Mit dem Vorstandsvorsitzenden im Bett
Von Karl Weiss
Was Betriebsräte in Deutschland so für ihre Aufgabe halten, das nimmt teilweise schon groteske Formen an. Den Vogel hat jetzt der Betriebsratsvorsitzende von Porsche, Hück, abgeschossen.
Berühmt geworden war u.a. der Betriebsratsvorsitzende von VW, der, wie wir in späteren Gerichtsverfahren hörten, das Loft, das VW für seine höheren Chargen in Braunschweig für Schäferstündchen gemietet hatte, mit benutzen durfte. Ach für ihn wurden Prostituierte dorthin bestellt, damit er sich außerhalb seiner Ehe vergnügen konnte. In diesem Fall kam es sogar zum Absurdesten: Der Betriebsratsvorsitzende kannte eine Prostituierte in Brasilien, die extra für ihn von dort eingeflogen wurde, wenn ihm nach einem Schäferstündchen zu Mute war.
Was aber eigentlich weit wichtiger ist, diese Betriebsräte nehmen nicht nur Vorteile von den Firmen an, sie sind auch bestochen und lassen Betriebsvereinbarungen durchgehen, die der Firma Vorteile verschaffen ohne irgendeine Gegenleistung für die Beschäftigten. Meistens reicht die Drohung mit Arbeitsplatzabbau und diese Betriebsratsfürsten knicken ein, noch bevor überhaupt klar ist, ob die Drohung real ist.
Ein typischer Fall war die Schließung von Nokia Bochum. Der Betriebsrat oder jedenfalls die Betriebsratsvorsitzende von der SPD ließ sich von der Behauptung einschüchtern, die Firma werde nach Rumänien verlegt. Dort gab es bereits Schilder, die auf die zukünftige Firma hinwiesen. Tatsache ist, jene Firma in Rumänien wurde nie gebaut, wie jetzt bekannt wurde. Die Handys aus Bochum wurden einfach anderen Firmen in verschiedenen Ländern als Zusatzleistung auferlegt und schon hatte man eine ganze Firma eingespart.
Als noch Zeit war und die Handys aus Bochum noch gebraucht wurden, verhinderte die Betriebsratsvorsitzende jeden Streik mit dem Argument, das würde alles noch schlimmer machen. Heute sind alle ehemaligen Arbeiterinnen bei Nokia Bochum auf der Straße und nur wenige haben einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Was, meinte sie, könnte schlimmer sein als dies?
Doch nun hat Herr Hück, seines Zeichens Betriebsratsvorsitzender von Porsche und ebenfalls SPD, all dies noch getoppt. Er hat sich in den Streit zwischen VW und Porsche eingemischt, der bereits seit dem gescheiterten Übernahmeversuch von VW durch Porsche schwelt und vor allem mit öffentlichen Aussagen ausgetragen wird.
Porsche hat sich mit den Anrechtsscheinen auf VW-Aktien, die man auf Pump gekauft hatte, völlig übernommen. Der Vorstandsvorsitzende Wiedeking hatte auf den Finanzmärkten gezockt und gewonnen. Im vergangenen Jahr hatte Porsche deshalb mehr Gewinn als Umsatz gemacht. Er dachte nun, das ginge immer so weiter. In Wirklichkeit wurde bereits klar, Wiedeking versteht nichts von Finanzmärkten noch vom Auto-Bauen.
Dafür versteht er etwas von "Öffentlichkeitsarbeit" und von Intrigenspielen. Er behauptet seit der Schieflage seiner Firma, es gäbe ein Angebot eines Emirates, seine Schulden gegen eine Beteiligung an der Firma zu übernehmen. In Wirklichkeit hat der Prätendent, das Emirat Katar, bereits klargemacht, man werde nichts gegen VW unternehmen. Man sei vielmehr an einer Beteiligung an VW interessiert.
Anstatt nun klein beizugeben und seinen Hut zu nehmen, hat der Looser es geschafft, "seinen" Betriebsratsvorsitzenden dazu zu bringen, die Belegschaft gegen die unvermeidliche Fusion mit VW aufzubringen und mit Streik und Werksbesetzung zu drohen, wenn Porsche nicht unabhängig bleiben würde.
Offenbar liegt Hück so sehr mit Wiedeking im Bett, dass er gar nicht gesehen hat, auf was er sich da einlassen soll. Den Streik, das einzige und wichtigste Kampfmittel der Arbeiter, für die persönlichen Interessen eines Vorstandsvorsitzenden einzusetzen, ist Perversion pur.
Hück schwafelt etwas von "Arbeitsplätze seien dem (VW- und Porsche-Aufsichtsrat) Piëch egal", aber es gibt überhaupt keine konkreten Pläne für Arbeitsplatzabbau aufgrund der vorgesehenen Fusion.
Wenn tatsächlich Arbeitsplätze bei Porsche abgebaut würden, wäre dies vielmehr hauptsächlich auf die abenteuerliche Politik Wiedekings zurückzuführen und auf dem eigensinnigen Darauf-Bestehen, nur Autos im Extrem-Hochpreis-Nveau anzubieten. Das erweist sich nun in der Krise als nicht mehr so besonders schlau. So sind die US-Absätze, die wichtigste Stütze von Porsche, bereits gewaltig zurückgegangen.
Für Streiks in enger Umarmung mit dem tatsächlichen Täter Wiedeking einzutreten, das kann nur auf persönlichen Einvernahmen beruhen, aber nicht auf sachlichen Erwägungen im Sinne der Interessen der Arbeiter.
Tatsache ist, das Emirat wird ohne die Zustimmung von VW nicht bei Porsche einsteigen und damit wäre Porsche pleite und alle Arbeitsplätze gingen verloren. Dass Hück das nicht sehen will, kann nur auf einem viel zu innigen Verhältnis mit Wiedeking beruhen.
Es soll hier nicht spekuliert werden, ob das Verhältnis zwischen beiden über eine Männerfreundschaft hinausgeht, aber die Hück'schen Aussagen spotten jeder Sachlichkeit.
Wie wenig auch der BR Hück vom Autobauen versteht, merkt man an seinem Argument: "Mit Polo-Teilen kann man keinen Porsche bauen", In Wirklichkeit werden Auto-Teile bis auf wenige Ausnahmen längst nicht mehr in den Auto-Fabriken hergestellt. Dort wird vielmehr hauptsächlich zusammengesetzt. Die Hersteller von Auto-Teilen dagegen arbeiten in den gleichen Werkshallen für viele unterschiedliche Autofirmen. Der Bürger-Journalist sieht dies jede Woche, wenn er solche Auto-Teile-Hersteller besucht. Es ist also absolut denkbar, dass Teile für den Polo und für einen Porsche Seite an Seite hergestellt werden.
Es stünde Hück gut an, seine abartigen Ankündigungen zurückzuziehen und zuerst einmal einen Kurs im Autobauen zu besuchen, bevor er sich mit weiteren Aussagen dieser Art blamiert.
Es ist wirklich beeindruckend: Je mehr wir uns von normalen arbeitenden Menschen entfernen und in die Sphäre von Politikern kommen, umso mehr konstatieren wir völliges Unverständnis der wirklich realen Dinge, aber höchste Kompetenz in "Öffentlichkeitsarbeit" und Intrigen.
Veröffentlicht am 20. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 20. Jul, 13:55
Die Deflation kann schon nicht mehr verhindert werden
Von Karl Weiss
Die Grosshandelspreise in Deutschland im Vergleich Juli 2008/Juli 2009 sind um 9% gesunken. Das ist kein zufälliger Ausschlag mehr. Das ist bereits der Beginn der Deflation. Damit hat sich die von verschiedenen Fachleuten vorhergesagte Entwicklung bewahrheitet. Es handelt sich um einen Ablauf der Krise genau in gleichen Rhythmus wie bei der „Großen Depression“, die 1928/1929 begann und bis praktisch zum Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939 dauerte.
Diese Graphik stellt einen Vergleich an zwischen Grosshandelspreisen in bedeutenden Ländern von 1929 bis 1937 (Grosse Depression) - blasse Kurven - und deren Entwicklung in Deutschland von Juli 2008 bis Juli 2009 - stark rote Kurve
Wenn man generelle Aussagen zur Preisentwicklung haben will, verwendet man die Grosshandelspreise, weil die Einzelhandelspreise extremen zufälligen Schwankungen unterworfen sind und nur nach mehreren Monaten halbwegs zuverlässig gemittelt werden können.
Dass es am Anfang einer Krise eine kurze Periode zurückgehender Preise gibt (1 – 2%), ist nichts Neues, aber das gibt sich schnell wieder, wenn die Talsohle erreicht wird und der Ausstieg aus der Krise in Sicht ist. Davon grundsätzlich unterschiedlich ist eine Deflation, die von deutlicheren Preisrückgängen und von längerer Dauer gekennzeichnet ist.
Und Deflation ist ein Teufelskreis. Hat sich einmal die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Preise sinken, werden Anschaffungen zurückgestellt, um niedrigere Preise abzuwarten, was wiederum zu verminderter Auslastung der Produzenten und der Notwendigkeit weiterer Preissenkungen führt. Deshalb konnten Sie diese Zahl von -9% auch noch in keiner Zeitung lesen und in keiner Tagesschau hören. Alle haben Angst, ja Horror, vor der Deflation.
Hat sich eine Deflation erst einmal etabliert, verstärkt sie sich zunächst selbst, bis man auf einem bestimmten Minimum angekommen ist. Von dort aus kann es zunächst einmal nicht weiter nach unten gehen, weil die Produzenten und Distributoren bei noch niedrigeren Preisen drauflegen würden und dann natürlich lieber den Laden dicht machen als mit Verkauf Geld zu verlieren. Dieser Punkt dürfte jetzt mit -9% schon in etwa erreicht sein.
Nun kann man aber natürlich Teile der Produktion schließen, einige von mehreren Fabriken dichtmachen, viele Mitarbeiter entlassen usw. und damit die Kapazität verringern und damit auch die Kosten. Wird die verringerte Kapazität dann gut ausgelastet, kann man wieder mit Gewinn verkaufen – aber dann gibt es auch wieder Spielraum für Deflation.
In dieser Abwärtsspirale hat das Deutschland der Dreißiger Jahre in der „Großen Depression“ 48 Monate (4 Jahre) nach Beginn der Krise ein Grosshandelspreisniveau von etwa 70% des Ausgangspreisniveaus erreicht, also ein Minus von 30% im Preisniveau innerhalb von 4 Jahren, was pro Jahr etwa 7,5% Preis-Verringerung bedeutete.
Erst danach konnten sich die Preise wieder erholen, erreichten aber bis zum 2. Weltkrieg noch nicht wieder das Niveau von 1929.
Wer also eventuell meint, sinkende Preise sind doch gut, da kann man ja mehr mit seinem Geld kaufen, hat die Deflations-Falle noch nicht durchschaut: Kaum einer wird noch das Gleiche verdienen wie vorher, sehr Viele werden arbeitslos.
Wäre das nur eine deutsche Tendenz, würde das keine großen Auswirkungen auf die Weltwirtschaftskrise haben, aber inzwischen steht bereits fest: Auch die USA sind bereits in die Deflation eingetreten. Damit ist klar: Die nächste Phase der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise wird von der Deflation bestimmt sein und das wird sich über Monate, voraussichtlich aber über Jahre hinziehen.
Hier kan man - ganz am Ende der Graphik - den steilen Abfall der Geldmenge im Umlauf in den USA sehen
Die riesigen Mengen an Geld, die überall in die Hand genommen wurden, um Banken zu retten und die Konjunktur anzuheizen, sollten eigentlich gerade diese Deflation verhindern, aber wie man sieht, hat das nicht geklappt. Warum nicht?
Joachim Jahnke, der frühere stellvertretende Chef der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, sagt dazu in seinem Portal www.jjahnke.net folgendes, mit Bezug auf die USA:
„Der wichtigste Grund ist, daß - wie in Deutschland - die Liquidität bei den maroden Banken zu deren eigener Sanierung hängenbleibt. Das Volumen an Bankkrediten und kommerziellen Wertpapieren ist in den letzten Monaten mit Rekordraten gefallen (...). Bisher mußten in diesem Jahr schon 52 Banken geschlossen werden, viele andere sind in der Intensivstation. Die Schattenbanken sind noch schlechter dran. Mehr als 300 Hypothekenbanken sind untergegangen. Die beiden größten Fannie Mae und Freddie Mac sind unter staatlicher Insolvenzverwaltung. Zwangsversteigerungen und Nichtbedienung von Hypotheken steigen, was die Banken und ihre Hypothekenableger zu weiterem Rückzug vom Kreditmarkt zwingt. So ... [haben] extreme Verschuldung und fallende Hauswerte die besten Anstrengungen der Fed zunichte gemacht.
Hinzu kommen andere Faktoren wie die steigende Arbeitslosigkeit mit nachlassender Zahl der Arbeitsstunden (...). Das gilt übrigens auch für Deutschland, wo die Arbeitsstunden seit Mitte vergangenen Jahres im Zeichen von Kurzarbeit und wachsender Arbeitslosigkeit eine stark fallende Tendenz zeigen; im April lag die Zahl der Arbeitsstunden schon um mehr als 9 % unter dem Vorjahr.“
Obwohl also Summen von Hunderten von Milliarden in die Banken gepumpt wurde, was insgesamt bereits einige Billionen Dollar bzw. Euro ausmacht, geht davon kaum etwas in die Wirtschaft als Finanzierung, geschweige denn an Privatpersonen, die sich in solcher Situation hüten, sich zusätzlich zu verschulden, denn wer kann heute mit Sicherheit sagen, er ist morgen noch nicht arbeitslos.
So sehr sich (nicht nur in den USA) die von den Banken gehaltene Geldmenge erhöht hat, so sehr hat sich aber auch die Geldmenge in Umlauf verringert. In den USA zeigt diese Statistik (Umlaufende Geldmenge minus vom Publikum gehaltene Geldmenge) einen Abfall von mehr als 8 Billionen US-Dollar im Jahr 2008 auf weniger als 1 Billion US-Dollar im Jahr 2009.
So kommt Joachim Jahnke denn auch zum Schluss: „Wie sind noch längst nicht aus der globalen Krise.“
Veröffentlicht am 16. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 16. Jul, 14:46
Seit wann gilt für die Sozialisten: Meines Feindes Feind ist mein Freund??
Von Karl Weiss
Nachdem sich die Proteste des Volkes im Iran gegen ihre reaktionäre Regierung inzwischen gelegt haben, kann man in Deutschland sachlich an die Analyse des Vorgefallenen gehen. Einige, die sich „links“ nennen, erklärten die Proteste für einen von den USA gesteuerten Versuch einer „Obst“-Revolution nach dem Vorbild der Ukraine und anderen. Sie machen sich ein Bild der Welt nach dem Motto: „Meines Feindes Feind ist mein Freund“ und werden demnächst Ahmedinedschad heilig sprechen, nur weil er sich mit dem Weltenherrscher USA anlegt.
Die Regel mit dem Feind des Feindes ist eine von Imperialisten! So machen die USA Politik. Für Linke taugt sie nicht. Für Sozialisten gilt: Sie stehen immer auf der Seite des Volkes (der Begriff Volk wird hier wie bei Marx für „alle Unterdrückten in einem Land“ verwendet) und gegen die Unterdrücker.
Ganz sicherlich kann man die Analyse einer Situation nicht auf einem Zuruf eines Demonstranten an einen Gegen-Demonstranten basieren. Man muss an die konkrete Analyse der konkreten Situation gehen. Ist der Iran ein kapitalistisches Unterdrückungsregime? Ja! Ist das Regime besonders reaktionär und gewährt nicht einmal die einfachen bürgerlichen Rechte? Ja! Ist eine Rebellion gegen dies Regime berechtigt? Ja! Ist es eine Rebellion von wesentlichen Teilen des Volkes? Sind wesentliche Teile der städtischen Arbeiterschaft auf der Strasse? Ja! Wird vom reaktionären Staat mit allen Mitteln (Verbote, Militär, Verhaftungen, gewaltsame Unterdrückung, Morde) dagegen vorgegangen? Ja! Wie also könnte ein Linker eine solche Rebellion verurteilen und sich auf die Seite des unterdrückenden Staates stellen?
Natürlich, da kommen einige besonders schlaue Köpfe, die sich als „links“ bezeichnen und sagen, da gibt es imperialistische Interessen der Vereinigten Staaten, die versuchen, diese Rebellion auf ihre Mühlen zu lenken. Da gibt es Agenten der USA und bezahlte Verräter im Iran, die diese Rebellion versuchen zu okkupieren und als „Obst“-Revolution hinzudrehen, die Handys verteilen und mit Twitter und anderen Mitteln bestimmte Intellektuelle und Studenten dafür einzusetzen, diese Rebellion in eine zugunsten der USA umzuwandeln. Das ist zweifellos so. Der Iran als kapitalistisches brutales Unterdrückungsregime unterwirft sich nicht den Anweisungen des Weltenherrschers USA und ist als eine der großen Mächte im Mittleren Osten ein ständiger Störfaktor gegen die Unterwerfung der ganzen Region unter die Interessen der USA, die strategisch auf diese Region angewiesen sind wegen des Ölreichtums.
Nur, meine Herren Linken, ist das ein Grund, diese Rebellion weniger zu unterstützen? Jedes Mal, wenn sich Agenten einer verfeindeten imperialistischen Macht in einen Volksaufstand einmischen und versuchen ihr Süppchen zu kochen, dann haben wir uns als Linke zurückzuziehen und das Volk alleine seine Rebellion machen zu lassen? Seid ihr noch bei Sinnen?
Der Imperialismus ist als Ganzes der Feind der Völker der Welt, nicht eine einzelne imperialistische Macht. Nur weil die USA momentan der Weltenherrscher sind, werden andere imperialistische Mächte deshalb nicht weniger verurteilenswert – und wenn eine regionale Macht versucht, eine kleine Oberherrschaft in einer Weltregion zu errichten und sich deshalb mit der dominierenden imperialistischen Macht anlegt, ist sie nicht ein kleines bisschen unterstützenswerter.
Darum ist es auch nichts „Linkes“, wenn die „Volksinitiative“ versucht, die deutschen Imperialisten zu bewegen, sich mit Russland und China zu verbünden gegen den Weltenherrscher USA. Zum einen werden die deutschen Imperialisten sich nicht von einer Volksinitiative beeinflussen lassen und zum anderen sind alle Imperialisten gleichermaßen verdammenswert, seinen sie im Moment die dominierenden oder (noch) nicht.
Es war ja gerade der Kern des Verrats der Sozialdemokratie zu Beginn des ersten Weltkrieges, nicht auf der Seite des Volkes geblieben zu sein, sondern sich an die Seite des deutschen Imperialismus gestellt zu haben. Die revolutionäre Haltung war eben die, beide imperialistischen Seiten des Krieges zu verurteilen und dagegen die Rebellion des Volkes zu fördern, wie es Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg taten.
Deshalb muss man eben sowohl das reaktionäre Unterdrückungsregime im Iran mit der Galionsfigur Ahmedinedschad verurteilen (und die Rebellion dagegen begrüßen und unterstützen), als auch die Machenschaften der Agenten des US-Imperialismus, diese Rebellion auf dessen Mühlen zu leiten und die der internationalen imperialistischen Medien, die Rebellion als pro-westlich darzustellen (was interessanterweise mit der Ansicht jener gewissen „Linken“ übereinstimmt).
Natürlich hatte die Rebellion im Iran von vornherein wenig Erfolgsaussichten, weder im Sinne einer Befreiung (oder wirklichen Erleichterung der Bürde) des Volkes, noch im Sinne der US-Imperialisten, denn sie machte sich an der Person des „Oppositionskandidaten“ Mussavi fest, der bestenfalls für eine geringfügige Verminderung des reaktionären Druckes auf das Volk stand und an der Frage einer Wahlfälschung, anstatt der Tatsache, dass wirklich oppositionelle Kandidaten von vornherein nicht zugelassen wurden.
Aber auch für diesen Fall haben wir das Beispiel des Meisters selbst. Marx wusste, die Pariser Kommune hatte schwerlich eine Chance zu gewinnen angesichts der militärischen Situation zu jener Zeit (1871). Er versuchte die Kommunarden auch zu warnen. Hat er deshalb auch nur im mindesten diese Revolution und die wenigen Tage des ersten sozialistischen Staates der Menschheit verurteilt oder nicht unterstützt? Nein! Er hat sie gepriesen, ihre Dekrete studiert und als Beispiel genannt und ihre Märtyrer als Helden allen Menschen bekannt gemacht.
So handeln Sozialisten.
Veröffentlicht am 14. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 14. Jul, 19:49
Tausende von Handys gehackt
Von Karl Weiss
Anscheinend sind die Auflagenrückgänge der traditionellen Zeitungen, Skandalblättern und Magazine so tiefgreifend, dass Medienkonzerne anfangen, Detektive auf Prominente anzusetzen, um Schlagzeilen zu bekommen. Britische Blätter des Murdoch-Konzerns haben nach Angaben des „Guardian“ die Handys von Prominenten durch Detektive hacken und abhören lassen. Das Internet muss sehr viel Horror verbreiten.
Der Horror scheint jener zu sein, dass die gedruckten Medien mehr und mehr an Leserschaft und damit an Interesse für die Werbe-Agenturen verlieren und der Informationsfluss mehr und mehr ins Internet verlagert wird. Der Murdoch-Konzern oder jedenfalls seine britische Abteilung ist anscheinend so von dieser Horror-Vorstellung gepackt, dass man schon mal Ausflüge ins Illegale macht.
Aber es gibt auch politische Implikationen. Im Internet können die Kapitalisten nicht so einfach Monopole aufbauen, die ihnen das alleinige Recht sichern, „Informationen“ weiterzugeben, worunter, wie wir alle wissen, von Zeit zu Zeit die Wahrheit etwas leidet.
Der Guardian berichtet in seiner Online-Ausgabe vom 8.Juli 2009 nicht nur, dass Reporter und Verantwortliche der Murdoch-Zeitungen „News of the World“ und „Sun“ Detektive damit beschäftigt und dafür bezahlt haben, Prominenten in die Handy-Kommunikation (und offenbar auch in die Computer) zu „hacken“ (insgesamt 2000 bis 3000 „Cel-Phones“) und dabei u.a. "vertrauliche persönliche Daten", "Steuerbescheide", "Sozialversicherungsunterlagen", "detaillierte Telephonrechnungen mit Zielnummern" und "Bankauszüge" ausgemacht zu haben, sondern auch, dass drei bekannte Sportler, die hinter diese Machenschaften kamen, mit hohen Summen zum Schweigen gebracht wurden.
Der „Guardian“ ist von allen englischen News-Medien, zusammen mit dem „Independent“, noch jene Veröffentlichung mit den wenigsten Fragezeichen, was die Zuverlässigkeit der veröffentlichten Berichte angeht. Man kann also diesen Berichten einiges an Glaubwürdigkeit zugestehen.
Unter den gehackten Prominenten seien ehemalige Regierungsmitgliedern, Abgeordnete, Sportler, bekannte Schauspieler und andere Personen des öffentlichen Lebens. Namentlich benannt wurden die Schauspielerin Gwyneth Paltrow, der Sänger George Michael, das Model Elle Macpherson und Ex-Vizepremier John Prescott.
Die Schweigegeldzahlungen sollen insgesamt etwa 1,2 Millionen Euro betragen haben. Als Quellen werden solche bei Scotland Yard genannt. Das wirft aber dann gleich die Frage auf, wieso die englische Polizei das bisher alles geheimgehalten hat.
Die Hauptverantwortlichen für diese kriminellen Methoden seien zwei Chef-Redakteure gewesen, mit den Namen Andy Coulson und Rebeka Wade, was weitere Probleme und Implikationen bedeutet. Andy Coulson ist nämlich nicht mehr bei Murdock, sondern arbeitet jetzt für die konservative Partei als Beauftragter für Kommunikation des Parteivorsitzenden David Cameron.
Diese politische Verbindung gibt eventuell auch schon die Antwort auf die obige Frage an Scotland Yard, was schon wieder der nächste Skandal wäre. Es ist ja bekannt, dass Murdock konservativen und rechtsextremen Parteien nahesteht.
Die andere Verantwortliche, Frau Wade, ist designierte Chefin des britischen Teils des Murdoch-Imperiums, was dem Konzern die Möglichkeit nimmt, von „Alleingängen untergeordneter Reporter“ zu sprechen.
Murdoch hat bereits alles abgestritten, aber die gesamte britische Öffentlichkeit geht davon aus, die Vorwürfe sind berechtigt. Premier Brown hat sich bereits vom G8-Gipfel gemeldet und erklärt, es seien „sehr ernsthafte Fragen zu stellen“.
Auch der Leiter von Scotland Yard hat eine Untersuchung angeordnet.
Dass sich auch Murdock selbst nicht so einfach aus dem Skandal heraushalten kann, dafür hat der „Guardian“ auch gleich gesorgt: Das Foto, das den Artikel „ziert“, zeigt Murdoch mit den Chef des britischen Teils des Konzerns und den beiden als Verantwortlichen benannten, Coulson und Wade, zusammen auf einer Veranstaltung im Jahr 2005.
Und in einem kann man sich sicher sein: Fortsetzung folgt.
Veröffentlicht am 10. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 11. Jul, 19:34
Sparrate wächst von 0 auf 7% - USA als Konjunkturmotor fällt aus
Von Karl Weiss
Über viele Jahre und Jahrzehnte waren die Vereinigten Staaten die Konsumlokomotive der Weltwirtschaft, die – selbst in den kleinen Krisen – nie müde wurde anzutreiben und für ein weltweites Wachstum fast ohne Unterbrechung sorgte. Diese Rolle scheint nun definitiv ausgespielt. Die Sparrate der US-Bürger, die vorher bei etwa Null lag, ist nun auf 7% angestiegen und die Importe verzeichnen ein Minus von 34%.
Da die USA bei weitem die größte Volkswirtschaft waren und die Amerikaner nie viel Grund sahen zu sparen, sondern konsumierten, waren Zuwachsraten der Weltwirtschaft fast durchweg garantiert. Die Importe der Vereinigten Staaten waren bei weitem die höchsten aller Länder. Die USA garantierten die Exporte vieler Länder (vor allem Chinas) und damit deren Wachstum, wie auch das der Bundesrepublik. Das Außenhandelsdefizit der USA war Legende.
Jedes andere Land mit so einem Defizit hätte eine schwere Abwertung seiner Währung in Kauf nehmen müssen, aber die USA hatten die Welt-Leitwährung und waren diesen Regeln nicht unterworfen.
Doch nun, unter dem Eindruck von Entlassungen und Massenentlassungen überall in den USA, nachdem bereits 12 Millionen amerikanische Familien ihr Haus verloren haben, nachdem viele ihr Rentenzusagen verloren oder verringert gesehen haben, nachdem sich die Armut grassierend verbreitet in den USA, wird logischerweise der Konsum eingeschränkt und jeder versucht, soweit er kann, zumindest ein kleines Geldpolster auf der Bank zu haben, denn die Zeiten werden offenbar nicht besser. Das Vermögen der Haushalte und Non-Profit-Organisations im ersten Quartal ist in den USA um 16,3% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, das sind gewaltige Werte.
Natürlich repräsentieren die 7% Sparrate (Vergleich Mai 2008 mit 2009), ein nie vorher gekannter Wert in den USA, auch Transferleistungen und die Auswirkungen des Obamaschen Konjunkturprogramms, aber im wesentlichen bedeutet dies ein generelles Umdenken des US-Bürgers. Die Sparrate ist der Anteil in % der auf die Bank gelegten Werte im Vergleich zum gesamten verfügbaren Volkseinkommen.
Eine Spaarate kann auch negative Werte anehmen, wenn mehr Kredite aufgenommen werden als Geld auf die Bank gelegt wird, sie stellt also gewissermassen das Gleichgewicht von Spargeld auf der Bank und von Kreditaufnahmen bei der Bank dar.
Der Umschwung hat Auswirkungen auf die ganze Welt. Die Hoffnung der Weltwirtschaft liegt darauf, dass die USA das Ruder herumreißen und wieder mit ihrem Konsummotor die Weltwirtschaft aus dem Strudel reißen, aber es sieht klar so aus, dass dies nicht geschehen wird.
Auch scheint es so, dass Kredite in den USA nur schwer zu haben sind, ebenso wie Hypotheken. Die Häuserpreise sind weiterhin am fallen.....
Die Arbeitslosigkeit wird bald 10% offiziell überschreiten, was in Wirklichkeit weit höhere Zahlen repräsentiert. Der Einbruch von 34% der Importe im Vergleich April 2008 zu April 2009 macht die Tiefe des Rückgangs deutlich.
Damit ist auch die Hoffnung, die deutschen Exporte könnten nach einiger Zeit wieder auf frühere Werte zurückkommen, am Horizont verschwunden. Die USA sind nach der EU der zweitgrößte Exportmarkt der Bundesrepublik und ein solcher Einbruch wird schwerlich rückgängig zu machen sein.
Vor allem aber bedeutet dies, eine schnelle Erholung der US-Wirtschaft ist trotz der massiven Summen, die Obama in die Wirtschaft gepumpt hat und noch pumpt, nicht in Sicht und das von allen erhoffte und herbeigeredete Ende der Krise ist unter diesen Bedingungen nicht einmal als Lichtschein am Ende des Tunnels zu sehen! Es muss vielmehr von einem zweiten tiefen Einbruch in der zweiten Hälfte von 2009 ausgegangen werden.
Veröffentlicht am 13. 7. 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 9. Jul, 15:07
Sollen alle Spiele 0:0 ausgehen?
Fussball-Überlegungen von Karl Weiss
Es ist wie verhext – es gibt keine deutschen Stürmer im Fussball mehr. Alles Ausländer, auch wenn sie eingebürgert wurden. Letztes Beispiel: Cacau. Nicht dass irgendetwas schlecht daran wäre, wenn im Sturm der Nationalmannschaft eingebürgerte Ausländer spielen, aber es stellt sich doch die Frage: Sind deutsche Gene und „Stürmer-sein“ inkompativel?
Das letzte Mal, dass ein nicht eingebürgerter Deutscher im Sturm der Nationalmannschaft auflief, ist so lange her, dass dem Bürger-Journalisten niemand sagen konnte, wer das war. Einer meinte, das müsse Oliver Bierhoff gewesen sein. Na, was hat der denn gewonnen? Na gut, die EM 96 – aber das ist 13 Jahre her! Oder der andere Oliver, Neuville. Auch ausländischer Name. Hat aber immerhin einen Pfostenschuss im WM-Finale 2002 zu verzeichnen. Das gleiche Finale, in dem noch Asamoah eingewechselt wurde. Na, reden wir nicht von dessen Nationalität.
Seit langem haben wir uns an ein Sturm-Duo Podolski-Klose gewöhnt, also reinrassig polnisch. Podolski wagte es nicht einmal, ein Tor gegen Polen bei der EM zu feiern.
Von Zeit zu Zeit spielte dort Kuranhy, der wurde in Rio de Janeiro geboren. Dann zur Abwechslung Mario Gomez, spanischer Abstammung. Nun also Cacau, der fast sein ganzes Leben in Brasilien verbracht hat und nur den Vorteil hatte, zu keiner der brasilianischen Jugend-Auswahl-Mannschaften eingeladen worden zu sein und deshalb Fussball-Deutscher werden zu können.
Oder sehen wir uns die Torschützenliste der Bundesliga an: Erster ist Grafite, ein wirklicher Brasilianer, der nicht eingebürgert werden kann, zweiter Dzeko, der erst seit zwei Jahren in Deutschland ist (woher war der gleich noch mal?). Dritter ist der schon erwähnte Gomez und an vierter Stelle (vor Ibisevic) ein verdächtiger Name: Patrick Helmes. Nanu? Gibt es doch einen Deutschen, der wenigstens ab und zu trifft? Na, wir werden in seiner Ahnenreihe schon die Ausländer finden, die ihm Tor-Gene vermittelt haben. Für die Nationalmannschaft ist er aber nicht vorgesehen.
Auch wenn man die Aufstellungen der Bundesliga-Mannschaften durchgeht: Vorne gibt es meistens einen oder sogar zwei Ausländer bzw. eingebürgerte.
Aber – waren nicht deutsche Stürmer Legende? Wenn man mal von Brasilianern absieht, sind die besten Stürmer aller Zeiten Deutsche! Allen voran Gerd Müller, dessen Torrekord mit 14 in zwei Weltmeisterschaften bis heute nicht geknackt ist. Zwar wurde er in der Zahl von Toren in WMs von Ronaldo und Klose mit 15 überholt, aber die brauchten drei oder vier Weltmeisterschaften dafür. Und da gibt es auch noch Uwe Seeler – eine Legende. Oder denken Sie an Helmut Rahn, der zwei Tore im WM-Finale 1954 in Bern schoss oder „Emma“ (Emmerich) mit seiner „linken Klebe“, der im WM-Finale 1966 spielte. Aber man braucht gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückgehen. Rudi Völler ist heute noch den Jungs ein Begriff, der im WM-Finale gegen Argentinien 1986 zwei Tore erzielte und wesentlich an der Weltmeisterschaft 1990 (bis dato Deutschlands letzte) beteiligt war. Und natürlich Klinsmann, der lange der Partner von Völler im Sturm war, aber heute Schlagzeilen als geschasster Trainer macht.
Doch dann? Was kam nach Klinsmann und Völler? Gingen die Stürmer-Gene im deutschen Erbgut verloren?
Nein, das ist natürlich Quatsch. Es gibt keine Stürmer-Gene. Natürlich braucht man die körperliche Veranlagung, um ein guter Fussballer werden zu können und man braucht auch die geistige, denn das ist harte Arbeit und nicht Jeder steht die Jahre durch, bis er am Ziel ankommt. Wer von den Talentierten Stürmer wird, entscheidet sich typischerweise nach der Schnelligkeit – Schnelligkeit im Antritt und im Kurzsprint, was einen guten Stürmer im Grunde auszeichnet.
Alles andere kann man lernen und kann antrainiert werden, wenn Talent vorhanden ist.
Und da sind wir auch schon bei der wahrscheinlichen Ursache der deutschen Stürmermisere. Das Antrainieren. Machen Sie sich einmal die Mühe und gehen zu einem Training bei der B-Jugend oder A-Jugend eines bekannten Vereins. Sie werden feststellen, kaum hat ein Stürmer den Ball und strebt in Richtung gegnerisches Tor, tönt die Stimme des Trainers über den Platz: „Abgeben!“.
Er meint damit, der Stürmer soll nicht versuchen, einen Gegenspieler zu umspielen und damit der gegnerische Abwehr die Überzahl nehmen, sondern den Ball einem Mitspieler zuspielen und der dann einem anderen usw. Die Idee dahinter ist, der Versuch zu dribbeln (oder einen Gegenspieler einfach mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen zu lassen) trägt ständig die Gefahr des Ballverlustes in sich und ist daher zu vermeiden.
Mit anderen Worten: Dribbeln verboten! Abgeben! Spieler mit der Angewohnheit, den Ball zu führen und Gegenspieler auszuspielen zu versuchen, werden als „eigensinnig“ verschrien und auf die Bank gesetzt – oder wenn sie uneinsichtig sind, aus dem Team verbannt.
Der Bürgerjournalist kann da eine Geschichte erzählen von einem talentierten jungen Spieler. Zu jener Zeit – damals noch in Deutschland -, wurde jeden Samstag Fußball gespielt auf einem „Bolzplatz“ mit einer Gruppe von Freunden. Da erschien ein Junge und fragte, ob er mitspiele könne. Schnell stellte sich heraus: Der Junge war uns allen überlegen! Er spielte jeden von uns aus und erschien regelmässig allein vor dem Tor. Er konnte dribbeln und die Gegenspieler ins Leere laufen lassen, dass es eine Freude war.
Wir fragten ihn natürlich, ob er in einem Verein spielte, aber er sagte, man habe ihn dort hinausgeworfen, weil er „zu eigensinnig“ sei und die Anweisungen des Trainers nicht befolgte. Man weiss natürlich nicht, ob aus diesem Jungen einmal ein grosser Stürmer geworden wäre, aber die Tendenz ist sichtbar: Die Talentierten werden in ein Schema gepresst, das ihrer Kreativität entgegenläuft und so hat man schliesslich keine Stürmer mehr.
Wie verläuft heutzutage das Fussballspiel? Greift die gegnerische Mannschaft an, baut man einen dreifachen Ring der Abwehr (plus eventuell einem letzten freien Mann) auf und greift, möglichst mit zwei Spielern, den Ballführenden an. Mannschaften, die Spieler mit sehr viel Luft haben, verzichten sogar auf den freien Mann, solange der Gegner sich noch nicht sehr dem Tor angenähert hat und greift mit einem extremen „Pressing“ jeden an, der den Ball erhält – wenn möglich, noch bevor er den Ball unter Kontrolle hat. Die verteidigende Mannschaft ist immer mit einem oder zwei Spieler in der Überzahl, je nachdem, wieviele der Stürmer dazu verpflichtet sind, mit zurückzugehen. Das Gleiche macht im Prinzip die andere Mannschaft, wenn sie den Ball verliert und abwehren muss.
Wenn da alle Abwehrenden fehlerfrei spielen, kann hiernach nie ein Tor fallen. Alle Spiele gehen Null zu Null aus.
Was ist das Einzige, was aus dieser Situation retten kann – ausser den Fehlern, die natürlich doch immer wieder passieren? Die Intuition, die Kreativität einzelner Spieler. Einer, der kurz den Ball führt und dann einen Gegenspieler „aussteigen lässt“, bohrt ein Loch in dieses Schema. Denn nun ist die Abwehr nicht mehr in der Überzahl, sondern es stehen sich gleich viel gegenüber. Kann man einen schnellen Spielzug machen, ist plötzlich ein Stürmer vorne allein mit einem Abwehrspieler. Kann er sich den Ball so vorlegen, dass der (langsamere) Abwehrspieler nicht mehr drankommt, sondern zuerst er, hat er freien Schuss aufs Tor.
Etwas Ähnliches kann man mit langen Pässen erreichen, wie sie damals für Beckenbauer charakteristisch waren. Der Stürmer ist schneller als der Abwehrspieler und erreicht den Ball zuerst, wenn er mit Genauigkeit in den freien Raum gespielt wurde. Wiederum die Mann-gegen-Mann-Situation.Im Prinzip geht das auch mit schnellen Doppelpässen, wie sie damals Müller und Beckenbauer exerzierten, aber die sind extrem schwierig und die Gefahr, den Ball zu verlieren, ist ebenso hoch wie beim Dribbeln.
Sehen sie sich die Situation von Feldtoren an und Sie werden sehen, das eine oder andere dieser Schemata ist verantwortlich. Natürlich fallen heute nur noch wenig Feldtore. Die Überzahl kommt aus Ecken, von Freistössen und durch Kopfbälle nach Flanken. Wenn man sich aber wieder die Situationen ansieht, die zu den Ecken, Freistössen oder Flanken führten, kommt man wieder auf die obigen Schemata.
Treibt man also allen deutschen Spielern in den Vereinen die Kreativität, die Intuition für eine schnelle Ballführung aus, die einen oder mehrere Gegner ausspielt, so hat man keine Stürmer mehr und muss sie aus dem Ausland holen. Was die Nationalmannschaft angeht, kann man dann nur noch einbürgern.
Die klassische Szene hierfür ist jene, die zum Ausgleichstor von Rivaldo im Viertelfinalspiel Brasilien-England 2002 bei der Weltmeisterschaft in Japan führte - ein Viertelfinale, das praktisch das vorweggenommene Endspiel war. Sehen Sie sich die Szene einmal an, wenn sie die Gelegenheit haben. Ronaldinho Gaúcho erhält den Ball, aber alle brasilianischen Spieler sind gedeckt. Er könnte den Ball zurück zu den Verteidigern geben, aber man muss den Ausgleich erzielen. England führt! Also tritt Ronaldinho an, lässt mit einer schnellen Körperbewegung den angreifenden Gegenspieler aussteigen und stellt damit die Situation der Zahlengleichheit her. Der englische Spieler, der den Stürmer Rivaldo deckte, ist nun gezwungen, sich dort zu lösen und Ronaldinho anzugreifen, denn das Angreifen des Ballführenden hat immer Vorrang. Der letzte freie Mann der Engländer läuft nun in Richtung Rivaldo, um ihn zu decken. Doch zu spät. Ronaldinho hat bereits schnell und scharf zu Rivaldo gegeben, der einen Moment Zeit hat, sich den Ball zurechtzulegen und aufs Tor zu schiessen. Und Rivaldo hat einen der schärfsten Schüsse der Weltmeisterschaft: 1:1 ! Und das war die Grundlage des späteren Sieges mit einem Freistosstor von Ronaldinho.
Die Schärfe der Schüsse von Rivaldo hat später auch Torwart Kahn im Endspiel der gleichen Weltmeisterschaft kennengelernt, als ihm ein solcher Schuss wegsprang und Ronaldo zur Stelle war, um zu vollstrecken.
Veröffentlicht am 8. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 8. Jul, 16:40
Zwei gleiche Fussballspiele
Von Karl Weiss
Fußball schlägt manchmal unglaubliche Kapriolen. So geschehen in Brasilien am 1. und 2. Juli 2009: Kaum zu glauben, aber im Süden Brasiliens wiederholte sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen fast genau der gleiche Ablauf eines Fußballspieles in zwei Stadien in der gleichen Stadt, die nur etwa einen Kilometer voneinander entfernt sind.
Akteure: Vier der besten Fußball-Teams Brasiliens.
Ereignisse: Am 1. Juli das zweite Endspiel um den Pokal Brasiliens, das hier mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Am 2. Juli: Der Kampf im Halbfinale der Kontinent-Vereinsmeisterschaft Libertadores um den Einzug ins Finale.
Das Geschehen: In beiden Spielen war die Heimmannschaft eine aus Porto Alegre, der Hauptstadt des südlichsten Bundestaates Brasiliens und hatte als Gegner eine Mannschaft aus dem bevölkerungsreichen Südosten Brasiliens zu Gast. In beiden Spielen war die jeweilige Heimmannschaft im Hinspiel mit zwei Toren Unterschied unterlegen, so dass sie ein 3:0 gebraucht hätte, um das Ganze zu gewinnen - oder ein 2:0 (bzw. 3:1), um ins Elfmeterschießen zu kommen. In beiden Spielen legte aber (nach der Anfangsoffensive der Heimmannschaft) die jeweilige Auswärtsmannschaft innerhalb weniger Minuten in der Mitte der ersten Halbzeit zwei Tore vor, was die Aufgabe für die jeweilige Mannschaft aus dem Süden Brasiliens praktisch unmöglich machte. In beiden Spielen konnte die Heimmannschaft in der zweiten Halbzeit noch jeweils 2 Tore erzielen, so dass beide Spiele 2:2 ausgingen, was aber die beiden Mannschaften aus dem Südosten ans Ziel brachte.
Die Akteure (und der Ort des Geschehens): Im Spiel am 1. Juli, dem zweiten Endspiel der Pokalendspiele, standen sich im Stadion "Beira Rio" (Flussufer) aus dem Südosten Brasiliens Corinthians São Paulo und Internacional Porto Alegre gegenüber. Corinthians gewann den Pokal. Im zweiten Spiel wiederholten sich die Ereignisse am 2. Juli im Stadion "Olímpico" von Gremio Porto Alegre, das gegen Cruzeiro Belo Horizonte antrat, einer der beiden großen Vereine aus der Stadt, aus der hier geschrieben wird. Dabei ging es im Halbfinale der Libertadores um den Einzug ins Endspiel. Cruzeiro steht nun in den beiden Endspielen gegen Estudiantes De la Plata aus Argentinien.
Beide Spiele waren äußerst ereignis- und abwechslungsreich mit vielen Torszenen und unglaublichen Torwartleistungen und hätten mit noch weit mehr als je vier Toren ausgehen können. Das Niveau kann ohne Schwierigkeiten mit den Ligen in Italien und Spanien verglichen werden (vielleicht nicht unbedingt mit der englischen). Meistens nimmt man an, die brasilianischen Mannschaften könnten nicht überragend sein, weil ja die besten brasilianischen Spieler in Europa spielen, aber es bleiben noch genügend hochklassige Spieler in Brasilien übrig.
In beiden Spielen konnte man auch Spieler sehen, die am vergangenen Wochenende noch in Südafrika in der brasilianischen Nationalmannschaft spielten, die in einem ebenso mitreißenden Spiel im Endspiel gegen die Vereinigten Staaten gewann und den "Confederations-Cup" mit nach Südamerika nahm: Bei Corinthians war André Santos tätig, der sich als Stammspieler auf der linken Außenbahn empfohlen hat und bei Cruzeiro spielte Ramirez, der sich den Stammplatz des rechten offensiven Mittelfeldspielers in der "Seleção" gegen Elano bis auf weiteres gesichert hat.
Wenn Cruzeiro es schafft, das hohe Niveau des Spiels für die beiden Endspiele um die Libertadores zu konservieren, ist die Mannschaft Favorit für den höchsten südamerikanischen Vereinstitel. Die beiden Endspiele sind angesetzt für den 8.7. in Argentinien und für den 15.7. in Brasilien.
Veröffentlicht am 6. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 7. Jul, 13:53
Die Zustände im Monopolkapitalismus
Von Karl Weiss
Die Kreditklemme in Deutschland ist groß und offensichtlich. Die Banken bevorzugen ihr Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für gute Zinsen anzulegen als Kredite zu vergeben. Der alte Bankerwitz „Wir geben Kredite nur an jemanden, der sie wirklich nicht braucht!“ ist Realität geworden. Da hebt ein Naivling in einem Kommentar der „Süddeutschen“ ernsthaft den Zeigefinger und macht sich lächerlich.
Machen Sie einmal einen einfachen Test: gehen Sie mal zu Ihrer Bank und sagen Sie: „Ich brauche einen Kredit über 5000 Euros.“ Sie werden sehen, fast jede Bank wird um die 9% Zinsen pro Jahr von Ihnen verlangen. Nur – diese Bank hat momentan die Möglichkeit, sich dieses Geld für 1% Zinsen im Jahr zu beschaffen! Das ergibt einen „Spread“ von 8% und das kann ohne Übertreibung als Wucher bezeichnet werden.
Unternehmen, die Sicherheiten bieten können, kommen noch ein wenig besser davon, aber auch bei ihnen spürt man deutlich: Die Banken vergeben im Moment nicht gerne Kredite, die unterhalb der Wuchergrenze liegen.
In jenem Kommentar der „Süddeutschen“ wird berichtet: „Um zwei Prozent sank die Kreditvergabe im ersten Quartal 2009, im zweiten wird mit einem Minus von vier bis acht Prozent gerechnet.“
An mangelnder Liquidität kann es nicht liegen. Die EZB hat allein in der vergangenen Woche 442 Milliarden Euro den Banken zu 1% Zinsen (also praktisch umsonst) zur Verfügung gestellt.
In einer Umfrage des Zentralverbandes der Elektro-Industrie (ZVEI) in der vergangenen Woche sagten 57% der Mitgliedsunternehmen, es sei eine Kreditklemme zu spüren, was im März nur 5% gesagt hatten. Wenn sich das nicht schnell ändere, sei mit einer Insolvenzwelle (und damit mit massenhaftem Arbeitsplatzverlust) zu rechnen, wird dort verlautet.
So räsoniert denn auch der naive Kommentator über die Banker: „Aber nein, die Herren in Nadelstreifen halten sich vornehm zurück, treten auch nicht öffentlich auf - oder haben Sie die Chefs von Hypo Real Estate, IKB oder Commerzbank schon mal bei Anne Will, Reinhold Beckmann oder Maybrit Illner gesehen und ein "Tut mir echt leid" gehört?“ Und: „Die plötzlich risikoscheuen Banker haben beispielsweise bei der EZB viel Geld liegen. Dort beliefen sich die Bankenguthaben am vorigen Wochenende auf eine knappe Viertelbillion Euro.“ Und schließlich wird noch ganz mutig die Politik an ihre vermeintliche Aufgabe erinnert: „Deshalb wäre es hilfreich, wenn die Herren Steinbrück und Guttenberg den Damen und Herren Vorständen einmal nachdrücklich erklären würden, was sie jetzt vom Bankengewerbe erwarten. Sie sollen mit ihrem Geld die Wirtschaft wieder flott machen.
Doch da hat sich der Kommentator lächerlich gemacht. Will er uns weismachen, die Politik könnte im Monopolkapitalismus den Banken Anweisungen geben? Der Schwanz wedelt nicht mit dem Hund. Die Groß-Banken und Großkonzerne sind die Herrschenden, die Politiker nur Gehilfen von deren Gnaden!
Wenn irgendjemand dem anderen etwas „nachdrücklich erklärt“, dann die Banken den Politikern und nicht umgekehrt – so wie es war, als die Banken Pleite waren. Die Herren der Banken „erklärten nachdrücklich“, dass man ihnen mit Hundert-Milliarden-Beträgen beispringen müsse und die Politiker gehorchten und versuchen vor uns nun mit Worten wie „systemwichtig“ diese klaren Befehls- und Gehorsams-Wege zu verschleiern.
Der Bankenverband erklärt denn auch ungerührt: „Ab Herbst besteht die Gefahr einer flächendeckenden Kreditklemme.“ Herbst, das ist fast genau der Termin der Bundestagswahlen. Man ziehe sich warm an, was nach den Wahlen kommt.
Veröffentlicht am 6. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 6. Jul, 14:20
...schon beginnen die ersten Absurditäten
Von Karl Weiss
Originalveröffentlichung
Erst im November war die Gesetzgebung des neuen Sexualstrafrechts durch Bundestag und Bundesrat gegangen und es hat nur einen Monat gedauert, bis das erste absurde Verfahren eingeleitet wurde. Wie der Bürger-Journalist bereits in mehreren Artikeln angekündigt hat, wird die neue Regelung über angebliche „Kinderpornos“ allen möglichen Arten von Moralaposteln die Möglichkeit geben, zu versuchen, der Gesellschaft ihre spießigen moralinsauren Abartigkeiten überzustülpen. Weit gefährlicher ist aber die zweite Anwendungsmöglichkeit. Da "Kinderporno" nun fast alles sein kann, hat man eine vernichtende Waffe gegen Oppositionelle (Dissidenten) in der Hand.
Hier eines der Beispiel-Fotos, das hier im Blog schon gezeigt wurde. Ein typisches harmloses Foto aus einem FKK-Gelände. Doch nach der neuen Gesetzgebung kam man daraus ein "Kinderporno"-Foto konstruieren. Die Dame sähe jünger als 18 aus und sie strecke ihren Unterleib vor, was das Foto aufreizend mache. Und schon können Sie mit einem Kinderporno-Verfahren überzogen werden, wenn Sie dies Foto auf ihrem Computer haben.
Nun, das jetzt eingeleitete Verfahren lässt nichts an Absurdität zu wünschen übrig. Es entspricht genau einer der Befürchtungen, die der Verfasser schon geäußert hatte. Es geht darin um das Foto eines nackten Mädchens von 10 Jahren, also vor der Pubertät. Es war auf dem Plattencover von „Virgin Killer“ der deutschen Rockband ‚Scorpions’, das in den 70er Jahren veröffentlicht wurde. Das Verfahren wurde im Dezember angestrengt und ist bis heute nicht erledigt.
In den Vereinigten Staaten, von wo die Blaupause kam für die europäische Rahmenrichtlinie, nach der das deutsche Gesetz formuliert wurde, ist es inzwischen so weit, dass in den meisten Bundesstaaten nicht nur simple Fotos von nackten Kindern als Kinderporno gelten, sondern auch die von angezogenen, sei es in Badekleidung oder in ganz normaler Kleidung, wenn irgendjemand (und dieser jemand ist nicht definiert) die Darstellung als „aufreizend“ ansehen kann.
Hier ein anderes Beispiel-Foto, wiederum ein typisches und harmloses Foto aus einem FKK-Gelände. Es braucht nur jemand dies Foto für "aufreizend"erklären und schon sind Sie im Gefängnis wegen Kinderporno, wenn Sie ein solches Foto, zum Beispiel von ihrer Tochter oder Nichte, auf dem Computer haben.
Genau diese Definition mit „aufreizend“ wurde auch in die deutsche Gesetzgebung aufgenommen. Damit ist, wie man schon an diesem ersten Fall sieht, der Willkür Tür und Tor geöffnet. Vorher war die Definition von Kinderporno eindeutig: „Sexuelle Handlungen an, vor oder mit Kindern“. Eindeutig, nachvollziehbar, überprüfbar und nicht missbrauchbar, um missliebige Personen zu inkriminieren.
Führt man aber das „aufreizend“ ein, erst recht, wenn noch nicht einmal Nacktheit gefordert ist, so wird alles davon abhängen, wie man das definiert. Der Papst zum Beispiel könnte das Foto eines kleinen Mädchens in voller Kleidung, das für den Fotografen mit einem maliziösen Lächeln posiert, als „aufreizend“ ansehen.
Wir in Europa pflegen aber auch mit der Nacktheit und der teilweisen Nacktheit von Kindern liberal umzugehen. Kinder vor der Pubertät werden am Strand (manchmal auch im Garten) in der Regel nackt spielen gelassen. Aber auch Mädchen, die bereits in der Pubertät sind und bereits Ansätze von Brüsten haben, vergnügen sich in vielen Ländern Europas am Strand ohne Oberteil, so wie auch ihre Mütter.
Ein drittes Beispiel: Wenn einer der beiden noch nicht 18 ist und jemand dies Foto aus einem FKK-Gelände für "aufreizend" erklärt, ist das "Kinderporno"!
Dazu kommt die ganze Bewegung der Naturisten, hier meist FKK genannt, im englischen Sprachraum „nudists“. In einem solchem Camp, aber eben auch an ganz normalen europäischen Stränden, kann jedes Foto zu einer Anklage wegen Kinderporno führen, wenn auch nur im Hintergrund ein Kind (das ist nach der neuen Definition des Gesetzes jede Person bis 18 Jahre!) darauf kommt. Irgendjemand, der das „aufreizend“ findet, lässt sich immer auftreiben. Und das im Zeitalter der Foto-Handys, wo fast jede Lebensäusserung auf die Pixels gebannt wird! Da passt es gleich noch ins Bild, dass gerade das BKA-Gesetz verabschiedet wurde, das ohne konkreten Tatverdacht das Durchsuchen der Computer mit dem Bundestrojaner erlaubt.
Auch ein anderer Fall aus Australien, wo ebenfalls das „aufreizend“ eingeführt wurde, ist genauso absurd: Da geht es um Zeichnungen. Werden auf Zeichnungen Kinder dargestellt, die sich sexuell betätigen (in diesem Fall gezeichnete „Simpsons“, so gilt dies als Kinderporno. Auch in Deutschland ist jede bildliche Darstellung (also auch Kunstwerke, also auch Zeichnungen, die z.B. ein begabter Junge von seiner Freundin macht - Erinnern Sie sich an „Titanic“?) als Kinderporno definiert – und das wohlgemerkt für alle bis 18 und alle die eventuell jünger als 18 aussehen! All dies hat absolut nichts mit dem tatsächlichen Missbrauch von Kindern zu tun.
Ein anderes Beispiel: Nicht nur Fotos, sondern alle "bildlichen Darstellungen" wurden nun in die "Kinderporno"-Definition aufgenommen, also auch diese Fotos eines Kunstwerks von einem bekannten Brasilianischen Künstler im Garten eines Kunstmuseums von Belo Horizonte. Man braucht nur anzunehmen die beiden Damen sähen jünger als 18 aus und diese Umarmung sei "aufreizend".
Und das schlimme daran ist, es handelt sich hier nicht um die Anklage eines kleinen Ladendiebstahls, es handelt sich um Kinderporno, also Kinderschänden – und das ist eine der tödlichsten Anklagen, die gegen einen Menschen überhaupt möglich ist. Wer des Zusammenhangs mit einem Kinderporno-Fall angeklagt ist, dessen Leben ist unmittelbar in die Hölle verwandelt. Unabhängig davon, ob er überhaupt verurteilt wird, vielleicht mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, weil der Richter das Foto der kleinen nackten Tochter auf seinem Computer eher für einen leichten Fall einstufte, er ist mit einem Makel behaftet, der praktisch einen Zombie aus ihm macht – oder jedenfalls einen Ausgestoßenen.
Die Familie wendet sich in der Regel von ihm ab, die Freunde, die Geschäftspartner, die Kollegen. Er verliert fast immer seinen Job, die Frau lässt sich scheiden. Seine Kinder sieht er nie wieder, denn jeder Richter wird natürlich einem Vater kein Kontaktrecht mit seinen Kindern einräumen, wenn der unter der Anklage von Kinderporno steht. Wer eine Firma hat, ein kleines Geschäft, verliert meist alles. Viele von den in Großbritannien im Fall „Operation Ore“ unschuldig Angeklagten begingen Selbstmord. Wer mehr zum Fall „Operation Ore“ wissen will, hier:
http://karlweiss.twoday.net/stories/4056209/
Noch ein Beispiel. Das typische Foto eines stolzen Vaters von seinen Töchtern am Nudisten-Strand. Jemand findet das "aufreizend" und schon ist er in der Hölle eines Kinderporno-Verfahrens.
Es ist offensichtlich, dies ist das ideale Mittel gegen Dissidenten, gegen Oppositionelle, gegen unliebsame Personen. Man braucht nur den Computer des Dissidenten intensiv und lange genug zu überwachen, irgendwann wird sich meist ein Foto finden, das als Vorwand dienen kann, den armen Kerl mit einer „Kinderporno“-Anklage zu überziehen. Dies umso mehr, als die „Kinder“ ja nun bis 18 Jahre definiert sind und zusätzlich alle, die jünger als 18 aussehen – wobei wiederum nicht definiert ist, wie man denn feststellt, ob jemand jünger als 18 aussieht.
Es ist also gar nicht nötig, dies neue Gesetz häufig anzuwenden. Es reicht, eine Anzahl Fälle durchzuziehen, um eine Rechtsprechung hierüber zu schaffen und das Gesetz dann gezielt gegen Dissidenten anzuwenden.
So können auch die jetzige Ermittlungen gegen die „Scorpions“ als ein Versuchsballon gewertet werden. Wahrscheinlich wird es letztlich gar nicht zur Anklage kommen, noch zu einer Verurteilung, aber man bereitet Terrain.
Karl Weiss - 5. Jul, 21:12
Idioten bleiben Idioten
Von Karl Weiss
Selbst die Idioten, die weiterhin die bürgerliche Ökonomie als vertretbar ansehen, müssen inzwischen schon zugeben: Es gibt Konsum, es gibt Binnennachfrage, was bisher immer geleugnet, jedenfalls für überhaupt nicht wesentlich erklärt worden war. Ein Kommentar der „Süddeutschen“ vom Juni sagt u.a.: „ ... es heißt, nach Wegen zu suchen, um die Nachfrage dauerhaft anzuregen. Die Sparquote ist - im Schnitt, nicht bei Geringverdienern - höher als notwendig. Wenn die Deutschen bei gleichen Exporten mehr konsumieren, wird die Volkswirtschaft stabiler.“
Welche Erkenntnis! Ob er dazu 10 Jahre studieren musste, um das herauszufinden? Hätte er Marx gelesen, hätte er es schon lange gewusst: Die Kapitalisten sind in einer ausweglosen Situation, die am Ende zum Zusammenbruch – in der einen oder anderen Weise – des kapitalistischen Systems führen muss: Sie müssen die Löhne ihrer Arbeiter möglichst niedrig halten, um mehr Profit zu erzielen, aber dadurch gibt es immer weniger Geld in den Händen der Konsumenten, um ihre Produkte zu kaufen. Das ist die wesentliche Ursache aller kapitalistischen Wirtschaftskrisen und auch die der jetzigen kapitalistischen Endzeitkrise.
Mehr konsumieren, wie stellt man sich das vor? Die Geringverdiener können nicht, denn was sie haben, reicht sowieso vorne und hinten nicht. Die mit mittlerem Einkommen sind jetzt in der Krise massiv vom Arbeitsplatzverlust bedroht. Wie werden sie da weniger sparen? Absurde Idee – naja, Idiot eben.
Die Herren mit dem Vermögens- und Bonus-Einkommen konsumieren sowieso schon auf Teufel-komm-raus. Aber man kann eben nicht auf mehr als einer Jacht im Mittelmeer herumschippern. Und viel mehr als 3 Liter Hoch-Preis-Champagner pro Person und Tag geht auch nicht. Auch die Kapazität, Kaviar zu vertilgen – natürlich nur den echten Beluga - ist einfach begrenzt.
Woher nimmt der Idiot also den zusätzlichen Konsum? Wie wäre es, wenn er die Streiks der Kindertagestätten-Angestellten mit unterstützt, damit sie eine gute Lohnerhöhung erreichen? Na, das will er auch nicht, denn er ist ja ein Idiot.
Und der Export, das jedenfalls ahnt er schon, wird nicht mehr auf den früheren Umfang zurückkehren. So bleibt ihm denn nichts anderes übrig als zu prophezeien: „Ja, es kann alles noch schlimmer kommen, als sich mancher von Katastrophennachrichten Ermüdete heute denkt.“ Da müssen wir dem Idioten zustimmen.
Er meint, die große Gefahr sei der Protektionismus für die eigenen Industrien, der sich weltweit ausbreite. Aber das beruht auf der These, der deutsche Export als wesentlicher Teil des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) sei gesund gewesen. In Wirklichkeit bedeutete dieser Weltrekord-Export eine massive Verwerfung des Welt-Handels-und Finanzsystems, die sich die anderen Länder sowieso nicht mehr lange hätten gefallen lassen.
Die Idee der deutschen Politik war und ist, die Industrie über die Exportschiene anzukurbeln und die Deutschen mit Reallohnverlust, Ein–Euro-Jobs, Verweigerung des Mindestlohns, Rentenraub und Hartz IV gleichzeitig in die Armut zu drängen, sodass sie für Hungerlöhne in der Exportindustrie arbeiten.
Doch dieser Traum ist ausgeträumt. Zwar sind die Deutschen noch nicht auf der Strasse wie die Bevölkerung im Iran, um sich dies nicht länger gefallen zu lassen, aber der deutsche Export ist ohne Wiederkehr zusammengeschnurzelt auf einen mäßigen Export, der kaum genug Gegengewicht zu den Importen bildet.
Und das wird so auch nach der Krise sein, falls es überhaupt ein kapitalistisches „nach-der-Krise“ geben wird. Alle Hoffnungen, der deutsche Export könnte je wieder auf sein altes Niveau kommen (Referenz: April 2008), sind ohne jede reale Basis. Genauso wie die anderen Volkswirtschaften mit hoher Export-Abhängigkeit, Japan und China, wird Deutschland besonders intensiv von der Krise getroffen und wird sich nur unter besonderen Anstrengungen wieder herausarbeiten können. Der einzige Weg dazu – sofern es überhaupt einen gibt – geht nicht über den Export, sondern um die Stärkung der Inlandskaufkraft.
Das würde bedeuten, was der Idiot fordert: Mehr Konsum! Und der einzige Weg dazu wäre die Hebung der Kaufkraft der Armen und Geringverdiener in Deutschland:
Weg mit Hartz IV, wieder Arbeitslosenhilfe einführen!
Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde!
Verbot der Leiharbeit, außer für tatsächlich zeitlich begrenzte Arbeiten!
Anhebung der steuerbefreiten Verdienstgrenze auf 24 000 Euro pro Jahr!
Zurück zur Rentenformel der Kohl-Ära!
Mehrwertsteuererhöhung rückgängig machen!
Das alles ließe sich ohne Probleme durch das Rückgängigmachen der Steuerbefreiung der Großkonzerne (das waren eine Reihe von Gesetzen und Änderungen von Erlassen, hauptsächlich zu Schröders Zeiten), der Reform der Vermögenssteuer und jene der Erbschaftssteuer wie auch die Einbeziehung der Erträge aus Finanzanlagen über eine Million Euros in die normale Einkommensversteuerung gegenfinanzieren, das bedeutet, die Unternehmen und Hochverdienenden müssten wieder die Steuern zahlen wie in der Kohl-Ära (bzw. ein wenig mehr), was ihnen damals offensichtlich nichts geschadet hat.
Nun, verehrter Leser, wenn sie dieses Paket hier ansehen, dann wissen Sie, das wird mit dieser Deutschen Politik noch nicht einmal am Sankt-Nimmerleinstag passieren. Eher wird Berlusconi seine Hand von den Frauen lassen als die Verwirklichung dieses Pakets mit CDUCSUSPDGrüneFDP. Ja, nicht einmal Lafontaine als Bundeskanzler würde das durchsetzen.
Damit aber steht bereits fest: In Deutschland wird es keinen Ausweg aus dieser Krise geben. Die Deutschen werden pauschal in Arbeitslosigkeit und Armut gezwungen und das BIP wird auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus nicht oder kaum wachsen.
Wir haben nur einen Weg: Den Kampf! Streiks und Demonstrationen! Weg mit der Armutspolitik! Weg mit diesen Politikern! Weg mit diesem System!
Veröffentlicht am 3.7. 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 3. Jul, 18:42
Karl Weiss - 2. Jul, 17:14
Der Putsch in Honduras sondert die Spreu vom Weizen
Von Karl Weiss
Wir leben in bewegten Zeiten und es gibt keinerlei Anzeichen, diese Bewegung würde abflauen, im Gegenteil. Seit 1890 gilt die Monroe-Doktrin, mit der die USA Lateinamerika zu ihrem persönlichen Hinterhof erklärt haben und jegliches Eingreifen dort von vornherein für sich beanspruchen. Sollte diese nun von Präsident Obama gestrichen worden sein – denn er verurteilt den Putsch in Honduras?
Hier noch einmal das Bild, wie in der Hauptstadt von Honduras, Tegucigalpa, die Polizei der Putschisten gegen die Bevölkerung vorgeht, die gegen den Putsch demonstriert
Seit vielen Jahren war die FDP in den jeweiligen Koalitionen die Wächterpartei über die demokratischen Rechte. Nun scheint sie sich der FPÖ anzunähern und begrüßt schon einmal einen faschistoiden Putsch.
Eigentlich konnte man fast erwarten, der Putsch in Honduras wäre durch die US-Regierung „inspiriert“ worden, so wie dies seit weit mehr als Hundert Jahren ist, wenn ein Putsch in Lateinamerika stattfindet. Der Bürger-Journalist hat sogar eine entsprechende Vermutung geäußert. Aber dann kam im Laufe des Montags die klare Aussage von Präsident Obama, der sich zufällig gerade mit dem kolumbianischen Präsidenten Uribe getroffen hatte, der Putsch und die neue Regierung in Honduras seinen „illegal“. Obama ging sogar so weit zu sagen, in Lateinamerika seien in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht worden und die dürften nicht zurück ins Dunkle ("obscure") gedreht werden.
Das ist nun allerdings wirklich überraschend, so etwas vom US-Präsidenten zu hören. Denn die Fortschritte in Lateinamerika beziehen sich ja hauptsächlich darauf, von den Vereinigten Staaten unabhängig zu werden und die Dunkelheit in Lateinamerika bezog sich auf die völlige Unterordnung der jeweiligen lokalen Machthaber unter die Interessen der USA.
Wie um jeden Zweifel auszuschließen, erklärte auch Aussenministerin Hillary Clinton eindeutig, der Putsch sei zu verurteilen.
Wenn das nun alles nur Lippenbekenntnisse waren, dann wäre das wirklich das Ende jeglicher Politik – also gehen wir davon aus, die meinten es ernst.
Nun kam aber am gleichen Tag die Aussage eines Herren Lüth, Direktor der Friedrich-Naumann-Stiftung (Ja, das ist die FDP-Stiftung und jener Posten ein hoher, wichtiger FDP-Posten), der den Putsch begrüßte. Er veröffentlichte noch am Sonntag, als die Putsch-Maßnahmen erst umgesetzt wurden, eine Stellungnahme, in der er den gewählten Präsidenten von Honduras des Verfassungsbruches anklagt, weil er eine Volksbefragung angesetzt hatte, die aber ohne bindende Wirkung sein sollte, eine Volksbefragung, um zu wissen, was das Volk will.
Dies habe den Putschisten schließlich keine Wahl gelassen als den Putsch durchzuführen, erklärt dieser Vertreter einer „demokratischen“ Partei. Der Putsch sei eine Rückkehr zu Rechtsstaat und Verfassungsmässigleit, belehrt uns der Herr von der FDP.
Ja, auch das ist starker Tobak. Wer die Meinung des Volkes wissen will, der ist gegen Rechtsstaat und Verfassungsmässigkeit, sagt uns die FDP. Die FDP war immerhin für viele Jahre die letzte Hoffnung der Demokraten, wenn eine der „Volksparteien“ den Abbau demokratischer Rechte plante. Da es immer die FDP in der Koalition war, einmal mit der CDU, dann mit der SPD und schließlich wieder mit der CDU, war die FDP doch immerhin ein Garant für Freiheitsrechte, auch für jene, die nicht ihre Anhänger waren. Innenminister Baum von der FDP war dafür eine Symbolfigur, später Frau Leutheusser-Schnarrenberger.
Heute haben die beiden Schwierigkeiten, nicht aus der FDP ausgeschlossen zu werden. Die Yuppie-Spaß-FDP von Westerwelle hat nichts mehr mit Freiheitsrechten am Hut. Dass man aber schon soweit ist, offen faschistoide Militärputsche in anderen Ländern zu unterstützen, das ist neu.
Nun aber gemach! Diese FDP könnte ja den Herrn Lüth seines Postens entbinden, sich von seinen Aussagen distanzieren und den Putsch verurteilen. Ja, sie könnte. Woher kommt nur der Eindruck, sie wird dies nicht tun?
So werden wir uns wohl mit einer FDP auf dem Weg zu einer FPÖ anfreunden müssen. Anfreunden? Nein, aber ins Kalkül ziehen!
Welche Koalition auch immer nach den Wahlen kommen wird, man wird sich dort einig sein, die noch verbliebenen demokratischen Rechte abzubauen. Wir werden uns selber wehren müssen!
Veröffentlicht am 1. Juli 2009 in der Berliner Umschau
Karl Weiss - 1. Jul, 15:03