Donnerstag, 21. Mai 2009

Ein Personalchef packt aus

Wie Frühverrentungen zum Niedergang führen können

Von Elmar Getto

Dieser Artikel wurde am 27.07.05 in der "Berliner Umschau" (damals noch "Rbi-aktuell") veröffentlicht. Er ist ein wichtiges Dokument, denn die heutige Krise ist nicht vom Himmel gefallen. Sie hat lang zurückreichende Ursachen. Die hier dargelegte Politik, der wahnwitzige Personalabbau um seiner selbst willen und die Frühverrentungen in kaum glaublichem Ausmass (die auch mit der Rentenkasse und der Arbeitslosenkasse aufräumten) sind ein wesentlicher Teil des Abbaus der Kaufkraft Deutscher Arbeitnehmer, die jetzt die wesentliche Krisenursache darstellt.(Anmerkung von 2009)

Im folgenden werden die Aussagen des (ehemaligen) Personalchefs einer größeren deutschen Firma wiedergegeben, die er in einem Interview mit Rbi-aktuell machte. Er besteht aus naheliegenden Gründen auf absoluter Anonymität. Wir haben darum auch Teile der Aussagen, die Rückschlüsse auf die Firma zulassen könnten, in der er arbeitete, weggelassen. Auch ohne sie ergibt sich ein eindrucksvolles Bild der ‚Fähigkeiten’ deutscher Spitzenmanager.

„Es begann Anfang der 80er-Jahre. Die Firma war erfolgreich, aber man konnte nicht die geplanten Steigerungsraten in Absatz und Umsatz erreichen, auch der Jahresgewinn vor Steuern nahm nicht mehr zu. (...)

Man hatte bereits seit Jahren einen großen Teil der Investitionen bei den Auslandsgesellschaften gemacht und für ...[neue Fabriken in Übersee] verwendet. Die Investitionen im deutschen Mutterhaus wurden nun praktisch ausschließlich für Rationalisierungsmaßnahmen und zur Automation verwendet.

Bereits seit 1979 gab es einen allgemeinen Einstellungsstop. Stellenausschreibungen mußten ausnahmslos vom Vorstand genehmigt werden – und der genehmigte so gut wie keine. 1982 begannen die ersten Entlassungen. Man hatte alle Abteilungsleiter angewiesen, die bekannten „Minderleister“ zu entlassen.

Wir in der Personalabteilung mußten diese als personenbedingte Entlassungen tarnen. Wir begannen Abmahnungen zu verteilen und dann – in angemessenem Zeitabstand – die Entlassung auszusprechen. Das wurde allerdings relativ teuer, denn fast alle gingen vor Gericht und erreichten einen Vergleich mit Zahlung einer Abfindung, die fast immer dem Lohn von mehreren Jahren entsprach. Es gab also keine kurzfristige Kostenentlastung – im Gegenteil. (...)

In diesen Jahren war immer mehr und mehr von Kostensenkung die Rede. Wir pflegten zu sagen, wir produzieren nicht mehr (...), sondern Kostensenkungen.

In jener Zeit war unser Lohnkostenanteil an den Gesamtkosten bereits auf 32% gesunken. Das paßte aber meinem Chef, dem Zuständigen im Vorstand für Personal und Entwicklung, nicht. Er wies mich an, eine andere Rechnung aufzumachen, in der ich den gesamten Anteil der Abschreibungen und der Zinsen aus den Kosten herausnahm und dann den Lohn- und Gehaltskostenanteil (einschließlich Sozialleistungen) an den „laufenden Kosten“ ermittelte. Da kamen wir damals immerhin noch auf 51%. (...)

Bei dieser Geschichte wurde auch deutlich, wie wenig unser Vorstand ein kollegiales Gremium war, wie wenig abgesprochen wurde und wie viele Intrigen dort gesponnen wurden. Etwa ein-einhalb Jahre danach wurde ich nämlich zu einer hochnotpeinlichen Befragung bei einigen Vorstandsmitgliedern vorgeladen. Sie wollten wissen, warum wir so deutlich höhere Personalkosten hatten als unsere Konkurrenten. Wir mit 51%, jene mit annähernd 30%. Ich erklärte, daß wir anders rechneten und daß dies auf Anordnung des Personal- und Entwicklungsvorstandes geschah. Kurz danach wurde jenes Vorstandsmitglied „auf eigenen Wunsch“ von seinen Aufgaben entbunden und ein junger Jurist wurde nun mein neuer Chef, der sich einen Sport daraus machte, ausschließlich im Befehlston mit mir zu sprechen.

Die nächsten Entlassungen bereiteten wir besser vor. Der Vorstand hatte uns aufgetragen, eine mindestens 3% des Personals umfassende Entlassungs-Kampagne zu planen. Wir beriefen also eine Sitzung mit dem Betriebsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter ein und erklärten, warum aus betriebsbedingten Gründen diese Entlassungen notwendig seinen. Die beiden erklärten uns, ihnen gehe es darum, solche Entlassungen ‚sozialverträglich’ zu gestalten und schlugen vor, eine Frühverrentungsaktion zu starten, die bis zu dem Lebensalter ginge, bei dem die 3% erreicht würden. Man bestehe aber darauf, daß wir zunächst das Ganze auf einer Betriebsversammlung als Entlassungen ankündigen.

Und so funktionierte es. Auf der Betriebsversammlung traten Betriebsratsmitglieder auf und schimpften schrecklich. Danach war die Belegschaft wegen anstehender Entlassungen verunsichert. Wir gaben vor, tagelang mit dem Betriebsrat zu verhandeln. Dann gab der Betriebsrat ein Rundschreiben heraus, er hätte in ‚zähen Verhandlungen’ die Entlassungen in eine „Frühpensionierung“ umwandeln können. Das sei ‚sozialverträglich’. Es würden lediglich jene betroffen sein, die 59 und älter seien. Auch werde das Ganze auf freiwilliger Grundlage ablaufen.

Dann begannen wir, alle ab 59 einzeln in die Personalabteilung vorzuladen und ihnen die Vorteile der Regelung anzupreisen. Sie würden offiziell erst mit 65 in Rente gehen, also keine Abstriche an der Rente hinnehmen müssen. Für die Übergangszeit bis dahin erhielten sie einen monatlichen „Frührente“-Betrag, der etwa in der Höhe ihrer späteren Rente lag, die wir jedem einzelnen vorrechneten. Dieser Betrag wurde zum Teil von der Bundesanstalt für Arbeit, zum Teil von den Rentenversicherungsträgern übernommen. Wir zahlten lediglich einige ‚peanuts’.

Fast alle nahmen das Angebot an. Eine kleine Anzahl an Ablehnungen hatten wir schon eingerechnet, sonst hätten wir das Anfangsalter auf 60 legen können. So aber erreichten wir sogar ein wenig mehr als die 3%. Das Ganze kostete fast nichts, wir hatten die Lohnkosten deutlich gesenkt und die erschrockene Belegschaft arbeitete locker für die drei Prozent mit. Allein die Senkung des Krankenstandes aufgrund des „Entlassungs“-Schocks und der Anstieg von freiwilligen unbezahlten Überstunden waren so bedeutend, daß wir hinterher mehr geleistete Arbeitsstunden hatten als vorher.

Etwa ab diesem Zeitpunkt begannen wir auch die Ausbildung herunterzufahren. Wir waren traditionell einer der großen Ausbildungsbetriebe der ganzen Region gewesen. Wir hatten sogar ein Lehrlingswohnheim für Lehrlinge aus den entlegenen Regionen der (...), das nun geschlossen wurde. Die Zahl der Ausbildungsplätze wurde zunächst um etwa 20% verringert und wir begannen jedes Jahr erneut eine Prozentzahl der Übernahmen nach der Lehre festzulegen, die nun nie mehr 100% erreichte.

Das war zu jener Zeit, als sich eine Gruppe von „Linksaußen“ in unserer Fabrik zusammengetan hatte und begann, Flugblätter an den Eingangstoren zu verteilen. Sie griffen den Betriebsrat an, daß er dem Abbau von Arbeitsplätzen ohne Kampf zugestimmt hatte, forderten die Übernahme aller Auszubildenden und ähnliches. Zuerst ließen wir sie einfach links liegen. Wir identifizierten lediglich die Flugblattverteiler, alles Studenten aus (...).

Bei den nächsten Betriebsratswahlen stellte die Gruppe eine Oppositionsliste gegen die Liste der [Name der DGB-Gewerkschaft] auf. Alle wurden aus der Gewerkschaft ausgeschlossen. Sie erhielten auch einen Betriebsratssitz. Allerdings hatten wir nun die vollständige Liste aller Mitglieder und konnten sie versetzen, so daß sie weit entfernt voneinander arbeiteten und sie unter spezielle Überwachung stellen, so daß ihnen Kontakte während der Arbeitszeit erschwert wurden. Wir schickten auch Leute zu ihren Treffen. Dort wurde klar, daß sie nie über zwei oder drei Leute aus dem Betrieb als „Sympatisanten“ hinauskamen, die sie versuchten, zum Beitritt zu ihrem Klub zu überreden. Und davon war einer noch „unser“ Mann.

Im Laufe der Zeit gelang es uns, alle aus dem Betrieb zu entfernen. Der Betriebsrat half uns dabei, denn man wollte auch keine unliebsamen Kritiker. Fast alle wurden personenbedingt entlassen. Wenn ein Meister z.B. ein Fehlverhalten bezeugte, gab es wenig zu deuteln an diesen Entlassungen. Einer z.B. hatte sich für einen Gang zum Betriebsrat abgemeldet, aber die Betriebsräte bestätigten, daß er nicht im Büro bei ihnen war. Wupps, war er draußen. Da wir diese Entlassungen über eine Anzahl von Jahren hinzogen, gelang es ihnen auch nie, eine Bewegung dagegen zu entfachen. (...)

Zwei Jahre nach der ersten Entlassungswelle über Frühpensionierungen war der Appetit des Vorstands auf eine neue Aktion dieser Art geweckt. Zwar gab es keinerlei Probleme mit den Steigerungsraten des Absatzes und auch der Gewinn war hervorragend, aber der Vorstand meinte, er könne höher sein. Diesmal mußten wir etwas erfinden, um die neue Welle der Frühpensionierungen zu „verkaufen“. Erneut „schluckten“ es aber sowohl die Älteren, die in Frührente gingen, als auch die Belegschaft und der Betriebsrat.

Die „Linken“, zu diesem Zeitpunkt noch im Unternehmen, versuchten eine Abwehrfront aufzubauen, aber es gelang ihnen nicht. Die Argumentation des Betriebsrates, nur so könnten betriebsbedingte Entlassungen verhindert werden, setzte sich durch.

Diesmal hatten wir die Altersgrenze auf 58 Jahre gelegt. Dadurch kamen die beiden Jahrgänge, die schon wieder hineingewachsen waren und ein weiterer Jahrgang in den Bereich der Frühpensionierung. Das waren zu diesem Zeitpunkt fast 4% der Belegschaft, die so hinausbefördert werden konnten.

Diesmal waren die Bedingungen für die Frührentner schon nicht mehr so günstig wie bei der ersten Aktion, doch die Früpensionierten hatten sich nicht alles durchgelesen und bemerkten es erst hinterher. Für uns war wiederum wesentlich, daß wir die Übergangszahlungen fast völlig auf die Rentenkassen und Arbeitslosenkassen abwälzen konnten. Wiederum klappte es im wesentlichen, daß der Rest der Belegschaft deren Arbeit mitmachte, wenn es auch zu einzelnen Reklamationen kam.

Dann kamen die neunziger Jahre. (...) Nun hatten wir auch einen Standort im Osten. Jede neue Produktionslinie wurde nun ausgeschrieben, ob man sie in [Ausland], im Osten oder im Mutterwerk ansiedelt. Alle mußten Kosten senken oder es wurde wieder mit Entlassungen gedroht. (...)

Das waren die großen Zeiten der Flexibilisierung. Wir konnten weitgehend die Überstundenzuschläge abschaffen. Das ergab deutliche Einsparungen. Die Produktionsarbeiter bekamen Stundenkonten, auf die ihre Überstunden kamen und wenn die Konten bis an die Grenze voll waren, akzeptierten die meisten weitere Überstunden, die dann verfielen. Auch dieser Effekt ergab Kosteneinsparungen. Zusammen mit den Automatisierungen konnten wir jetzt die Personalkosten auf 28% senken.

Dann kam die Öffnungsklausel im Tarifvertrag für „notleidende“ Unternehmen, die es erlaubte, den Samstag als Regelarbeitstag einzuführen und jegliche Zuschläge für Samstagsarbeit abschaffte. Es gelang uns, eine scheinbare „Notsituation“ im Mutterwerk zu simulieren, indem Mittel in den Osten verlagert wurden und schon fielen auch die Zuschläge für Samstagsarbeit weg.

Bei jeder der Tariferhöhungen rechneten wir nun auch unsere übertarifliche Leistungen an, so daß bis etwa zum Jahr 2000 solche Leistungen zur extremen Ausnahme geworden waren. Wir zahlten nun puren Tarif. So schafften wir es, unseren Personalkostenanteil bis dahin auf etwa 25% der Gesamtkosten zu reduzieren. (...)

Die Gerüchte über anstehende Entlassungen wurden nun die Regel. Im Werk im Osten wurde geflüstert, es würden Produktionen ins Ausland verlegt, im Mutterhaus, sie würden in den Osten verlegt. Die Drohung, in den Osten umziehen zu müssen, wirkte fast so gut wie die Entlassungsdrohung. (...)

Nun wurden in beiden Werken regelmäßig Frühverrentungen durchgeführt. Allerdings waren nun die Bedingungen für die Frührentner deutlich ungünstiger. Nach der vorherigen Frühverrentungsaktion waren die Kandidaten schon deutlich vorgewarnt, denn eine große Zahl der Frührentner vom letzten Mal hatte gedacht, die gleichen Bedingungen wie die ersten zu bekommen, bekam sie aber nicht.

Jetzt waren alle sehr skeptisch und fanden bald heraus, daß die Zeit bis zur Verrentung mit einem geringen Zuschuß überbrückt werden mußte und zusätzlich auch noch mit 63 oder bei Frauen mit 58 in Rente gegangen werden mußte und damit ein deutlicher Abschlag an der Rente hinzunehmen war. Diesmal bekamen wir nicht genug Freiwillige zusammen, obwohl wir diesmal die Aktion für alle ab 56 geöffnet hatten. Wir mußten eine Zwangs-Frühverrentung durchführen, was eine Menge mehr Arbeit bedeutet.

Nach dieser neuen Verrentungsaktion gab es erste Schwierigkeiten an einigen Stellen in der Produktion und im Lager und Versand. Es fehlten erfahrene Kräfte, die schon fast jeden Typ von Problemen erlebt hatten und wußten, wie zu reagieren war. Die Verbliebenen hatten außerdem nicht mehr die absolute Identifizierung mit der Firma, wie sie früher unsere Belegschaft ausgezeichnet hatte. Wenn man unter der ständigen Drohung von Entlassung steht, hebt das nicht die Arbeitsmoral. Die nun deutlich verjüngte Belegschaft ließ einige Male voraussehbare Fehlleistungen oder Unfälle sehenden Auges geschehen, weil – wie einer sich ausdrückte – „sollen die doch den Karren an die Wand fahren“. (...)

Diesmal konnten wir von der Frühverrentungsaktion nur geringfügig mit verringerten Kosten profitieren, denn den verringerten Personalkosten standen Anstiege anderer Kosten gegenüber. (...)

Zwar wurden die Fehlzeiten deutlich verringert wegen der ständigen Angst vor Entlassung, aber gleichzeitig gingen Genauigkeit und Arbeitsgeschwindigkeit zurück.

Auch im Osten machten wir eine Frühverrentungsaktion, die dort besser angenommen wurde, so daß wir dort bei der Freiwilligkeit bleiben konnten. Auch war die Arbeitsmoral dort besser, so daß wir eine Anzahl neuer Produktionslinien dorthin legten. Damit waren aber im Mutterwerk erneut Maßnahmen zum Personalabbau angesagt. Wir offerierten für Freiwillige die Übersiedlung in den Osten, das nahmen aber nur 9 Arbeiter an. Damit mußte nun schon die vierte Frühverrentung angesetzt werden, zu erneut verschlechterten Bedingungen. Diesmal setzten wir das Mindestalter auf 50 Jahre und planten das Ganze von Anfang an als Zwangs-Frühverrentung.

Der Vorstand hatte diesmal nicht die Frühverrentung vorgeschlagen, sondern die Summe genannt, die an Personalkosten eingespart werden sollte. Wir hatten nun einen deutlich verjüngten Vorstand (der nun fast ohne Fachleute auskam und im wesentlichen von Juristen und Betriebswirtschaftlern gebildet wurde), der den einzelnen Werksbereichen nun jährlich Vorgaben gab, die bis Ende des Jahres erreicht werden mußten. Für uns in der Personalabteilung waren das nun Personalkostenverringerungen.

Ich hatte im Gespräch mit dem für mich zuständigen Vorstandsmitglied darauf hingewiesen, daß meine Vorgabe nur mit massiver Personalabbau umgesetzt werden könnte und dies voraussichtlich zu Engpässen in Produktion, Vertrieb, Lager und Auslieferung führen würde. Auch die Instandhaltung würde wohl über alle Maßen ausgedünnt – speziell, wenn der Abbau wieder über Frühverrentungen abgewickelt würde.

Er beschied mir aber kühl, ich solle mich nicht um Bereiche außerhalb meiner Verantwortung kümmern, das müsse ich dem Vorstand überlassen. Wenn eine weitere Frühverrentungsaktion nachteilig sei, dann könne ich ja eine „einfache“ betriebliche Entlassungsaktion ansetzen. Die Gespräche mit dem Betriebsratsvorsitzenden ergaben aber, daß er Entlassungen quer durch die Abteilungen anhand von durch die Abteilungsleiter zu erstellenden Listen, wie ich sie als Alternativkonzept vorgesehen hatte, für ihn nicht akzeptierbar waren.

Er sagte mir, daß wir dem Betriebsrat immer einen Spielraum für gewisse „Verbesserungen“ lassen müßten, sonst könne der Betriebsrat und die Gewerkschaft nicht mehr garantieren, daß die Arbeiter im Betrieb still hielten, die sowieso schon eine ziemliche Wut im Bauch hätten. Konkret hieß das, ich kündigte die Entlassungsaktion an, die in diesem Fall 10% der Belegschaft betreffen sollte – und der Betriebsrat würde dann in „zähen Verhandlungen“ mit mir das Schlimmste abwenden und die Aktion in eine Frühverrentung umwandeln können. So geschah es.

So wurden praktisch alle, die 50 und mehr Jahre alt waren, aus der Firma in die Frührente abgeschoben. Die Abteilungsleiter standen Schlange bei mir, um zu protestieren, aber ich verwies sie alle auf den Vorstand – der sie dann wieder an mich verwies. (...)

Für jenes Jahr wurde dann auch eine generelle Nichtübernahme verkündet. Die Ausbildungsplätze waren zu diesem Zeitpunkt bereits auf 40% unseres früheren Standes zusammengestrichen worden. (...)

Tatsache war, daß nach dieser vierten und bei weitem größten Frühverrentungsaktion wirklich ernste Probleme in den schon genannten Bereichen auftraten.

Speziell die Instandhaltung war von der „Ausdünnung“ betroffen. Da die speziellen Probleme der Instandhaltung an keiner Hochschule gelehrt werden, waren hier die erfahrenen Mitarbeiter unersetzlich. Die Kenntnis von Hunderten von „Tricks“, die erfahrenen Instandhalter anwenden, waren mit den älteren Mitarbeitern verschwunden. Die Verbliebenen wußten zwar die Theorie, die Praxis ist aber weit vielfältiger. Das Ergebnis waren deutliche Anstiege an Ausfällen von Maschinen und Anlagen mit extrem kostenintensiven Ausfällen von Produktion und mit teuren und langandauernden Reparatureinsätzen, die von außerhalb zugekauft werden mußten.

Aber auch die Produktion als solche hatte nun Mängelrügen, Fehlchargen und andere kostspielige Ausfälle in einer weit höheren Anzahl als zuvor. Die vorher üblichen Maßnahmen, solche Ausfälle hereinzuarbeiten, klappten nicht mehr. Die Leistung der Arbeiter pro Stunde nahm ab statt zu. Andauernd standen Leute ohne Arbeit in den Hallen herum, weil technische Mängel aufgetreten waren. Die Meister, die vorher geschworen hatten, sie hätten alles im Griff, mußten nun zugeben, daß die erfahrenen Mitarbeiter, die oft wußten, was zu tun war, nicht so ohne weiteres ersetzt werden können. Viele Probleme hatten die Arbeiter und Vorarbeiter vorher selbst gelöst, ohne daß der Meister auch nur davon erfuhr. Nun waren die entscheidenden älteren und erfahrenen Vorarbeiter nicht mehr da.

Ähnliches galt für den Vertrieb, das Lager und die Auslieferung. Als die Abteilungsleiter merkten, daß sie plötzlich deutlich angestiegene Kosten in ihren Abteilungen hatten, versuchten sie, mit der Einführung striktester Regeln und ständigen Überwachungen dagegen vorzugehen. Aber das war die „falsche Medizin“. Es handelte sich nicht um die Folge von Undiszipliniertheiten, sondern um mangelnde Erfahrung. Nun fühlten sich die Verbliebenen auch zusätzlich noch nicht genügend respektiert, was erneut die Arbeitsmoral verschlechterte. Der vorher schon erwähnte Effekt des „laß sie es doch an die Wand fahren“ wurde so noch verstärkt und die Kosten stiegen noch mehr.

Das Jahr 1998 war dann ein gespanntes Jahr mit andauernden Krisensitzungen. Die Kosten waren höher als bei der Konkurrenz, das machte sich bemerkbar : Der Absatz stagnierte. Der Vorstand versuchte verzweifelt herauszufinden, was eigentlich die gestiegenen Kosten verursacht, war aber dabei auf der Suche nach Sündenböcken und nicht den wirklichen Ursachen. Ich wies mehrmals in solchen Sitzungen darauf hin, was wirklich vorgefallen war, aber der Vorstand wollte das nicht wahrhaben, denn damit hätte er seine eigene Verantwortung zugestanden.

Im Jahr 1999 zischelte mir sogar einer der Vorstände einmal zu, ich solle mich in Acht nehmen mit solchen Vorwürfen. Wie zu erwarten, wurde mir für Ende des Jahrtausends eine Frühverrentung verpaßt, angeblich zum 60. Geburtstag, aber ich wurde erst im Jahre 2000 Sechzig.

Noch im Jahre 99, ich hatte bereits eine schöne Übergangszahlung für die fünfeinhalb Jahre bis zur Rente im Vertrag, wechselte der Besitzer der Firma. (...)

Offenbar war es nicht verborgen geblieben, daß die Firma mit höheren Kosten als die Konkurrenz arbeitete und jemand glaubte, mit seinen Patentrezepten die Firma wieder auf Kurs bringen zu können und dann mit Gewinn wieder zu verscherbeln.

Es wurde in gigantischem Ausmaß in Automation und Computerisierung investiert, allerdings alles auf Pump. Ich bezweifelte damals schon, ob das der Ausweg wäre, aber es interessierte mich in Wirklichkeit schon gar nicht mehr.

Tatsache war, daß die Kosten nun erneut angestiegen waren durch die Zins- und Tilgungskosten der Finanzierung. (...)

Zwei Jahre nach meinem Ausscheiden wurde die Firma als Sanierungskandidat erneut verkauft. Inzwischen hatte es schon massive Entlassungen gegeben. (...)

Heute liegt die Firma in den letzten Zügen. Sie hat nur noch ein Drittel der Belegschaft. Voraussichtlich noch dieses Jahr wird ein Vergleichsverfahren erwartet – ob das noch etwas retten kann, ist zweifelhaft.

Ich hoffe, es wurde nicht auch die Kasse der Zusatzrente geplündert. Wenn ich mit meiner Rente auskommen müßte......“

Dienstag, 19. Mai 2009

Brasilien wird Erdöl-Nation

2009 wird voraussichtlich Rekordjahr 2008 wiederholen

Von Karl Weiss

Gerade erst am 1. Mai dieses Jahres hatte Präsident Lula in einer kleinen Feierstunde das erste Erdöl aus dem „Pre-Sal“ vor der brasilianischen Küste in die Leitung strömen lassen, schon kommt bereits die dritte Meldung über ein neu gefundenes Ölfeld in der Bucht von Santos seit Februar 2009.

Chávez und Lula

Der spanisch-argentinische Ölkonzern Repsol hat eine Anzahl von Lizenzen zur Erforschung nach Ölhaltigkeit für Gebiete vor der brasilianischen Küste erworben, die er zusammen mit der brasilianischen Petrobras und anderen betreibt. Im Februar hatte Repsol bereits Ölfunde in den Feldern „Piracucá“ und „Iguaçú“, beide vor der Küste von Santos, bekannt gegeben. Jetzt kommt der neue Fund dazu. Damit sind in den dortigen Feldern nun bereits 6 Bohrungen fündig geworden

Der neue Fund, bekannt geworden am 11. Mai, erhielt den Namen Panoramix und wurde in nur 170 Meter Wassertiefe erschlossen, was die Ausbeutung beachtlich erleichtert und mit einer fest auf dem Meeresgrund verankerten Plattform ausgebeutet werden kann. Allerdings wird dort auch nur eine Ausbeute von etwa 400.000 Kubikmetern Erdgas pro Tag und von etwa 1.500.000 Barril (Fässer) Erdöl täglich erwartet – das ist mittlere Grösse.

Brasilien hat seit letztem Jahr angefangen, auch das Erdgas aus den Ölfeldern zu nutzen und nicht mehr abzufackeln. Innerhalb der nächsten zehn Jahre soll der gesamte Bedarf von Erdgas aus eigenen Quellen gewonnen werden, was Brasilien vom bolivianischen Erdgas unabhängig macht.

Erdöl 1

Auch die im Kern bereits beschlossene, aber nie zur Realisierung gebrachte grosse Erdgasleitung von Venezuela bis in den Südosten Brasiliens (und weiter nach Argentinien) könnte überflüssig werden.

Die wirklich bedeutenden der brasilianischen Ölfunde sind allerdings die im „Pre-Sal“ („Vor Salz“). Im Geologen-Chinesisch drückt das aus: Unter dem Salz.

In verschiedenen Teilen der Weltmeere gibt es Kilometer unter dem Meeresgrund dicke Salzschichten. In vielen Fällen befinden sich noch einmal einen halben oder ein Kilometer darunter Erdölfelder. So ist es mit einer der grössten Ansammlungen von grösseren Ölfeldern, das je gefunden wurde, das sich im Abstand von über hundert Kilometer vor der brasilianischen Küste von Gebieten vor dem Staat São Paulo bis nach Norden in Gebiete vor dem Staat Bahia hinzieht. Sie liegen 5 bis 6 Kilometer unter der Wasseroberfläche und in Wassertiefen von etwa 4 Kilometer. Solche Felder waren bisher nicht zugänglich. Die in Brasilien von verschiedenen, auch ausländischen, Gruppen entwickelte Technik des Bohrens und Förderns von schwimmenden Plattformen aus macht es nun erstmals möglich, solche „Pre Sal“-Ölfelder auszubeuten.

Wirtschaftsmacht China

Es soll bis zum Jahr 2020 an etwa 15 verschiedene Stellen eine Ausbeutung dieser Ölfelder geben. Die Investitionen dafür sind gewaltig und können nicht allein von der Petrobras und dem brasilianischen Staat aufgebracht werden. Es wurden bereits Verträge über Milliarden-Investitionen mit China geschlossen, das später in Erdöl bezahlt werden soll.

Wenn all dies verwirklicht ist, kann Brasilien zu einem der ganz grossen Erdölexporteure werden, in etwa in der Grössenordnung des Iran.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Brasiliens Brutto-Inlandsprodukt zu etwa 75 % aus internem Konsum besteht. Das hat auch dazu geführt, dass Brasilien weit weniger von der derzeitigen Welt-Wirtschaftskrise betroffen ist als die meisten Industrieländer. Voraussichtlich wird Brasilien im Jahr 2009 ein Null-Wachstum aufweisen. Das bedeutet aber, dass sich das Rekordjahr 2008 wiederholen wird.

Erdöl

Auch als grosser Erdölexporteur wird also Brasilien nicht zu einem extrem von Exporten abhängigen Land werden - wie Deutschland es war und deshalb jetzt besonders leidet – oder wie es andere Entwicklungsländer zu völlig vom Erdölkonsum und –preis abhängigen Nationen macht, wie Venezuela, Nigeria oder den Iran.

Im Moment muss Brasilien noch heftige Mengen von Diesel importieren, weil ein grosser Teil der in Brasilien bisher gefundenen Erdölqualitäten extrem dickflüssig ist und von brasilianischen Raffinerien nicht verarbeitet werden kann. Ausser durch den Bau einer neuen grossen Raffinerie versucht Brasilien dies Problem durch Beimischen von Biodiesel zu bekämpfen. Heute hat bereits der gesamte in Brasilien verbrauchte Diesel-Kraftstoff 5% Bio-Diesel beigemischt.

Brasilien (topographisch)

Der Export von Erdöl dagegen ist bisher nur gering, aber offiziell gilt Brasilien bereits als Erdöl-autark. In brasilianischen Reais ergibt sich aber im Moment noch ein Defizit.

Wenn Russland und/oder Italien nicht aufpassen, wird Brasilien sie im Brutto-Inlandsprodukt überholen.


Veröffentlicht am 19. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 18. Mai 2009

Libertadores 2009 – da waren es nur noch 8

4 x Brasilien, 2x Argentinien, 1x Uruguay, 1x Venezuela

Von Karl Weiss

Folgende Spiele werden im Viertelfinale der Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück der Champions Leage, jeweils mit Hin- und Rückspiel ausgetragen (der erstgenannte hat jeweils Heimrecht im Rückspiel):

- Gremio Porto Alegre (Brasilien) – Caracas (Venezuela) (27.5. und 17.6.)
- São Paulo F.C. (Brasilien) – Cruzeiro Belo Horizonte (Brasilien) (27.5. und 17.6.)
- Boca Juniors Buenos Aires (Argentinien) – Estudiantes de La Plata (Argentinien) (28.5. und 18.6.)
- Nacional Montevideo (Uruguay) – Palmeiras São Paulo (Brasilien) (28.5. und 17.6.)


Zwar steht ein Spiel noch aus, aber es wird wohl keine Änderung mehr geben. Die Sieger der beiden ersten Spiele werden eines der Halbfinale bestreiten, die der dritten und vierten das andere. Es könnte also passieren, das Boca Juniors und drei brasilianische Vereine im Halbfinale stehen.

Praktisch alle Ergebnisse waren den Erwartungen entsprechend oder jedenfalls keine Überraschungen.

Gremio Porto Alegre, der brasilianische Meisterschaftszweite und Beste der Gruppenphase, hatte keine Probleme mit San Martin aus Peru und gewann zweimal mit zwei Toren Unterschied.

Caracas aus Venezuela musste sich zwar bei Deportivo Cuenca in Equador mit 2:1 geschlagen geben, konnte aber in Venezuela einen Kantersieg mit 4:0 erringen.

São Paulo aus der grössten Metropole der Südhalbkugel profitierte ebenso wie Nacional Montevideo aus Uruguay von der Aufgabe der beiden verbliebenen mexikanischen Vereine, nachdem die südamerikanische Föderation die Spiele in Mexiko wegen der neuen Grippe verboten hatte.

Cruzeiro Belo Horizonte aus der Stadt, aus der der Bürger-Journalist schreibt, konnte zweimal Universidad Chile besiegen, wobei der Auswärtssieg in Santiago de Chile als hervorragende Leistung eineschätzt wurde.

Boca Juniors erreichte im Hinspiel ein Unentschieden bei Defensor aus Uruguay. Der wenig bekannten Mannschaft aus Montevideo dürfte schwerlich einen Sieg in Buenos Aires auf der anderen Seite des Rio de La Plata gelingen gegen den Favoriten der Libertadores, also gehen wir davon aus, dass Boca weiterkommt.

Libertad aus Asunção, Paraguay, musste im Hinspiel ein glattes 0:3 gegen Estudiantes aus Argentinien hinnehmen. Da wird das Rückspiel zum Freunschaftsspiel und blieb dann auch bei einem spärlichen 0:0.

Schliesslich musste noch eine brasilianische Mannschaft ausscheiden, denn im letzten Achtelfinale spielten Palmeiras São Paulo und Sport Recife gegeneinander, die bereits zweimal in der Gruppenphase gegeneinander antreten mussten. Während am Ende der Gruppenphase Sport die Nase vorn hatte und Gruppensieger wurde, hatte diesmal Palmeiras das bessere Ende für sich. Nachdem beide zu Hause 1:0 gewinnen konnten, musste es in die Verlängerung gehen und dann ins Elfmeterschiessen, in dem der Palmeiras-Torhüter Marcos drei Elfmeter abwehrte und das ganze zu Gunsten von Palmeiras drehte. Das ist übrigens der gleiche Marcos, der schon die deutschen Stürmer im Weltmeisterschaftsfinale 2002 zur Verzweiflung brachte.


Veröffentlicht am 18. Mai 2009 in der Berliner Rundschau



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Samstag, 16. Mai 2009

Wie schnell das demokratische Mäntelchen fällt

Militärdiktatur in Pakistan?

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Ein Kommentar in der „Financial Times Deutschland“ (FTD) lässt aufhorchen: Ein Volker Müller, Korrespondent der Zeitung in Indien, plädiert in aller Offenheit für eine Militärdiktatur in Pakistan: „Nur ein starker Militärherrscher kann das Land retten.“

Pakistan und USA

Man höre, was man in diesem Land ganz offen in einer Zeitung schreiben kann – auch wenn es sich um eine Zeitung handelt, die hauptsächlich von den Herrschenden und ihren Lakaien gelesen wird:

„So sehr pakistanische Politiker dies auch bestreiten: Der Staat ist in Auflösung. (...) Besserung ist nicht in Sicht, zumindest nicht auf demokratischem Wege. Die Hoffnung des hochgerüsteten Atomwaffenstaats, dessen Zerfall US-Außenministerin Hillary Clinton gerade erst als gewaltiges Sicherheitsrisiko für die gesamte Welt bezeichnet hat, liegt in einem erneuten Putsch, einer Militärdiktatur. So ungeheuerlich das im Westen auch klingen mag. (...) ... wenn dazu ein Militärputsch nötig wäre, würde sich kein westlicher Staat abwenden. Die Kooperation mit Militärherrschern in Islamabad war für den Westen oft fruchtbarer als mit zivilen Regierungen.“

Das ist „der Westen“, der seine Angriffe gegen Länder überall auf der Welt damit begründet, man müsse diesen Ländern „die Demokratie bringen“.

So war es, bevor die Militärs in Griechenland putschten, in Brasilien, in Argentinien, in Chile und in anderen Ländern, wo „dem Westen“ die Regierung nicht passte: Lassen wir dort einen Militärputsch machen. Das demokratische Mäntelchen, das „westliche“ Politiker und ihre Vor- und Nachdenker tragen, fällt allzu leicht.

Als Begründung wird angeführt, die Taliban seien nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Pakistan auf dem Vormarsch. Letzte Woche wurde ein Friedensabkommen Pakistans mit den Taliban angenommen, das ihnen das Swat-Tal als ihr Gebiet zugesteht.

Osama Bin Laden

Tatsächlich sind die religiösen Extremisten des Taliban nichts, das sich ein Demokrat irgendwo an der Regierung wünscht. Aber die Ursachen der Stärke des Taliban liegen im „Westen“. Selbst der Artikel, der zum Militärputsch hetzt, muss zugeben: „Dabei haben Militär und Geheimdienste die Taliban einst selbst gezüchtet, um Einfluss im Nachbarland Afghanistan zu gewinnen.“ Er vergisst hinzuzusetzen: Sie handelten dabei im Dienste „des Westens“.

Deutlicher wird dieser Aspekt in einem Artikel der „Süddeutschen“ vom 4.5.09 zum gleichen Thema: Die „Taliban, die der pakistanische Geheimdienst unter kräftiger Mithilfe der USA in den Achtzigern für den Kampf gegen die Sowjetunion in Afghanistan päppelte,...“

So ist das also: Solange es gegen die Sowjetunion ging, durfte man die religiösen Extremisten fördern. Damals sah kein Kommentator in keiner Zeitung ein Problem darin, dass Leute gefördert wurden, die Frauen nicht allein auf die Strasse lassen, die Mädchen nicht in die Schule gehen lassen, die noch das Hände-Abhacken für Diebe kennen und die Ehebrecher auf offenem Platz steinigen lassen.

Afghanistan: US-Armee zerstört Filmkamera

Jetz, da sie nicht mehr die Feinde des Feindes sind, sondern „unsere“ Feinde, entdeckt man plötzlich all die schlechten Seiten an religiös fanatischen Extremisten. Nun darf man dies als Anlass nehmen, nach einer Militärdiktatur in jenem Land zu rufen. Auch wenn die wirklichen Gründe natürlich nichts zu tun haben mit den gleichen Rechten für die Frau, sondern mit der imperialistischen Oberhoheit des „Westens“ über eine ganze Region.

Aber es ist gut, wenn man von Zeit zu Zeit erinnert wird: Demokratie ist nur ein Vorwand, etwas Austauschbares, was zwar eine Zeit lang gelten kann, aber zum Abfall geworfen wird, wenn es nicht mehr genehm ist.

Nun verstehen wir auch immer besser, was Frau Merkel meinte, als sie auf einer Jubiläumsveranstaltung der CDU sagte: „Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit.“ (siehe genaueres hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/4364507/ )

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Ja, hören wir genau hin, eine Zeit lang – vielleicht -, aber nicht auf alle Ewigkeit. Und, wie es der Teufel will, ist jetzt gerade der Zeitpunkt des Ende dieses Anspruchs erreicht, nicht wahr?

Diese gleichen Leute, die religiösen Extremismus, wenn er mohammedanisch ist, verteufeln, akzeptieren ihnn klaglos, wenn er von der christlichen Kategorie ist. Kein Wort kommt von der FTD oder von Frau Merkel gegen die Exzesse des christlich-extremistischen Eiferer in de USA. Nichts gegen die Staaten in den USA, die wegen Ehebruch zu schwersten Gefängnisstrafen bis hin zu lebenslänglich verurteilen (siehe hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/3303947/ ), nichts gegen jene, wo gerade Gefängnis für Homosexuelle wieder eingeführt wird, nichts gegen jene, wo Jugendliche, die noch nicht 18 sind, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt werden (in einem Fall 10 Jahre), weil sie Sex gemacht haben ( siehe hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/3834997/ ) und nichts gegen jene, wo Kinder, die bei sexuellen Aktivitäten erwischt wurden, in spezielle Folterlager kommen, um ihnen ihr „Geisteskrankheit“ auszutreiben (siehe hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/4148132/ ). Ebenso nichts gegen jene, in denen bereits Fotos von Kindern in Badekleidung als „Kinderporno“ gilt (siehe hier: http://www.sueddeutsche.de/reise/artikel/916/121755/ - vorletzter Absatz).

Das macht ebenfalls deutlich, die FTD oder die Süddeutsche, die zwar nicht direkt die Militärdiktatur fordert, aber ansonsten auf den gleichen Tasten spielt, haben keinerlei Mitleid mit den armen unterdrückten Muslim-Frauen. Sie benutzen dies, um uns schmackhaft zu machen, warum man denn eine Militädiktutaur in Pakistan begrüssen müsste.

Will irgendjemand eine Wette abschliessen, wie lange es noch dauert, bis die pakistanischen Militärs die Botschaft verstanden haben?

Mittwoch, 13. Mai 2009

Zwei Maße, zwei Gewichte

Die Politik rettet die Banken – für die Bürger bleibt nichts übrig

Von Karl Weiss

Immer wenn jemand ein Konjunkturpaket gegen die Krise fordert, das tatsächlich unmittelbar in Nachfrage übergeht – also eines, das die unteren Einkommensschichten begünstigt – kommt von den westdeutschen Blockflötenparteien heftige Ablehnung – das würde wirkungslos verpuffen. In Wahrheit würde ein Programm in der Größe der Hilfen für die Banken (1000 Milliarden) die Tiefe der Krise in Deutschland gewaltig vermindern, Hunderttausende von Entlassungen verhindern. Das müsste natürlich durch eine Reichensteuer neutralisiert werden.

Aber de „Einheitsfront“ aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen will das nicht einsehen. Das Beispiel Frankreich lässt diese Leute kalt. Sie kümmern sich ausschließlich um die Banken. Nach dem ersten großen Paket von 500 Milliarden Euro, das bereits zum größten Teil verbraucht ist, hat man nun das System der ‚Bad Bank’ erfunden, die sich jedes Institut selbst schafft. Man hält konsequent geheim, wieviel da an weiteren Zahlungen auf den Steuerzahler zukommt. Die Schätzungen von Experten liegen zwischen weiteren 400 bis 500 Milliarden Euro.

Damit hat man also für die Banken bereits um die 1000 Milliarden Euro ausgegeben bzw. garantiert - und da sind die massiven Zahlungen für die Commerzbank und jene für die Hypo Real Estate wie auch die IKB und die noch anstehenden für die Landesbanken noch gar nicht eingeschlossen.

Zwar wird da behauptet, das müsse ja nicht automatisch alles tatsächlich in Zahlung umschlagen, weil viel ja nur Garantien sind und außerdem gebe es auch ein System der Rückzahlung, aber die Experten geben keine grosse Chance, dass irgend ein nennenswerter Teil dieser Gelder nicht ausgegeben werden muss bzw. tatsächlich nennenswert zurückfließt.

Die Experten warnen vielmehr, dass da einige Banken schon wieder anfangen, munter zu spekulieren, also bereits die nächste Bankrott-Erklärung ansteuern, die dann wieder mit Steuergeldern verhindert werden muss.

Cerstin Gammelin nennt diese ganzen noch ausstehenden Risiken in der „Süddeutschen“ eine „Zeitbombe“.

Deutsche Bank-Ackermann redet schon wieder von 25% Gewinn über Kapital. Woher soll das kommen, wenn im Moment eine hervorragend geführte Firma eines wenig von der Krise betroffenen Industriezweiges gerade mal 3% über Kapital erzielen kann? Nur aus riskanten Wetten!

Dabei zahlen die Dax-Konzerne, also die großen Industrie- und Dienstleistungsfirmen, dieses Jahr insgesamt 22 Mrd. Euro an Dividenden! Das sind nur etwa 20% weniger als der Rekord im Vorjahr. Alles macht weiter wie gehabt: Shareholder Value! Die Arbeiter stehen in Kurzarbeit und haben die Entlassung zu erwarten, die Aktionäre erhalten fast ungebremste Zahlungen! Das ist der Kapitalismus!

Irgendwelche einschneidenden Beschlüsse gegen die Spielkasino-Mentalität in den Banken hat niemand bisher gefasst und es sieht auch nicht so aus, als ob da etwas Vernünftiges käme. Redet man zum Beispiel vom Verbot der Leerverkäufe, so bricht man schon in Geschrei aus: „Sozialismus! Sozialismus!“. Wird eine auch nur geringfügige Steuer auf rein spekulative Finanztransaktionen von über 10 Millionen Euro angeregt, so erklärt man das Kind (der Kapitalismus) dürfe nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Kurz: Man hält sich bedeckt, wartet ab, bis es besser wird und macht weiter wie gehabt. Ackermann ist das lebende Denkmal dieser Haltung.

Auch Frau Merkel hat bereits deutlich gemacht: Sie will einfach auf Tauchstation gehen, die Krise durchstehen und glaubt danach wie Phönix aus der Asche wieder auferstehen und genauso weitermachen zu können wie vorher.

Besonders beeindruckend unser Lieblingspolitiker Westerwelle: Für ihn gibt es keine Krise und dementsprechend muss man ja auch nichts ändern. Nun, die Klientel der FDP steht natürlich auch in der Krise weiterhin gut da (macht es etwas aus, ob man 22 Milliarden hat oder nur noch 17 Milliarden?) und so hat er auch irgendwie Recht.

Nur: Es wird kein Zurück auf die Wirtschaft vor der Krise geben. Nach allen Einschätzungen und ohne die sozialen Verwerfungen einzurechnen, steht bereits fest: Das Niveau nach der Krise, sei es im Jahre 2015 oder 2019, wird deutlich unter dem von 2008 (1.-9.) liegen – falls es überhaupt ein `nach der Krise` innerhalb des kapitalistischen Systems geben wird.

Aber das alles wird der Politik heute ziemlich egal sein. Sie will gut durch die Wahlen im September kommen und die Krisenfolgen sollen sowieso auf uns, die kleinen Leute, abgeschoben werden. Nun, man wird sehen. Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn die kleinen Leute etwas dagegen haben und dagegen tun.


Veröffentlicht am 13. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 12. Mai 2009

Terrorverdacht - Unabhängig von Verdachtsintensität

Man versucht klare Polizei- und Justizregeln zu ändern

Von Karl Weiss

Wie schon vorher in Großbritannien, wurde jetzt auch in Frankreich in einem Fall von Anfangsverdacht bzw. vagen Hinweisen schweres Geschütz gegen den (die)Verdächtigen eingesetzt. Man verwendet die Angst vor Terror, um die bewährten Regeln der Kriminal- und Justizarbeit auf den Kopf zu stellen und damit die Terrorhysterie zu schüren. Hat man es einmal geschafft, die Bevölkerung hysterisch in Terrorangst zu bringen, wird sie ohne Widerstand illegale Methoden des Ausschaltens von Dissidenten schlucken, ist die Idee.

Regierungsbank

Ein junger unbescholtener Mann in Abbeville in der Picardie in Nordfrankreich erhielt von einem Kollegen, den er als „entfernte Arbeitsbekanntschaft“ bezeichnet, eine SMS mit dem Inhalt : „Hast du eine Idee, wie man einen Zug zum Entgleisen bringt?“ Er dachte vermutlich an einen dummen Scherz und nahm sich wohl vor, wenn er den Bekannten bei nächster Gelegenheit trifft, ihm zu sagen, dass der Scherz nicht so gut war.

Doch kurz darauf sah sich der junge Mann von der Polizei festgenommen und abgeführt und ein Staatsanwalt klärte ihn auf, er könne bis zu zehn Tage wegen Terrorverdacht festgehalten werden. Die SMS war vom Mobilfunkunternehmen der Polizei gemeldet worden und die hatte nicht etwa den Absender, sondern den Empfänger zum Ziel ihrer Aktion gemacht. Man warf ihm vor, er hätte eine Nachricht mit einem solchen Inhalt der Polizei melden müssen. Da er dies nicht tat, sei er des Terrorismus verdächtig.

Staatsanwaltschaft und Polizei erklärten auf die Nachfrage, ob zehn Tage Haft für das Nichtmelden eines Dummenjungenstreiches nicht unverhältnismäßig sei, bei Terrorismusverdacht müsse immer gehandelt werden, egal wie wahrscheinlich die Täterschaft sei.

Deutschland: Karlsruhe

Das gleiche Prinzip hatte man auch schon kurz zuvor angewandt, als die sogenannte Affäre Tarnac zur Festnahme und Untersuchungshaft einer Anzahl von Personen führte, die im Verdacht standen, ebenfalls einen Terroranschlag gegen die Bahn geplant zu haben. Allerdings mussten inzwischen schon alle wieder freigelassen werden, weil sich der Verdacht als unhaltbar erwies. Ebenfalls eine unverhältnismäßige Reaktion auf vage Hinweise.

Im Jahr 2005 war in London sogar ein junger Mann „vorsorglich erschossen“ worden, weil er durch ein paar zufällige Umstände in Terrorverdacht stand. Damals hatten die englische Politik und Polizei genauso argumentiert: Bei Terrorverdacht gebe es keine Verdachtsabstufungen mehr, man müsse immer davon ausgehen, es handele sich um einen gefährlichen Terroristen mit einer umgeschnallten Bombenweste, deshalb sei es richtig gewesen, den jungen Mann zu erschießen. Näheres hier:

http://karlweiss.twoday.net/stories/2676008/ und hier:

http://karlweiss.twoday.net/stories/4407968/

Jean Charles Menezes

Diese Rechtsauffassung führt automatisch zur Aufhebung aller Rechte von Verdächtigen, wenn man sie nur einfach als Terrorverdächtige bezeichnet. Da diese Einstufung als Terrorverdächtige von irgendeiner Person der „Obrigkeit“ vorgenommen wird und keinerlei Überprüfung unterliegt, ist damit der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Ein Staat, der sich demokratisch nennt, muss strenge Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Verdacht machen, unter denen eine bestimmte Person steht:

Beckstein
  • Gibt es etwa nur vage Hinweise, die noch nicht einmal einen Anfangsverdacht begründen, aber eventuell von Bedeutung sein könnten oder
  • Gibt es einen Anfangsverdacht, der nur nach weiteren neuen Momenten zu einem Verdacht führen kann oder
  • Gibt es deutliche Hinweise, die zwar noch keinen Verdacht begründen, aber verfolgt werden müssen oder
  • Gibt es einen Verdacht, der nun auf jeden Fall verfolgt werden muss oder
  • Gibt es einen dringenden Tatverdacht, der bei schweren Verbrechen schon zur Untersuchungshaft führt oder
  • Gibt es die an Sicherheit grenzende Gewissheit, es handelt sich um den Täter, was zur Anklage gegen ihn führen muss und später zur Verurteilung.
Wenn diese 6 Stufen der Intensität eines Verdachtes nicht mehr unterschieden werden, dann treten schwere Fehler in der Polizeiarbeit auf, so wie im Fall von Menezes, der mit sieben Schüssen in den Kopf hingerichtet wurde, obwohl bestenfalls vage Hinweise gegen ihn vorlagen.

Auch in Deutschland wurde diese gleiche Argumentation bereits vorgebracht. Innenminister Schäuble ist sogar der Meinung, bei Terrorverdacht sei vorbeugendes Erschießen erlaubt und es gäbe keine Unschuldsvermutung mehr bei Terrorverdacht.

Stasi 2.0

Damit würde man wieder in mittelalterliche Zustände zurückfallen, als irgendwelche Gegner des Feudalherren zuerst getötet wurden und erst danach gefragt wurde. Der Fortschritt der modernen Gesellschaft besteht ja gerade darin, dass Willkür durch die Obrigkeit weit möglichst ausgeschlossen werden soll und das Urteil der Obrigkeit durch ein geregeltes, sachliches Verfahren ersetzt werden soll. Fällt die Unschuldsvermutung weg, kann die Obrigkeit wieder wie damals tun und lassen, was sie will.

Nehmen wir einmal einen Fall, wie er tagtäglich in Deutschland vorkommt: Jemand ist ermordet worden, der mit Ihnen geschaftliche Beziehungen hatte und ein Bekannter war. Ihr Name stand in seinem Notizbuch, so taucht also ein Polizist bei Ihnen auf und fragt nach Ihren Beziehungen zu ihm (vage Hinweise, noch kein Anfangsverdacht). Sie erklären, was Sie mit ihm zu tun hatten und damit ist die Sache zunächst erledigt.

Nun erklärt aber ein anderer Zeuge, der Ermordete sei auf Sie sauer gewesen, es habe da wohl Unregelmäßigkeiten gegeben. Erneut werden Sie befragt (Anfangsverdacht). Sie erklären, tatsächlich habe es ein Missverständnis gegeben, eine Lieferung von Ihnen sei nicht korrekt gewesen und er habe nicht gezahlt und sei gemahnt worden, was ihm gar nicht gefiel. Dies sei aber schon über ein habes Jahr her und sei auch längst ausgeräumt.

Nun stellt sich im Laufe der Ermittlungen heraus, der Ermordete hat u.a. mit Rauschgift gehandelt. Nun bekommen Ihre Aussagen eine ganz neue Bedeutung: „Lieferung nicht korrekt“, „sauer auf Sie gewesen“. Diesmal bekommen Sie sogar ein Vorladung, im Polizeirevier zu erscheinen (deutliche Hinweise, aber noch kein Verdacht). Sie machen nicht von ihrem Recht Gebrauch, nicht aussagen zu müssen, denn Sie sind sich keiner Schuld bewusst. Sie erklären, Sie hätten ihm Software-Anwendungen geliefert, keine Drogen und damit sollte die Sache erledigt sein.

Nun kommt allerdings eine Aussage eines anderen Bekannten des Ermordeten, der meint, er habe Sie mit ihm sprechen hören und er habe den Eindruck gehabt, es ginge um Drogenlieferungen. Außerdem sagt ein anderer Zeuge, er sei davon ausgegangen, Sie hätten den Ermordeten mit Drogen beliefert und er habe auch von anderen Personen schon gehört (und nennt eine namentlich), Sie seien ein „Drogenbaron“. Die genannte Person bestätigt, sie habe geglaubt, das träfe auf Sie zu. Nun gibt es einen Verdacht gegen Sie, auch wenn bisher nichts Konkretes bezüglich des Mordes gegen Sie vorliegt.

Sie werden nun vom Staatsanwalt als Beschuldigter vorgeladen. Sie nehmen sich einen Anwalt, aber der scheint Ihnen nicht zu glauben, dass Sie nichts mit Drogen zu tun haben. Er rät Ihnen, jegliche Aussage zu verweigern. Das verärgert Polizei und Staatsanwaltschaft, die Sie nun auf dem „Pieker“ haben.

Eine Zeit später gibt es eine Aussage eines Zeugen, der Sie gesehen hat, als sie mit H.G. gesprochen haben, der nach Ansicht der Polizei der Drogenboss der Stadt ist – was Sie allerdings nicht wussten. Sie sagen weiterhin nicht aus, aber es gibt nun Hausdurchsuchung bei Ihnen und einen Antrag auf Untersuchungshaft. Dieser Antrag wird zwar zunächst abgelehnt, aber dann findet man eine kleine Schachtel mit Heroin in ihrer Wohnung. Sie sind zwar sicher, die war dort nicht, sondern wurde „gelegt“, aber das nützt Ihnen nichts, sie wandern in Untersuchungshaft (dringender Tatverdacht).

Das geht Ihnen nun über die Hutschnur und Sie wechseln den Rechtsanwalt und finden einen, der ihnen glaubt, Sie sind keine Drogendealer. Der rät Ihnen nun, doch einige Aussagen zu machen, da Sie ja ein Alibi haben: Sie waren zu Hause bei ihrer Frau, als der Mord geschah (was aber den Staatsanwalt nicht recht überzeugt). Das zieht allerdings Ihre Frau nun mit in die Sache hinein, denn es wird argumentiert, sie mache Aussagen zu Ihren Gunsten und sei daher wohl Teil des Drogenrings.

Außerdem hat Ihre Frau eine kleine Vorstrafe, eine Geldstrafe wegen Steuerhinterziehung, was nun zusätzlich als Indiz für die Kriminalität genommen wird.

Die Staatsanwaltschaft meint, Sie hat einen Fall gegen Sie und stellt Anklage. Ein Richter nimmt die Anklage an. Sie werden im Verfahren aber freigesprochen des Mordes an dem Bekannten, aber nur aus „Mangel an Beweisen“. Es gibt nur die oben erwähnten Anhaltspunkte, das reicht für eine Verurteilung in einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht aus.

Nun nehmen Sie aber einmal an, es gibt vage Anhaltspunkte, Sie seinen ein Terrorist. Zum Beispiel findet sich im Notizbuch eines Terroristen wegen eines dummem Umstands Ihre Telefonnummer. Nun haben Sie also keinerlei Unschuldsvermutung und die vagen Anhaltspunkte gelten bereits als Verdacht. Wenn Sie nun auf ein Gebäude sicheren Schrittes zustreben, in dem sich eine hochgestellte Persönlichkeit befindet (was Sie gar nicht wissen) und eine Aktentasche in der Hand haben, geht man davon aus, Sie wollen einen Mordanschlag begehen und muss Sie leider vorbeugend erschießen.

Der Terrorist ist von der Bundestaatsanwaltschaft nicht als jemand definiert, der Anschläge gegen Unschuldige durchführt oder durchführen will, sondern als jemand, der das Staatssystem beseitigen will, also ein Dissident. Merken Sie, woher der Wind weht?


Veröffentlicht am 12. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 11. Mai 2009

Ruhe vor dem Sturm

Der Schock kommt noch

Von Karl Weiss

Noch ist es ruhig in Deutschland. Man könnte fast meinen, `good old Germany` wäre weniger als andere Länder von der multiplen internationalen Krise betroffen. Wolfgang Münchau, der im Ausland lebende Kommentator der FTD, bemerkt dies bei seinen Deutschlandbesuchen besonders deutlich. Er fragt: „Warum weiss der durchschnittliche Belgier mehr von dieser Krise als der durchschnittliche Deutsche?“

Tatsächlich sind die Zahlen der Entlassungen in Deutschland noch vergleichsweise niedrig, weil es in Deutschland die Kurzarbeitergeld-Regelung gilt – eine kleines letztes Überbleibsel von sozialen Rechten in Deutschland.

Auch die Abwrackprämie hat geholfen, bisher noch Massenentlassungen speziell in der Automobilindustrie zu verhindern. So lesen viele in Deutschland zwar über die Krise in der Zeitung und sehen sie in den Nachrichten, aber sie spüren sie noch nicht – oder nur wenig – am eigenen Leib. Auch gibt es Gegenden in Deutschland, wo es nur wenig Industrie gibt und die Dienstleistungen – wie auch der öffentliche Sektor - dominieren, wie zum Beispiel in Berlin

Dies macht sich die Politik zunutze und spielt nach Leibeskräften die Krise in Deutschland herunter. Wie aus einem Leierkasten wird die These wiederholt, man brauche die Nachfrage nicht zu stimulieren. Den meisten Deutschen ist gar nicht bewusst, dass Deutschland bisher praktisch nichts zur Stützung der Nachfrage unternommen hat, während in fast allen Industrieländern bereits ins Arsenal der typischen Konjunkturstützen gegriffen wurde, die immer vorrangig die niedrigen Einkommensgruppen bevorzugen müssen, um schnell und deutlich zu wirken: Erhöhung des Eingangssteuersatzes, Erhöhung der Arbeitslosen-Leistungen, Verlängerung der Bezugszeiten, Erhöhung der Abschreibungsmöglichkeiten von der Steuer für die breite Masse usw. usf.

Wie ein anderer Kommentator der FTD, Zeise, bemerkt, liegt das daran, dass die deutsche Politik, sprich CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne nicht begriffen haben, was die Krise verursachte. Sie glauben, es war der Ausfall der Kredite zu günstigen Bedingungen durch die Banken und versuchen daher mit Einsatz bisher unbekannter Grössenordnungen von Mitteln die Banken in ihrem Krankenbett aufzurichten. In Wirklichkeit ist die Wirtschaftskrise (nicht die Finanz-, Kredit-, Währungs-, Geldsystem- oder Staatsanleihen-Krise) schlicht und einfach eine Überproduktionskrise, sprich die Menschen haben zu wenig Geld, um all die produzierten Waren kaufen zu können, also eine Krise der mangelnden Nachfrage.

Deutschland: Umsatz gewerbe 2007 bis März 09, 2005 gleich Hundert
Die Tiefe der Krise kommt in diesem Bild deutlich zum Ausdruck. Der Absturz ist fast senkrecht und wenn er im März nicht mehr so weiter geht, sagt das noch nichts über den April und die nächsten Monate.


Ganz im Gegensatz zum Eindruck, den viele Deutschen noch haben, ist aber Deutschland besonders intensiv von dieser Krise betroffen. Der Rückgang des Brutto-Inlandsproduktes ist nach Japan der zweithöchste. Hier muss allerdings erwähnt werden, dass in den USA die Zahlen des BIP (in englisch: Gross National Produkt: GNP) massiv manipuliert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Wirklichkeit die US-Krise in der gleichen Grössenordnung wie die Japanische und Deutsche liegt.

Inzwischen haben sich Sachverständigenrat, OECD und Bundesregierung auf etwa 6% Rückgang des BIP gegen das Vorjahr für 2009 in Deutschland geeinigt. Das ist eine Grössenordnung, wie es sie nur als Folge der Weltkriege und in der großen Depression von 1929 und folgende gab. Es wird Massenarmut und Hunger in Deutschland geben. Die Entlassungen werden in die Millionen gehen.

Zwar wird man die Zahlen noch eine Zeitlang manipulieren können, zwar wird die Kurzarbeiterregelung verlängert, aber irgendwann wird die Abwrackprämie und die Kurzarbeitergeld-Regelung auslaufen, irgendwann wird der Verzögerungseffekt des einen Jahres Arbeitslosengeld 1 zu Ende sein und dann ist die K... am Dampfen.

Die Politik sorgt sich momentan nur um eins: Dieser Zeitpunkt darf nicht vor den Wahlen im September sein. Und nach den Wahlen die Sintflut. Dann wird man eine irgendwie halbwegs legitimierte Regierung haben und die sozialen Verwerfungen gedenkt man mit Gewalt zu unterdrücken. Aber gerade dieser Betrug mit den Wahlen und danach das Messer gewetzt, wird die Massen besonders empören.

Es ist offensichtlich, die Politik hat nicht die geringste Ahnung, wie viel unterdrückte Wut heute bereits in Deutschen Arbeitergehirnen rumort und sie will es wohl auch nicht wissen. Es sei nur daran erinnert, wie 2004 nach der Ankündigung von Hartz IV innerhalb kürzester Zeit die Monagsdemonstrationen aktiviert wurden und dann für glatte zwei Monate um die 200.000 einfache Menschen jeden Montag auf die Straße gingen.

Politiker kennen keine Arbeiter, bzw. nur Luxus-Arbeiter wie freigestellte Betriebsräte und Betriebsratsvorsitzende. Wer ein wenig Einblick in das Denken der kleinen Leute in Deutschland hat, weiss, wieviel Zorn sich jetzt bereits angesammelt hat. Man stelle sich vor, wenn der nicht mehr nur mit Faust in der Tasche abreagiert wird. Die Vorstellung, mit massiver Unterdrückung könne man dem leicht Herr werden, hatten noch immer alle Reaktionäre angesichts revolutionärer Bewegungen, wie zum Beispiel der französische Adel vor dem Sturm auf die Bastille oder der König von Nepal, der inzwischen bereits abdanken musste.

In Deutschland herrscht die Ruhe vor dem Sturm.


Veröffentlicht am 11. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 8. Mai 2009

Kein Ende der Krise

Die Optimisten übersehen die wichtigste Zahl

Von Karl Weiss

Es ist genau umgekehrt: Während allenthalben eine Verringerung der Krise heruasposaunt wird, die Aktienmärkte sogar (relativ) boomen, während offiziell eine geringfügige Verringerung des Abschwungs der Produktions- und Verkaufszahlen registriert wird und manche schon das Erreichen der Talsohle kommensehen, zeigen die nackten Zahlen ein ganz anderes Bild. Die wichtigste Zahl ist dabei die des Kurses der US-Dollarbonds (Auf Deutsch: US-Staatsanleihen in Dollar). Dieser fällt, nachdem er im Dezember ein Hoch erlebte, seitdem konstant. Und das will heißen: Ernsthafteste Probleme sind für die Weltwirtschaft am Kommen!

Deutschland: Umsatz gewerbe 2007 bis März 09, 2005 gleich Hundert
Die kleinen Häkchen da unten in diesem Bild sollen als Hinweis dienen, dass die Krise vorbei sei. Das ist natürlich Unsinn. Sollte sich der Umsatz des gewerbes in Deutschland wirklich auf diesem Niveau stabilisieren, ist das bereits eine Katastrophe, aber nicht einmal das ist garantiert. Man sehe nur den Umsatz der konsumgüterindustrie ohne Häkchen!

Die aktuelle Situation der Dollar-Bonds wird von der Financial Times Deutschland (FTD) so beschrieben:

„Es geht langsam zur Sache. In Amerika ist der Kurs von 30-jährigen Staatsanleihen seit dem Hoch im Dezember inzwischen um 24 Prozent gefallen - trotz der direkten Anleihenkäufe durch die Fed. Dennoch rentieren 30-jährige in den USA gerade mal mit knapp 4,1 Prozent. Das ist schon mit Blick auf das diesjährige US-Fiskaldefizit von rund 2 000 Mrd. $ recht jämmerlich ... Also wird die Fed - ob direkt oder mithilfe der Geschäftsbanken - für große Teile des Budgetdefizits aufkommen müssen. (...) Trotz der derzeit überaus niedrigen Kapazitätsauslastung könnten die inflationären Konsequenzen der Geld- und Fiskalpolitik daher überraschend schnell sichtbar werden ... Selbst in diesem deflationären Szenario übersteigen die Chancen von Staatsanleihen deren Risiken daher nur bedingt.“

Klar? Versuchen wir einmal, das in Deutsch zu übersetzen, ohne in Alarmismus zu verfallen: Der Staat „Vereinigte Staaten von Amerika“ hat im Prinzip zwei Möglichkeiten, seine (im Moment natürlich sehr hohen) Defizite zu finanzieren: Durch Verkauf von Staatsschuldverschreibungen (Dollar-Bonds) oder durch Drucken von Geld. Über die Dollarbonds wird das immer schwieriger, weil man sie nicht mehr so leicht los wird, weil die möglichen Käufer sie nur noch mit Abstrichen als „sicheren Hafen“ ansehen können („Chancen übersteigen Risiken nur bedingt“). Es lässt sich absehen, das Defizit kann dadurch nur in Teilen finanziert werden. Man wird also in steigendem Umfang Geld drucken müssen. Das ist bei einer Welt-Reservewährung nicht unmittelbar und unbedingt inflationstreibend, aber nur in gewissem Rahmen. Geht man von einer weiteren Vertiefung der Krise mit vielen neuen Entlassungen aus und von einem andauernd verringerten Konsumumfang in den USA, so erscheint nun deutlich am Horizont die Gefahr einer Inflation des Dollars, die schnell in Hyperinflation und die völlige Entwertung des Dollars übergehen kann.

Was das heißt, ist völlig unabsehbar. Ein Zusammenbruch des Dollar würde das ganze Finanz- und Wirtschaftssystem der Welt außer Kraft setzen, denn alles ist auf Dollars und Dollaranleihen aufgebaut. Wenn man behauptete, manche Banken seinen einfach zu groß, als dass man sie Pleite gehen lassen könnte und damit die Hunderte von Milliarden von Dollar für die Banken rechtfertigte, so trifft dies hundert Mal mehr auf den Dollar zu.

Nur, wenn der ins Uferlose fällt, wird es nicht genug Hunderte von Milliarden geben, um das aufzuhalten. Es wird der Übergang ins Chaos sein, jedenfalls was Finanzwelt und Wirtschaftsleben betrifft.

Interessant, dass dies so versteckt angedeutet wird und niemand offen über diese Gefahr spricht, geschweige denn etwas dagegen unternommen wird.


Veröffentlicht am 7. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 6. Mai 2009

Was Jupiter darf, steht einem Ochsen noch lange nicht zu

Zwei Masse, zwei Gewichte

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Die „Süddeutsche“ greift die Frage der Vorverurteilung von Verdächtigen auf, speziell im Fall von Kinderporno-Vorwürfen. Das ist ehrenvoll, nur tat sie dies nicht, als sich 2007 herausstellte, dass Zehntausende von Menschen auf der ganzen Welt unschuldig in solchen Verdacht geraten und öffentlich vorverurteilt worden waren, wie im Fall „Operation Ore“, sondern erst jetzt, als ein SPD-Bundestagsabgeordneter in diese Mühle geriet, noch dazu einer, der offensichtlich gar nicht so sehr unschuldig ist.

Zwei Masse, zwei Gewichte, das ist die Praxis der „Süddeutschen“ und selbstverständlich auch der anderen bürgerlichen Medien. Als im Jahr 2007 offensichtlich wurde, dass Zehntausende von einfachen Bürgern in verschiedenen Ländern, darunter in den USA, in Deutschland, in Grossbritannien, in Österreich und der Schweiz unschuldig in Kinderpornoverdacht geraten waren, weil Kriminelle ihre Kreditkartendaten „gephisht“ und damit Porno-Seiten besucht hatten, unter denen auch eine Kinderporno-Site gewesen sein soll, war Schweigen im Walde bei der „Süddeutschen“ und allen anderen bügerlichen Medien. Der Fall „Operation Ore“ wurde vom Bürger-Journalisten in drei Teilen eines Dossiers abgehandelt, Teil 1 hier, Teil 2 hier und Teil 3 hier.

Auch die bürgerlichen Medien hätten Gelegenheit gehabt, diese Dinge zu recherchieren und dazu zu berichten. Aber: Kein Wort!

Nun aber hat man, so will man uns jedenfalls weismachen, einem SPD-Bundestagsabgeordneten übel mitgespielt. Nur hat er inzwischen schon zugegeben, sich aktiv „hartes“ Kinderporno-Material per Post zuschicken gelassen zu haben, angeblich, weil er den Behörden bei der Verfolgung der Täter behilflich sein wollte. Und da wird laut aufgeschrien. Dem Abgeodneten Tauss sei Unrecht geschehen. Seine Taten seien an die Öffentlichkeit gekommen, ohne dass er sich vorher in einem Prozess verteidigen konnte. Wegen der unglaublichen Brisanz des Kinderporno-Vorwurfs sei er „sozial abgeschlachtet“ worden, bevor er eine Chance hatte.

Und warum war das keinen Artikel wert, als Zehntausende einfacher Bürger diese Behandlung erfuhren? Nun, die sind ja keine SPD-Bundestagsabgeordneten, nicht wahr? Das kann man doch nicht vergleichen. Die alten Römer nannten das: „Quod licet Iovi, non licet bovi“ (Was Jupiter darf, steht einem Ochsen noch lange nicht zu).

Was den Abgeordneten Tauss betrifft, der war kein Hinterbänkler, bevor er sich gezwungen sah, alle Posten (ausser dem Bundestagsmandat) aufzugeben. Er war medienpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, er war Geschäftsführer der baden-württembergischen SPD. Und er hat sogar sehr zutreffend den Gesetzentwurf von Frau von der Leyen zur Sperrung von angeblichen Kinderporno-Seiten im Netz kritisiert. Allerdings hat diese Kritik ihres Sprechers die SPD-Fraktion nicht davon abgehalten, geschlossen für eben jenes Gesetz zu stimmen.

Nun, es gibt schon einmal Fälle, in denen Journalisten und – warum nicht - auch einmal ein Bundestagsabgeodneter selbst gewagte Recherchen anstellen, um der Justiz, den Sicherheitsvorkehrungen oder Polizei und Staatsanwaltschaft oder auch dem Gesetzgeber auf die Sprünge zu helfen. So gab es zum Beispiel Journalisten, die mit Pistolen in Flugzeuge stiegen, um die mangelnden Sicherheitskontrollen zu beweisen, es gab andere, die Polizisten bestachen und nachwiesen, die sind bestechlich und mehrere ähnliche Fälle.

Schliesslich gab es noch den bis heute ungeklärten Fall von zwei mit Sprengstoff ausgerüsteten Personen, die versuchten in den abgesperrten Sicherheitsbereich des G8-Gipfels in Heiligendamm im Jahr 2008 einzudringen und erwischt wurden. Sie behaupteten, sie seien CIA-Agenten und hätten die Sicherheitsmassnahmen testen wollen. Genauers in diesem Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/3949019/

Was tun solche Personen, die recherchieren und sich dabei selbst in die Position von Gesetzesbrechern bringen, um nicht als solche angesehen zu werden? Nun, sie hinterlegen ein Dokument mit ihrem Plan der Recherche bei Notaren oder Rechtsanwälten und bei ihrem Chefredakteur und/oder sie warnen direkt die Polzei vor, kurz, sie sichern sich - meistens mehrfach - ab, um nicht mit Kriminellen verwechselt zu werden und das funktioniert auch in der Regel.

Hat nun SPD-Tauss entsprechende Absicherungen benutzt? Nein. Er muss sich also sehr wohl den Verdacht gefallen lassen, es ging ihm unter Vorschützen seines Bundestagsmandats eben doch darum, an „hartes“ Kinderporno-Material zu gelangen.

Nun, er bestreitet das vehement. Allerdings muss man einem medienpolitischen Sprecher einer grossen Bundestagsfraktion unterstellen, er habe ein Minimum an Intelligenz und kann unmöglich glauben, er brauche sich nicht abzusichern. Dann aber muss man ihm etwas vorwerfen, was eigentlich stärker wiegt als der Konsum von Kinderporno (nach deutscher Gesetzgebung rein rechtlich gesehen ein Vergehen vergleichbar mit Sachbeschädigung).

Dann muss man davon ausgehen, er hat sich mit der Anhäufung hoher politischer Ämter soweit vom normalen Menschen entfernt (so wie Jupiter vom Ochsen), dass er ernsthaft glaubte, über den Gesetzen zu stehen. Fehlende Realitätsbezogenhet ist ja gar nicht so selten bei bürgerlichen Politikern.

Mit der weiterhin aktuellen Verfolgung von Tauss stellt sich aber gleich auch noch eine andere Frage: Was war denn nun mit den beiden (angeblichen oder wirklichen) CIA-Agenten, die beim G8-Gipfel mit Sprengstoff in den Sicherheitsbereich eindringen wollten. Auch sie hatten weder vorher bei der deutschen Polizei ihren „Test“ angekündigt noch Dokumente bei Rechtsanwälten hinterlegt oder ähnliches. Sie wurden in keinster Weise behelligt. Im Gegenteil, nach einer kurzen Rückfrage bei US-Stellen haben die deutschen Behörden beide sofort freigelassen. Wie ist das nun? Gibt es da auch das Jupiter-Ochse-Verhältnis? CIA-Agenten sind Jupiter-gleich und wir Deutschen einschliesslich unserer Polizei und Justiz sind Ochsen?

Dienstag, 5. Mai 2009

Deutschland und High-Tech passen nicht zusammen!?

'Shareholder-Value' führt zum Desaster

Von Karl Weiss

Es war schon vor dem Ausbruch der multiplen Krise ein Schwachpunkt, aber nun hat sich der deutsche Anteil an den High-Tech-Exporten auf der Welt noch weiter verringert. Während China die USA (16,3%) als Welt-Leader überholt hat und nun für 19,1% der Welt-High-Tech-Exporte verantwortlich zeichnet, fiel Deutschland auf lediglich 1,1% zurück. Von den Europäischen High-Tech-Exporten, die sowieso nur 14,6% des Weltmarktes ausmachen, fallen auf Deutschland gerade mal 7,7%!

Scheinbar hat Deutschland sich entschieden, auf dem High-Tech-Sektor (Elektronik, Informatik, Datenverarbeitung usw.) nicht präsent zu sein. Hat Deutschland das wirklich entschieden? Vor welchen Wahlen haben welche Parteien dies auf ihr Banner gehoben und wurden gewählt? Nun, das geschah nie. Diese Entscheidungen wurden vielmehr von Konzernlenkern getroffen, die statt Deutschland entscheiden. Das nennt man Diktatur.

Anteile an Weltextport von Hightech

Die Märkte, so wurde uns von unseren schlauen Politikern immer wieder ins Ohr geblasen, lösen alle Probleme, man muss sie nur frei wirken lassen und sich jedes Eingriffs enthalten. Nun, die Märkte haben Deutschland abgehängt. Warum? Sind deutsche Köpfe weniger einfallsreich als chinesische? Natürlich nicht!

Was also hat den deutschen Ausstieg aus der High-Tech-Welt verursacht? Die Märkte! Die Märkte in Form von Entscheidungen grosser Unternehmen, die desaströs waren. Theoretisch müssten sich nach der Theorie der Apologeten des Kapitalismus alle Marktteilnehmer extrem vernünftig verhalten und alle Aspekte einer Entscheidung erwägen, bevor entschieden wird. In Wirklichkeit sind es mehr oder weniger schlaue Konzern-Lenker, die solche Entscheidungen treffen.

Deutschland war eigentlich gar nicht so schlecht aufgestellt für den Kampf um die Weltmärkte in der High-Tech-Welt. Jeder, der in den Siebziger Jahren z.B. ein wenig Köpfchen hatte, konnte vorhersehen, dies würde ein neues Riesengeschäft werden.

In der Unterhaltungselektronik z.B. war Deutschland eine Weltmacht. Da gab es Grundig, gab AEG und Telefunken, die dann zusammen gingen und gab noch eine Anzahl anderer wie Loewe etc. Doch all das wurde verspielt. Der Herr Grundig z.B. war einer jener typischen deutschen Konzernlenker, wie sie auch in anderen Branchen üblich sind: Überheblich mit Anflügen von Grössenwahn, verträgt keine Kritik, Selbstkritik existiert nicht, umgibt sich mit Speichelleckern, mobbt oder entlässt jeden selbständig Denkenden und steht schliesslich vor dem Scheiterhaufen seines Unvermögens: Die Firma geht den Bach hinunter und er sucht immer noch bei anderen die Schuld.

Diese Beschreibung, die sich auf Herrn Grundig bezog, kann man fotokopieren und auf andere bekannte Konzernlenker in Deutschland anwenden und muss kein Wort ändern: Da gab es einmal einen Herrn Borgward, der eine ganz Autofabrik gegen die Wand fuhr, dann einen Herrn Schlieker, bei dem es eine Werft war. Doch auch in letzter Zeit haben wir Beispiele. Der Herr Merkle z.B., der die ‚ratiopharm’ zu einem Konzern machte und dann eigenhändig in den Abgrund steuerte. Er brachte es sogar fertig, sich anschliessend vor einen Zug zu werfen – das war erst vor einer Anzahl von Wochen.

Das beste Beispiel aus anderen Industriezweigen, das wir im Moment bewundern können: Frau Schaeffler, die Witwe eines Konzernlenkers und Besitzerin einer grossen deutschen Industrie-Gruppe für Kugellager und Autoteile.

Sie hat alle Rekorde an Ignoranz gebrochen und tut es weiterhin: Zuerst glaubte sie, ohne Schwierigkeiten die weit grössere Continental-Gruppe schlucken zu können, den letzten verbliebenen wesentlichen deutschen Reifenhersteller, der sich inzwischen auch schon mit anderen Auto-Teilen diversifiziert hatte. Jeder vernünftige Ratgeber hätte sie dringend davor gewarnt, denn dies war nur mit unsinnig riskanten Bankkrediten möglich, welche die Banken zwar gaben (um 25% Gewinn über Kapital zu erreichen), aber zugleich als „Junk“, also als Abfall angesehen werden mussten.

Aber da waren natürlich keine vernünftigen Ratgeber, nur Ja-Sager, die sie in ihrer Umgebung duldete. Stattdessen hielt sie sich Politiker der „christlichen“ Parteien als Schosshündchen. Als die Finanzkrise begann, die Wirtschaftskrise abrupt zu beschleunigen, waren die Schäffler-Gruppe (und auch Continental) unter den ersten und am heftigsten Leidtragenden. Umsatzeinbrüche führten zu Verlusten und die benötigten Bankkredite waren zu normalen Bedingungen nicht mehr zu erhalten.

Doch nun entblödete sie sich nicht, Staatshilfe für ihre angeschlagene Doppel-Gruppe zu fordern und einen der ihr „nahestehenden“ Politiker dafür einzusetzen. Der damalige Wirtschaftsminister Glos von der CSU erklärte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, man müsse der Schaeffler-Gruppe mit Steuergelder-Milliarden helfen, „weil da so viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden“, ohne zunächst das Ausschöpfen ihres auf viele Milliarden geschätzten Vermögens zu fordern. Glos bestand so intensiv darauf, dass man ihm den Rücktritt nahelegen musste – den er dann schliesslich auch bekanntgab.

Währenddessen trat Frau Schaeffler in Davos in einem Hundertausend-Euro-Pelz auf, was ganz zweifelsfrei ihre genaue Kenntnis von Angemessenheit belegt. Sie wiederholte damit allerdings nur die Attitude der Detroiter Autokonzernlenker, die zum ersten Hearing über ihre Bitten nach Steuerzahlermilliarden in Washington mit dem Privatjet anreisten.

Inzwischen hat sich die Situation bei Schaeffler/Continental so zugespitzt, dass Frau Schäffler sich auf einer Aktionärsversammlung, dem einzigen Ort, an dem deutsche Konzernlenker noch mit (Teilen) der Wahrheit konfrontiert werden, von einem Fachmann hören musste, wahrscheinlich seinen schon beide Gruppen nicht mehr zu retten und sie sei nur Chefin von Nichts.

Doch - wie wir unten noch sehen werden - die oben Herrn Grundig zugeschriebenen Eigenschaften sind nicht nur unter Familien-Firmen-Chefs verbreitet, sondern genauso unter Chefs von Aktiengesellschaften, denn dorthin kommt man im wesentlichen, weil man besser intrigieren und antichambrieren kann als andere.

Nun aber zurück zum High-Tech-Sektor: Auch auf dem Gebiet von Computern, Computerteilen, Gadgets, Datenverarbeitung im allgemeinen und Software war Deutschland damals keineswegs schlecht gestellt. Speziell einer der grössten deutschen Konzerne, Siemens, schien prädestiniert dafür, ein grosser Spieler auf diesem Feld zu werden. Man hatte Chip-Herstellung, Herstellung anderer Computercomponenten, man kaufte den Paderborner Computer- und Software-Spezialisten Nixdorf, man hatte eine eigene Handy-Firma, die unter den weltweit Führenden war und vor allem, man hatte an einer Reihe von Standorten in Deutschland und ausserhalb Teams von hochspezialisierten Fachleuten auf diesem Gebiet.

Doch die jeweiligen Chefs von Siemens hatten, wie fast alle anderen Konzernchefs, die 3-Monate-Krankheit: Das einzige, was interessiert, ist der Profit der nächsten drei Monate und damit die Vorausschau auf die Dividende und damit die Attraktivität der Aktie. Diese Irrsinnspolitik (selbst einer ihrer heftigster Verfechter in der Vergangenheit, der CEO der General Electric in den USA, musste nun zugeben, es war eine schädliche, unsinnige Politik) lief unter dem Namen „Shareholder-Value“. Sie war einer der wesentlichsten Komponenten dessen, was weltweit einen verschärften Konkurrenzkampf um die Märkte hervorgerufen hatte und was „Globalisierung“ genannt wurde und was die Hauptursache der sich gegenwärtig verbreitenden Krise war.

Sie beinhaltete für alle grossen Konzerne, sich auf die profitabelsten ihrer Arbeitsgebiete zu konzentrieren und alle anderen zu verkaufen oder auszulagern. So haben zum Beispiel die meisten Chemie-Konzerne, soweit sie ausreichend grosse Pharma- und/oder Biotechnik-Sparten und/oder Agro-Business-Sparten hatten, sich auf diese konzentriert und sonstige Geschäfte, vor allem die eigentliche Chemie, verkauft oder ausgelagert. Das trifft zum Beispiel auf Bayer zu, auf die Hoechst (die inzwischen schon vom französischen Rivalen geschluckt wurde und völlig vom Markt verschwand), auf die damalige Ciba-Geigy und auf Hoffmann-LaRoche.

Und so handelte Siemens unter Löscher, Vorgänger Kleinfeld oder Vorgänger von Pierer etc. etc.: Die traditionellen Arbeitsgebiete von Siemens wie Industrietechnik, Militärtechnik, Kraftwerkstechnik und Medizintechnik wurden als die profitabelsten zum „Kerngeschäft“, während High-Tech, das immer noch einen sehr kompetitiven Markt hat und daher keine höchsten Erträge hervorbingt, zum Aussterben verurteilt wurde: Man lagerte aus, wie Infineon und als Sekundär-Auslagerung Quimonda, die vor einem Monat pleite ging, man brachte in Joint-Ventures ein, was am Ende immer auf den Verkauf oder sogar die völlige Schliessen hinauslief wie bei den Siemens-Handys, die zu Ben-Q wurden und dann ganz schlossen, wie Fujitsu-Siemens-Computer, in das man zuerst die Computersparte zu einem Joint-Venture mit der japanischen Fujitsu-Gruppe einbrachte und jetzt – Meldung vom 3.5.09 - für einen Pappenstiel ganz den Japaner in den Rachen warf, oder man schloss gleich selbst.

So blieb nur ein erwähnenswerter Spieler auf dem High-Tech-Feld in Deutschland: SAP, das Firmensoftware anbietet.

Bemerkenswert: Die Quimonda hatte kurz bevor sie pleite ging, einen zukunftsweisenden Chip entwickelt, der weit weniger Energie benötigt als konventionelle, aber so oder so ging die Firma pleite – egal ob sie über dringend von der Menscheit benötigte Technik verfügt oder nicht.

Zur Meldung der Übergabe der letzten erwähnenswerten Computer-Produktion in Deutschland an die Japaner von Fujitsu schreibt ein Leser in FAZ.net am 3.5.09 folgendes:

„So verabschiedet sich Deutschland auf seinem steten Weg zum Entwicklungsland Schritt um Schritt von seiner Position als Hightech-Nation. Der Computer wurde hierzulande erfunden, künftig müssen wir alle importieren. Das erste Fernsehprogramm der Welt lief in Deutschland. Können Deutsche heute überhaupt noch einen Flachbildschirm bauen? Hier flogen auch die ersten Düsenjets, und die amerikanischen Weltraumraketen sind Abkömmlinge der V2 (ja, es ist tatsächlich so). Beim Bau des Airbus' liegt der Hightech-Bereich bei den Engländern und Franzosen, offensichtlich völlig zu Recht. Die legendäre Fototechnik, der Wankelmotor und ... und... und. Alles das machen jetzt Japaner, Koreaner, Chinesen und natürlich die Amerikaner, die nicht daran denken, sich aufzugeben. Dass wir unter den Industrienationen im Bereich der Schulausbildung und der Kinderarmut beschämende Plätze einnehmen und die Unis nicht mehr Weltspitze sind, ist bekannt. Aber, alles nicht so wichtig. Was wirklich interessiert, sind die Polit-Provinzpossen in Hessen, Bayern und Berlin.“

Dabei ist es dann besonders interessant, dass die Produkte der Kerngeschäfte von Siemens fast vollständig an öffentliche Kunden, also Staaten oder Länder oder andere öffentliche Verwaltungen gehen, was zum bekannten Siemens-Skandal geführt hatte: In zig Ländern auf der Welt hat Siemens offenbar mit Bestechung die Aufträge eingesackt und dabei auch reihenweise Gesetze gebrochen. Wenn nun klar ist, dass diese Kerngeschäfts-Bereiche nicht mehr so gut laufen werden, weil man nun nicht mehr ganz zu unverfroren mit Korruption weitermachen kann, so wäre ein Umdenken eigentlich angebracht. Aber erst im März hat man sich vom verbliebenen Anteil an Infineon getrennt und, wie gesagt, die Bekanntgabe der Siemens-Entscheidung, sich endgültig vom Computergeschäft zu trennen, ist vom 3.5.09. Man ist also weiterhin auf dem Shareholder-Value-Trip, man lernt einfach nicht dazu.

So wird denn mit diesen Siemens-Vorstandsvorsitzenden in langer Reihe deutlich: das Problem liegt nicht darin, dass bei Familienunternehmen jemand zum neuen Chef wird, der sich ausschliesslich dadurch auszeichnet, jemandes Sohn oder Tochter zu sein, oder jemand Richtigen geheiratet zu haben, das Problem liegt im System: Eine dem Zwang zu kurzfristigem Profit unterworfene kapitalistische Firma kann nicht im Interesse der Bevölkerung handeln, selbst wenn die Person an der Spitze es wollte.

Das kapitalistische System muss weg! Erst wenn wir, das Volk selbst, die wesentlichen Entscheidungen der Fabriken fällen, kann im Sinne der Bevölkerung produziert und gewirtschaftet werden.


Veröffentlicht am 5. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 4. Mai 2009

Libertadores am Ende der Gruppenphase

Boca Juniors Buenos Aires erneut Favorit

Von Karl Weiss

Während das Vorbild, die Champions-Leage, bereits in die Zielgerade einbiegt, ist das südamerikanische Gegenstück, die „Copa Libertadores“, das ja erst Anfang des Jahres anfing, jetzt mit den Spielen am 30. 4. 2009 erst zum Ende der Gruppenphase gekommen. Es hat einige handfeste Überraschungen gegeben, aber auch Favoriten, die sich durchgesetzt haben.



Der wichtigste Favorit ist, wie schon die ganzen letzten Jahre, Boca Juniors Buenos Aires aus Argentinien, das erwartungsgemäss Gruppensieger wurde und als zweitbester aller Gruppensieger verbucht ist. Man wird mit Defensor Sporting aus Uruguay, dem zweitschlechtesten Gruppen-Zweiten, ein weitgehend unbekanntes Team zum Gegner im Achtelfinale haben.

Die Achtelfinale nach der Gruppenphase werden nicht ausgelost wie in Europa, sondern es spielt der beste Gruppenerste gegen den schlechtesten Gruppenzweiten usw.

Fluminense - Boca: Palácio und Palermo haben eine grosse Chance vergeben

Allerdings hat diese Regelung bereits im letzten Jahr und nun erneut zu dem Ergebnis geführt, dass zwei Vereine sich in den zwei Achtelfinalbegegnungen gegenüberstehen, die bereits in der Gruppenphase zweimal gegeneinander gespielt haben. Diesmal hat es Palmeiras São Paulo und Sport Recife erwischt, beide aus Brasilien.

Die beiden hatten zusammen mit Colo Colo aus Chile und dem Vorjahres-Champion LDU aus Equador die als schwerste geltende Gruppe 1 gebildet. Überraschenderweise hatte weder die chilenische Spitzenmannschaft, die immer für hervorragende Libertadores-Ergebnisse gut ist, noch der Vorjahressieger die Gruppe gewinnen können, sondern der Aussenseiter, der brasilianische Pokalsieger Sport Recife (zur Libertadores werden, im Gegensatz zur Champions Leage, auch die Pokalsieger der Mitgliedsländer eingeladen), der in den ganzen letzten Jahren nie auf den vorderen Plätzen der brasilianischen Meisterschaft zu finden war. Palmeiras São Paulo, eines der besten brasilianischen Teams, war schon abgeschlagen und musste sich am letzten Spieltag nach einem Auswärtsieg mit 1: 0 bei Colo Colo mit dem zweiten Gruppenplatz zufriedengeben und war damit noch gut bedient.



Ausser Colo Colo und LDU sind auch drei argentinische Mannschaften ausgeschieden, was extrem selten ist in dieser frühen Phase, darunter einer der Mitfavoriten, River Plate Buenos Aires. Argentinien und Brasilien haben Anrecht auf jeweils fünf Plätze in der Libertadores, wozu eventuell noch der Vorjahressieger kommt, der aber diesmal die Phalanx aus Equador auf drei Mannschaften aufstockte. Von diesen kam aber nur eine durch und das war nicht der Vorjahressieger LDU, sondern Deportivo Quenca, das es diesmal zum besten Gruppenzweiten gebracht hat. Als solcher hat man es mit dem schlechtesten Gruppenersten zu tun im Achtelfinale, das ist Caracas aus Venezuela, eine weitere Überraschung und seit Urzeiten die erste venezuelanische Mannschaft, die Gruppenerster wird.

Die beiden anderen ausgeschiedenen argentinischen Mannschaften neben River Plate sind Lanús und San Lorenzo. Damit ist Argentinien neben dem Favoriten Boca Juniors nur noch mit Estudiantes vertreten. Dagegen haben sich alle fünf brasilianischen Vertreter qualifizieren können, davon vier als Gruppenerste. Der beste Gruppenerste überhaupt war Gremio Porto Alegre, der brasilianische Vize-Meister, der es im Achtelfinale mit dem schlechtesten Gruppenzweiten zu tun bekommt, San Martin aus Peru, die einzige der beiden peruanischen Mannschaften, die überlebt hat.



Die beiden anderen brasilianischen Mannschaften im Achtelfinale sind der Meister São Paulo F. C. und Cruzeiro Belo Horizonte aus der Stadt, aus der der Bürger-Journalist schreibt. Sie haben schwere Gegner erwischt. São Paulo muss gegen Chivas Guadalajara antreten, die beste noch vertretene mexikanische Mannschaft und Cruzeiro gegen Universidad Chile, den letzten verbliebenen chilenischen Verein.

Traditionell werden zur Libertadores die besten mexikanischen Mannschaften eingeladen, was aus der südamerikanischen Mannschaftsmeisterschaft eine inoffizielle amerikanische Meisterschaft macht. Dieses Jahr aber gibt es da das Problem der Neuen Grippe. Nachdem der südamerikanische Verband die Austragung des Spiels in Mexiko verboten hat, muss São Paulo darauf warten, für welchen Spielort das Auswärtsspiel angesetzt wird.



Die Hinspiele der Achtelfinale, jeweils mit dem Gruppenzweiten als Heimmannschaft, sind für den 5., 6. oder 7. Mai angesetzt, die Rückspiele im Stadion der Gruppenersten für den 12., 13. oder 14. Mai.

Der einzige verbliebene der drei paraguayanischen Mannschaften, Libertad Assunção, muss gegen Estudiantes Rio de La Plata antreten, was zwei spannende Partien verspricht.



Aus Urugay sind noch beide Mannschaften im Wettbewerb, neben Defensor Sporting, das kaum eine Chance gegen Boca Juniors haben dürfte, der Gruppenerste der Gruppe 3 und auch drittbester Gruppenerster, die Traditionsmannschaft von Nacional Montevideo, die es mit dem zweiten, wenig bekannten mexikanischen Vertreter San Luis zu tun bekommt.

Lediglich die drei Verteter aus Kolumbien und die aus zwei Bolivien sind nicht mehr im Wettbewerb vertreten, was in Bezug auf Kolumbien eine der anderen Überraschungen darstellt, denn die besten kolumbianischen Mannschaften haben oft gute Rollen in der Libertadores gespielt.



Die Voraussicht (die sich üblicherweise als falsch erweist): Ein Endspiel auf der einen Seite mit Boca Juniors ist denkbar, wobei als mögliche Gegner hauptsächlich São Paulo, Gremio oder Chivas in Frage kommen. Andererseits wäre auch die Konstellation auf der einen Seite mit Palmeiras möglich, mit den gleichen Gegnern wie oben bei Boca.

Alle anderen Paarungen wären Überraschngen, aber wann gibt es im Fussball schon etwas anderes als Überraschungen?

Statistik:

(P =Punkte, SG= Tordifferenz, G=erzielte Treffer)

1. dos Grupos
A. Primeiro: Gremio Porto Alegre B 16 P, SG 10
B. Segundo: Boca Juniors ARG 15 P, SG 8
C. Terceiro: Nacional URU 14 P, SG 9
D. Quarto: São Paulo, SP, 13 P, SG 4, 10 G
E. Quinto: Cruzeiro B. Horizonte B 13 P, SG 4, 9 G
F. Sexto: Sport Recife B 13 P, SG 3
G. Sétimo: Libertad PARA 12 P, SG 2
H. Oitavo: Caracas VEN 10 P, SG 3

2. dos Grupos
A. Oitavo: San Martin PERU 8P, SG -2
B. Sétimo: Defensor Sporting URU 8 P, SG 0, 6 G
C. Sexto: San Luis MEX 8 P, SG 0, 7G
D. Quinto: Chivas Guadalajara MEX 9 P,
E. Quarto: Universidad Chile 10 P, SG 2, 8G
F. Terceiro: Palmeiras B 10 P, SG 2, 9 G
G. Segundo: Estudiantes ARG 10 P, SG 5
H. Primeiro: Dep. Quenca EQU, 10 P, SG 6


Veröffentlicht am 4. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Die Fotos in diesem Artikel sind aus dem letztjährigen Halbfinal-Hinspiel der Libertadores zwischen Fluminense Rio de Janeiro und Boca Juniors Buenos Aires.

Freitag, 17. April 2009

Kinderporno - Mit einem Anruf zu erledigen

Medien und Politik Hand in Hand zur Einführung der Internet-Zensur

Von Karl Weiss

Offenbar steht die offizielle Einführung der Internetzensur in Deutschland unter dem Vorwand von Kinderporno unmittelbar bevor. Die Vereinbarung mit Internetprovidern, die 75% des deutschen Marktes bedienen, ist unter Dach und Fach und die gesetzliche „Absicherung“ erscheint garantiert. Dabei muss selbst in einem Propagandaartikel der „Süddeutschen“ für die Zensur zugegeben werden: Fast alle einschlägigen Net-Seiten könnten durch einen einfachen Anruf vom Netz genommen werden.

nudist-foto 125
Hier ein typisches Beispiel für den Unsinn der neuen "Kinderporno"-Definition. Dies Foto ist offenbar ein völlig normales aus einem Nudistencamp. Aber mit der neuen Definition könne jemand annehmen, die Dame sei noch keine 18 und sie sei "aufreizend" und schon ist das Bild zu "Kinderporno" geworden und der Besitzer hat Gefängnis verwirkt.

Die Propaganda ist unerträglich – und sie ist verlogen: „Die Kinderpornografie im Internet boomt, die Opfer des Millionen-Geschäfts werden immer jünger.“ „Schätzungen zufolge gibt es bis zu 450.000 Seiten mit kinderpornografischem Inhalt in Deutschland, die täglich angeklickt werden. In nur zehn Tagen habe eine Seite mit Kinderpornos mehr als 49.000 Klicks gemacht...“ „...die Bekämpfung der Gewalt gegen kleine Kinder im Internet...“ Das sind Zitate aus dem genannten Propagandaartikel: ( http://www.sueddeutsche.de/,tt6m1/computer/536/465128/text/ ) Dort wird das Internet als „Datenautobahn für Kinderpornografie“ bezeichnet.

Kunstwerk "Die Umarmung"

Bildhauerwerk "Die Umarmung"
Hier ein besonders extremes Beispiel für den Unsinn der neuen Kinderporno-Definition. Da auch Kunstwerke in die neue Definition einbezogen sind, kann dieses Kunstwerk "Die Umarmung" als Kinderporno definiert werden und damit auch Fotos dieses Kunstwerks. Es handelt sich um das Werk eines bekannten brasilianischen Künstlers, das im Garten des Kunstmuseums Pampulha in Belo Horizonte steht.


Nichts davon ist belegbar, nichts davon ist wahr. Es gibt keine Gewalt gegen kleine Kinder im Internet. Diese Gewalt findet vielmehr in der Wirklichkeit statt, in den Schlafstuben der Familien – und es gibt Verbrecher, die davon Bilder und Videos machen, um damit übers Internet oder Postversand Geld zu verdienen. Warum geht man nicht gegen solche Internetseiten vor, anstatt sie von Providern sperren zu lassen?

Es gibt keinerlei Statistik oder Untersuchung, dass Kinderporno heute mit jüngeren Kindern hergestellt wird als früher. Von irgendeinem Boom von Kinderporno im Internet kann keine Rede sein. Alle diesbezüglichen Behauptungen sind frei aus der Luft gegriffen. Wenn es tatsächlich mehr Bilder im Internet gibt, die als Kinderporno eingestuft werden, dann deshalb, weil man in Deutschland im November 2008 die Definition gesetzlich geändert hat:

War vorher Kinderporno „Fotos und Videos von Sex an, mit oder vor Kindern (Menschen bis zum 14. Lebensjahr)“, also eine richtige, eindeutige und jederzeit überprüfbare Definition, gilt seitdem als Kinderporno zusätzlich auch jede Beschreibung oder bildhafte Darstellung, also auch Zeichnungen und Geschichten, die „aufreizend“ für jemanden sein könnten (wobei undefiniert und damit beliebig bleibt, was „aufreizend“ ist) und das nicht etwa nur von Kindern, sondern auch von Jugendlichen bis 18 Jahren. Damit ist jedes Oberkörper-Foto einer 17-jährigen, das sie ihrem Freund aufs Handy schickt, bereits als Kinderpornografie definierbar. In diesem Sinne „boomt“ nun wirklich das „Kinderporno“ – aber das in Anführungszeichen - nur hat man vergessen, diese neue absurde Definition zu erwähnen.

Nudist foto 199
Hier ein anderes Beispiel für den Unsinn der neuen "Kinderporno"-Definition. Ein ganz normales Foto von Kindern an einem Nudisten-Strand, wie es Millionen von Nudisten in ihrem Besitz haben. Jemand könnte das für "aufreizend" halten und dann ist das "Kinderporno" und der Besitzer wandert ins Gefängnis.

Auch die im Artikel erwähnte Zahl von 450.000 Seiten ist absurd. Von skandinavischen Ländern aus, wo es bereits Internetzensur gibt, wurden im Bereich von 100 bis 400 Internetseiten wegen Kinderporno gesperrt. Der Unterschied zwischen 400 und 450.000 ist so immens, dass hier irgendjemand „spinnt“.

Aber zur Begründung von Zensur können die Zahlen ja gar nicht hoch genug sein. Auch muss man fragen, was heißt „in Deutschland“, wenn vom Internet die Rede ist? Das Internet ist international. Es gibt kein Internet „in Deutschland“. Wen wollen die Propagandisten täuschen, wenn sie uns 450.000 Seiten „in Deutschland“ verkaufen wollen?

Und wie wäre das, alle diese 450.000 Seiten wären aus dem Ausland ,z.B. Skandinavien, nicht zugänglich, (denn dort findet man nur 400)? Wie das?

Und wenn man eine Seite „in Deutschland“ gefunden hat, auf die es an einem Tag 49 000 Klicks gegeben haben soll, warum hat man die nicht einfach von der Polizei schließen lassen und die Verantwortlichen verhaftet? Überhaupt ist das immer die Frage. Wenn es diese Kinderpornoseiten im Netz gibt, wieso werden die nicht geschlossen?

Nudist Foto 147
Hier ein weiteres Beispiel. Ein typisches Foto, wie es Hunderttausende im FKK-Urlaub machen. Wenn man annimmt, die beiden (oder einer von ihnen) sind noch keine 18 und das Bild ist "aufreizend" (für wen?), ist das angeblich Kinderporno.

Da kommt nun das andere Argument. Es handele sich um Seiten, die in dubiosen Ländern gehostet würden, wo Kinderporno nicht strafbar sei, weshalb die Seite nicht geschlossen werden kann, wird argumentiert.

Nun haben aber im Internet eine ganze Reihe von Bloggern die Sperrlisten aus anderen Ländern durchgeforstet. Das Ergebnis: Die überwiegende Mehrheit der Seiten auf den Sperrlisten enthalten kein Kinderporno. Und: Fast alle wirklich einschlägigen Seiten sind in Ländern gehostet, in denen Kinderporno strafbar ist und mit denen Deutschland Rechtshilfeabkommen hat, so z.B. in den USA und in Ländern der EU. Das Argument der dubiosen Länder ist also vorgeschoben.

Vor allem aber stellt sich die Frage, die ein Leser im Scusiblog ( https://scusiblog.org/ ) stellte: "Wie kann es eigentlich passieren, dass in einem Land A, in dem Kinderpornografie verboten ist, auf Dauer Angebote weiter existieren können, die in Land B schon polizeibekannt geworden sind und daher dort gesperrt werden?"

Nudist Foto 179
Hier ein Foto mit einem anderen Beispiel. Es wird argumentiert, man habe das "aufreizend" einführen müssen, weil es Fotos von Kindern in sexuellen Posen gäbe, die als Kinderporno gelten müssten. Nun dieses Mädchen, wieder in einem Nudisten-Camp, posiert wohl für den Fotografen. Aber was soll daran Porno sein? Nur jemand mit einem kranken Gehirn kann Nacktheit als Porno ansehen.

Mit einem Anruf könnte das in jedem Fall erledigt werden, sagt dazu Christian Bahls von http://mogis.wordpress.com/ .

Ja, das ist die Frage und man muss sie wieder und wieder stellen. Warum, wenn es 450.000 Seiten im Internet mit Kinderporno gibt, werden diese nicht aus dem Netz geholt und die Verantwortlichen verdonnert, wenn sie doch weit überwiegend in Ländern gehostet sind, wo die Polizei auf jeden Hinweis doch sofort reagieren müsste, die Server dieser Seiten ausheben und sperren und die Hintermänner hopps nehmen müsste, die diese Seiten mit „Material“ versorgen?

Warum? Warum? Warum?

Ist es da verwegen zu vermuten, man lässt diese Seiten im Internet, weil man sonst ja keinen Vorwand hätte, die Zensur des Internet einzuführen?


Veröffentlicht am 17. April 2009 in der Berliner Umschau

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