Montag, 15. Juni 2009

'Das schreit förmlich nach einer Revolution'

Das augenblickliche Modell hat definitiv ausgedient

Von Karl Weiss

Nanu, das Kapitalisten-Blatt Financial Times, in diesem Fall die deutsche Version www.ftd ruft nach der Revolution? Da steht tatsächlich: “Das schreit förmlich nach einer Revolution” im Kommentar der Redaktion mit dem Titel: "Zeit für eine richtige Krise“.

Nun, es wird nicht alles so heiß gegessen wie es gekocht wird. Gleich nach dem oben zitierten Satz hat man eingeschoben: „- in Bildung, Kunst und Kultur“. Nur war im ganzen Kommentar nicht von Bildung, Kunst und Kultur die Rede, sondern ganz eindeutig von Politik und Ökonomie.

Es wird – und wie recht man hat! – klar gestellt, dass die jetzige Krise, da sie offensichtlich zu keinerlei Änderungen in der Politik führt, einen noch weit stärkeren Rückfall nach sich ziehen wird – so ähnlich wie wenn man eine Grippe nicht auskuriert.

Da heißt es u.a. – und jeder weiß, das ist die ganze Wahrheit: „Seien es aber auch die Regulatoren und Regierungen, die mithilfe von Staatsgeldern, Bad Banks und aufgeweichten Bilanzregeln dafür sorgen, dass die Banken auf dem Papier schon wieder Gewinne schreiben können, nachdem man vielen von ihnen erlaubt hat, ihre Marktanteile im Zuge der Krise weiter auszubauen. Sei es, wie schon oft beklagt, dass die schmerzlichen Folgen von quasi freiwilligem kreditfinanzierten Überkonsum nun per gesetzlich verordnetem kredit- und steuerfinanzierten Überkonsum kuriert werden sollen.“

Mit anderen Worten: Ignorieren wir die Krise einfach, sitzen wir sie aus, dann wird wieder alles gut.

Und es wird – wie selten ist das im bürgerlichen Journalismus – über den Tellerrand der üblichen Ökonomie und Politik hinausgeblickt: „Dass eine Mäßigung alleine im Sinne der Ressourcenschonung erforderlich ist, zeigen die Dimensionen: So wie wir hier in Deutschland leben rund eine Milliarde Menschen auf der Erde, vornehmlich in Westeuropa, Nordamerika, Japan und Australien. Laut Uno wird jedoch allein die Bevölkerung Asiens bis 2050 um 1,1 Milliarden zunehmen - auf 5,3 Milliarden Menschen. Insgesamt soll die Weltbevölkerung bis 2050 von 6,8 auf 9,2 Milliarden steigen. Wenn etwa Indien so haushalten würde wie Amerika, verbrauchte dieses Land aber jetzt schon das 22-Fache an Energie.“

Es wird deutlich gemacht: China, Indien und Brasilien haben für 3,6 Milliarden Menschen einen Ölverbrauch von etwa der Hälfte der USA für 0,3 Milliarden Menschen.

Nun, selbst ein einfaches Gemüt wie zum Beispiel Frau Merkel oder Herr Westerwelle könnten eigentlich begreifen: Wenn in wenigen Jahrzehnten das 22-fache der jetzigen Erdölförderung notwendig wäre, um unser jetziges Entwicklungs- und Gesellschaftsmodell weiterzuführen, so wird dies nicht möglich sein. Irgendetwas wird grundsätzlich geändert werden müssen.

Oder aber irgendetwas wird mit voller Wucht gegen die Wand gefahren. So beklagt denn der Kommentar auch: „Vielen ist die Steigerung der Produktivität der wichtigste Lebensinhalt geworden, auf dass morgen noch mehr Güter gekauft werden können, die kein Mensch braucht.“

Ja, wie recht der Kommentar hat - und kommt dann auch zum Schluss: „Das schreit förmlich nach einer Revolution“!

Nun, lasst uns die Revolution angehen, die Krise ist genau der richtige Ansatzpunkt, denn die Menschen beginnen mehr und mehr zu begreifen, – wie nicht zuletzt die Europawahlen gezeigt haben – dass das kapitalistische Modell ausgedient hat – und nicht erst seit September.


Veröffentlicht am 15. Juni 2009 in der Berliner Umschau

Samstag, 13. Juni 2009

Texas und Bristol Palin

Texas bricht alle Rekorde der frühen Teen-Schwangerschaften

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Was hat Bristol Palin mit Texas zu tun? Nichts - und doch sehr viel. Bristol Palin ist die neueste Repräsentantin einer Stiftung in den USA, die sich mit früher Teen-Schwangerschaft beschäftigt. Bristol Palin propagiert Abstinenz. Ja, Sie verstehen richtig: Sexuelle Abstinenz. Auch in Texas wird als einzige Verhütungsmethode von frühen Teen-Schwangerschaften sexuelle Abstinenz gepredigt. Die Folgen sind verheerend.

Bristol Palin und Levi Johnston

Vielleicht erinnern Sie sich noch, wer Bristol Palin ist. Es gab da einen republikanischen Gegenkandidaten von Obama und der brauchte einen Vize-Kandidaten, der ihm die Stimmen der extremistischen christlichen Fundamentalisten der extremen Rechten zuschustert. Er fand Sarah Palin, die es zur Gouverneurin von ein paar Millionen Alaska-Bewohnern gebracht hatte.

Sarah Palin vertrat alle jene absurden extremistisch-christlichen Ansichten und lebte sie. Sie hat nicht nur fünf Kinder, sondern eines ist auch schwer behindert. Man wusste, das Kind wird schwer behindert sein und sie ließ es nicht abtreiben. Das ist wahres Christentum!

Nun gab es da ein winziges Problemchen, das aber ihre Kandidatur zur Vize-Präsidentin der Vereinigten Staaten nicht verhinderte: Ihre Tochter Bristol war mit 16 schwanger von einem 17-jährigen (zum Zeitpunkt der Empfängnis) Jungen und auch dies Kind durfte natürlich nicht abgetrieben werden. Man vergatterte den jungen Vater einfach, er solle sich einverstanden erklären, die Mutter seines Kindes zu heiraten. Das tat er natürlich – fast alle Jungen in dieser Situation, unter Druck gesetzt, tun dies. Die Folgen sind fast immer frühe Scheidungen (In diesem Fall ging das Verhältnis nach den Wahlen vor der Hochzeit zu Ende).

An Peinlichkeit kaum zu überbieten der Auftritt von Sarah Palin auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner, mit der ganzen Familie auf der Tribüne im Scheinwerferlicht, mit dem behinderten Kind, mit der schwangeren 16-jährigen Tochter und – das Milchgesicht vergisst man nicht so leicht - mit dem jungen stolzen Vater in spe, mit dem Namen Levi Johnston.

Das Problem war aber nicht die Peinlichkeit, mit der ein Familiendrama ans Licht der Öffentlichkeit gezogen wurde, das Problem war: Genau jene extremistischen Christen der extremen Rechten, die Sarah Palin repräsentiert, haben in anderen US-Bundesstaaten bereits Gesetze erlassen, die Sex mit einer Minderjährigen (mit einer Frau unter 18) mit Gefängnisstrafen belegen.

Gouverneurin Palins Freunde hätten den jungen Mann für Jahre hinter Gitter gebracht, so wie im Staat Georgia Genarlow Wilson – zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt wegen Sex unter 18 ( siehe hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/3834997/ ) – und nicht ins Rampenlicht eines Parteitags gezerrt. Aber Scheinheiligkeit (bei sich selbst und in der eigenen Familie gelten die Regeln nicht, die man anderen vorschreiben will) ist ja geradezu das Markenzeichen der christlichen Extremisten aus der rechten Ecke. Siehe zu diesem Fall auch diesen Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/5171113/

Nun setzt die Gouverneurin all dem noch die Krone auf: Sie schickt ihre Tochter Bristol, inzwischen bereits glückliche Mutter und weiterhin minderjährig, als Botschafterin der sexuellen Enthaltsamkeit vor der Ehe in die Öffentlichkeit – mit dem Baby auf dem Arm. Gewissermaßen als lebendes Beispiel, wie man es nicht machen soll.

Dabei ist sie ja eben gerade ein Beispiel, dass nicht einmal die Mitglieder jener rechtsextremen Evangelen-Sekten selbst es fertigbringen mit dem Sex bis zur Hochzeit zu warten, was sie den anderen mit Gewalt aufdrücken wollen.

Statt den jungen Leuten die Verwendung von Präservativen nahezulegen, bestehen diese Fundamentalisten darauf, die einzige Verhütungsmethode sei Enthaltsamkeit. Ein gutes Beispiel dafür, wohin das führt, ist der Staat Texas, einer der ganz großen US-Bundesstaaten, in dem bereits seit geraumer Zeit solche „wiedergeborenen Christen“ am Ruder sind und seit Jahren gegen Präservative und für Enthaltsamkeit wüten.

Das Ergebnis dieser Kampagnen liegt vor: Texas, wo an jeder Schule das Abstinenz-Konzept offiziell im Lehrplan steht, ist der US-Staat mit den bei weitem meisten Fällen von frühen Teen-Schwangerschaften in den ganzen Vereinigten Staaten.

Nun, die religiösen Eiferer (was in diesem Fall auch die Katholische Kirche mit einschließt) haben schon seit Jahrtausenden versucht, die Menschheit davon abzuhalten Sex zu machen – außer unter speziellen seltenen Umständen -, und haben dies in Jahrtausenden nicht geschafft. Die Chancen von Bristol Palin, mehr Erfolg zu haben, stehen schlecht – wofür sie selbst ein leuchtendes Beispiel ist.

Mittwoch, 10. Juni 2009

Die Multiwahlen haben eindeutige Ergebnisse

Die traditionellen „Volksparteien“ haben ausgespielt

Von Karl Weiss

Wahlsonntag bzw. Wahlwoche: Ganz Europa wählte das Scheinparlament in Strassburg, dazu kamen in Deutschland Kommunalwahlen in verschiedenen Bundesländern, die zum Teil bis jetzt noch nicht ganz ausgezählt sind.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Was sind die hauptsächlichen Ergebnisse?
  • 1. Die Wahlbeteiligung bei den Europawahlen ist in Deutschland noch weiter zurückgegangen. Das ist die klare Antwort des Wählers auf die neue Europa-Verfassung, die nun in neuer Form wieder auf die Tagesordnung zurück gebracht wurde, obwohl sie schon eindeutig abgelehnt war, soweit man darüber entscheiden konnte. Ebenso ist dies die Antwort auf die Kungeleien in der EU, wo die Parlamente auf unglaubliche Weise umgangen werden und einfach Europa-Gesetze von den Regierungen über die EU-Kommission erlassen werden, an die dann die Länder gebunden sind. Ebenso merken mehr und mehr der deutschen Wähler, dass das Europaparlament gar keine gesetzgeberischen Funktionen hat, sondern nur die Gesetze der EU-Kommission annehmen oder ablehnen kann

    Nimmt man die Wahlbeteiligung in Deutschland von 43,0%, so sind die zum Teil bejubelten Ergebnisse der „großen“ Parteien die folgenden:

    CDU/CSU: Nicht 37,9%, sondern 16,3%! Phantastische Wahlsiegerin!
    SPD: Nicht 20,8%, sondern 8,9%! Ja, SPD 8,9%!
    Grüne: Nicht 12,1%, sondern 5,2%!
    FDP: Nicht 11,0%, sondern 4,7%!

    Ja, so schnell schwindet das Vertrauen der Wähler!.
Statistik Reallöhne
Einer der Gründe für den Verlust des Vertrauens in die Politiker: In Deutschland gab es im neuen Jahrtausend nur Reallohn-Abbau.
  • 2. Die Sozialdemokraten bzw. Sozialisten/Labour Party und entsprechende wurden in bisher unbekannter Weise abgewatscht – und das europaweit! Sozialdemokraten, die nun Neo-Liberalismus umsetzen, das war für die Wähler zuviel! Dabei kamen die deutschen Sozialdemokraten noch nicht einmal so schlecht weg wie jene in England, Italien oder Frankreich. Sie konnten in Prozenten sogar geringfügig zulegen, verloren allerdings weiter in absoluten Stimmenzahlen. Das kam daher, dass sie bereits bei den vorherigen Wahlen in riesigem Umfang Stimmen und Prozente verloren, das war nämlich 2004, als gerade Hartz IV verkündet worden war.
  • 3. Meinte man nun, wenn die Sozialdemokraten und vergleichbare verloren, so hätten die Konservativen/Christlichen gewinnen müssen, aber auch damit war Fehlanzeige. Sei es Berlusconi, sei es Sarkosy oder Merkel, alle verloren weiter Wählerstimmen – auch wenn das Ergebnis in Prozenten der abgegebenen Stimmen z.T. nicht so desaströs ausgesehen haben mag, wie es wirklich war. Die CDU/CSU verlor in Prozenten 6% gegen die letzten Europa-Wahlen! Generell haben die klassischen Regierungsparteien Europas, einmal Sozialdemokraten/Sozialisten, einmal Konservative/Christliche, zum Teil in Koalitionen mit kleineren Parteien, die ganze Wut des Wählers zu spüren bekommen. Keine einzige dieser traditionellen „Volksparteien“ in Europa stellt heute noch eine überragende Kraft dar. Soweit sie an der Regierung sind und bleiben, dann nur, weil die anderen noch schwächer sind.
Regierungsbank
  • 4. Davon profitierten kleinere Parteien. In Deutschland konnte die FDP sogar einen kleinen Zuwachs an Wählerstimmen verzeichnen, während die Grünen mit ihrem dritten Platz zufrieden waren. In einigen anderen europäischen Länder kamen rechte Parteien ins Parlament und solche, die mit populistischen Parolen warben. In Deutschland steckte die „Linke“ eine deutliche Schlappe ein und verfehlte ihr Ziel „10plusX“ deutlich. Es muss sich noch herausstellen, ob dies bereits der Beginn des Wiederabstiegs ist, verursacht durch das fast ausschließliche Schielen nach Pöstchen oder ob die Bedingungen der Europawahl für die „Linke“ spezifisch ungünstig waren. Zum Glück gab es in Deutschland keine faschistische oder rechtsextremistische Partei, die ihr Süppchen auf der niedrigen Wahlbeteiligung kochen konnte. Wichtig allerdings in Deutschland, dass insgesamt über 10% der abgegebenen Stimmen an „andere“ Parteien gingen, darunter die Tierschutz-Partei, die Piraten-Partei, die ÖDP und weitere.
  • 5. In Deutschland ist allerdings noch wichtig, dass die von den Demoskopen vorausgesagte Schwarz-Gelbe Mehrheit nicht erreicht wurde – und dies nicht nur bei der Europa-Wahl, sondern auch ganz deutlich als Ergebnis der Kommunalwahlen, die in mehreren Bundesländern gleichzeitig durchgeführt wurden. Die CDU musste Verluste von 6 – 10 % der abgegebenen Stimmen hinnehmen und das konnte die FDP nirgends wettmachen. Inzwischen ist es bei Kommunalwahlen in Deutschland schon üblich, dass kaum noch Beteiligungen von 50% erreicht werden. Dass die CDU nicht als klare Verliererin aus den Kommunalwahlen hervorging, lag nur daran, dass die SPD fast überall die bereits extrem niedrigen Ergebnisse vom letzten Mal wiederholte. Ein deutliches Anzeichen dessen, was da vor sich geht, die Entvölkerung der „Volksparteien“, ist das Kommunalwahlergebnis in Stuttgart, wo die Grünen fast als stärkste Fraktion hervorgegangen wären und am Ende fast gleichauf mit der CDU lagen, die Stuttgart seit Urzeiten dominiert hatte.
Deutschland: Stuttgart

Für die kommende Bundestagswahl ergibt sich aus all dem Einiges:

Während Demoskopen und Kommentare der bürgerlichen Zeitungen ständig wiederholen, es werde Schwarz-Gelb geben, haben diese Wahlen das keineswegs bestätigt. Es scheint vielmehr auf jene Patt-Situation hinauszulaufen, in der weder CDU/CSU und FDP noch SPD zusammen mit den Grünen eine ausreichende Mehrheit haben, weil auch die „Linke“ ins Parlament gekommen ist. Da aber alle geschworen haben, nicht mit der „Linken“ zu koalieren, ja, sie nicht einmal als Steigbügelhalter außerhalb einer formalen Koalition zu akzeptieren, hätten wir dann die Hessen-Situation.

Roland Koch

Dann bleibt nur die Neu-Auflage der Grossen Koalition. Die aber wird mit den letzten Wählerpotentialen der ehemaligen „Volksparteien“ aufräumen und die SPD wird in den Bereich der Grünen sinken, während die CDU/CSU in das 20%-Ghetto abstürzt. Was dann wird, da kann man nur noch spekulieren.


Veröffentlicht am 10. Juni 2009 in der Berliner Umschau


Berichtigung zum Artikel
Ich fand hier gerade die exakten Zahlen und musste feststellen, ich habe im Artikel mit der europäischen Durchschnitts-Wahlbeteiligung von 43,0 % (in anderen Quellen 43,1%) gearbeitet, mich aber auf die deutschen Ergebnisse bezogen. In Wirklichkeit war die deutsche Beteiligung nur bei 40%. D.h. die oben genannten Zahlen von Prozenten der Wahlberechtigten sind sogar noch geringer als im Artikel angegeben!
Karl Weiss

Sonntag, 7. Juni 2009

Der Liberalismus hat die Hosen herunter gelassen

Die Glaubenssätze des (Neo-)Liberalismus unter die Lupe genommen

Von Karl Weiss

[Dieser Artikel ist bereits vor mehr als einem Jahr veröffentlicht worden, aber er besitzt eine erstaunliche Aktualität. Jetzt, da die Krise ins allgemeine Bewusstsein eingedrungen ist, wirkt er wie gerade eben erschienen. Auch seine Aussagen sind nicht nur weiterhin richtig, sondern nun besonders aktuell. Deshalb hier noch einmal ein älterer Artikel]. Wenn es noch jemanden gab, der den Glaubenssätzen des (Neo-)Liberalismus Vertrauen entgegenbrachte, der kann dies nun getrost zu den Akten legen. Wenn die Bibel der Neoliberalen nicht sowieso schon widerlegt war, so tut dies spätestens die momentane Situation der weltweiten Finanzkrise und des langsamen Eintauchens in die Welt-Wirtschaftskrise.


Bundestag - Reichstag


Glaubenssatz Nr. 1: Der Markt richtet alles!

Eigentlich war dieser Glaubenssatz längst widerlegt, spätestens seit jener Zeit Mitte des letzten Jahrhunderts, als Ford und GM das Bahnsystem in Los Angeles kauften und schlossen. Sie brachen damit Bahn (im wahrsten Sinne des Wortes) zu einer Entwicklung von Los Angeles zu einer reinen Straßenstadt (einer der hässlichsten und ungemütlichsten der Welt) und zum heutigen Verkehrschaos in der zweitgrößten Stadt der USA. Wer heute an einem Tag zwei Kunden an zwei Enden in Los Angeles besuchen will, schafft es oft nicht, weil er in stundenlangen Staus steht – und das, obwohl die Stadt so mit Straßen zugepflastert ist (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes), dass sie als Stadt nicht mehr erkennbar ist. Man wohnt praktisch auf dem Autobahnkreuz.

Auch die Logik sagt einem schon: In einer Situation,in der die Gemeinschaft ein Interesse hat und der jeweilige Kapital-Herrscher nur das seines Profits, wird es unweigerlich zu Interessen-Konflikten kommen, die im Kapitalismus zugunsten des Kapitals und zuungunsten der Gemeinschaft ausgehen. Das heißt nicht, es könne auch Fälle geben, in denen beide Interessen zusammenlaufen, aber das ist eben selten und wird in der aktuellen Situation noch seltener.

Jene Firma, die z.B. ein gut funktionierendes Hybrid-Auto Wasserstoff/Elektro mit Sonnen-Zellen auf dem Dach entwickelt hat, hat sicherlich Profitinteressen - und gleichzeitig hat die Menschheit ein tiefgehendes Interesse, dass diese Firma gedeiht und solche Autos massenweise auf den Markt bringen und vervollkommnen kann.

Was ist aber die Wirklichkeit? Die absolute Monopol-Situation der verbliebenen Automobil-Konzerne verhindert jegliche Möglichkeit, ein anderes Auto als jene des Automobil-Kartells könnte je zum Verkaufsschlager werden. Da die Konzerne aber keinerlei Interesse haben, in neue Technologien ernsthaft einzusteigen, denn es könnten ihre Monopol-Profite gefährdet sein, so radieren sie buchstäblich jede Chance eines Aussenseiters aus.

Gleichzeitig versichern sie ununterbrochen glaubhaft seit Jahrzehnten, alle alternativen Konzepte wären noch nicht ausgereift. Da stimmen sie, welch Zufall, dann auch mit den Energie-Konzernen und denen des Öls überein. So kam es zu der Lachplatte, die hier in Brasilien die Runde machte: Ein hoher Vertreter eines der grossen Öl-Konzerne verkündete mit ernster Miene auf einem Symposium, die Verwendung von Alkohol als Benzin-Ersatz sei noch nicht ausgereift – und dies, nachdem die Alkohol-Autos in Brasilien bereits seit den siebziger Jahren fahren! Autos von Volkswagen, GM und Ford!

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

In Wirklichkeit richtet „der Markt“ eigentlich immer nur eins: Die Profite des Mächtigsten und Rücksichtslosesten.

Zudem kann „der Markt“ nicht erkennen, wann eine Überproduktionskrise droht, so eine, in die wir im Moment rutschen. Der Kapitalist kann nämlich nicht „logisch“ handeln, denn dann müsste er die Löhne seiner Arbeiter Jahr für Jahr deutlich anheben, zumindest um die Inflation plus Produktivitätssteigerung, um damit genügend Kaufkraft zu haben, damit seine Produkte einer immer wachsenden Produktion gekauft werden können und müsste auch noch darauf vertrauen, dass die anderen Kapitalisten es genauso machen. Nun, wir wissen, Lohnerhöhungen in dieser Grössenordnung hat es zuletzt in den 70er-Jahren gegeben – und auch damals nur in Ausnahmefällen.

Der Kapitalist muss versuchen – bei Strafe, von den Konkurrenten abgehängt zu werden – seinen Profit pro Kapitaleinsatz (Profitrate) immer mehr zu erhöhen, doch er stösst damit unweigerlich auf die Probleme, die eine wesentlich erhöhte Produktion (die seine Profitrate garantieren soll) mit dem Absatz hat.

In einer chaotischen Marktwirtschaft, genannt Kapitalismus, hängt dieser Absatz davon ab, ob er irgendwie Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten erreichen kann, was diese dann wiederum in eine Situation der massiven Nicht-Auslastung bringt.

Da sie aber auch die Produktionskapazitäten ausgeweitet haben, entsteht die Situation der Überproduktion. Die Produkte finden zu grossem Teil keinen Absatz mehr, denn die Löhne der Arbeiter wurden ja nicht, bzw. nicht nennenswert erhöht (Real-Netto-Löhne), so dass Kaufkraft fehlt. Die Wirtschaftskrise beginnt. Sie wird zum Schliessen von Firmen führen, zu Massenentlassungen, Neueinstellungen werden praktisch nicht mehr getätigt, die Löhne noch weiter versucht zu senken. Erst wenn genügend Kapital vernichtet ist, kann sich das jeweilige Land wieder langsam aus der Krise herausarbeiten und auf niedrigerem Niveau neu beginnen.

So ist das Bild geschlossener Fabriken – ganzer Komplexe von leeren Werkshallen, durch die der Wind pfeift, überall im Kapitalismus häufig und gibt Zeugnis über die unglaubliche Verschwendung von Resourcen, die mit der Chaos-Gesellschaft Kapitalismus einhergeht.

Dies ist der Ausdruck der Anarchie, die durch die Konkurrenzwirtschaft bedingt ist. Die Chefs der grossen Konzerne können sich ja nicht zusammensetzen und eine Aufteilung des Marktes beraten, die allen Luft zum Atmen lässt und allen gute Gewinne garantiert, denn damit würden ja die Regeln des Kapitalismus verletzt. Wenn sie dies wirklich einmal tun, so bilden sie vielmehr Kartelle, was die anderen Konkurrenten oft detoniert.

Erst im Sozialismus wird die Gesellschaft statt der Anarchie die sinnvoll geplante Produktion einführen, in der genau das und genau so viel hergestellt wird, was und wie man bracht. Dann kann man die Umwelt schützen, ohne durch die Konkurrenz gezwungen zu sein, Umweltregeln zu verletzen, dann kann man die Energiegewinnung so gestalten, wie es am sinnvollsten ist statt so, wie bestimmte Konzerne am meisten Profit haben. Dann kann man sich überlegen, wie man sinnvoll den Transport von Menschen und Gütern im Kurzbereich, im mittleren Bereich und im Fernbereich sowie im Interkontinentalbereich organisiert und dann entsprechend danach handeln



Glaubenssatz Nr.2: Öffentliche und Staatliche Unternehmen müssen immer privatisiert werden, nur dann sind sie „effektiv“

Auch dies längst widerlegt. Was privatisierte Unternehmen an „Effektivität“ gewinnen, ist ein Profit für die Neu-Aktionäre – und auch das ist nicht sicher, siehe der Fall Telekom. Dass die Dienste der Firma für die Gemeinschaft effektiver werden, ist dagegen durch nichts garantiert, oft geschieht sogar genau das Gegenteil.

Man sehe sich nur an, was die Privatisierung der Bahn in England für Verschlechterungen gebracht hat. Selbst die „Süddeutsche“, sonst fast immer „His Masters Voice“, schreibt in einem Kommentar am 29.4.08: „...gab es, zumal in Frankreich und Großbritannien, Privatisierungskatastrophen: das Waterleau von Grenoble oder die Auflösung der British Rail. (...) Deutschland ist von solchen ganz großen Desastern verschont geblieben.“

Die Privatisierung der Bahn in Argentinien kann man direkt an einem Schaubild beurteilen: Fast alle Linien wurden eingestellt.

Argentina - Trainmaps

Speziell im Fall von Unternehmen, die einen unersetzlichen Dienst an der Gemeinschaft leisten, ist die Privatisierung fast immer zu einem Desaster für diese Dienste geworden. Das gilt besonders für Dienste wie Öffentlicher Transport (Bahn, Nahverkehr), Krankenhäuser, Kindergärten, -krippen und Horte, Schwimmbäder, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Schulen, Universitäten, Post-Dienste, Telefon-Dienste usw.

Die Erfahrungen sind fast durchweg schlecht. So hatte man das System der Elektrizität in Deutschland privatisiert und grossmäulig versprochen, nun werden die notwendigen Investitionen gemacht und durch die Vielzahl der privatisierten Firmen würde ein funktionierender Wettbewerb (Markt) entstehen, der die Strompreise drücken würde.

Das Ergebnis kann man nun besichtigen, nur eine Anzahl von Jahren nach den Privatisierungen. Die Strompreise sind immens angestiegen, von Konkurrenz kann keine Rede sein, denn im Kapitalismus gibt es generell die Tendenz zur Konzentration: Es sind praktisch nur drei grosse und ein paar mehr oder weniger bedeutende Stromunternehmen übriggeblieben. Auch ein massives Investieren in neue, alternative und umweltfreundliche Techniken hat nicht stattgefunden. Statt dessen versucht man, die längst abgeschriebenen Atomkraftwerke, die jetzt reine Goldgruben sind, weiterlaufen zu lassen, obwohl man schon lange nichts mehr dort investiert hat und sie längst Schrott sind.

Atomkraftwerke Deutschland

Gut für die Profite, schlecht für unsere Sicherheit.

Ausserdem werden massiv Kohlekraftwerke gebaut und die Braunkohlewirtschaft ausgebaut anstatt eingeschränkt.

Kraftwerk

Gur für die Profite, schlecht für die Umwelt und das Klima.

Energieverbrauch Deutscland
Dieses Schaubild des Bundesministeriums für Wirtschaft zeigt: Es ist überhaupt keine Einschränkung des Verbrennens fossiler Energiequellen vorgesehen. Die alternativen Energien sollen bis 2030 Alibi bleiben.

In Deutschland würde sich das massive Investieren in die Gewinnung von Biogas aus Pflanzen und tierischen und pflanzlichen Abfallstoffen sowie Abfall-Holz und das Verbrennen dieses Biogases in Wohnnähe mit Elektrizitäts–Wärme-Verbund anbieten, weil damit die deutsche Landschaftsstruktur am besten ausgenutzt wird, die fast ausschliesslich aus bebauten bzw. versiegelten Flächen und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (inklusive zur Holzgewinnung genutzter Flächen) besteht.

Vor allem würde dadurch der mit Milliardensummen subventionierten Landwirtschaft ein neues und sinnvolles Betätigungsfeld eröffnet, ohne dass sie am Tropf der Subventionen hängt. Gleichzeitig würde die massive Abhängigkeit Deutschlands von importierten Energieträgern verringert und es würden dafür Milliardenbeträge eingespart ebenso wie jene, die heute für das EU-Landwirtschafts-Desaster ausgegeben werden. Man sehe sich das Beispiel des Bio-Energie-Dorfes Jühnde in Niedersachsen an. Mit den eingesparten Milliarden der Subventionen könnte ein wesentlicher Teil des Programms finanziert werden. Eine win-win-win-Situation für den Staat, die Bürger und die Unternehmen. Doch nichts davon geschieht.

Stattdessen investieren e-on, Vattenfall und RWE in neue riesige CO2-Schleudern wie Kohlekraftwerke und intensivieren den Abbau von Braunkohle, der schmutzigsten Energie der Welt.

Auch die angebliche Notwendigkeit von Privatisierungen, um die Haushalte der jeweiligen Staaten auszugleichen, erweist sich als ein Schuss, der nach hinten losgeht. Die an die jeweiligen Staatshaushalte gehenden Verkaufserlöse stellen fast immer nicht einmal einen Bruchteil des Werts der Unternehmen dar, die da privatisiert werden, während der Abgang an Staatsvermögen dann weit höher ist und auf die Dauer auch praktisch zählen wird, denn die Kreditwürdigkeit eines Staates (oder eines Bundeslandes oder einer Gemeinde) hängt natürlich eng mit seiner Vermögenssituation zusammen und damit auch die Zinssätze, die man auf dem Markt zahlen muss.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür war die Privatisierung des zweitgrößten Welt-Unternehmens im Bergbau, der Compania Vale do Rio Doce, einem brasilianischen Staatsunternehmen, des Ende der Neunziger-Jahre privatisiert wurde. Ungefähr ein Jahr vor der Privatisiereng fiel dies traditionell extrem gewinnträchtige Unternehmen (im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube, denn man besitzt einige der grössten Goldminen der Welt) plötzlich in rote Zahlen. Was da genau manipuliert wurde, kam nie ans Licht der Öffentlichkeit.

Der Preis, der für die ganze Firma erzielt wurde, entspricht etwa dem Wert von zwei heutigen Monatsgewinnen der Firma, ist also absurd niedrig. Laut Angaben des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT wurde bei der Festsetzung des Mindestpreises, zu dem dann auch verkauft wurde, nur ein Bruchteil der Liegenschaften, des Vermögens und der Schürflizenzen überhaupt gezählt. Die Gewerkschaft hat daher die Forderung nach der Rückgängigmachung des Verkaufs aufgestellt.

Bereits ein Jahr nach der Privatisierung hatte die Vale, wie sie heute heißt, ihre alte Profitabilität wieder erreicht und ist heute der lateinamerikanische Konzern mit dem höchsten Profit.

Das Ganze stank kilometerweit nach Korruption. Der damalige brasilianische Präsident Cardoso von der konservativen PSDB hatte sich persönlich besonders intensiv für diese Privatisierung eingesetzt. Ob er persönlich Bestechungsgelder erhalten hatte, war nie durch eine unabhängige Untersuchung geklärt worden. Tatsache ist, er lebt seit seiner Abwahl im wesentlichen in den Vereinigten Staaten - um keinen Zweifel zu lassen, für welchen Imperialisten er Brasilien geführt hatte - und diniert nach Aussagen eines seiner politischen Verbündeten abends in einem New Yorker Restaurant, in dem ein Gläschen Cognac 200 Dollar kostet.

Dieser Fall weist darauf hin: Privatisierungen und Korruption sind Zwillinge.

Ein anderer besonders Aufsehen erregender Fall einer Privatisierung war die Privatisierung der Wasserwerke von La Paz in Bolivien. Der französische Suez–Konzern hatte sich diese unter den Nagel gerissen und sofort die Wasserpreise immens erhöht. Die arme Bevölkerung konnte die Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen und hätte verdursten müssen. Suez blieb davon völlig ungerührt. Als die Bevölkerung begann, Regenwasser in Zisternen aufzufangen, um nicht zu verdursten, stellte Suez auch Rechnungen für das Regenwasser aus.

Nur durch einen praktischen Volksaufstand konnte diese Privatisierung rückgängig gemacht werden, was in unmitelbarem Zusammenhang mit den angesetzten Neuwahlen stand, aus denen der jetzige Präsident Evo Morales als Sieger hervorging.

Evo Morales

Also? Privatisierung? Offenbar wird nichts gehalten,was man sich davon verspricht. Dagegen sind die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung Legion.

Es gibt auch die positiven Gegenbeispiele von Firmen, die nicht privatisiert wurden und ein wichtiges Mittel sozialer Politik in den Händen der Regierung geblieben sind. Typische dafür ist die staatliche frühere Monopolgruppe Petrobras in Brasilien. Man löste zwar das Monopol auf und erlaubte anderen Ölkonzernen, in Brasilien tätig zu werden, man gab zwar Aktien aus für etwas weniger als die Hälfte des Kapitals der Gruppe, aber das Sagen behielt der Staat in der Petrobras (das brasilianische Aktienrecht gibt Minderheitsaktionären keine weitgehenden Rechte).

Chávez und Lula

Das hat sich angesichts des steigenden Erdölpreises als segensreich erwiesen. Während in fast allen anderen Ländern die Erdölpreise auf die Benzinpreise durchschlugen und nur durch drastische Manipulationen verhindert werden konnte, dass die Inflation in zweistellige Raten hineinwuchs, ist in Brasilien der Benzinpreis (so wie die an ihn gekoppelten Preise für Alkohol und Diesel) seit September 2005 an der Raffinerie gleichgeblieben, zu einem Zeitpunkt, als der Preis für Rohöl bei 60 Dollar pro Barrel lag. An biligeren Tankstellen in der Nähe von Raffinerien (wie im Beispiel der Tankstelle auf dem Bild) ergaben sich daraus Endverbraucherpreise für den Liter Benzin (Gasolina) von zwischen 2,20 und 2,30 Reais (etwa 83 bis 87 Cent) – die ganze Zeit unverändert seit 2005.

Treibstoffpreise Brasilien

Das wurde schlicht von der Regierung Lula beschlossen und die Petrobras hatte danach zu handeln. So konnte die ganze Zeit die Inflation in Brasilien am Steigen gehindert werden und dies wirklich und nicht durch Statistik-Manipulationen. Auch in diesem Moment, in dem in vielen Ländern die Inflationsraten in die Höhe schiessen und nur noch durch dreistete Fälschungen in niedrigen Zahlen gehalten werden können, bleibt die Inflation in Brasilien niedrig.

Logo Petrobras

Natürlich musste die Petrobras dafür auf Profit verzichten, aber das war leicht zu verkraften, denn sie ist als ständig wachsender Rohölförderer zu einem der profitstärksten Unternehmen in ganz Lateinamerika geworden (im Moment an zweiter Stelle in Lateinamerika nach der schon erwähnten Vale).



3. Glaubenssatz: Der Staat muss sich vollständig aus den Märkten heraushalten, sie regeln sich selbst

Nach diesem Glaubenssatz wird jede Überwachung oder gar Regulierung, ganz zu schweigen von einem direkten Eingreifen des Staates oder öffentlicher Stellen auf den Markt oder irgendeine auf dem Markt gehandelte Ware oder die Fabriken der Kapitalisten oder über die „freien Entscheidungen der freien Agenten des Marktes“ abgelehnt, ja meistens sogar als „bolschwewistisch“ oder schlimmer gebrandmarkt.

Nun geschah aber etwas sehr „bolschewistisches“ in Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin hatte spekuliert und war in Schieflage geraten. Die CDU Berlin war intensiv verwickelt, auch einige SPD-Politiker. Nun liess man aber die Bank nicht Pleite gehen und die Zocker die Folgen tragen, nein, der Berliner Steuerzahler wurde herangezogen, um die Fehlbeträge auszugleichen, die in die Milliarden Euro (mindestens 9,8 Milliarden Euro nach einer Zeitungsmeldung) gingen und um den armen Zockern unter die Arme zu greifen.

Das war ein direktes Eingreifen des Staates in das Geschehen des freien Marktes. Es war der Beweis, im Grunde ist der liberale Glaubenssatz nicht wirklich ernst gemeint. Man will eigentlich nur, dass der Staat nicht die Sauereien aufdeckt, die man macht und einfach alles als gottgegeben hinnimmt, was „die Wirtschaft“ (sprich: das Kapital) entscheidet.

In Wirklichkeit legt man sehr viel Wert auf das Eingreifen des Staates, wenn es gegen die Arbeiter und kleinen Leute geht und wenn dadurch die Kapitalrendite garantiert wird. Dann ist plötzlich der Staat sehr wichtig als Regulierer und ganz speziell natürlich als Steuereintreiber beim kleinen Mann, um das Geld in den Vorstandsetagen und Banken abzuliefern.

Hatte man den Fall der Bankgesellschaft Berlin noch unter Ausnahmen von der Regel ablegen wollen, es war ja wirklich nur ein Fall in Jahren, so sind wir nun, am Beginn der internationalen Wirtschaftskrise und mit der Finanzkrise, die vor allem durch unseriöse Kreditvergabe auf der Basis von weit überhöhten Wertschätzungen von Immobilien, vor allem in den USA, in einen praktisch wöchentlichen Rhythmus von Eingreifen verschiedener Staaten in die Bankenwelt eingetreten, was den Glaubenssatz nun wirklich in der Luft zerrissen hat.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Deutschland war einer der ersten Staaten, der in diesem Fall eine Privatbank mit Namen IKB aus der Breduille half mit Milliarden von Steuergeldern, wobei sich herausstellte, das reichte bei weitem nicht aus. Später warf man dem unter Bruch aller Regeln hinausgeworfenen Geld noch einmal Milliarden von Euros hinterher, um die Bank wenigstens noch für einen Verkauf fit zu machen.

Und die Landesbanken, das war gleich die nächste Reihe von Fällen, in denen man Milliardenbeträge zur Unterstützung aus Steuergeldern plötzlich zur Verfügung hatte. Nun war plötzlich Geld da!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das zauberten die gleichen Politiker aus dem Nichts, die uns immer und immer wieder mit einem Kuhblick in den Augen versichern, es sei kein Geld da, man könne wirklich beim besten Willen nicht einen Heller auftreiben für eine menschenwürdige Arbeitslosenunterstützung, für die benötigten Kinderkrippen, Kindergärten und Horte, für den öffentlichen Personennahverkehr, für ein Sozialticket auf diesem, für das Offenhalten von Schwimmbädern, für die Finanzausstattung von Universitäten, damit keine Studiengebühren gefordert werden, für die Einstellung von Lehrern, um die hohen Stundenausfälle auszugleichen und die Klassengrössen zu verkleinern, nein, für all dies, so hörten wir wieder und wieder, war kein Geld da. Es war kein böser Wille, wirklich nicht, nur man kann einem nackten Mann eben nicht in die Tasche greifen.

Doch nun, aus Quellen, die man uns vorsichtshalber vorenthält, sind Milliarden und Abermilliarden da, für die Norddeutsche Landesbank, für die Westdeutsche Landesbank, für die Sächsische Landesbank, für die Bayerische Landesbank und was da noch alles kommt.

Aber da ist nicht nur in Deutschland plötzlich ausreichend Geld für so manches Geldinstitut da, auch in den USA wird mit 200 Milliarden Dollar aus Steuergeldern die Investmentbank Bear Stearns zum Verkauf fit gemacht. In Grossbritannien wird Northern Rock schlicht und einfach vom Staat übernommen und die gesamten Verluste aus dem Staatssäckel bezahlt.

Es handelt sich also eindeutig nicht um spezielle oder Einzelfälle, sondern um das routinemässige Eingreifen des Staates, um Kapital zu stützen und dafür Steuergelder rauszuwerfen. Es handelt sich weder nur um ein Land noch nur um wenige Fälle.

Und es gibt im Moment nicht den geringsten Hinweis, damit sei bereits alles ausgestanden. Es wird mehr kommen und es wird mehr Geld da sein für die notleidenden Finanzkapitalisten.

Reichstag - Bundestag

Es ist Geld da!

Man sollte sich nun langsam daran gewöhnen, keinem Politker mehr zu glauben, der behauptet, es sei kein Geld da. Das Gegenteil ist bewiesen.

Von unseren Medien der Hofberichterstattung zu erwarten, dass sie bei ihren Freunden, den Politikern, doch bitte mal nachfragen, wo sie das Geld denn die ganze Zeit versteckt hatten, ist natürlich zuviel verlangt. Majestätsbeleidigung ist strafbar! Sie Wicht!

Der (Neo-)Liberalismus hat nun wirklich die Hosen herunter gelassen und jeder kann jetzt sehen, was an den Argumenten dran war: Sie waren nichts als der Versuch, die nackte unmenschliche kapitalistische Wirklichckeit hinter Scheinargumenten zu verstecken.


Veröffentlicht am 6. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Freitag, 5. Juni 2009

Wir werden über den Löffel balbiert

Schuldenbremse? Pustekuchen!

Von Karl Weiss

Da haben die Parteien der Grossen Koalition eine Grundgesetzänderung zum Schulden-Bremsen verabschiedet, aber nun stellt sich heraus, das war alles nur aus dem Fenster hinaus gesprochen. In Wirklichkeit wird schon wieder haarsträubend viel Geld ausgegeben und die Nutznießer sind wiederum nicht die gebeutelten Bundesbürger, sondern die Banken. Das neue Banken-Unterstützungsprogramm wird völlig heimlich von der EU zusammen mit den Regierungen der EU-Länder durchgezogen.

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Soll die Obergrenze der Schulden trotz dieses – wie auch schon der vorherigen – Programme eingehalten werden, wird man massivst Steuern erhöhen müssen.

So hat denn der Chef des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) auch bereits eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 Prozent ins Gespräch gebracht. Das wäre eine Steuererhöhung, die vor allem von den wenig Verdienenden aufgebracht würde, von annähernd 40%!!!

Man hält es für selbstverständlich, dass wir über die Preise die Spitzenprofite der Banken finanzieren, damit Ackermann wieder auf 25% Rendite über Kapital kommt. Nicht umsonst wird dies Programm völlig geheim gehalten.

Hätte die FTD (Financial Times Deutschland) am Freitag nicht aufgedeckt, was da gespielt wird, wüssten wir gar nichts davon.

So werden wir über den Löffel balbiert:

Die Europäische Zentralbank EZB, bekanntlich in Frankfurt beheimatet, stellt den Banken in der Eurozone „in gigantischem Umfang billigsten Kredit zur Verfügung“ (Originalton Jahnke, ehemaliger stellvertretender Chef der Europäischen Bank für Kredit und Entwicklung, hier: http://www.jjahnke.net/rundbr56.html#plea

), nämlich zu 1% Zinsen jährlich.

Uns wird dann vorgeschwindelt, dafür würden die Banken billige Kredite geben, um die Wirtschaftstätigkeit wieder anzukurbeln. In Wirklichkeit denken die Banken natürlich nicht daran, deshalb nun riskantere Kredite oder solche zu geringeren Zinsen zu geben als vorher. Stattdessen kaufen sie Regierungsbonds zu 4% Zins dafür und können so enorme Gewinne machen und ihre Bilanzen aufbessern.

Der Trick besteht darin, dass die EZB genau diese Regierungsbonds als Sicherheiten für die Kredite zu 1% annimmt und damit das kostbare Eigenkapital der Banken nicht angetastet werden muss.

Auf Deutsch übersetzt heißt das: Man gibt Riesensummen praktisch umsonst an die Banken und nimmt das, was die Banken damit kaufen (und weiterhin ihnen gehört), als Sicherheiten für diese Summen. Das ist das Geschäft des Jahrhunderts!

So, und jetzt kommt der wesentlichste Teil: Der Umfang, in dem mit solchem Geld Regierungsbonds gekauft wurden, beträgt 250 Mrd. Dollar!

Das ist also nicht nur das beste, nein, auch eines der größten Geschäfte des Jahrhunderts.

Und wer wird die 3% Zinsschnitt über 250 Mrd. , also 7,5 Mrd. Dollar bezahlen?

Sie natürlich! Haben Sie nicht gelesen? Mehrwertsteuer auf 25%!

Haben Sie immer noch vor, eine der westdeutschen Blockflötenparteien CDU/CSU, SPD, FDP oder Grüne zu wählen?

Na, sehen Sie!


Veröffentlicht am 4. Juni 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 4. Juni 2009

Regenwaldvernichtung am Amazonas durch Fleischkonsum verschärft

Bericht von „Greenpeace“

Von Karl Weiss

„Greenpeace“ ist eine der Organisationen, die sich immer noch um die Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes sorgen, obwohl der Rest der Menschheit anscheinend angesicht von drohendem Arbeitsplatzverlust diese Gefahr nicht mehr sehen will. Es sei nur daran erinnert: Wenn aus dem Amazonasurwald eine Steppe wird, ist ein Überleben der Menschheit, wie wir sie kennen, nicht mehr möglich.

Amazonas

Zur Bonner Klimakonferenz hat „Greenpeace“ einen neuen Bericht zur Vernichtung des Regenwalds im Amazonasgebiet herausgebracht. Hier einen Auszug aus dem Bericht darüber in dem interessanten Informationsportal www.jjahnke.net:

„Wälder sind ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Sie speichern weltweit über eineinhalbmal mehr Kohlenstoff, als sich zurzeit in unserer Atmosphäre befindet. Die Zerstörung der Wälder ist für annähernd 20 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, mehr als der weltweite Transportsektor. (...) Der Ausstoß von Methan durch die Viehzucht verursacht rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft als Ganzes ist für circa zehn bis zwölf Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Die Treibhausgasemissionen der Produktion von Rindfleisch betragen 13 Kilogramm CO2-äquivalent pro Kilo Fleisch. Damit ist der Verzehr von einem Kilo Rindfleisch genauso klimaschädlich wie 100 Kilometer Flug pro Person.

Brasilien (topographisch)

Zwischen 2000 und 2007 wurden im brasilianischen Teil des Amazonas-Gebiets pro Jahr durchschnittlich 20.000 Quadratkilometer entwaldet. Über die Gesamtzeit entspricht das einer Fläche größer als Griechenland. Brasilien liegt an Platz vier in der Rangliste der weltweit größten Klimaverschmutzer. Rund 75 Prozent der brasilianischen Treibhausgasemissionen stammen aus Entwaldung und Landnutzungsänderung, wiederum 59 Prozent davon aus Zerstörung und Brandrodung des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet. Rinderzucht ist die Hauptursache für die Zerstörung des Regenwalds. Seit Beginn der 70er Jahre breitet sie sich kontinuierlich aus.

In Brasilien gibt es die weltweit größte kommerzielle Rinderhaltung. Seit 2003 ist das Land der größte Rindfleisch-Exporteur der Welt (...). Rund 40 Prozent aller brasilianischen Rinder befinden sich im Amazonas-Gebiet. Eine Greenpeace-Analyse von Daten der brasilianischen Regierung zeigt, dass im Jahr 2006 80 Prozent der genutzten Fläche im „Legal Amazon" für die Rinderzucht beansprucht wurde (...).“

Regenwald-Abholzung Brasilien

Eine Graphik zeigt beeindruckend, dass Rinderbestand und Regenwaldvernichtung genau parallel verlaufen. Die Anzahl der Rinder im Gebiet, das von Brasilien als „Amazónia legal“ bezeichnet wird, von dem Bericht als „Legal Amazon“, stieg von 1990 bis 2003 von 26,6 Millionen auf 64 Millionen Tiere. Die Weideflächen wuchsen zwischen 1996 und 2006 um etwa 10 Millionen Hektar, das ist so groß wie ganz Island oder auch die gesamte deutsche Waldfläche.

Unter anderem werden mehrere in Deutschland tätige Gruppen aus der Lebensmittel-Vertrieb ausdrücklich in dem Report genannt, darunter: Aldi, Lidl, Spar, Wal Mart und Kraft Foods. Deutschland ist an fünfter Stelle unter den Ländern, die brasilianisches Rindfleisch importieren, nach den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Italien.

Der Hintergrund dieser Entwicklung ist der weiterhin ansteigende Konsum von Fleisch und spezielle Rindfleisch in den entwickelten Ländern, trotz gesundheitlicher und Klimaschutz-Bedenken.

Fleischland Brasilien

Hier in Brasilien wird in den Berichten zum „Greenpeace“-Report vor allem die Tatsache herausgestellt, dass die Brasilianische Regierung selbst eine Art von Teilhaberschaft an diesen riesigen Rinderzucht-Farmen hat.

Über die brasilianische staatliche Entwicklungsbank BNDES wurden insgesamt 5,2 Milliarden Reais (ein Real entspricht etwa 33 Cents) den grossen Rinderfarmern zur Verfügung gestellt, die für 50% der Fleischexporte Brasiliens verantwortlich sind.

Die brasilianische Regierung hat bereits auf den Bericht reagiert und behauptet, dass man die großen Kredite der BNDES nur Farmern zur Verfügung stellt, die eine Umwelt-Lizenz haben, was ausschließen würde, dass sie Regenwald vernichten.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Tatsächlich haben alle diese Grossgrundbesitzer eine Umweltlizenz, nur wurde die gekauft, was die Regierung natürlich in Wirklichkeit weiss, genauso wie alle Hölzer aus kontrolliertem Anbau, die in Deutschland ankommen, natürlich dieses Siegel gekauft haben – was die deutsche Regierung sehr wohl weiss.

Außer den oben bereits genannten Firmen prangert der Bericht noch folgende als Aufkäufer von Leder aus den Rinderhäuten bzw. von Rindfleisch aus dem Amazonasbecken an: Adidas/Reebok, Timberland, Geox, Carrefour, Honda, Gucci, Ikea und Nike.


Veröffentlicht am 3. Juni 2009 in der Berliner Umschau

Freitag, 29. Mai 2009

Entsetzlich schrille Schreie von gefolterten Kindern

Sexuelle Folter an Kindern

Von Karl Weiss, basiert auf einem Artikel von Elmar Getto

Angesichts neuer Meldungen über Fotos von sexueller Folter in Abu Ghraib und anderen "Gefängnissen" (man sagt wohl besser Konzentrationslagern) unter US-Verantwortung im Irak muss betont werden: Sie werden unter anderem deshalb nicht veröffentlicht, weil es sich teilweise um Fotos und Videos von Folter an Kindern handelt. Journalisten bererichteten schon vor Jahren, dass im Irak unter US-Verantwortung Hunderte oder sogar Tausende von Kindern gefangen gehalten und wohl auch gefoltert würden. Hier soll deshalb noch einmal ein Ausschnitt eines Artikels von Elmar Getto veröffentlicht werden. Wenn die Frage der US-Besatzung im Irak ansteht, so ist das Unmenschlichste neben den 1 Million Ziviltoten die Folter an Kindern.

Bild eines nackt angekettetn Gefangenen in Stress-Haltung aus Abu Ghraib
Bild eines nackt angebundenen Gefangenen in "Stresshaltung" in Abu Ghraib

Damals, kurz nachdem jene Bilder (von Abu Ghraib) um die Welt gingen, wurde bekannt, daß noch andere Bilder aus irakischen "Gefängnissen" existieren und auch Videos, die aber nicht veröffentlicht wurden.

An den Grenzen menschlicher Vorstellungskraft

Der US-Journalist Seymour Hersch gab an, sie gesehen zu haben und erklärte, es handele sich um viel weiter Gehendes, an die äußersten Grenzen menschlicher Vorstellungskraft gehende Folterbilder und -videos. Wo sind sie? Warum werden sie zurückgehalten?

Damals, im Juli 2004, der Skandal mit den bekanntgewordenen Bildern aus Abu Ghraib war gerade auf dem Höhepunkt, wurde veröffentlicht, wer die Bilder und Videos vorliegen hat:

Die US-Regierung,

das US-Repräsentantenhaus,

das Magazin „New Yorker" und

die Zeitung „Washington Post"

Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen auf einem Hocker mit Kapuze.
Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen in "Stress-Haltung" auf einem Hocker mit Kapuze

Bis heute, Jahre später, hat niemand von ihnen die Bilder und Videos der Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Von der Regierung war das ja zu erwarten, denn diese Bilder beweisen, wie damals Seymour Hersch vom ‚New Yorker’ schon bemerkte, daß es sich bei den Folterfällen keineswegs um die Taten einiger weniger gehandelt hat, sondern daß Folter systematisch und auf Befehl von oben angewandt wurde - und wird.

Das bekannte Bild mit einem Gefangenen mit Kapuze auf dem Hocker, mit Drähten angebunden.
Gefangener in AbuGhraib mit Kapuze, mit Drähten angebunden

Doch im Repräsentantenhaus - gibt es da keine Opposition? Wo ist die demokratische Partei? Offensichtlich abgetaucht! Die US-Amerikaner sind genauso wie wir einer großen Koalition von eng miteinander Verbrüderten ausgesetzt, die zwar um die Fleischtöpfe der Macht gegeneinander kämpfen, aber ansonsten bestens miteinander auskommen. [Anmerkung von 2009: Jetzt, unter einer demokratischen Regierung, bestätigt sich diese Einschätzung]

Bild eines nackten Gefangenen in "Stress-Haltung"
Bild eines nackten Gefangenen in Abu Ghraib, angebunden in Stresshaltung, mit seiner Unterhose über dem Kopf

Und was ist mit der Presse los, die Washington Post, die noch den Watergate-Skandal um Präsident Nixon ins Rollen bracht? Heute scheint alles gleichgeschaltet, selbst der ‚New Yorker’. Statt dessen haben die Medien von Prozessen gegen die zwei Sündenböcke von Abu Ghraib berichtet, als ob diese die Schuldigen wären und nichts offen blieb nach ihren Verurteilungen. Das waren Verdrehungen, deren sich jeder Journalist bis ins Grab schämen muß.

Das schockierendste von allem ist, daß Bush Kinder foltern ließ und läßt. Die ersten Meldungen darüber gab es in „Report Mainz" im Sommer 2004. Florian Westphal, ein Repräsentant des Internationalen Roten Kreuzes, berichtete dort, daß das Rote Kreuz bei seinen Inspektionen in den Gefängnissen der Besatzer im Irak 109 Kinder angetroffen hatten (die internationale Definition von "Kinder" ist "höchstens 14 Jahre alt").

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"
Bild des "Berges der nackten Gefangenen mit Kapuze" aus Abu Ghraib

In der Sendung gab es auch einen Augenzeugenbericht von US-Staff Sergeant Samuel Provance, der über sexuellen Mißbrauch von Mädchen mit 15 und 16 Jahren berichtete.

Der beeindruckendste Zeugenbericht allerdings kam von Seymour Hersch, der von einem der Videos erzählt: „Dort wurden Kinder, Jungen gefoltert, indem man sie ‚sodomized’" (das ist der übliche US-Ausdruck für erzwungenen Analsex), sagte er. „Das schlimmste von allem war der Ton des Videos, wenn man die Jungen fürchterlich schrill schreien hörte. Und das ist unsere Regierung im Krieg!"

Abu Ghraib Folterszene - blutender, nackter Gefangener. Zu diesem Foto existieren verschiedene Versionen. Eine besagt, der Gefangene ist bereits tot, eine andere, er sei lediglich durch einen Hundebiss verletzt und es handele sich nicht um Folter.
Abu Ghraib-Folterszene: Blutender, nackter Gefangener

Mütter, Väter, könnt ihr euch vorstellen, wenn das mit Euren Töchtern, mit euren Söhnen gemacht würde? Könnt ihr euch vorstellen, daß manche dort im Irak sich entschließen, ihr eigenes Leben zu opfern, um Widerstand gegen diese Besatzer zu leisten?

Dazu kommt, daß laut Aussagen von Mitgliedern des Roten Kreuz Offiziere in den Gefängnissen selbst zugegeben haben, daß zwischen 70 und 90% der Inhaftierten in den Gefängnissen „versehentlich" gefangen genommen wurden, daß heißt sie sind - selbst nach US-Einschätzung - unschuldig.

Abu Ghraib 5-6
Foltertoter in Abu Ghraib

Es ist und bleibt einer der größten Medienskandale des ganzen Irak-Krieges, daß diese Tatsachen von den Medien nicht berichtet werden, daß die Bilddokumente nicht freigegeben werden, die Freigabe der Bilder und Videos nicht gefordert wird, daß man statt dessen jeweils die Versionen der US-Regierung veröffentlicht wie eine Herde von nachkäuenden Kühen.

William Rivers Pitt, ein US-Bestseller- und New-York-Times-Autor, sagte dazu: „Wer ist verantwortlich für diese Abirrungen? Kinder foltern für die Freiheit? Ist es das, zu was wir geworden sind?"

Amerkung: Die im Artikel eingestzten Bilder sind jene, die damals veröffentlicht wurden, nicht etwa jene "viel weiter gehenden".


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 2: 432 Millionen Dollar für ‚Internierungslager’

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Anti-Terrorgesetze früher und heute – Das ‚Detainee Treatment’-Gesetz in den USA

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... USA – Land der Freiheit?

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Interviews mit Gunatánamo-Insassen

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

- USA: Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Gedankenpolizei

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für ‚Sex offenders’

- Frau in Justiz-Zelle fast verdurstet


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Folter:

- Profimässig foltern – wie ist das?

- Bush und Rumsfeld foltern!

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Warum wird gefoltert?

- Die USA am Scheideweg – Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- Beine zu Brei geschlagen – Folter in Afghanistan

- Interviews mit Guantánamo-Insassen

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... - USA-Land der Freiheit?

- Kann man durch Folter Wahrheit erfahren?

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Folter, Folter ohne Ende

Mittwoch, 27. Mai 2009

Geringverdiener relativ höher belastet

OECD-Studie belegt, was viele schon ahnten

Von Karl Weiss

Irgendwie hatten viele dies schon geahnt, doch nun steht es schwarz auf weiss in einer OECD-Studie: Die Geringverdiener in Deutschland werden vom Staat relativ höher belastet als die „Gutverdienenden“.

Regierungsbank

Das hängt u.a. damit zusammen, dass die höheren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, so dass für diesen Teil des Einkommens überhaupt keine Sozialabgaben mehr anfallen. Im Ergebnis führt dies wie auch andere Ungerechtigkeiten dazu, dass ein Einzelverdiener mit 110 000 Jahresgehalt in der Quote der Abgaben genau so hoch liegt wie ein Arbeiter mit 36 500 Euro im Jahr.

Liest man die OECD – Studie, kommt man zu dem Schluss, das deutsche Steuer- und Sozialabgabensystem ist unsozial und ungerecht, wie es ein Artikel auf der Heise-Website feststellt.

Heise sagt: „Dies führt zur paradoxen Situation, dass ein Spitzenmanager prozentual weniger von seinem Bruttogehalt abführen muss als ein Geringverdiener.“

Reichstag - Bundestag

Die Beitragsbemessungsgrenzen sind aber nicht der einzige Faktor, der dazu beträgt. Eine wesentliche andere Ungerechtigkeit ist vielmehr jene, die durch die extreme Bevorzugung der Steuerklasse 3 vor der 4 und der 1 entsteht.

Ein verheiratetes Paar mit nur einem Verdiener ist in Steuerklasse 3 eingestuft und liegt extrem viel niedriger in der Besteuerung als wenn es nicht verheiratet und der Verdiener in 1 eingestuft wäre oder wenn sie den gleichen Betrag verdienten, aber beide dafür arbeiten müssten und dann beide in Steuerklasse 4 wären.

Das heißt, das längst überholte Kirchen-Modell der Frau, die am Herd bleibt und die Kinder versorgt, genannt Kinder-Kirche-Küche, wird im deutschen Steuersystem extrem bevorzugt, während das, was heute die Regel ist, nämlich die Frau arbeitet ebenfalls (jedenfalls wenn sie Arbeit findet), oder man heiratet (noch) nicht, lebt aber zusammen, vom Steuersystem bestraft wird. Die westdeutschen Blockflötenparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sind uns bis heute eine Erklärung schuldig, warum sie das nie geändert haben.

Es ist einfach nicht einzusehen, warum ein Alleinverdiener, wenn er nicht verheiratet ist, so viel mehr Steuern zahlen muss, als wenn er verheiratet ist. Soll vermieden werden, dass die Leute nicht heiraten? Warum? Geht es um die Pfründe der Anwälte bei Scheidungen, denn immerhin ist ein wesentlicher Teil der Abgeordneten Anwalt?

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Warum mischt sich der Staat in so extremer Weise in das Privatleben der Menschen ein, ob sie heiraten oder einfach so zusammenleben und ob beide oder nur einer arbeitet? Was soll das bezwecken?

Tatsache ist, bereits etwa 50% der Beschäftigten sind Frauen (jedenfalls war das so vor der Krise) und der Staat bereichert sich völlig unberechtigterweise an dieser Tatsache mit jenem ungerechten Steuersystem.

Die bei weitem größte Ungerechtigkeit allerdings ist jene, die durch die völlig unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Vermögen verursacht wird.

Hat jemand Einkommen aus Vermögen, das ist also jener Teil des Einkommens, den er verdient, indem er im Sessel sitzt und Däumchen dreht, wird er lediglich mit einer Abgeltungssteuer von 25% zur Beteiligung an den Staatsausgaben herangezogen (sofern er es nicht vorzieht, dies Einkommen auf den Cayman-Inseln anfallen zu lassen und 0% Steuern zahlt). Wer dagegen Einkommen aus seiner Hände Arbeit hat, wird mit hohen Steuersätzen und Sozialabgaben von bis zu 52% belegt.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass man dem Rentier (der also nur von Zinsen lebt) keinerlei Sozialabgaben auferlegt, ohne dass es dafür irgendeine Begründung gäbe. Zum anderen steigt der Steuersatz auch nicht, wenn er noch so hohe Vermögenserträge hat, während jener mit der Arbeit einen steigenden Steuersatz bei höherem Einkommen hat.

Karl Marx

Kann irgendjemand erklären, was denn so unterstützenswert daran ist, im Sessel zu sitzen und Däumchen zu drehen?

Nun es gibt in allen drei Kategorien jeweils noch ein bis drei Länder im OECD-Vergleich, die noch ungerechter sind, aber kein einziges von ihnen ist in allen drei Kategorien vertreten. Kurz: Deutschland ist absoluter Weltrekordhalter bei Ungerechtigkeit und Unsozialem im Steuer- und Abgaben-System. Nun fragen Sie einmal einen der Repräsentanten der westdeutschen Blockflötenparteien, wie sie sich da herausreden wollen.

Nun, sie brauchen sich nicht herausreden. Sie werden nämlich nach der nächsten Wahl wieder irgendeine Regierung unter sich ausbaldowern, denn selbst wenn nur noch 10% zur Wahl gingen, sie halten sich immer noch für legitimiert.

Wir werden sie also nicht mit unserer Wahlenthaltung oder Ungültig-Stimme beeindrucken können, sondern nur, wenn wir auf die Straße gehen. Erinnern Sie sich an die Montagsdemonstrationen damals in der DDR? Na sehen Sie!


Veröffentlicht am 27. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 26. Mai 2009

Deutsche Unternehmenskultur

“Shareholder-Value” statt Kultur

Von Karl Weiss

Das letzte “Highlight”zum Thema Deutsche Unternehmenskultur wurde soeben über die Deutsche Telekom bekannt (Meldung des Handelsblatt von Ende letzter Woche): Man hatte Detektive auf Bereichsleiter angesetzt, um deren Privatleben zu erforschen.

Über eine davon bei der kroatischen Tochter wurde berichtet, sie sei „im Bett wie eine Tigerin“. „Insider“ versuchten laut jener Meldung ein solches Vorgehen sogar noch zu rechtfertigen. Das ist deutsche Unternehmenskultur 2009. Demnächst werden sie beginnen, unsere Pubse zu zählen. Weltmeister in Unternehmenskultur ist aber zweifellos die Bahn.

Es ist kein Zufall, dass die Telekom als ehemaliges Staatsunternehmen und die Bahn als Noch-Staatsunternehmen bei der Schnüffelei und Bespitzelung besonders glänzen.

In beiden Fällen handelte es sich um Staatskonzerne mit einer Kultur, die auf Dienst am Kunden abgestellt, aber gleichzeitig für die Beschäftigten mit einem Beamtenstatus oder einem vergleichbar komfortablen Beschäftigungsverhältnis verbunden war.

So war bei beiden eine Modernisierung überfällig. Aber statt sie zu modernisierten und klug durchrationalisierten Dienstleistungskonzernen zu machen, wurden sie auf „Sharholder-Value“ getrimmt. Fast die ganze Umstrukturierung ging auf Kosten der Beschäftigten und der Kunden, während für die neuen (bzw. zukünftigen) Aktionäre Feststimmung aufkam.

Die Bahn ist für einen wesentlichen Teil des Beschäftigungsabbaus in Deutschland in den vergangenen Jahren verantwortlich (mehrere Hunderttausend Arbeitsplätze). Die Verschlechterung ihrer Instandhaltung ist bereits Industrielegende. Gleichzeitig wagte man sich auf gefährliche Gleise mit der Abkehr vom Prinzip, Radsätze grundsätzlich nur aus geschmiedetem Stahl am Stück herzustellen. Das Unglück von Enschede und das gerade noch bei der Ausfahrt aus dem Kölner Hauptbahnhof verhinderte der gleichen Grössenordnung belegen: Um Vorteile für die zukünftigen Aktionäre zu erreichen, wurde sogar das Leben der Kunden riskiert. Besonders nervös macht dabei: Man hat diese Experimente nach der Katastrophe von Enschede nicht eingestellt.

Natürlich gab es innerhalb der Bahn deutliche Widerstände. Ein nicht unwesentlicher Teil nicht nur der Arbeiter und Angestellten, sondern auch der Leute in den Führungsebenen war offensichtlich nicht damit einverstanden, die Bahn zu einem reinen Dienstleitungsbetrieb für Höherverdienende zu machen und das Gross der Bevölkerung auf das Auto zu verweisen und sich ausschliesslich am Wohl der Aktionäre zu orientieren. Was Mehdorn tat, um mit diesem Problem fertig zu werden, beschreibt die „Süddeutsche“ in einem Artikel mit dem Titel "Mehdorns Trümmerhaufen" folgendermassen.

„Als wäre eine Fessel abgefallen, beginnen viele in der Konzernzentrale zu reden; ihre Berichte sind Zeugnisse der Einschüchterung, Belege für ein Klima des Misstrauens. Bahn-Mitarbeiter erzählen von Manipulationen und Mobbing, zu Hunderten wurden ihre Festplatten gefilzt und Kontakte ausgespäht. Abteilungen wie die "Konzernsicherheit" und die "Konzernrevision" schnüffelten um die Wette. Jenseits von Expansion und Börsentraum ging es anscheinend finster zu. (...) Offenbar war es einfach so, dass die Spitze des Konzerns keine Widerrede duldete. Wer fundamentale Leitlinien missachtete, insbesondere die Doktrin eines Groß-Börsengangs der Bahn samt Schienennetz, hatte in Führungspositionen nichts mehr zu suchen. Wer eine andere Meinung vertrat und diese mit anderen teilte, konnte sich der besonderen Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten gewiss sein; vielfach ersetzte Repression die Diskussion.“

Man muss davon ausgehen, dass die „Süddeutsche“ hier noch extrem diplomatisch formuliert, um sich keine Prozesse auf den Hals zu holen. Also stellen Sie sich vor, was da wirklich geschah!

Und das „Shareholder-Value“-Denken und Handeln beschränkt sich ja keineswegs auf Telekom und Bahn. Auch andere deutsche Konzere haben „die Zügel angezogen“. Dort heisst es jetzt: „Order pariert oder krepiert“! „Teamarbeit“, „Partizipative Führung“, dafür hat man nicht einmal mehr ein müdes Lächeln übrig.

Die Doktrin des „Shareholder-Value“ fordert den puren Kapitalismus in Reinkultur, ohne abfedernde Nettigkeiten. Die Besitzer sind die Alleinherrscher (dazu zählt man auch die Vorstandsvorsitzenden) und der Rest sind bestenfalls noch nützliche Idioten. Die Zeiten, in denen die Mitarbeiter angeblich als Humankapital angesehen wurden, sind Vergangenheit – falls es sie denn gegeben hat. Deutlich wird das daran, dass die grossen Unternehmen kaum noch normale Arbeitsverträge abschliessen. Zeitarbeit, Praktikantenplätze, erzwungene Teilzeit und prekäre Unter-Tarif-Plätze sind heute angesagt.

„Shareholder-Value“, oder in anderen Worten Kapitalismus, das bedeutet aber nicht nur für die Beschäftigten einen Status nahe dem von Sklaven, das heisst auch: Die Kunden sind uns schnurzegal.

Die Automobilkonzerne geben da ein gutes Beispiel: Sie geben offen zu, neue Autos nicht mehr auf Herz und Nieren zu prüfen, bevor sie herauskommen. Man wartet auf die Reklamationen und bessert dann nach. Der Schreiber dieser Zeilen ist selbst schon Opfer dieses Vorgehens geworden. Und Vielflieger, Achtung! Auch die beiden verbliebenen Verkehrsflugzeug-Konzerne bedienen sich dieser Kostensenkung.

Für den Kunden besonders deutlich wird aber die völlige Missachtung, die man ihm entgegenbringt, an den Fällen, wenn man eine Reklamation oder Auskunft am Telefon anbringen will. Die „Service-Linien“, z.B. der Betreiber von Handy-Netzen, übertreffen sich darin, den Anrufenden endlos Zahlen eingeben zu lassen, bis er es entweder aufgibt oder schon vergessen hat, was er eigentlich wollte. Kommt man nach riesigen Zahlenkolonnen am Ende wirklich an die Stelle, wo man auf einen Menschen am anderen Ende der Leitung zu hoffen beginnt, wird man mit unakzeptablen Wartezeiten konfrontiert. Hat man auch diese Hürde genommen, so sieht sich der „Überlebende“ mit Angestellten konfrontiert, die offenbar auf prekären Arbeitsplätzen sitzen, von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, anscheinend keine richtige Ausbildung genossen haben und falsche Auskünfte geben.

All dies charakterisiert den Kapitalismus als System, so wie er sich uns nun aller Kleider beraubt darbietet. Zeit, die Diktatur des Monopolkapitals zu beenden.


Veröffentlicht am 26. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 25. Mai 2009

Die BIP-Katastrophe

15,2% Rückgang (auf Jahr gerechnet) im ersten Quartal

Von Karl Weiss

Das deutsche Brutto-Inlandsprodukt (BIP) ist im ersten Quartal 2009 um weitere 3,8% gegenüber dem bereits desaströsen 4.Quartal 2008 eingebrochen, was gegenüber dem Vorjahresquartal eine Verminderung von 6,9% bedeutet. Aufs Jahr umgerechnet würde das einen Fall ins Bodenlose von 15,2% bedeuten. Das ist eine Katastrophe.

Deutschland: Umsatz gewerbe 2007 bis März 09, 2005 gleich Hundert

Alle versuchen diese Zahlen zu verharmlosen, damit dem deutschen Michel vor der Wahl noch nicht die Tiefe der Krise bewusst wird. Da wird behauptet, das sei nur so schlecht, weil da im Ausland die Zahlen so schlecht sind und auf Deutschland ausstrahlen. Da wird behauptet, die Kreditkrise und Finanzkrise hätten damit etwas zu tun. Da wird gesagt, angesichts des leichten Rückgangs der Steilheit des Absturzes im April sei das bereits überholt. Die Krise sei bereits zu Ende. Doch das alles ist nichts als Schönreden. Man will heil bis zu den Wahlen kommen.

In Wirklichkeit sind diese Zahlen die Wahrheit. Es gibt keinerlei Anzeichen, dass schnell ein Aufschwung einsetzen könnte, auch wenn der Abschwung natürlich nicht ewig in der gleichen Geschwindigkeit weitergehen kann. Aber auch, wenn der Tiefpunkt bereits erreicht wäre und keine zweite Welle von Einbrüchen käme (die kommt aber wahrscheinlich), wäre dies bereits die Katastrophe.

EU: Industrieproduktion 2007 bis 12.2008

Tatsache ist, diese Krise ist hauptsächlich eine Krise des deutschen Binnenmarktes. Der war bereits seit langem am Schrumpfen, was aber durch monatlich neue Rekordmarken des Exports eine Zeit lang verschleiert werden konnte. Nun, der Einbruch im Export musste irgendwann kommen, das wusste jeder. Die anderen Länder lassen nicht auf Dauer und in so extremem Umfang ihre Arbeitsplätze nach Deutschland verlagern – und nichts anderes ist das Stützen allein auf den Export.

Nun sind die Länder mit den höchsten Exportanteilen am Brutto-Inlandsprodukt, Japan und Deutschland, am meisten von der Krise betroffen. Auch das war für vernünftige Menschen vorhersehbar. Aber Politiker und Ökonomen sind ja keine vernünftige Menschen, oder?

Statistik Reallöhne
Deutschland ist einsamer Weltmeister im Reallohnabbau, belegt diese Graphik. Wer soll mit ständig sinkenden Reallöhnen all die immer grösser werdende Produktion kaufen?

Wer den Inlandskonsum gewaltsam abgewürgt hat, mit Hartz IV, mit den Ein–Euro-Jobs, mit der Freigabe der Zeitarbeit, die jederzeit Entlassbare schuf, mit der Weigerung, einen Mindestlohn festzulegen, mit der konsequenten Abbau der Reallöhne, mit dem Abziehen von Zehntausenden aus dem Schutz der Tarifverträge, mit der berühmten Flexibilisierung, wer dies alles durchsetzte, der ist heute der Hauptverantwortliche für die Tiefe der Krise in Deutschland. Das hat nichts mit den Bankern zu tun, die Roulette gespielt haben und nichts mit den den Sub-Prime–Hypotheken, das ist deutsche Krise hausgemacht!

Also sprechen wir Klartext: Das ist vor allem Herr Schröder mit der ganzen SPD und mit den dazugehörigen rechten SPD-Gewerkschaftsführern, zusammen mit den grünen Steigbügelhaltern, die heute nichts mehr von ihrer Verantwortung wissen wollen.

Da sind als zweites die Herren Ober-Wirtschaftswissenschaftler, die berühmten wirtschaftswissenschaftlichen Institute, die vier Weisen, das Ifo mit dem bekannten Herrn Sinn und die Heerscharen von superschlauen Wirtschaftsjournalisten, die heute ganz unschuldig dreinschauen. Sie, die es hätten besser wissen können, die sehr wohl wissen, dass ein Markt mit sinkender Nachfrage in die Krise führt, sie hätten all dies vorhersehen können und gegensteuern, doch sie haben im Auftrag ihrer Herren, der Monopolkapitalisten, die Geschichte von der Flexibilisierung erzählt, die Arbeitsplätze schaffen würde, vom Standort Deutschland, der auf Niedriglöhne und Export und nicht auf Binnenmarkt setzen müsse, die Geschichte vom Lohnverzicht, der Arbeitsplätze schüfe und das Märchen vom „über-die-Verhältnisse-gelebt“, während in Wirklichkeit der gesamte Umfang der steil steigenden Produktivität an die Superreichen ging, die damit die Spielhöllen betrieben, die heute geplatzt sind.

Deutschland: Statistik von 2000 bis 2007 über BIP, Lohn, Konsum und Vermögenseinnahmen
Diese Graphik macht deutlich: bereits seit 2002 steigt die Produktivität deutlich an, doch das führt ausschliesslich zu explosionsartig steigenden Vermögenseinkommen. Der Reallohn steigt nicht und ab Januar 2005 (Hartz IV) geht er deutlich zurück.

Und das sind als drittes die CDU/CSU und FDP, die alle diese Politiken schon früher gefordert hatten, nur mussten sie warten, bis ein SPD-Kanzler sie umsetzt, was sie zu Triumphgeheul veranlasste: „Wir haben es doch immer schon gesagt!“

Und, was wichtiger ist, als nur die Verantwortlichen beim Namen zu nennen: Niemand von ihnen hat jetzt, in der Krise, eingesehen, was sie falsch gemacht haben, im Gegenteil, sie schwafeln von den Bankern, welche die Krise verschuldet hätten, vom Ausland, das so bösartig ist, die deutschen Produkte nicht mehr zu kaufen und davon, das man das jetzt durchstehen müsse und dann müsse man genauso weitermachen. Originalton Merkel: "...und das wollen wir auch nicht ändern.“.

Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 - 2008 mit Trendlinie
Deutschland: Einzelhandelsumsatz 2006 bis 2008 mit Trendlinie. Hier kann man es genau sehen: Die Leute hatten schon seit Jahren immer weniger zum Ausgeben.

Viele in Deutschland hoffen immer noch, die Krise werde hier gar nicht so richtig ankommen, werde kurz sein und dann werde alles wieder gut. Doch man kann diesen Zeitgenossen heute sagen: Minus 15,2% ist eine Katastrophe und wenn das heute am Arbeitsmarkt noch nicht in katastrophaler Weise angekommen ist, dann nur weil – wie die FTD schrieb – die Politik die Bosse anfleht, mit den großen Entlassungswellen bis zu den Wahlen im September zu warten. Doch am Tag nach den Wahlen ist Armageddon in Deutschland, dann werden sich die Schleusen öffnen und alle, die noch Hoffnung hatten, werden sie fahren lassen müssen. Dann heisst es nur noch: Hinnehmen und untergehen oder kämpfen um jeden Zentimeter!


Veröffentlicht am 25. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Sonntag, 24. Mai 2009

Rassismus, gibt’s den?

Bundesregierung boykottierte letzten Monat die Anti-Rassismus-Konferenz der UN

Von Karl Weiss

Originalveröffentlichung

Fast möchte man meinen, Rassismus gegen Dunkelhäutige sei ausgestorben. Ist nicht der US-Präsident eine schwarz-weiss-Mischung? Sieht man allerdings, wie die afrikanischen Länder von den internationalen Kreditorganisationen Weltbank und IWF behandelt werden, dann kommen schon die ersten Zweifel. Nun aber scheint die deutsche Bundesregierung in aller Offenheit das Visier heruntergelassen und rassistische Vorschriften erlassen zu haben.


Die Bundesregierung, in Person des Finanzministers Steinbrück, SPD seines Zeichens, hat anscheinend eine Verordnung erlassen, dass die verbliebenen Kontrollen an Schengen-Grenzen (oder nur an der letzhin geöffneten Grenze zur Schweiz?) auf Dunkelhäutige konzentriert werden sollen.

Wie hier: http://www.steinbergrecherche.com/sozialdemokraten.htm#Steinbrueck dokumentiert, wurde an der Deutsch-Schweizer Grenze in einem ICE in einem Abteil nur der einzige Dunkelhäutige nach dem Pass gefragt und ob er Waren zu verzollen habe. Nach Angaben des Ober-Zöllners auf Anweisung. Chef des deutschen Zoll ist Finanzminister Steinbrück.

Es handelte sich im genannten Fall um einen Kanadier, dessen Vorfahren aus Nepal stammten.

Sozialdemokratischer Rassismus.

Jetzt bekommt die Weigerung der Bundesregierung, an der Anti-Rassismus-Konferenz der UN letzten Monat teilzunehmen, ein ganz besonderes „Geschmäckle“, wie man im Südwesten der Bundesrepublik zu sagen pflegt. Zwar schob man zusammen mit den USA, den Niederlanden und Israel andere Gründe vor, aber es wird deutlich, man ist wirklich gegen Anti-Rassismus.

Freitag, 22. Mai 2009

“Deutsche Autobranche dem Untergang geweiht”

Interessante Voraussagen eines Analysten

Von Karl Weiss

Wenn man die Kolumne des Analysten Wolfgang Münchau in der „Financial Times Deutschland“ (FTD) liest, kann man sich immer auf deftig vorgetragenen Klartext einstellen. Diesmal (6.5.09) erklärt er ohne Umschweife: „Die deutsche Autobranche ist dem Untergang geweiht. Die Politik zögert ihren Tod nur künstlich hinaus."

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Er konstatiert: Autos, die 50.000 bis 100.000 Euro kosten, werden auch in Zukunft noch Abnehmer finden, aber in so geringer Zahl, dass dies zum Nischenmarkt wird. Da weder Mercedes noch BMW noch Audi, geschweige denn Porsche, in den preislich darunter liegenden Marktbereichen besonders interessante Autos anzubieten haben, denen zudem nicht selten gleichwertige billigere Modelle entgegenstehen, wäre das die Vorhersage von klammen Zeiten in München, Stuttgart, Heilbronn, Ingolstadt und so weiter.

Allerdings sagt er nicht klar, woran das liegt. Er schreibt eher nebulös: „Die Zukunft der industriellen Massenproduktion von Fahrzeugen liegt aber woanders: Beim Tata Nano und seinen Brüdern, wie auch immer sie heißen mögen...“

Kia Autohalde

Allerdings muss er auch zugeben, dass die EU so billige Kleinwagen wie den Tata Nano irgendwie von Binnen-Markt fernhalten wird.

Was er impliziert, aber nicht sagt: Die Einkommen in Europa werden sowohl von der Zahl der Einkommenempfänger als auch von ihrer Höhe deutlich schrumpfen, da wird nicht viel für den Hochpreismarkt übrigbleiben. Hören wir genau hin, was diese Leute sagen: Sie wollen unsere Einkommen noch einmal massiv absenken!

Honda Autohalde

„Familienkutschen“, so sagt er, werden ausser dem Tata Nano noch gebraucht werden. Aber er sieht keine Möglichkeit, so etwas auf Dauer in Deutschland zu produzieren. Warum, sagt er wieder nicht. Ob er vielleicht immer noch das Märchen von den hohen Löhnen in Deutschland glaubt? Kann ja wohl nicht wahr sein.

Die Lohnstückkosten in Deutschland lagen immer bestenfalls im Mittelfeld der grossen Industrieländer – und das ist das einzige, was den Unternehmer interessiert. Lohnvergleiche in Währungsumrechnungen sind so relevant wie die berühmte Tür auf dem Mond, die zufällt.

Chrysler Dodge Autohalde

Heute allerdings sind die Lohnstückkosten auf einem Wert unter allen anderen grossen Industrieländern gefallen – das vergisst Münchau zu erwähnen. In welchem Land sollen also die Familienkutschen hergestellt werden?

Kurz: Die Alarmglocke schrillte zu früh. Zwar werden die Luxusauto-Hersteller (nicht die wirklichen, wie Rolls-Royce, sondern die Hersteller mittlerer Luxusautos wie Mercedes, BMW und Audi) gewaltig an Umsätzen einbüssen, aber das wird noch nicht das Ende der Automobilindustrie sein.

VW Brasilien Autohalde

Das wird erst kommen, wenn wir im Sozialismus sein werden und entscheiden, die Anzahl von Unfalltoten ist unmenschlich und kann nicht mehr hingenommen werden und wir werden im Laufe von vielen Jahrzehnten den gesamten Transport auf Schienen- und /oder Magnetschienen-gebundene Fahrzeuge umstellen.


Veröffentlicht am 22. Mai 2009 in der Berliner Umschau

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