherrschaft, blieben aber bisher in etwa auf gleicher Höhe. Die höchsten Profite konnte die Exxon einstreichen, die es bereits in einem Jahr auf über 43 Milliarden Dollar Reingewinn gebracht hat. Auch die anderen liegen im Zig-Milliarden-Dollarbereich bei den Profiten. Kurz, es handelt sich um das profitabelste, was es gibt (außer Banken natürlich).

Da wäre es nicht zuviel verlangt von diesen Konzernen, auch technisch und nicht nur finanziell exzellent zu sein. Doch da hapert es. Der Bürger-Journalist kennt, wie es der Zufall will, einen Vorarbeiter von einem der Aufbaukommandos für eine neue Tiefsee-Ölplattform hier vor der brasilianischen Küste. Befragt, ob dort alle elektrischen Anlagen, also alle Relais und sonstigen eventuell Funken-geneigten Gerätschaften explosionssicher ausgelegt seien, berichtete der, Explosionssicherheit sei überhaupt nicht gefordert.

Wenn Sie in Deutschland einen Industriebetrieb haben, in dem eventuell Lösungsmitteldämpfe oder Gas austreten können, so müssen Sie alles explosionsgeschützt anlegen, was einen Haufen Geld kostet. Aber die profithaltigsten Konzerne der Welt haben es nicht nötig, Explosionssicherheit zu garantieren????

Nach den letzten Schätzungen ist die Menge Öl, die da im Golf von Mexiko austritt, alle fünf Tage einmal die „Exxon Valdez“. Das ist das zigfache von dem, was die BP bisher zugegeben hat.

Diese Politik des immer nur tröpfchenweise Zugebens trägt auch nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der BP bei.

Die Financial Times Deutschland (FTD) berichtet sogar, der Konzern BP könnte nun schon in der Existenz bedroht sein:

„Der Industrie-Ikone droht die Zerschlagung oder eine Übernahme. (...) "Wenn man sich den Kursverlust anschaut und die Wahrscheinlichkeit, dass das so auch weitergeht, glauben wir, dass sich BP zum Übernahmekandidaten entwickelt " (...) Tag für Tag verliert BP an der Börse. Allein am Dienstag [ 8.6.] waren es 15 Prozent. 71,6 Mrd. $ hat der Konzern an Börsenwert eingebüßt. Damit wird er angreifbar, vor allem für finanzstarke Staatskonzerne aus China oder Brasilien. Oder für Shell, über den es schon lange Fusionsgerüchte mit BP gibt. Zumindest Teile des Geschäfts wird BP aufgeben müssen, etwa Ölfelder (...) [BP] könnte gezwungen sein, Bohrprojekte und Tankstellen in den USA zu verkaufen. "Das US-Geschäft wird nicht zu halten sein", sagt Dougie Youngson, Analyst bei der Bank Arbuthnot. (...)

Die Märkte haben den Ernst der Lage erkannt. Das zeigt sich an den Kreditderivaten des Konzerns. Am Mittwoch [ 9.6.] verteuerten sich diese zum ersten Mal überhaupt auf mehr als 200 Basispunkte und wurden am Nachmittag bei 240 Punkten gehandelt. Das heißt, dass es jährlich 240.000 $ kostet, 10 Mio. $ an Anleihen abzusichern. Am Tag der Explosion waren es 43 Basispunkte.

Das bedeutet nicht zwingend, dass Anleger mit einer Pleite des Unternehmens rechnen. Allerdings ist es ein Hinweis, dass Leerverkäufer BP ins Visier nehmen. Das kann den Konzern an der Börse niederreißen und weiteres Vertrauen zerstören. "Die Situation hat den Geruch des Todes", sagt Arbuthnot-Analyst Youngson. Die Geier kreisen schon.“

Es gab bereits einen andere Großkonzern Großbritanniens, der – wenn auch aus anderen Gründen – in seine Bestandteile zerlegt wurde, die Imperial Chemical Industries (ICI), damals einer der fünf dominierenden Chemie-Konzerne. Heute gibt es keine große Firma mehr mit diesem Namen. Die Bestandteile gingen in vielen anderen Chemie-Gruppen auf.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass etwas ähnliches mit der BP geschieht. Die vier Haupt-Konkurrenten werden sicherlich nichts dagegen tun (um es vorsichtig auszudrücken).

Allerdings ist es viel zu früh, bereits mit dem Ableben dieses Konzerns zu rechnen. Er hat so viele Jahre extremster Profite hinter sich, dass er sicherlich nicht leicht zu Fall zu bringen ist. Dazu kommt: Am Ende wird all dies von Gerichten entschieden werden. Soweit bereits vorher Ausgleichzahlungen fließen, werden sie bei den Gerichtsentscheidungen berücksichtigt. Die Gerichte haben allgemein eine Tendenz, zugunsten von Großkonzernen zu entscheiden, die natürlich auch von den gerissensten Anwälten vertreten werden. Ob dies allerdings auch für ausländische Konzerne in den USA gilt, wird abzuwarten sein.

BP hat genügend Geld in der Kriegskasse, um ein zu tiefes Absacken seiner Aktien zu verhindern. Sollte allerdings die für August vorgesehene Lösung durch Ausgleichsbohrungen auch nicht klappen, so werden selbst die massiven Mittel der BP irgendwann zu Ende gehen.

Ob am Ende alle Rentner in Florida-Häuserparks Geld aus Ausgleich für verlorene Strände sehen werden, muss bezweifelt werden. Der vollständige Sandaustausch an 400 km Stränden muss sowieso als unmöglich angesehen werden. Die Folgen dieses Desasters wird man noch Jahrzehnte spüren.

Wenn es der BP wirklich an den Kragen geht, hat sie allerdings noch Alternativen, z.B. eine Umgründung, die im alten BP-Rahmen nur einen Bruchteil der Firmen-Assets lässt oder auch das, was GM getan hat: In den Vergleich gehen und damit die Gläubiger schlecht aussehen zu lassen und später wie Phönix aus der Asche wieder aufzustehen.


Veröffentlicht am 15. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Montag, 14. Juni 2010

Entscheidender Durchbruch?

Doch der Kapitalismus wird es verhindern

Von Karl Weiss

Es ist zum ersten mal gelungen, Mikroorganismen so in den Genen zu verändern, dass sie die Photosynthese ausführen können. Erinnern Sie sich? Photosynthese!? Das ist das, was die Pflanzen tagsüber können: CO2 verarbeiten unter Einfluss von Sonnenstrahlung, organische Materie bilden! Das ist theoretisch die Lösung des Problems der beginnenden Klimakatastrophe.

In diesem Fall wurde ein bestimmter Mikroorganismus, nennen wir ihn Bakterie (wahrscheinlich ist es eher ein Pilz, aber das tut nichts zur Sache), so verändert, dass er diese Reaktion ausführen kann. Will sagen, man füllt die Tierchen in so einen Reaktor, stellt ihnen Licht und CO2 zur Verfügung und sie können organische Materie produzieren, phantastisch nicht?

Was, sie wollen wissen, was 'organische Materie' bedeuten soll? Ja, verstehen Sie denn nicht? Die Tierchen (oder Pilzchen) machen ALKOHOL und/oder DIESEL daraus!

Ah, jetzt ist der Groschen gefallen! Die machen genau das umgekehrte, was im Motor passiert, wo Alkohol (in rückständigen Ländern noch Benzin) oder Diesel zu CO2 und Wasser verbrannt wird.

Eventuell hat also der Verbrennungsmotor doch noch eine Zukunft.

Es wäre ja denkbar, diese Art von Reaktoren in gigantischem Maßstab herzustellen und die gesamte Menge von Sprit, die weltweit gebraucht wird, mit diesem Verfahren herzustellen. Die bestehenden Raffinerien (das nur als Beispiel) könnten umgerüstet werden und Alkohol und Diesel aus dem CO2 der Luft herstellen.

Man müsste dann sogar aufpassen, dass nicht das umgekehrte passiert, nämlich die Abnahme der Konzentration von CO2 in der Luft. Aber das kann man ja regulieren, indem man weiterhin eine Anzahl von Kohle- oder Gaskraftwerken Strom erzeugen lässt.

Gleichzeitig wären damit auch alle Probleme gelöst, die sich durch die immer schwieriger zu erschließenden neuen Erdölquellen ergeben. Oil-Spills wie jener im Golf von Mexiko könnten dann ausgeschlossen werden.

Das Diesel, das so hergestellt wird, hätte auch noch den entscheidenden Vorteil, dass es völlig umweltfreundlich wäre. Keine Luftverschmutzung durch Schwefel, keine krebserregenden Aromaten, kein Feinstaub im Abgas.

So könnten die Energieprobleme der Menschheit gelöst und gleichzeitig eine Veränderung der Lebensverhältnisse auf der Erde verhindert und die Zukunft der Spezies Mensch gesichert werden.

Natürlich müsste vorher auch noch genau untersucht werden, ob die Alternative der Energiegewinnung durch ein Verbundnetz von elektrischen Leitungen mit Solar-Paneel-Plantagen in den Wüsten der Welt nicht eine bessere Lösung wäre.

Doch gemach, gemach! Wer eigentlich genau soll dies beschließen und dann umsetzen. Die Ölkonzerne? Sie müssten über Jahre alles Geld in ihren Kassen für die Umrüstung der Raffinerien ausgeben - und danach? Sie müssten dann ihre Verluste durch überhöhte Preise für jenen Alkohol und jenes Diesel versuchen wieder hereinzuholen und könnten noch nicht einmal sicher sein, ob nicht andere Firmen diese Reaktoren effektiver betreiben könnten als sie. Kein Öl-Manager, der noch alle Sinne beisammen hat, würde sich auf ein solches Abenteuer einlassen.

Oder die G20? Sie, die gerade eben allen Regierungen das „Sparen“ verordnet haben, sollen die Ölkonzerne enteignen und die Umrüstung der Raffinerien durchsetzen? Solch eine Idee kann nur einem Delirium entspringen.

Kurz gesagt, im Kapitalismus ist eine solche Umstellung nicht möglich. Erst wenn wir im Sozialismus selbst das Sagen haben, können wir große technische Umstellungen schlicht und einfach beschließen und umsetzen.


Veröffentlicht am 14. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Freitag, 11. Juni 2010

Hunderte von Demonstrationen

Israel isoliert sich immer mehr

Von Karl Weiss

Das letzte Wochenende war bestimmt von Hunderten von Demonstrationen mit vielen Zehntausenden von Teilnehmern in aller Welt gegen den Aggressionsakt Israels gegen einen friedlichen Schiffskonvoi mit mindestens 9 Toten und über 50 Verletzten.

Diesmal scheint Israel doch etwas zu weit gegangen zu sein.

Es ist typisch für alle Militäraktionen Israels seit langer Zeit, dass sie nicht nur niemals verhältnismäßig sind und niemals die Übermaßverbote des internationalen Kriegsrechts einhalten, nein, sie gehen weit darüber hinaus: Sie sind das, was typisch für Rechtsextremisten ist: Sie zeigen, das man militärisch überlegen ist, aber sie zeigen vor allem, man kann alles machen. Jede noch so absurde Schlächterei, Untat, jedes Kriegsverbrechen, jede Missachtung des Völkerrechts und von UN-Beschlüssen und Sicherheitsratsbeschlüssen, jeder Überfall ist möglich und wird durchgeführt. Israel zeigt den „starken Mann“ (typisch für Rechtsextremisten) und zeigt: Niemand, wirklich niemand, wird Israel dafür ernsthaft zur Rechenschaft ziehen, z.B. in Form von Sanktionen, die durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen würden.

In der Welt wird demonstriert und in Israel lacht man sich ins Fäustchen.

Typisch dafür waren die Reaktionen aus den Hauptstädten der größten Volkswirtschaften der Welt: Die US-Regierung blieb zunächst schweigsam und gab dann nach geraumer Zeit eine Meldung heraus, man fordere eine Untersuchung des Geschehens durch Israel. Im gleichen Ton Stellungnahmen aus China, von der Bundesregierung, aus Japan, aus Großbritannien, Frankreich und aus Russland. Zwar wurde schüchtern im einen oder anderen Fall vorgeschlagen, doch die Blockade gegen Gaza aufzuheben, aber dies war, wie dann auch in der Resolution des UN-Sicherheitsrats, nicht mit der Drohung von Sanktionen verbunden und kann daher als „blah, blah“ angesehen werden.

Der israelische Ministerpräsident erklärte denn auch schnell nach dem Überfall, es werde keine neutrale Untersuchung geben und Israel brauche nichts zu untersuchen, denn alles wurde auf Befehl durchgeführt. Damit erklärt er sich gleichzeitig als Hauptverantwortlicher für den völkerrechtswidrigen Überfall und die Morde. Er müsste eigentlich vor internationalen Gerichtshöfen angeklagt werden.

In Israel ist man siegessicher und strahl von einer Backe zur anderen: Ein weiteres Mal bewiesen: Wir sind unangreifbar. Wir sind stärker als alle auf der Welt!

Allerdings: Die Demonstrationen waren größer und in mehr Städten als seit langer Zeit. Mehr Juden als früher nahmen an ihnen teil. Die israelische Regierung lässt das sicherlich völlig kalt, aber so ist das eben mit Rechtsextremisten: Sie verstehen nur eine Sprache: Gegen-Gewalt. Nun, bisher gibt es die nicht, aber die Geduld der Völker wird nicht unendlich sein.

Die israelische Zeitung Haaretz meldet folgende Demonstrationen vom Wochenende:

Einige Tausend in Paris, darunter Hunderte von Juden, die unter anderen unter der Flagge „French Jewish Union for Peace“ auftraten.

Hunderte von Demonstranten in Dublin, die auch und besonders gegen das Kapern des irischen Schiffes protestierten, das drei Tage nach den anderen Schiffen des Hilfskonvois versuchte, Hilfsgüter nach Gaza zu bringen.

In London waren es Tausende von Demonstranten, die unter anderem T-Shirts mit der Aufschrift „Free Gaza“ trugen.

Tausende ebenfalls in vielen Städten Australiens. In Sydney wurde u.a. eine Israel-Fahne verbrannt.

Das gleiche auch in Neu-Seeland, wo auch US-Flaggen verbrannt wurden.

In vielen Aufmärschen wird auch mit Schuhen geworfen, was sich jetzt langsam mehr und mehr als üblich bei Protesten gegen Israel und die USA einbürgert.

Die Haaretz erwähnt nicht die Protestmärsche und –Kundgebungen in einer Reihe von deutschen Städten an diesem Wochenende. Man kann also davon ausgehen, auch viele andere werden dort nicht erwähnt, wie z.B. die in den USA und in Kanada..

Eine schwedische Hafenarbeitergewerkschaft hat einen Boykott gegen israelische Schiffe und Güter für eine Woche beschlossen. Allerdings ist es nicht leicht israelische Güter zu identifizieren, denn Israel pflegt nicht „Made in Israel“ aufzudrucken – man weiß, wie sehr man geliebt wird überall auf der Welt.

Doch ähnlich wie auch andere diktatorische rechtsextremistische Regime ist die israelische Regierung darüber nicht besorgt. Sie erklärt einfach, das sei alles „Antisemitismus“ und schon sind wieder die anderen Schuld, nicht man selbst.

Allerdings gab es nicht nur mehr Demonstrationen, sondern auch andere Reaktionen, die es bei früheren Gewaltakten Israels nicht gegeben hat. Deshalb wurde auch gesagt: Diesmal ist Israel wohl zu weit gegangen.

Die wichtigste Veränderung ist wohl die extreme Schärfe, mit der die Türkei auf den Überfall reagiert hat Kein Wunder, denn die Mehrzahl der Schiffe und der Besatzungen des Konvois waren türkische und alle Ermordeten waren Türken. Die Türkei hat ihre Beziehungen zu Israel auf ein Minimum reduziert. Das hat aber Bedeutung. Die Türkei ist ein NATO-Staat und war bisher immer als Vermittler zwischen Israel und den arabischen Staaten tätig. Sie hatte sich immer aus den Verurteilungen Israels herausgehalten. Jetzt hat sie die Stimme am lautesten erhoben und Sanktionen gefordert. Israel hat den einzigen (ein wenig) Verbündeten in der Region verloren. Damit ist bereits ein Staat aus der NATO-Phalanx herausgebrochen und das wird Folgen haben. Auch andere NATO-Staaten werden sich jetzt nicht mehr immer auf die NATO-Haltung festlegen lassen: „Israel darf immer alles machen“.

Doch das war nicht die einzige Neuheit. Ägypten hat unter dem starken Druck der eigenen Bevölkerung den Grenzübergang zum Gaza-Streifen geöffnet. Damit ist ein wesentlicher Teil der Gaza-Blockade bereits aufgehoben. Israel hat es bisher nicht gewagt, sich deshalb mit Ägypten anzulegen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass das reaktionäre Ägyptische Regime den Übergang wieder schließt, wenn sich die internationale Aufregung legt.

Eine dritte neue Entwicklung: Die libanesische Armee (das ist also nicht die Hisbollah) hat erklärt, seit Anfang dieser Woche würden israelische Kampfflugzeuge, die über dem Südlibanon Aufklärungsflüge machen, beschossen, sowohl mit Flugabwehrkanonen, als auch mit Raketen. Nicht, dass eine hohe Chance besteht, die würden ein Flugzeug abschießen, aber auch das Beschossen-Werden ist natürlich schon eine wesentliche Veränderung.

Das werden auf weitere Sicht nicht die einzigen Veränderungen bleiben. Auch die US- und die europäischen Regierungen werden es mehr und mehr leid werden, wegen ihrer Israel-Hörigkeit ständig innenpolitischen Problemen ausgesetzt zu sein. Und wehe, wenn die „Freunde Israels“ übergehen von einer blinden Gefolgschaft zu einer „wohlwollenden Freundschaft“ und im nächsten Schritt vielleicht zu „Neutralität“.

Also dann möchte ich nicht in der Haut der israelischen Verantwortlichen stecken...

Donnerstag, 10. Juni 2010

Wulff ist Funktionär einer evangelikalen Sekte…

... in der extrem rechte Anschauungen vertreten werden

Von Karl Weiss

Der designierte Bundespräsident Christian Wulff ist im Kuratorium von „pro Christ“, das ist eine jener extrem rechts angehauchten evangelikalen Sekte, die sich vor allem dem Kampf gegen Abtreibungen, gegen Schwule und für den Kreationismus aufs Banner geschrieben hat. D.h. dort vertritt man allen Ernstes die These, die Welt sei vor 6000 Jahren in 6 Tagen geschaffen worden und alles, was da so als Versteinerungen gefunden wurde, an Knochen und an Höhlenzeichnungen, sei eine böse Täuschung der Öffentlichkeit.

Doch damit nicht genug. Jene Organisation setzt sich für lebenslänglich oder Todesstrafe ein für alle, die an einer Abtreibung beteiligt sind. Für Gays wird ebenfalls „Umerziehung“ oder lebenslang gefordert. Was da wohl Wowereit und Westerwelle sagen werden, wenn sie routinemäßig mit diesem neuen Bundespräsidenten zu tun bekommen?

Die offizielle Antwort auf Bedenken dieser Art lautet: Wulffs Organisation werde nicht vom „Verfassungsschutz“ beobachtet, daher gebe es keine Bedenken. Ach, da sind wir aber wirklich erleichtert, nicht wahr?

Wulff soll übrigens gleichzeitig katholisch sen. Na, der trägt es wirklich auf beiden Schultern, was?

Hauptredner der „pro Christ“-Bewegung ist übrigens Ulrich Parzany, für den Schwulenhetze und Kreationismus die wichtigsten Themen sind.

Man weiß zur Genüge, wie sich Organisationen dieses Typs in den Vereinigten Staaten noch oben gearbeitet haben – immer mit Unterstützung gewisser Politiker, die sich gerne als „konservativ“ bezeichnen lassen, aber Rechtsextreme sind.

Wesentliche Teile der Republikanischen Partei in den USA sind heute intensivst beeinflusst durch diese evangelikalen Bewegungen, von denen es insgesamt mehrere Hundert gibt. Jene Organisation, der Präsident George W. Bush angehört, ist nur ein Beispiel dafür.

In einer Reihe von Staaten der USA haben sie bereits wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Tagespolitik und auf die Gesetzgebung. Hier seien einige Beispiele genannt – mit den entsprechenden Artikeln dazu:

Im Artikel „Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 3“ wird die gesamte Tendenz dargestellt:

„Beginnend mit der Wahl des ultrarechten Reagan in den USA Anfang der 80er-Jahre begannen die US-Administrationen, mehr und mehr Teile der freiheitlichen Gesetze aufzuheben und durch restriktive Regelungen nach dem Geschmack der christlich-religiösen Eiferer zu ersetzen.

In fast allen [von diesen Kräften dominierten] US-Staaten ist die Todesstrafe wieder eingeführt und wird praktiziert, die Regelungen, um Abtreibungen mit gesetzlichen Beschränkungen zu versehen sind Legion, wenn auch das entscheidende Urteil des Oberste Bundesgerichts, das die Abtreibung von Bestrafung ausnahm, noch nicht revidiert ist. Mehr als die Hälfte der US-Bundesstaaten haben bereits Gesetze, die den freien und individuellen sexuellen Rechten zuwiderlaufen (...). Die Bestrebungen, Homosexualität wieder strafbar zu machen, sind in vielen Staaten weit fortgeschritten.

Besonders tiefgreifend aber sind die absurden Regelungen, die extremistisch-christliche religiöse Hysteriker bezüglich der „Behandlung“ von Kindern bereits in weiten Teilen der USA durchgesetzt haben: Wo auch immer die natürliche Sexualität, die auch Kinder schon haben, aufscheint, oder wenn die intensive Neugier von Pubertierenden durchbricht, wird dies als Abartigkeit, als Geisteskrankheit, als Anzeichen von zukünftigen Kinderschändern und ähnlichem behandelt. Die Kinder und Jugendlichen werden ohne Recht auf ein Gerichtsverfahren eingesperrt und von manisch-religiösen „Psychiatern“ behandelt und zum Teil auch gefoltert.

Die Eltern werden durch den Druck der religiösen Gemeinden dazu gebracht, dies zuzulassen. Oft handelt es sich um baptistische Sekten wie jene, der Bush angehört.“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/4615876/ )

Ein weiteres Beispiel (Bundesstaat Michigan):

Wie die lokale Zeitung „Detroit Free Press“ nach einer Meldung vom 17. Januar 2007 berichtet, wurde die Strafe für Ehebruch, die es auch vorher schon gab, mit dem neuen Gesetz ausgeweitet. „Technisch gesehen ist [nun] eine Person, die Ehebruch mit Penetration begeht, eines sexuellen Verbrechens im ersten Grad schuldig“ [steht also auf gleicher Stufe mit Kinderschänden und Vergewaltigung], wofür bis zu lebenslänglich vorgesehen ist, zitiert die Zeitung. ( http://karlweiss.twoday.net/stories/3303947/ )

Ein neues Beispiel:

„Die extremistisch–christlichen Bewegungen in den USA haben bereits in einer Reihe von Staaten, speziell dort, wo die Republikaner Mehrheiten haben, neue Sexualstrafgesetzgebungen durchgesetzt, die an Absurdität nichts zu wünschen übrig lassen. Aufgrund eines solchen neuen Gesetzes ist ein junger Mann in Georgia zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden, weil er mit 17 Jahren mit seiner zwei Jahre jüngeren Freundin einverständlich Sex hatte.“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/3680360/ )

Oder hier:

„Nun haben aber die Vereinigten Staaten angefangen, diesen Konsens der zivilisierten Länder aufzukündigen. Man fängt an, jeglichen Sex unter 18 zu bestrafen, homosexuellen Sex wieder strafbar zu machen, Ehebruch ebenfalls und dies alles zu verbinden mit Zusatzbestrafungen für sexuelle Straftäter, die nach der Entlassung weiterhin bestraft werden, indem man sie öffentlich bekannt gibt, wo sie sich auch niederlassen. So wird zum Beispiel ein schlichter Homosexueller nach seiner Strafverbüßung behandelt, als hätte er kleine Kinder vergewaltigt.“

( http://karlweiss.twoday.net/stories/3834997/ )

Oder wie gefällt Ihnen dies hier:

„Da gibt es zum Beispiel den Fall eines Kindes mit Namen Chad, also einen Jungen mit weniger als 14 Jahren, bei dem eine Schwulenzeitschrift gefunden wurde. Er kam in eine geschlossene Anstalt zur „Therapie“. Man befestigte Erektionsmessgeräte an seinem Penis. Dann zeigte man ihm Bilder von nackten Männern. Bekam er eine Erektion, wurde er mit Elektroschocks gefoltert. Nach Angaben einer Homosexuellen-Organisation werden [in den USA] im Moment etwa 50 000 Jugendlich jährlich in solche sexuellen Folterstationen eingewiesen.“

( http://karlweiss.twoday.net/stories/4148132/ )

Und hier:

„Genauso sind noch viele weitere Verschärfungen in den USA bereits in einem Teil der Bundesstaaten Gesetz, die in der Folge mit Sicherheit (über die EU oder direkt) zu weiteren Versuchen von Neuerungen in unserem Sexualstrafrecht führen werden:

· Die generelle Einbeziehung von Kindern (als Täter) in die Strafbarkeit, unabhängig vom Alter,

· die Wiedereinführung der Strafbarkeit jeglicher homosexueller Kontakte,

· die Einführung der Strafbarkeit von ehelicher Untreue,

· die Strafbarkeit von Oralsex,

· die Strafbarkeit von Analsex,

· die Definition des sexuellen Verlangens als Geisteskrankheit,

· die Strafbarkeit der Prostitution bezüglich der Prostituierten,

· die Strafbarkeit der Prostitution bezüglich der Freier,

· die absolute Strafbarkeit der Abtreibung und dann schließlich auch

· die Strafbarkeit jedes Sexes außerhalb der Ehe.“

( http://karlweiss.twoday.net/stories/4227933/ )

Und noch eines, diesmal bezogen auf den Kreationismus:

„Was schon erwartet worden war angesichts der Aggressivität, mit der die „wiedergeborenen“ Christen in den USA vom Typ Bush vorgehen, ist nun Wirklichkeit geworden. Eine Lehrerin (Direktorin) in Texas, die es wagte, immer noch die wissenschaftlich bewiesene Lehre der Evolution der Arten und der Entwicklung des Menschen aus der Tierwelt zu lehren, wurde von einer Bush-Mitarbeiterin gefeuert.“

( http://karlweiss.twoday.net/stories/4534010/ )

Andere Absurditäten werden hier berichtet: „Hysterie um sexuelle Straftaten“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/6053381/ )

Und dies hier:

„Das Berühren von Sexualorganen könne eine Schwangerschaft verursachen, wird in einem Lehrbuch erklärt, das in der Kampagne verwendet wird, die in 43 der 50 Bundesstaaten der USA den Aufklärungsunterricht ersetzt hat. Und das ist nur eine von vielen Absurditäten. Die Bush-Regierung und seine Anhänger aus den Reihen der extremistisch-religiösen Rechten in vielen Bundesstaaten haben fast flächendeckend die Anwendung von Unterrichtsmaterial und Regeln durchgesetzt, die uns wie aus dem finsteren Mittelalter vorkommen.“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/5259672/ )

Doch es geht noch absurder:
Natürlicher Abort: Der Polizei melden oder 1 Jahr Gefängnis ( http://karlweiss.twoday.net/stories/3678812/ )

Nun, lassen wir es vorerst bei dieser Aufstellung.

Es geht hier nicht darum, ob Wulff persönlich alle diese Arten von Absurditäten für richtig hält oder sie hier einführen will. Es geht darum: Er ist ein herausragender politischer Repräsentant, wenn er zum Bundespräsidenten gewählt wird. Er wird sich entweder radikal von diesen seinen Freunden distanzieren müssen oder er wird immer wieder mit diesen Dingen konfrontiert werden, was zweifellos innerhalb kurzer Zeit ein Verbleiben im Amt unmöglich machen wird.

Originalveröffentlichung

Montag, 7. Juni 2010

Kriechen in der Talsohle für US-Wirtschaft

Mai-Zahlen des Arbeitsmarktes schocken Börsianer

Von Karl Weiss

Die US-Wirtschaft kommt nicht aus der Krise und wird wohl auch die anderen großen Volkswirtschaften daran hindern, ins Gewicht fallende Wachstumsraten zu erreichen. Seit vergangenem Oktober wird zwar andauernd Optimismus verbreitet und mit steigenden Zahlen des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) hausieren gegangen, aber das sind Auswirkungen von Geld drucken und neue US-Bonds ausgeben. Das schafft kein Wirtschaftswachstum, sondern erhöht nur die Schulden.

Langzeitarbeitslose USA

Die wirkliche Entwicklung lässt sich am Arbeitsmarkt ablesen. Zwar wird im Mai eine geringfügige Verringerung der Arbeitslosenquote auf nun 9,7% gemeldet, doch das ist die Auswirkung der Resignation vieler US-Bürger (genau gesagt 322.000), die es aufgegeben haben, Arbeit zu suchen und deshalb aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen wurden.

Im privaten Sektor wurden nur 41.000 neue Jobs geschaffen im Mai, das ist eine desaströs niedrige Zahl (speziell wenn man die statistischen Tricks berücksichtigt, die hier erklärt werden), die dann auch gleich zu einem kräftigen Einbruch der Börsen und des Ölpreises führten, während der Dollar nur geringfügig betroffen war.

Zwar hat der Staat im Mai 411.000 neue Stellen geschaffen, aber die sind für die Volkszählung und nur befristet. Hewlett–Packard und die Citi-Group haben Stellenabbau angekündigt. Die höchste Arbeitslosenquote weist in den USA der Staat Michigan mit formal 14% Arbeitslosen auf, das ist da, wo Detroit und die Automobilindustrie liegen.

Nach einer Meldung der „Financial Times Deutschland“ (FTD) vom 4. 6. 10, sagte David Rosenberg, Chefvolkswirt beim kanadischen Vermögensverwalter Gluskin Sheff: „Wenn man sich überlegt, wie stark die Regierung und die Notenbank die Wirtschaft stützen, ist das wirklich alarmierend" in Bezug auf diese Zahlen.


Veröffentlicht am 7. Juni 2010 in der Berliner Umschau

Freitag, 4. Juni 2010

Geringverdiener höher belastet

OECD-Studie belegt, was Viele schon ahnten

Von Karl Weiss

Irgendwie hatten alle dies schon geahnt, doch nun steht es schwarz auf weiss in einer OECD-Studie: Die Geringverdiener in Deutschland werden vom Staat relativ höher belastet als die „Gutverdienenden“.

Das hängt u.a. damit zusammen, dass die höheren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, so dass für diesen Teil des Einkommens überhaupt keine Sozialabgaben mehr anfallen. Im Ergebnis führt dies wie auch andere Ungerechtigkeiten dazu, dass ein Einzelverdiener mit 110 000 Jahresgehalt in der Quote der Abgaben genau so hoch liegt wie ein Arbeiter mit 36 500 Euro im Jahr.

Liest man die OECD – Studie, kommt man zu dem Schluss, das deutsche Steuer- und Sozialabgabensystem ist unsozial und ungerecht, wie es ein Artikel auf der Heise-Website feststellt.

Heise sagt: „Dies führt zur paradoxen Situation, dass ein Spitzenmanager prozentual weniger von seinem Bruttogehalt abführen muss als ein Geringverdiener.“

Die Beitragsbemessungsgrenzen sind aber nicht der einzige Faktor, der dazu beträgt. Eine wesentliche andere Ungerechtigkeit ist vielmehr jene, die durch die extreme Bevorzugung der Steuerklasse 3 vor der 4 und der 1 entsteht.

Ein verheiratetes Paar mit nur einem Verdiener ist in Steuerklasse 3 eingestuft und liegt extrem viel niedriger in der Besteuerung als wenn es nicht verheiratet und der Verdiener in 1 eingestuft wäre oder wenn sie den gleichen Betrag verdienten, aber beide dafür arbeiten müssten und dann beide in Steuerklasse 4 wären.

Ja, ich weiss, am Ende des Jahres interessiert gar nicht mehr, in welcher Steuerklasse man war, es kommt nach dem Lohnsteuerbescheid bzw. dem Einkommenssteuerjahreasugleich darauf an, ob die normale Tabelle oder die Splittingtabelle angelegt wird, aber wir wollen uns nicht um Details streiten. Das Prinzip ist genau jenes, das oben beklagt wird.

Das heisst, das längst überholte Kirchen-Modell der Frau, die am Herd bleibt und die Kinder versorgt, genannt Kinder-Kirche-Küche, wird im deutschen Steuersystem extrem bevorzugt, während das, was heute die Regel ist, nämlich die Frau arbeitet ebenfalls (jedenfalls wenn sie Arbeit findet), oder man heiratet (noch) nicht, lebt aber zusammen, vom Steuersystem bestraft wird. Die westdeutschen Blockflötenparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sind uns bis heute eine Erklärung schuldig, warum sie das nie geändert haben.

Ebenso ist es einfach nicht einzusehen, warum ein Alleinverdiener, wenn er nicht verheiratet ist, so viel mehr Steuern zahlen muss als wenn er verheiratet ist. Soll erzwungen werden, dass die Leute heiraten? Warum? Geht es um die Pfründe der Anwälte bei Scheidungen, denn immerhin ist ein wesentlicher Teil der Abgeordneten Anwalt?

Warum mischt sich der Staat in so extremer Weise in das Privatleben der Menschen ein, ob sie heiraten oder einfach so zusammenleben und ob beide oder nur einer arbeitet? Was soll das bezwecken?

Tatsache ist, bereits etwa 50% der Beschäftigten sind Frauen (jedenfalls war das so vor der Krise) und der Staat bereichert sich völlig unberechtigterweise an dieser Tatsache mit jenem ungerechten Steuersystem.

Die bei weitem grösste Ungerechtigkeit allerdings ist jene, die durch die völlig unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Vermögen verursacht wird.

Hat jemand Einkommen aus Vermögen, das ist also jener Teil des Einkommens, den er verdient, indem er im Sessel sitzt und Däumchen dreht, wird er lediglich mit einer Abgeltungssteuer von 25% zur Beteiligng an den Staatsausgaben herangezogen (sofern er es nicht vorzieht, dies Einkommen auf den Cayman-Inseln anfallen zu lassen und 0% Steuern zahlt). Wer dagegen Einkommen aus seiner Hände Arbeit hat, wird mit hohen Steuersätzen und Sozialababen von bis zu 52% belegt.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass man dem Rentier (der also nur von Zinsen lebt, nicht zu verwechseln mit dem Rentner) keinerlei Sozialabgaben auferlegt, ohne dass es dafür irgendeine Begründung gäbe. Zum anderen steigt der Steuersatz auch nicht, wenn er noch so hohe Vermögenserträge hat, während jener mit der Arbeit einen steigenden Steuersatz bei höherem Einkommen hat.

Kann irgendjemand erklären, was denn so unterstützenswert daran ist, im Sessel zu sitzen und Däumchen zu drehen?

In OECD hat die Steuer- und Abgabensysteme in drei Kategorien verglichen. Nun es gibt in allen drei Kategorien jeweils noch ein bis drei Länder im OECD-Vergleich, die noch ungerechter sind, aber kein einziges von ihnen ist in allen drei Kategorien vertreten. Kurz: Deutschland ist absoluter Weltrekordhalter bei Ungerechtigkeit und Unsozialem im Steuer- und Abgaben-System. Nun fragen Sie einmal einen der Repräsentanten der westdeutschen Blockflötenparteien, wie sie sich da herausreden wollen.

Nun, sie brauchen sich nicht herausreden. Sie werden nämlich nach der nächsten Wahl wieder irgendeine Regierung unter sich ausbaldowern, denn selbst wenn nur noch 10% zur Wahl gingen, sie halten sich immer noch für legitimiert.

Wir werden sie also nicht mit unserer Wahlenthaltung oder Ungültig-Stimme beeindrucken können, sondern nur, wenn wir auf die Strasse gehen. Erinnern Sie sich an die Montagsdemonstrationen damals in der DDR? Na sehen Sie!


Aktualisierte Version eines Artikels im Blog vom Mai letzten Jahres

Donnerstag, 3. Juni 2010

Commerzbank bis Ende nächsten Jahres pleite?

Kapitalbedarf von angeblich 611% des Marktwertes

Von Karl Weiss

Wie die Finanz-Nachrichtenagentur des New Yorker Bürgermeisters Bloomberg mitteilt, wird die Commerzbank nach einer Studie bis Ende des nächsten Jahres einen Kapitalbedarf im Zig-Milliardenbereich haben. Zum Ende jenen Jahres läge er bei summiert 611 % des Marktwertes der Commerzbank, mit anderen Worten, die Commerzbank ginge pleite oder müsste mit Summen weit über ihrem eigentlichen Wert „gerettet“ werden.

Diebe unter uns

Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie der Züricher Rating Agentur Independent Credit View. Auch andere Banken werden nach dieser Studie einen solchen überdimensionalen Kapitalbedarf haben, darunter die Royal Bank of Scotland, die Allied Irish und die Bank of Ireland.

Der Gesamt-Kapitalbedarf der 58 untersuchten Banken bis Ende nächsten Jahres betrage 1 500 Milliarden Dollar.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Das würde also in den betroffenen Ländern, darunter Deutschland, die Fragestellung ergeben, ob man diese Banken bankrott gehen lassen würde oder ob man noch einmal solch riesige Summen aufbringen will, um sie zu retten, wie beim ersten Mal. Damit würde die Staatsverschuldung – auch in Deutschland – weit über alle noch irgendwie zahlbaren Beträge hinaus gesteigert.

Dieser Fakt ist speziell im Fall der Commerzbank besonders kritisch, denn die wurde ja zuerst mit der bankrotten Dresdner Bank fusioniert (um der Allianz zu ersparen, dass sie für die Zockereien der Dresdner Bank zahlen muss) und dann anschließend praktisch verstaatlicht, d.h. die Bundesrepublik Deutschland hat ein Riesenstück am Kapital.

Der Rettungs-Plan

Zwar ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass die Regierung diese Beteiligung einfach abschreibt und den Rest pleite gehen lässt, aber das würde um die Einhunderttausend Arbeitsplätze kippen.

Sollte andererseits die Bundesrepublik wirklich erneut ein Bankenrettungspaket von der Größe der Saffin auflegen, so wäre die selbst auferlegte Schuldengrenze nicht zu halten. Die Verfassung müsste erneut geändert oder sonst wie getrickst werden. Danach wären allerdings die deutschen Zahlen auf Griechenland-Niveau. Was wird ‚Bild‘ dann schreiben? Die Deutschen hätten über ihre Verhältnisse gelebt, weil in der Dresdner und der Commerzbank auf Teufel komm raus gezockt wurde??

Wahrscheinlich wird man uns erzählen, Deutschland müsste gerettet werden und deshalb müssten wir jetzt alle die Gürtel enger schnallen für die Commerzbank.


Zusatz zum Artikel

Dieser Artikel war am 31. 5. 2010 für etwa 2 Stunden in der Internet-Zeitung Berliner Umschau zu sehen. Dann kam ein Anruf von der Rechtsabteilung der Commerzbank und der Artikel musste schnellstens vom Netz genommen werden, um längere Freiheitsstrafen zu vermeiden.

Die Commerzbank hat natürlich ein Verhältnis zum deutschen Justizsystem wie der Papst zur katholischen Kirche. "Führer befiehl, wir folgen dir".

Als ich diesen Artikel hier ins Blog stellte, wusste ich das noch gar nicht.

Aber ausserhalb Deutschlands werden glücklicherweise die Äpfel der Commerzbank nicht so heiss gegessen wie gekocht wird.

Ausserdem hat dieses Blog auch nur einen Bruchteil der Leser von der Berliner Umschau.

Trotzdem erwarte ich logischerweise nun tagtäglich das Killerkommando der Commerzbank hier in Belo Horizonte. Hoffentlich geben die brasilianischen Behörden nicht so leicht meine Adresse heraus, so dass mir noch einige letzte Tage bleiben.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Widerstand gegen Aggression ist rechtmäßig und gerechtfertigt

Das internationale Recht ist eindeutig

Von Karl Weiss

Der bewaffnete Überfall israelischer Truppen auf eine friedliche Gruppe von Schiffen, die Hilfsgüter zum Gaza-Streifen bringen wollten, ist eine flagrante Verletzung internationalen Rechts. Alle Abwehrmaßnahmen gegen diesen Überfall waren rechtmäßig.

Palestina land loss

Wenn Israel nun versucht, mit irgendwelchen Bildern aus der Aggression eine friedliche Aktion und aus dem Widerstand einen Angriff zu machen, der den Gebrauch von Gewalt als Notwehrmassnahme rechtfertigen würde, ist das absurd. In dem Masse, wie die Medien diese Bilder Israels zeigen und die israelische Argumentation wiederholen, werden sie mitschuldig an den Toten.

Es gibt seit 1947 bzw. 1948 (rein zufällig gerade die Jahre, in denen der Staat Israel durch Gewalt gegründet wurde) ein internationales Recht, das in den Gründungsdokumenten der UN und in den Genfer Konventionen festgelegt ist.

Dieses Recht hat nach den vorherigen schlechten Erfahrungen der Menschheit mit Überfällen und Angriffskriegen eindeutig festgelegt: Wer angreift, ist der Täter, der ab dem Moment des Angriffs alle Rechte verloren hat. Er kann sich nicht mehr darauf berufen, die andere Seite, der Angegriffene, wende ja auch Gewalt an, was in irgendeiner Weise seinen Angriff rechtfertigen würde. Im Gegenteil: Wer angegriffen wird, hat das Recht, sich zu verteidigen – und zwar auch mit Gewalt. Es gibt kein Gewaltverbot für die Angegriffenen im internationalen Recht.

Es gibt im internationalen Recht, im Kriegsrecht, ein Recht auf Notwehr, so wie es dieses auch im Strafrecht gibt. Eine Frau, die vergewaltigt wird, zum Beispiel hat ein Notwehrrecht. Sie ist in der Anwendung von Gewalt nicht eingeschränkt. Ab dem Moment, in dem die Vergewaltigungssituation eindeutig ist oder der Angreifer sogar erklärt, er werde sie jetzt vergewaltigen, hat sie ein vollständiges Notwehrrecht. Sie braucht nicht zu warten, bis der kriminelle Akt auch vollzogen ist. Gelingt es ihr zum Beispiel in einer solchen Situation, einen Gegenstand zu ergreifen und damit auf den Angreifer einzuschlagen, so hat sie das Recht, so lange zuzuschlagen, bis der Täter offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, sein Vorhaben durchzuführen. Wenn der Täter an den erlittenen Verletzungen stirbt, geht sie straffrei aus (Hier brauchen wir nicht auf die schwierige Situation der Beweisführung in Notwehrfällen ohne Zeugen einzugehen).

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Ganz ähnlich ist die Lage des internationalen Rechts, wenn ein Land mit seinen Truppen irgendeinen aggressiven Akt außerhalb seiner Staatsgrenzen oder seiner Hoheitsgewässer begeht.

Würde zum Beispiel heute ein US-Kriegsschiff ein chinesisches U-Boot in internationalen Gewässern versenken, so hätte China das Recht auf einen Vergeltungsschlag, z.B. das US-Schiff zu versenken. Es gibt da zwar das Übermaßverbot, China dürfte also deshalb nicht gleich einen Atomkrieg vom Zaum brechen, aber das Recht sich zu wehren, Gewalt als Mittel der Verteidigung anzuwenden ist im internationalen Recht garantiert.

Der Angriff der israelischen Truppen auf die Hilfsgüterschiffe auf ihrem Weg zum Gaza-Streifen geschah eindeutig in internationalen Gewässern. Er war also ein Angriff, ein einseitiger Gewaltakt. Wer Soldaten in voller Ausrüstung mit Sturmgewehren auf ein Schiff in internationalen Gewässern absetzt, der bittet nicht um Erlaubnis, das Schiff durchsuchen zu dürfen. Der Gewaltakt ist im Moment des Absetzens der Soldaten bereits vollzogen.

Die Menschen auf den Schiffen hatten also jedes Recht sich zu wehren. Hätten sie zum Beispiel für einen solchen Fall vorgesorgt und Maschinengewehre mitgebracht und hätten alle auf dem Schiff landenden israelischen Soldaten erschossen, wäre das ihr gutes Recht gewesen. Die Tatsache, dass sie sich handgreiflich wehrten und versuchten, mit den nächstbesten Gerätschaften auf die Angreifer einzuschlagen, belegt bestenfalls deren Naivität, aber diese angeblichen „Gewalttaten“ gaben selbstverständlich dem Angreifer kein Recht auf irgendwelche „Notwehr“.

Eine vergleichbare Situation im Strafrecht wäre auch, wenn Sie plötzlich in ihrer Wohnung einem bewaffneten Mann gegenüberstehen und in eine Waffenmündung blicken (vergleichbar der Situation auf Ihrem Schiff, wenn plötzlich in internationalen Gewässern schwer Bewaffnete sich mit Seilen von Hubschraubern auf Ihr Schiff abseilen). Sie haben angesichts eines sofort möglichen tödlichen Schusses auf Sie ein umfassendes Notwehrrecht. Wenn Sie Gelegenheit dazu haben, dürfen Sie den Eindringling sofort erschiessen. Sie müssen nicht warten, ob er sie zuvor tatsächlich erschiesst. Wer in Mündungen von Schusswaffen blickt, hat bereits ein allumfassendes Notwehrrecht, denn er kann davon ausgehen, dass die Waffe nicht zum Scherz auf ihn gerichtet ist.

Ganz anders wäre die Situation gewesen, hätten die Israelis die Schiffe innerhalb israelischer Gewässer gestoppt. Dann hätten sie das Recht gehabt, die Schiffe anzuhalten und auch von Polizisten und Zollbeamten durchsuchen zu lassen, wenn sie einen begründeten Verdacht hätten. Dann hätten die Friedensaktivisten auf den Schiffen kein Recht gehabt, gegen die Israelis vorzugehen – jedenfalls solange, wie lediglich angehalten und durchsucht wird. Einmal nichts gefunden, hätten die Israelis die Schiffe aber wieder freigeben müssen. Andernfalls wären Ausgleichszahlungen fällig geworden, die Israel sicherlich nicht hätte zahlen wollen.

Die Frage ist also, warum haben die Israelis nicht gewartet, bis die Schiffe israelische Gewässer erreichten? Im Prinzip gibt drei Erklärungsmöglichkeiten, die eventuell auch zusammengespielt haben:
  • Israel wollte „den starken Mann zeigen“. Statt mit Polizisten und Zöllnern innerhalb der eigenen Gewässer mit Elite-Soldaten in internationalen Gewässern, das beweist der stauneneden Weltöffentlichkeit, Israel kann alles machen und wird nie bestraft.
  • Man wollte das erste Morgengrauen ausnutzen. Israelische Gewässer hätten die Schiffe erst am hellichten Vormittag erreicht und alles wäre gut auf Fotos und Videos zu sehen gewesen. Auch hatte man so eine Chance, die meisten noch schlafend anzutreffend und auf keinerlei oder wenig Widerstand zu stoßen.
  • Einige der Soldaten hatten Listen mit persönlichen Daten und Fotos von Hilfs- und Friedens-Missionären auf den türkischen Schiffen bei sich, wie man auf einem Bild sehen konnte. Es muss davon ausgegangen werden, dass man Auftrags-Morde begehen sollte und wahrscheinlich auch begangen hat. Es wird äußerst interessant sein, die Identitäten der Toten zu erfahren.
Ein brasilianischer Kommentator, ein recht konservativer Journalist, dessen Namen Maierovitch ihn als Juden oder abstammend von Juden ausweist, findet recht deutliche Worte, um diese neue Untat Israels zu charakterisieren:

„Massaker“; „das war, ausgehend von internationalem Recht, ein Kriegsverbrechen“; „nazi-faschistische Dummheit“; „zeigte der internationalen Gemeinschaft, wie man Staatsterror betreibt“; „muss man vom Sicherheitsrat Sanktionen erwarten gegen dies Meer von Blut“ und „wird weiterhin diejenigen herausfordern, die sich für die Menschenrechte einsetzen, die von Natur aus dem Menschen eigen sind.“

Die Regel, dass der Angreifer im Unrecht ist und durch spätere Ereignisse nicht wieder ins Recht kommt, muss auch für die ganze Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts herangezogen werden. Israel, schon bevor es als Staat konstituiert war, war immer der Angreifer und ist nie aus dieser Rolle herausgekommen. Die Palästinenser dagegen waren vom ersten Tag an immer Opfer. Alle Gewalt, die von ihnen ausging, war nie mehr als der hilflose Versuch, sich gegen die militärische Übermacht zu wehren.

Die Gewalt der Angreifer auf die gleiche Stufe zu stellen wie jene der Opfer ist keineswegs akzeptabel, weder im Sinne der Gerechtigkeit noch im Sinne des Rechts.


Veröffentlicht am 2. Juni 2010 in der Berliner Umschau, hier leicht erweitert


Zusatz zum Artikel (3. Juni 2010)

Israel versucht sich nun damit herauszureden, man habe im Kriegsfall international das Recht, den Versuch eines Blockade-Brechens zu verhindern und dürfe ein Schiff, das eine Blockade brechen wolle, versenken.

Das ist lächerlich. Einerseits gibt es keinen Kriegsfall - oder hat jemand eine Kriegserklärung der Türkei an Israel gehört oder von Israel an die Türkei?

Andererseits haben berechtigte Blockaden im Kriegsfall genau festgelegte Bedingungen, die hier nicht einmal im ersten Ansatz erfüllt sind. Solche Blockaden hätten zunächst von internationalen Organen geprüft und genehmigt werden müssen.

Selbstverständlich kann im Fall der Blockade des Gaza-Streifens dieser Artikel nicht zur Geltung gebracht werden. Es geht hier bei einer Blockade von Hilfsgütern für eine Bevölkerung, die nicht die mindesten normalen Lebensbedingngen hat, selbst bereits um ein internationales Verbrechen, das natürlich nicht auch noch mit internationalem Recht verteidigt werden kann.

Da Israel aber ganz natürlich, so als ob das normal sei, einen Artikel herbeizitiert, der ausdrücklich auf eine Situation des Krieges abgestimmt ist, so ist das aufschlussreich. Offenbar sieht sich Israel im Krieg mit der ganzen Welt. Man sollte aufpassen, dass die ganze Welt das nicht auch bald so sieht.


Noch ein Zusatz zum Artikel (4. 6. 2010)

Eben lese ich, dass einer der von der israelischen Soldateska Ermordeten ein 19-jähriger Amerikaner ist, der in der Türkei studierte. Hier:
http://abcnews.go.com/WN/Media/american-killed-gaza-aid-flotilla/story?id=10814848

Karl Weiss - Journalismus

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