Sozialabbau

Dienstag, 2. März 2010

Wie hoch muss der Regelsatz Hartz IV nach dem BVG-Urteil sein?

Das Urteil ist nicht wasserdicht

Von Karl Weiss

Mit einer gezielten und von allen Medien getragenen Desorientierungskampagne versuchen Politiker und bürgerliche Medien den Eindruck zu erwecken, die Hartz-Sätze seinen vom Bundesverfassungsgericht (BVG) gar nicht für unzureichend erklärt worden. Nun hat dankenswerterweise Rüdiger Böker, Mitglied des deutschen Sozialgerichtstages, unter Berücksichtigung der Vorgaben im BVG-Urteil den Mindestsatz berechnet. Das Ergebnis ergibt für 2009 mindestens 631 Euro pro Monat und Person.

Weg mit Hartz IV

Politiker und Medien haben sich eines Tricks bedient, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, das BVG habe den Regelsatz gar nicht für zu gering erklärt: Sie zitieren immer wieder einen Satz aus dem Urteil, in dem das BVG die schlichte Tatsache feststellt, dass natürlich nicht das BVG den Satz festlegen kann. Dies muss vielmehr der Gesetzgeber tun.

Gleichzeitig „vergisst“ man aber, die Sätze zu zitieren in denen die Abschläge, die verwendet wurden, als „willkürlich“, „nicht nachvollziehbar“ und „ungerechtfertigt“ bezeichnet werden und die Tatsache, dass keine Anpassung an die Inflation erfolgte, als „nicht hinnehmbar“. Nimmt man diese Abschläge weg und rechnet man die Inflationsanpassung hinein, so kommt man eben auf jene 631 Euro.

Zusätzlich hat allerdings das BVG auch noch die Teilnahme am sozialen Leben („sozio-kulturelles Existenzminimum“) und nicht nur den Wert, der für das reine Überleben reicht, als Gestaltungsmerkmal dieses Regelsatzes erklärt. Damit ist auch dieser Satz von 631 noch nicht ausreichend für die Ansprüche des BVG.

Hartz-Protest 02

Allerdings hat das BVG dem Gesetzgeber ein Schlupfloch gelassen und man möchte fast wetten, die Politiker-Brut (viele von ihnen sind ja abgefeimte Juristen) wird dies schamlos ausnutzen: Das BVG hat offen gelassen, auf welcher Grundlage der Gesetzgeber das „soziokulturelle Existenzminimum“ festlegt. Die Bundesregierung hatte in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass man die im Abstand von 5 Jahren ermittelten „Einkommens- und Verbrauchs-Stichproben“ (EVS), durchgeführt vom Ministerium für Arbeit und Soziales, als Grundlage der Ermittlung des Bedarfs genommen hatte. So wurde denn auch der oben genannte Wert von 631 Euro auf der letzten veröffentlichten EVS basiert, hochgerechnet auf 2009.

Das BVG hat den Gesetzgeber aber nicht verpflichtet, weiterhin auf dieser Basis zu berechnen. Würde die Regierung und der zum Abnickkaspar verkommene Bundestag nun einfach irgendeine andere Erhebung zur Grundlage nehmen – und sei sie noch so ungeeignet für diesen Zweck -, bräuchte man alle Aussagen des BVG zu den Abschlägern usw. nicht mehr zu berücksichtigen. Das ganze „Spiel“ begänne von vorne.

Wenn es dann wieder sechs Jahre bräuchte, bis das BVG den dann neu festgelegten Satz überprüft, wäre bis dahin schon wieder ein grundgesetzwidriger Regelsatz gültig, weil sich ja das BVG darauf festgelegt hat, man wolle trotz der Verfassungswidrigkeit keinen nachträglichen Ausgleich verlangen (was allerdings auch höchst bedenklich ist). So könnte sich das Politiker-Pack von einem BVG-Urteil zum nächsten hangeln und auf Dauer in der Verfassungswidrigkeit verharren.

Leider hat die Hartz4-Plattform (www.hartz4-plattform.de), die sich sehr um dieses Urteil verdient gemacht hat, sich da zu schnell von der Feierstimmung mitreissen lassen und „heureka“ gerufen, ohne diesen Trick durchschaut zu haben.

Es bleibt dabei:

Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir!


Veröffentlicht am 2. März 2010 in der Berliner Umschau

Freitag, 12. Februar 2010

Hartz IV: Gezielte Desinformation zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Was ist denn nun wahr?

Von Karl Weiss

Kaum zu glauben, wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zu Hartz-IV in der Öffentlichkeit bis zur Unkenntlichkeit verbogen wird. In Wirklichkeit hat das BVG den deutschen Politikern eine Ohrfeige von der Grösse Deutschlands verpasst. Der Kern von Hartz IV wurde für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Kurz: Verfassungsfeinde!

Weg mit Hartz IV

Hätte man nun glauben können, die würden nun kleinere Brötchen backen, weit gefehlt. Innenminister de Maizière verkündet frechdreist, das Urteil zeige „problematische Tendenzen“. Tatsächlich gibt es problematische Tendenzen, aber die liegen bei den Politikern, die Hartz IV verbrochen haben. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU in der Bundestagsfraktion, Peter Weiss, wurde noch unverschämter: Die Sätze müssten gesenkt werden, verkündete er. Und das ist der Vorsitzende der Arbeitnehmer. Man stelle sich vor, was dann der von Arbeitgebergruppe ("Mittelstandsvereinigung") sagt.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Nun, die Aussagen des BVG im Urteil sind eindeutig:

1. Das ganze Hartz-IV-Gesetz mit dem Kern der Regelsätze ist ohne Basis im Grundgesetz, denn es beruhte von Anfang an auf Annahmen, die unmöglich das soziale Existenzminimum absichern konnten. Dabei geht es nicht einfach um eine Sicherung des Überlebens, sondern auch um eine Teilnahme am sozialen Leben. Dies geht nach Ansicht des BVG (und nicht nur seiner) aus dem Gebot des Respekts vor der Würde des Menschen in der Präambel und aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes hervor. Man hatte, basiert auf einer Einkommens- und Verbrauchs-Umfrage von 1998, das untere Fünftel der Einkommensskala in Deutschland genommen und dann weiter Abschläge angesetzt – und zusätzlich die seitdem eingetretene Inflation ignoriert. Dabei hatte man aber auch viele Sozialhilfeempfänger erfasst, hatte also indirekt aus einer willkürlichen Festlegung (des Sozialhilfesatzes) eine andere willkürliche Festlegung abgeleitet. Nun hatte man aber noch Abschläge für angebliche Luxusgüter in dieser Erhebung vorgenommen, obwohl klar ist, dass jenes untere Fünftel diese Luxusgüter überhaupt nicht hat. Das BVG hat also eindeutig ausgesagt, dass der Hartz-IV-Regelsatz zu niedrig ist und „nicht für das soziale Existenzminimum ausreicht“. Wenn nun interpretiert wird, man könne nun noch mehr streichen, ist das schlicht empörend. Die gleichen Leute, denen gerade ihre Gesetze um die Ohren geschlagen wurden, werden schon wieder frech.

2. Einige wichtige Aussagen, die eine besonders harte Sprache benutzen, stehen im Urteil zu den Abschlägen für Kinder. Das BVG moniert völlig zu Recht, dass diese Abschläge „willkürlich festgelegt“ und aus der Luft gegriffen wurden. Es wird betont, dass die Ausgaben zur Erziehung und Ausbildung schlicht „vergessen“ wurden und dass nicht berücksichtigt wurde, dass Kinder wegen des Wachstums einen erhöhten Bekleidungsbedarf haben. Gleichzeitig bezieht sich die Kritik des BVG aber auch auf die eigentlichen Hartz-Regelsätze für Erwachsene. Die an verschiedenen Stellen in den Medien erhobenen Behauptungen, das BVG habe lediglich die Kindersätze für verfassungswidrig erklärt und nicht die Erwachsenensätze, sind falsch.

3. Ganz speziell wurde der Gesetzgeber aber vom BVG gerügt, weil er „vergessen“ hatte, Härtefallregelungen ins Hartz-IV-Gesetz aufzunehmen, wie es vorher bei der Sozialhilfe galt. Besondere, unvorhergesehene Ausgaben müssen zusätzlich übernommen werden (oder man müsste alternativ bereits einen ausreichenden zusätzlichen Satz vorhersehen, der das Ansparen für solche Ausgaben erlaubt).

Hartz-Protest 02

Tatsache ist, das BVG kann nicht dem Gesetzgeber vorschreiben, wie genau er die Werte der Regelsätze definiert und berechnet. Es hat aber festgelegt, die Sätze müssen nachvollziehbar eben das schon erwähnte soziale Existenzminimum gewährleisten.

Natürlich könnte der Gesetzgeber nun auch andere Massnahmen als eine Erhöhung der Regelsätze ergreifen, um dieses Ziel zu erreichen. Man könnte zum Beispiel die fast überall bereits abgeschaffte völlige Lehrmittelfreiheit wieder einführen. Man könnte auch allen Kindern ohne Ausnahme kostenlose Krippen-, Kindergarten- und Schulplätze garantieren. Warum war das in der DDR möglich, ist es aber nicht in der BRD? Man könnte das gesamte deutsche Schulsystem auf Ganztagsschulen umstellen und jedem Kind ein ausgewogenes Mittagessen garantieren. Man könnte das Kindergeld so erhöhen, dass dies die hohen Kindergartenbeiträge der ach wie so christlichen Kirchen mit einschlösse usw. usw.

Hartz-Protest 01

Was ganz sicher nicht ausreicht, sind die 100 Euro pro Jahr (100 pro Jahr!), mit denen die Ausbildungs- und Betreuungskosten abgegolten sein sollten. Dieser Betrag sagt mehr über unsere Politiker aus, als ihnen lieb sein kann.

Wir kennen allerdings unsere Politiker und haben ja auch schon gehört, wie sie arrogant-frech auf die Ohrfeige reagiert haben. Man kann also bereits voraussagen, man wird den gesamten Kern von Hartz IV zu retten versuchen, nur mit neuen Begründungen und bestenfalls die Sätze für Kinder ein wenig erhöhen. Ob die Politikerbrut auch die Frechheit haben wird, die vom BVG eindeutig eingeforderte Härtefallregelung zu verneinen, wird man sehen.

Wahrscheinlich wird auch die dann neue Regelung nach weiteren vier bis fünf Jahren wieder beim Verfassungsgericht landen und so hangelt sich der schlaue Politiker von Ohrfeige zu Ohrfeige.

Veröffentlicht am 12. Februar 2010 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 7. Januar 2010

Man kann immer noch Überprüfungsanträge stellen

Wichtige Information für Hartz-IV-Geschädigte

Von Karl Weiss

Wie die „Hartz4-Plattform“ mitteilt, können alle Hartz-IV-Geschädigten (wie man die Hartz-IV-Empfänger wohl bezeichnen muss) noch bis zur Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) Überprüfungsanträge über die Höhe der monatlichen Zahlung stellen, gegen entsprechende Ablehnungsbescheide Widerspruch einlegen und im Fall der Ablehnung des Widerspruchs den Weg zum Sozialgericht gehen.


Weg mit Hartz IV

Eventuell neue, höhere Regelsätze würden für entsprechende Antragssteller ab dem Zeitpunkt des Antrags gelten, auch wenn das BVG lediglich die Bundesregierung verpflichten sollte, in Zukunft erhöhte, dem wirklichen Bedarf angepasste Regelsätze ins Gesetz aufzunehmen.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte das BVG nach jahrelangem Zögern endlich 3 Klagen gegen Hartz IV zur Verhandlung und Entscheidung zugelassen und eine erste Anhörung durchgeführt. Neben einer Klage zur Höhe der Kinder-Regelsätze wurde dabei auch eine Klage gegen die eigentlichen Regelsätze zugelassen, die vom Hessischen Landesozialgericht als Anfrage an das BVG weitergereicht worden war, das war die Klage von Thomas Kallay. Eine Anzahl von Argen und Gemeinden bestreiten in Ablehnungsbescheiden, dass der Regelsatz wirklich zur Entscheidung steht, aber das sind entweder freche Lügen oder es ist dumpfe Unkenntnis.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Die Vertreter der Bundesregierung sahen äußerst schlecht aus auf der Anhörung, denn sie konnten die Höhe der Regelsätze nicht wirklich begründen. Es wurde vielmehr deutlich, dass diese in Wirklichkeit willkürlich – und zu niedrig - festgelegt worden waren. Wenn das BVG nicht noch unter dem Druck aus Berlin einknickt, müsste es für höhere Regelsätze und für höhere Prozentzahlen davon für Kinder entscheiden.

Der Überprüfungsantrag kann von jedem Hartz-IV-Berechtigten zu jedem Zeitpunkt vor dieser Entscheidung eingelegt werden, die wohl erst im Laufe dieses Jahres erfolgt. Man muss einen Überprüfungsantrag für Wiedergutmachungs-Rückzahlungen stellen. Die Hartz-IV-Plattform hat entsprechende Formulare (E-Mail: info@hartz4-plattform.de, Internet: www.hartz4-plattform.de )

Hartz-Protest 02

Diese Anträge müssen wie die normalen Anträge bei der Arge oder Agentur eingereicht werden, also am besten persönlich abgeben, sich den Empfang bestätigen lassen und einen Zeugen (von außerhalb der Familie) mitnehmen, um die Abgabe beweisen zu können, falls die Empfangsbestätigung rechtswidrig verweigert wird. Diese Anträge werden in der Regel mit Ablehnungsbescheiden zurückgewiesen, aber man kann auch eine Entscheidung durch Beschwerde beim Sozialgericht erzwingen.

Wenn man den Ablehnungsbescheid erhält, muss man unbedingt innerhalb der gegebenen Frist Widerspruch beim Sozialgericht einlegen. Man wird zwar keine Entscheidung vom Gericht bekommen, weil die mit Bergen von Hartz-Fällen völlig eingedeckt sind, aber mit dem Einlegen des Widerspruchs hat man seinen Teil getan.

Nach Aussage der Hartz4-Plattform hat jeder mit einem solchen Antrag, der die Fristen einhält, ab dem BVG-Urteil Anspruch auf Nachzahlung des Unterschieds zum neuen Satz ab dem Zeitpunkt des Antrags. Ein hierzu befragter Rechtsanwalt sagte, dies müsse nicht unbedingt so sein, sei aber möglich.

Hartz-Protest 01

In diesem Zusammenhang muss man auch noch erwähnen: Die Bundesregierung weiß wohl schon, sie kann diese Regelsätze nicht sachlich begründen und wird wohl den Prozess verlieren. Wie in mehreren vergangenen Fällen, wird sie wohl erneut die Ohrfeige „verfassungsfeindlich“ einstecken müssen. Das BVG wird wohl auf einem höheren - und in diesem Fall wirklich begründeten – Regelsatz bestehen.

Einer Mitteilung des Finanzministeriums zufolge (da ist jetzt unser lieber alter bekannter Schäuble Minister) hat man sich auch schon ausgedacht, wie man den moralischen Effekt des Abwatschens in einen Sieg umwandeln will: Man beklagt die zusätzlichen Ausgaben trotz angeblich leerer Kassen und kündigte bereits an, im Fall von erhöhten Hartz-Regelsätzen würde man die Sozialbeiträge erhöhen, in diesem Fall die Arbeitslosenversicherungsbeiträge.

So hofft man die Kollegen in Arbeit gegen die Arbeitslosen ausspielen zu können. Nur hat in Wirklichkeit der Hartz-Regelsatz mit der Arbeitslosen-Versicherung gar nichts zu tun. Hartz wird aus Steuergeldern bezahlt, nicht aus Versicherungsbeiträgen.

Das hat allerdings auch noch eine Besonderheit. Eigentlich wären die über lange Jahre bezahlten Beiträge für jene Versicherung ausreichend gewesen, um auch Hartz IV zu zahlen, aber die Politiker haben diese Gelder zweckentfremdet eingesetzt. Vor allem floss es in Frühverrentungen und Altersteilzeit. Anstatt die Unternehmen, die sich so von Arbeitnehmern trennen konnten, diese Beträge zahlen zu lassen, waren die Politiker um die Unternehmensgewinne besorgt und ließen die Arbeitslosenversicherungs-Milliarden zu einem Selbstbedienungsladen der Unternehmen werden. So waren die Kassen bald leer, als die Arbeitslosigkeit anschwoll und man musste dann den Steuerzahler zur Kasse bitten, um Hartz IV zu zahlen.

Veröffentlicht am 6. Januar 2010 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 16. Dezember 2009

Sterben die Deutschen aus?

Demographie - Hysterie und Realität

Von Karl Weiss

10. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf treibt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 29. März 2006 [mit ein paar Zusätzen], der weiterhin aktuell ist, denn weiterhin wird die angebliche demographische Katastrophe in Deutschland beschworen, weil die Deutschen sich nicht wie die Karnickel vermehren. Angeblich seien Rentenkürzungen und Heraufsetzung des Rentenalters aus demographischen Gründen nötig.

Wie der Statistiker Prof. Bosbach von der FH Koblenz in den VDI-Nachrichten erklärt, sind die verbreiteten Theorien über eine Demographie-Desaster in Deutschland völlig unbegründet. Weder sinken die Geburtenraten über das hinaus, was schon in der Vergangenheit erreicht war, noch ist die deutsche die niedrigste auf der Welt. Irgendwelche Vorhersagen, die Deutschen würden aussterben, sind lächerlich angesichts der Zahlen. Bosbach spricht ausdrücklich von Horrorszenarien und Panikmache, um Deutsche für „Reformen" empfänglich zu machen.

Hier sind die nackten Fakten:Tatsächlich hat das statistische Bundesamt bekanntgegeben, daß in einer ersten Vorausschätzung (die genauen Zahlen werden erst nächstes Jahr zur Verfügung stehen) die Geburtenrate pro Frau in Deutschland 2005 bei 1,34 lag. Das ist in keinster Weise beunruhigend. Laut einer Vorausschau des Statistischen Bundesamtes (bei der überhaupt noch keinerlei Veränderungen einbezogen sind) würde eine solche Geburtenrate zu 75 Millionen Deutschen im Jahr 2050 führen, keineswegs eine schreckliche Vorstellung.

Man muß schließlich auch berücksichtigen, daß Deutschland eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Welt ist. In Europa sind nur die Niederlande, Belgien und England dichter besiedelt. International gibt es da noch Bangladesh und einige wenige kleine Länder mit noch höheren Dichten.

Um nur einen Eindruck zu geben: Deutschland hat 231 Einwohner je Quadratkilometer, in den USA leben 31 Einwohner auf diese Fläche, in China 135.

Wenn ein wenig mehr Platz in Deutschland wird, kann dies also nur gut sein. Auch angesichts der Wohnsituation kann dies vorteilhaft sein, denn der Sozialwohnungsbau und Bau von bezahlbaren Wohnungen ist praktisch eingestellt. Würde die Bevölkerung noch steigen, hätten wir Mieten aufzubringen, die kaum noch zahlbar wären. Ganz zu schweigen davon, daß ja nicht einmal jetzt Arbeitsplätze für alle zur Verfügung stehen. Man denke, wie hoch die Arbeitslosigkeit würde, wenn die Deutschen begännen sich zu vermehren wie die Karnickel. [Wäre die Geburtenrate auf der Höhe von 1963 geblieben, hätten wir heute 20 Millionen Arbeitslose statt 10 Millionen.]

Auch hat Deutschland mit 1,34 pro Frau keineswegs die niedrigsten Geburtenraten aller Länder, allein in Europa sind es 11 Länder, die niedrigere haben: Slowakei mit 1,17, Tschechien mit 1,18, Slowenien mit 1,22, Polen mit 1,24, Litauen mit 1,25, Spanien mit 1,26, Griechenland mit 1,27, Rußland mit 1,28, Lettland mit 1,29, Italien mit 1,29 und Ungarn mit 1,30. Auch Japan hat mit 1,33 noch eine niedrigere Rate.

Dazu kommt, daß die Rate im endgültigen Ergebnis wahrscheinlich einen höheren Wert ergibt. Die vorläufige Rate wird nämlich lediglich mit einer Umfrage ermittelt, in der nach der Zahl der Kinder im Haushalt gefragt wird. Kinder, die nicht im Haushalt leben, werden gar nicht erfaßt. Im Verlauf der beiden davor liegenden Jahre war die Geburtenrate in Deutschland sogar angestiegen, von 1,36 im Jahre 2003 auf 1,37 im Jahre 2004.

Auch sind diese Zahlen nicht die niedrigsten seit dem 2.Weltkrieg. 1983 und 1986 lagen die Zahlen noch darunter in der damaligen Bundesreublik.

Auch der Anteil der kinderlosen Frauen in der Bundesrepublik wird üblicherweise überschätzt. So geistert im Blätterwald z.B. die Zahl von 40% der Akademikerinnen herum, die angeblich kinderlos seinen. Die wirkliche Zahl ist 21%.

Prof. Bosbach hebt hervor, daß es auch keinerlei Grund gibt anzunehmen, daß das Verhältnis von Jungen und Alten sich so verschieben würde, daß die Rentner nicht mehr versorgt werden könnten. Die Erwerbsfähigen (Menschen zwischen 20 und 60 Jahren[- nach der Zählung des Statistischen Bundesamtes]) werden im Jahr 2050 nach der Vorausschau des statistischen Bundesamtes im Verhältnis 100 zu 112 zu versorgenden Jungen und Alten stehen. Aber auch im Jahr 1970 war das Verhältnis schon 100 zu 100.

Die momentane Zahl (letzte Statistik 2001: 100 zu 82) scheint da deutlich niedriger, aber man muß berücksichtigen, daß man ja eigentlich noch alle Arbeitslosen und „Sonstigen" mit zu den zu Versorgenden zählen müßte, so daß bereits beweisen ist, daß diese Anzahl ‚nicht Erwerbstätiger’ tatsächlich versorgt werden kann.

Vom Autor sei noch angemerkt, daß es auch etwas unlogisch ist, wenn man alle mit mehr als 60 Jahren unter ‚nicht erwerbsfähig’ einreiht, während gleichzeitig das Rentenalter auf 67 erhöht wird. Es gibt also keinerlei Gründe, das Rentenalter zu erhöhen - außer dem, daß die Politiker Gelder aus den Rentenkassen zweckentfremded verwendet haben und die deshalb jetzt leer sind.

Bosbach weist allerdings darauf hin, daß der Produktivitätsanstieg natürlich unbedingt an die Beschäftigten weitergegeben werden muß, damit sich da keine Versorgungslücke auftut, d.h. also, die jährlichen Lohnerhöhungen müssen mindestens in der Höhe Inflation + Produktivitätsanstieg liegen. Wie Bosbach das wohl den Konzernen und Großbanken beibringen will?

Auch auf einen anderen Punkt weist Prof. Bosbach noch hin: Die Geburtenraten sind keineswegs ein unentrinnbares Schicksal. Man kann durch eine aktive Umverteilung zugunsten der wenig verdienenden Familien da einen deutlichen Effekt erreichen. Er nennt als Beispiel Frankreich, ein Land mit traditionell hohen Raten, wo die Geburtenrate bis 1993 auf 1,65 gesunken waren, als man eine solche Förderung begann. Heute liegt die Rate in Frankreich bei 1,90 (letzte bekannte Zahl von 2004).[Allerdings sollte man sich wirklich fragen, ob man sich nicht lieber über die niedrigen Geburtenraten freuen sollte.]

Schließlich und endlich, so Prof. Bosbach, kann man eben nicht nur von einer Seite herangehen und mehr zu Versorgende sehen, sondern muß auch berücksichtigen, daß die Werte der Volkswirtschaft ständig ansteigen. Mit der Vorhersage der Herzog-Kommission von durchschnittlich 1,25% jährlich hätten wir im Jahre 2050 eine um 84% höhere Gesamtleistung der Volkswirtschaft, rechnet man mit den 1,8 % der Rürüp-Kommission, kommt man sogar auf eine 140% höhere - und das ist bereits inflationsbereinigt. [Auch wenn diese Zahlen Wunschträume sind, muss man doch klar sehen: Die Wirtschaftsleistung wid dann so viel höher sein als heute, dass irgendeine Notsituation demographischer Ursache absolut nicht in Sicht ist.]

Montag, 30. November 2009

Hartz IV: Absurd, absurder, am absurdesten

'Freundesgemeinschaft'

Von Elmar Getto

7. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf treibt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 28. November 2005 von Elmar Getto (mit einem kleinen Zusatz), der aktuell wie nie ist, denn weiterhin ist Hartz IV gültig, weiterhin werden Zahlungen eingestellt, wenn man mit jemandem zusammenlebt (oder dieser Verdacht besteht), weiterhin ist dies das absurdeste Gesetz dieser an absurden Gesetzen wirklich nicht armen Republik.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Nehmen wir einmal an, die Regierung würde die rechtliche Konstruktion „Freundesgemeinschaft" erfinden und in das Sozialgesetzbuch schreiben. Man würde sagen, es entspräche der Lebenserfahrung, daß Freunde in schweren Zeiten einander beistehen. Daher hätten jene, die Freunde in Arbeit haben, keine Recht, Arbeitslosengeld II (ALG II) zu beziehen, denn sie seien ja nicht wirklich bedürftig - oder sie müßten sich jedenfalls das Einkommen ihrer Freunde anrechnen lassen. Absurd? - Aber genau das hat die Politikerkaste mit der Einführung der ‚Bedarfsgemeinschaften’ getan.

Doch damit nicht genug: Nun würde die Regierung auch noch von der anderen Lebenserfahrung ausgehen, daß fast alle Menschen Freunde haben. Daraus ergäbe sich logisch, daß nur noch ALG II beziehen kann, wer nachweist, keine Freunde zu haben oder jedenfalls keine Freunde, die ihn unterstützen könnten. Sie würde die Regelungen des Sozialgesetzbuches 2 so ändern, daß der Nachweis erbracht werden müßte, freundlos zu sein oder nur Freunde zu haben, die auch arbeitslos sind, wenn man ALG II beziehen will. Noch absurder? - Genau dies tut jetzt aber die über alles geliebte große Koalition.

Hartz-Protest 02

Ironie an >> Da würde dann endlich Schwung in den Arbeitsmarkt kommen, nicht wahr? Da praktisch niemand mehr ALG II beziehen würde, würden sage und schreibe 26 bis 27 Milliarden frei, um endlich den Unternehmen das Geld geben zu können, das sie dann animieren würde, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Innerhalb weniger Jahre würde die Arbeitslosigkeit zusammenschnurzeln wie ein Hamburger in der Bratpfanne und wer wären die am meisten Begünstigten? Richtig, die Arbeitslosen, die lediglich das kleine Opfer bringen mußten, für eine Zeit bei den Freunden unterzuschlupfen. Na, war es denn so schlimm? Hat doch fast gar nicht weh getan, oder? << Ironie aus.

Eigentlich gab es, als Prostituierten-Reisen-Hartz seine Vorschläge für den „Umbau des Arbeitsmarktes" vorlegte, ja längst die „eheähnliche Gemeinschaft" als rechtliche Einheit. Sie hatte ja bereits verschiedene rechtliche Implikationen und war schon vom Bundesverfassungsgericht definiert. Insofern war zunächst unklar, warum die Hartz IV-Erfinder, die damals noch viel größere Koalition aus Gelb, Grün, Rosa und Schwarz, den neuen Begriff der „Bedarfsgemeinschaft" einführten. So mancher schrieb dies einer scheinbar „handwerklich schlechten Machart" des ganzen Hartz-IV-Gesetzes zu, die allenthalben beschworen wird.

Hartz-Protest 01

Im weiteren Verlauf stellte sich aber heraus, daß Hartz IV ganz genau im Sinne seiner Erfinder gemacht war und nichts handwerklich schlechtes daran war. Das ganze Chaos war geplant. Wer genau hinsah, bemerkte auch bereits, daß eben ganz bewußt eine neue rechtliche Kategorie geschaffen worden war mit der Bedarfsgemeinschaft. Man hatte das nur nicht so laut ausgesprochen im Sommer und Herbst 2004, denn da sollte ja noch von den wirklichen Intentionen abgelenkt werden, die man mit Hartz IV hatte, das Gesetz durchgesetzt und die Montagsdemos klein geredet werden.

Mit der Einführung ab Januar 2005 stellte sich dann beim genauen Hinsehen, heraus, daß die Definitionen der „eheähnlichen Gemeinschaft" eben nicht gemeint waren. Die Schnüffler aus den Arbeitsagenturen und ARGEn suchten nämlich, wie bald zu lesen war, nach den Zahnbürsten eines eventuellen Partners in den Badezimmern, nach einem zweiten Kopfkissen in den Betten und nach wenig bekleideten Männern, wenn man unangemeldet die Wohnung einer Frau stürmte. In seinen sogenannten „Mißbrauchsreport" führt Clement ausdrücklich solche Fälle als angeblichen Missbrauch auf. Zitate:

„Steht im Morgengrauen ein nackter Kerl auf dem Balkon, und es ist nicht der
Ehemann…"
„... wie sich beim Prüfbesuch herausstellt. Günter Meyer, ihr Lebensgefährte, kommt mit nacktem Oberkörper aus dem Ehebett..."
„ ... ein eigenes Zimmer kann der Lebensgefährte nicht vorweisen ..."
„... Die Kuhle im Ehebett stammt angeblich von der Nachbarin ..."
„...Der Prüfdienst sah nach, fand Männerhemden und -unterhosen auf der Wäscheleine ..."

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge
Elmar Getto spricht auf der Stuttgarter Montagsdemo im Januar 2006

Und so geht es munter weiter. Aber das oberste Deutsche Gericht hatte eben nicht jeden, der mit einer Frau Sex macht, bereits als eheähnlichen Partner definiert (logischerweise), auch das zeitweilige Zusammenleben in einer Wohnung war nicht als solche definiert, sondern eben nur, wenn man, kurz ausgedrückt, aus einer gemeinsamen Kasse lebt. Dies aber, und auch das ist höchstrichterliche Rechtssprechung, kann von jeweiligen verdienenden Partner jederzeit widerrufen werden. Das Paar kann also weiterhin zusammenleben, aber eben nicht mehr aus einer gemeinsamen Kasse leben. Auch das ist logisch, denn im Falle, daß dies anders entschieden worden wäre, hätte sich eine Unterhaltspflicht aus der puren Tatsache des Zusammenlebens ergeben, was der Gesetzgeber eben nicht wollte. Auch hätte hier eine Mindestfrist eingeführt werden müssen (In Brasilien gibt es z.B. ein solches Gesetz: Ein Mann, der mehr als vier Jahre mit einer Frau zusammengelebt und sie voll unterhalten hat, wird ihr gegenüber unterhaltspflichtig, als ob er mir verheiratet gewesen wäre).

Es war offensichtlich, daß diese Definitionen der „eheähnlichen Gemeinschaft" den Hartz-Machern gar nicht schmeckten. Sie wollten jeden halbwegs verliebten Partner in eine Unterhaltspflicht drücken und erfanden zu diesem Zweck die Bedarfsgemeinschaft. Wie das gemeint ist, sagt der „Mißbrauchsreport" ganz klar: „Nur wer seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln oder mit Unterstützung von Partner oder Familie bestreiten kann, hat Anspruch ..."

Juristisch korrekt müßte es heißen: „...mit Unterstützung unterhaltspflichtiger Partner oder Familienmitglieder ...", aber dieser ‚kleine Unterschied’ ist gewollt. Man will einfach alle, die in irgendeiner Art und Weise zusammenleben, sei es als Wohngemeinschaft, sei es als Haupt- und Untermieter, sei es wirklich in einer eheähnlichen Gemeinschaft, zum Unterhalt der Kandidaten auf ALG II heranziehen.

Auch der Begriff „Familie" ohne die Erwähnung der Unterhaltspflicht ist absolut gewollt. In der Praxis werden Arbeitslosen Leistungen gestrichen, wenn sie bei Geschwistern, Onkeln oder Tanten mit Einkommen wohnen, obwohl die natürlich nicht unterhaltspflichtig sind.

Eigentlich hätte man dazu natürlich das Bürgerliche Gesetzbuch ändern und diese Unterhaltspflichten neu definieren müssen. Das hätte aber zu noch mehr Protest, zu noch mehr Unverständnis in der Bevölkerung geführt. Deshalb versucht man nun diese neue rechtliche Definition über die Hintertür einzuführen: Man verweigert einfach dem Arbeitslosen das ALG II und hofft dann, der eventuelle Partner oder Familienangehörige werde schon dafür sorgen, daß der(die)jenige nicht verhungert und nicht auf die Straße fliegt.

Was nun den zusätzlichen Skandal zu dieser Praxis darstellt, ist die Antwort der Richter auf diese Absurdität. Bis jetzt hat sich noch kein einziger Richter gefunden, der angesichts dieser neu geschaffenen Rechtslage sofort das Verfassungsgericht angerufen hätte, um zu klären, ob jetzt Einkommen von jemand angerechnet werden dürfen, der gar nicht unterhaltsverpflichtet ist (Richter dürfen, wenn sie aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes entscheiden sollen, direkt das Verfassungsgericht anrufen). Ein weiterer Skandal in der nicht gerade an Justizskandalen armen deutschen Geschichte.

Trotzdem kam es zu einer großen Anzahl von gewonnenen Gerichtsverfahren gegen die Anrechnung solcher Partnereinkommen. Dem will die neue Regierung nun einen Riegel vorschieben. Sie setzt eine neue Absurdität auf die vorherige: Jetzt soll der Arbeitslose Partner auch noch beweispflichtig sein, daß die Person(en), mit der(nen) sie zusammenlebt, keine Bedarfsgemeinschaft mit ihm bildet.

Da „Bedarfsgemeinschaft" aber - bewußt - nicht definiert wurde, ist ein negativer Beweis objektiv unmöglich - so wie andererseits auch ein positiver Beweis unmöglich wäre.

Man stelle sich vor, wie so eine Definition aussehen müßte: Bedarfsgemeinschaft ist, wenn
- mehr als drei mal Sex gemacht wurde
- sich eine Kuhle im Bett gebildet hat (mit genauen Definitionen der Matratzenhärte in Beziehung zur Mindesttiefe der Kuhle)
- mehr als einmal der Partner mit nacktem Oberkörper in der Wohnung angetroffen wurde
- mehr als einmal die Zahnbürste des Partners in der Wohnung angetroffen wurde (Nachweis über DNA)
- wenn mehr als einmal die Unterwäsche des Partners in der Wohnung gewaschen wurde
- wenn der Partner kein eigenes Zimmer hat
- wenn ein zweites Kopfkissen angeschafft oder jedenfalls festgestellt wurde
- usw. usf.
Die ganze Absurdität kann an diesen Beispielen gemessen werden, die ja allesamt den tatsächlich von Clement genannten Kriterien entsprechen.

Obwohl man nicht Jurist sein muß, um zu erkennen, daß die Bedarfsgemeinschaften widerrechtlich sind, urteilen Richter ab der zweiten Instanz fast durchweg „staatstreu". Leider ist zu erwarten, daß die deutsche Richterschaft bis auf wenige Ausnahmen auch die neue Anmaßung wieder schlucken wird, ganz zu schweigen vom Bundesverfassungsgericht, das ja nun schon fast ein Jahr Zeit hatte, seine Meinung zu Hartz IV bekanntzugeben, dies aber tunlichst vermeidet. Nun, wie sagte George W. Bush so schön: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns."

In der Schule hat man uns einmal beigebracht, daß die Demokratie vor allem durch die Gewaltenteiung definiert sei und daß der Sozialismus deshalb so schlecht sei, weil es dort keine Gewaltenteilung gebe.

Das Parlament, so lehrte man uns, habe eine Wächterfunktion gegenüber der Exekutive, der Regierung, denn dort gäbe es eine Opposition, die gegen die Regierungsmeinung stünde und dem Wähler die Möglichkeit gebe, bei der nächsten Wahl Sachentscheidungen gegen seinen Willen durch deren Wahl rückgängig zu machen. Wenn diese Wächterfunktion nicht funktioniere, gäbe es immer noch die dritte Gewalt, die Justiz, die eventuelle Überschreitungen der Befugnisse der Regierung korrigieren könnte.

Nun, unsere „Demokratie" zeigt ihr wahres, ihr diktatorisches Gesicht. Es gibt kaum noch jemand, der sich noch an das letzte Mal erinnern kann, als die Opposition gegen eine der großen Entscheidungen des Bundestages gestimmt hat und uns so die Möglichkeit gegeben hätte, solche Entscheidungen zu revidieren. Man gehe nur einmal diese großen Entscheidungen durch:

- Notstandsgesetze

- Aufrüstung durch Nato-Doppelbeschluss

- Einverleibung der DDR ohne Federlesens

- Praktische Aufhebung des Asylrechts

- Teilnahme am Überfall auf Jugoslawien

- Teilnahme am „Krieg gegen den Terrorismus"

- Teilnahme am Überfall auf Afghanistan

- Gesundheitsreform

- Gewähren von Deutschland als strategische Basis für die USA im Irakkrieg

- Hartz IV

- Annahme der EU-Verfassung

Alles Beschlüsse, in denen die „großen Volksparteien" in trauter Umarmung uns ohne Alternative ließen. Kein Wunder, daß die Bundestagswahl [das bezieht sich hier auf die Nundestagswahl 2005; die jetzige Bundestagswahl hat noch weit weniger Stimmen für die beiden "Volksparteien" gebracht.] für beide zusammen gerade einmal etwas mehr als 50% der Stimmen der Wahlberechtigten ergab, die bei weitem geringste Zustimmung seit mehr als 50 Jahren.

Und die Justiz als kontrollierender Faktor? Wo ist sie? Hat irgendjemand gehört, auch nur eine dieser Entscheidungen sei von der Justiz auch nur in Frage gestellt worden?

Nein, die Gewaltenteilung ist ein Fetisch und wir leben in der Diktatur des Kapitals, das wird nun immer mehr Menschen klar.


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

"Zwangsprostitution durch Hartz IV"

"Das Verfassungsgericht und Hartz IV"

"Hartz IV 2009: Persönliche Notlagen? Die ARGE sch.... drauf"

"Hartz und Hunger – Vier Episoden"

Mittwoch, 27. Mai 2009

Geringverdiener relativ höher belastet

OECD-Studie belegt, was viele schon ahnten

Von Karl Weiss

Irgendwie hatten viele dies schon geahnt, doch nun steht es schwarz auf weiss in einer OECD-Studie: Die Geringverdiener in Deutschland werden vom Staat relativ höher belastet als die „Gutverdienenden“.

Regierungsbank

Das hängt u.a. damit zusammen, dass die höheren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegen, so dass für diesen Teil des Einkommens überhaupt keine Sozialabgaben mehr anfallen. Im Ergebnis führt dies wie auch andere Ungerechtigkeiten dazu, dass ein Einzelverdiener mit 110 000 Jahresgehalt in der Quote der Abgaben genau so hoch liegt wie ein Arbeiter mit 36 500 Euro im Jahr.

Liest man die OECD – Studie, kommt man zu dem Schluss, das deutsche Steuer- und Sozialabgabensystem ist unsozial und ungerecht, wie es ein Artikel auf der Heise-Website feststellt.

Heise sagt: „Dies führt zur paradoxen Situation, dass ein Spitzenmanager prozentual weniger von seinem Bruttogehalt abführen muss als ein Geringverdiener.“

Reichstag - Bundestag

Die Beitragsbemessungsgrenzen sind aber nicht der einzige Faktor, der dazu beträgt. Eine wesentliche andere Ungerechtigkeit ist vielmehr jene, die durch die extreme Bevorzugung der Steuerklasse 3 vor der 4 und der 1 entsteht.

Ein verheiratetes Paar mit nur einem Verdiener ist in Steuerklasse 3 eingestuft und liegt extrem viel niedriger in der Besteuerung als wenn es nicht verheiratet und der Verdiener in 1 eingestuft wäre oder wenn sie den gleichen Betrag verdienten, aber beide dafür arbeiten müssten und dann beide in Steuerklasse 4 wären.

Das heißt, das längst überholte Kirchen-Modell der Frau, die am Herd bleibt und die Kinder versorgt, genannt Kinder-Kirche-Küche, wird im deutschen Steuersystem extrem bevorzugt, während das, was heute die Regel ist, nämlich die Frau arbeitet ebenfalls (jedenfalls wenn sie Arbeit findet), oder man heiratet (noch) nicht, lebt aber zusammen, vom Steuersystem bestraft wird. Die westdeutschen Blockflötenparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne sind uns bis heute eine Erklärung schuldig, warum sie das nie geändert haben.

Es ist einfach nicht einzusehen, warum ein Alleinverdiener, wenn er nicht verheiratet ist, so viel mehr Steuern zahlen muss, als wenn er verheiratet ist. Soll vermieden werden, dass die Leute nicht heiraten? Warum? Geht es um die Pfründe der Anwälte bei Scheidungen, denn immerhin ist ein wesentlicher Teil der Abgeordneten Anwalt?

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Warum mischt sich der Staat in so extremer Weise in das Privatleben der Menschen ein, ob sie heiraten oder einfach so zusammenleben und ob beide oder nur einer arbeitet? Was soll das bezwecken?

Tatsache ist, bereits etwa 50% der Beschäftigten sind Frauen (jedenfalls war das so vor der Krise) und der Staat bereichert sich völlig unberechtigterweise an dieser Tatsache mit jenem ungerechten Steuersystem.

Die bei weitem größte Ungerechtigkeit allerdings ist jene, die durch die völlig unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus Arbeit und Einkommen aus Vermögen verursacht wird.

Hat jemand Einkommen aus Vermögen, das ist also jener Teil des Einkommens, den er verdient, indem er im Sessel sitzt und Däumchen dreht, wird er lediglich mit einer Abgeltungssteuer von 25% zur Beteiligung an den Staatsausgaben herangezogen (sofern er es nicht vorzieht, dies Einkommen auf den Cayman-Inseln anfallen zu lassen und 0% Steuern zahlt). Wer dagegen Einkommen aus seiner Hände Arbeit hat, wird mit hohen Steuersätzen und Sozialabgaben von bis zu 52% belegt.

Das hängt zum einen damit zusammen, dass man dem Rentier (der also nur von Zinsen lebt) keinerlei Sozialabgaben auferlegt, ohne dass es dafür irgendeine Begründung gäbe. Zum anderen steigt der Steuersatz auch nicht, wenn er noch so hohe Vermögenserträge hat, während jener mit der Arbeit einen steigenden Steuersatz bei höherem Einkommen hat.

Karl Marx

Kann irgendjemand erklären, was denn so unterstützenswert daran ist, im Sessel zu sitzen und Däumchen zu drehen?

Nun es gibt in allen drei Kategorien jeweils noch ein bis drei Länder im OECD-Vergleich, die noch ungerechter sind, aber kein einziges von ihnen ist in allen drei Kategorien vertreten. Kurz: Deutschland ist absoluter Weltrekordhalter bei Ungerechtigkeit und Unsozialem im Steuer- und Abgaben-System. Nun fragen Sie einmal einen der Repräsentanten der westdeutschen Blockflötenparteien, wie sie sich da herausreden wollen.

Nun, sie brauchen sich nicht herausreden. Sie werden nämlich nach der nächsten Wahl wieder irgendeine Regierung unter sich ausbaldowern, denn selbst wenn nur noch 10% zur Wahl gingen, sie halten sich immer noch für legitimiert.

Wir werden sie also nicht mit unserer Wahlenthaltung oder Ungültig-Stimme beeindrucken können, sondern nur, wenn wir auf die Straße gehen. Erinnern Sie sich an die Montagsdemonstrationen damals in der DDR? Na sehen Sie!


Veröffentlicht am 27. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 15. April 2009

Hartz und Hunger – Vier Episoden

Das wahre Gesicht des Kapitalismus wird immer deutlicher

Von Karl Weiss

Weg mit Hartz IV

Episode 1: Sozialhilfe gekürzt – “Er hat gebettelt”

In Göttingen ist nun das passiert, auf das selbst die eingeschworensten Gegner von Hartz IV nicht gekommen wären, aber die Hartz-IV-Politiker sind unerschöpflich in ihrer Erfindungsgabe von neuen Erniedrigungen und Schikanen. Ein Sozialhilfeempfänger (das ist nun gleich auch unter Hartz IV eingestuft – jedenfalls von der Behandlung der Geschädigten her) wurde gesehen, wie er auf der Straße bettelte, um etwas zum Kauen zwischen die Zähne zu bekommen.

Prompt wurde er gestellt, das Geld nachgezählt, das er zusammengebracht hatte, dies hochgerechnet auf den Monat und ein entsprechender Betrag von 120 Euro vom monatlichen Sozialhilfebezug abgezogen – den erbettelt er sich ja und hat damit Einkommen, das angerechnet werden muss, nicht wahr?

Aufgrund der lauten Proteste aus der Bevölkerung wurde diese Entscheidung zwar später aufgehoben, aber ein Sprecher der Stadt betonte ausdrücklich, das sei Gesetz.

Wie lange wollen wir uns so ein Gesetz noch bieten lassen?

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Episode 2: Suche nach Lebensmitteln in Mülleimern - Und dann noch Anzeige wegen Diebstahl

In Hoyerswerda, Sachsen wurde ein Paar von Hartz-IV-Geschädigten gesehen, wie sie bei einem Supermarkt Lebensmittel, deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen war, aus den Mülleimern holten, um etwas Essbares zu haben. Ein liebenswürdiger Zeitgenosse rief die Polizei an. Die kam dann auch gleich und erwischte die beiden „auf frischer Tat“. Laut Polizeibericht wurden die Personalien aufgenommen und die beiden werden eine Verurteilung wegen Diebstahl zu erwarten haben.

Die Banker, die Milliarden in den Sand gesetzt haben und nun aus Steuergeldern unterstützt werden, haben dagegen keinerlei Anzeige zu befürchten.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

Episode 3: Alle Rekorde von „Sanktionen“ gebrochen

Die gleichen Politiker, die den Banken völlig freie Hand lassen, jede noch so gemeinschaftsschädliche Handlung zu begehen, und ihnen danach noch ihre Verluste ersetzen, haben bei Hartz IV die ganze Regulierungswut angewendet, die für die Banken nicht galt. Man hat Hunderte von Regeln geschaffen, die jeder Hartz-IV-Geschädigte auswendig lernen muss, sonst hagelt es „Sanktionen“, d.h. es wird das Geld ganz oder teilweise gestrichen.

Zum Beispiel der Leinen-Zwang: Jede, auch nur kurzzeitige, Entfernung von Wohnort muss vorher von der ARGE genehmigt werden, sonst wird Geld gestrichen. Banken können völlig unreguliert Hundert Milliarden verspielen und sie anschließend vom Steuerzahler einfordern – denn sie sind ja „systemwichtig“. Hartz-IV-Geschädigte dagegen sind nicht wichtig fürs kapitalistische System. Was interessiert, sind Banken, nicht Menschen.

Das steht ja auch schon im Grundgesetz, gleich im Artikel 1: „Die Würde der Banken ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.“

Gibt einer von den Hartz-IV-Geschädigten zum Beispiel nicht die 10 Euro an, die er verdient hat, als er einem Nachbarn half, wird ihm ein wesentlicher Teil seiner Lebensgrundlage gestrichen, versteckt eine kleine Rücklage für harte Zeiten unter seinem Kopfkissen und gibt er sie nicht als „Vermögen“ an, wupps, ist das Geld weg!

Die meisten Sanktionen aber werden vergeben wegen „Meldeversäumnis“. Ist ein gerade eben arbeitslos Gewordener so geschockt, dass er erst nach drei Tagen zum Arbeitsamt geht (Entschuldigung, das heißt auf neudeutsch natürlich ARGE) und sich arbeitslos meldet, wupps, bekommt er einen oder zwei Monate gar nichts! Diese Art von Vergehen, die mit Verhungern bestraft wird (falls der Arbeitslose nicht eine mitleidige Seele findet, die mit ihm ein Brot teilt) wurde laut Angaben der Lügenanstalt von Nürnberg allein im Jahr 2008 insgesamt 294.000 Mal sanktioniert!

Die Gesamtzahl der gestrichenen Leistungen im Jahr 2008 erreichte sogar 741.000 Fälle! Das ist absoluter Rekord. Na, da hat man ein schönes Geld gespart, nicht wahr? Musste man ja auch, denn man musste ja die Banker bezahlen!

Hartz-Protest 02

Episode 4: Nachkriegszeit

Die ‚Volkssolidarität’ ist ein Sozial- und Wohlfahrtsverband in Mecklenburg–Vorpommern, der in der Nachkriegszeit gegründet wurde, als der Hunger in Deutschland grassierte – in allen vier Besatzungszonen. An diese Zeit fühlt sich die stellvertretende Landesvorsitzende des Verbandes, Silvia Steinbach, erinnert. Sie sagte auf einer Veranstaltung des Verbandes: "Wir sind gezwungen, zu längst überwunden geglaubten Formen der sozialen Betreuung zurückzukehren - Suppenküchen, Obdachlosenhilfe, Spendenaktionen".

Gegenwärtig wächst in der Bundesrepublik jedes vierte Kind in Armut auf, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, auf der gleichen Veranstaltung der „Volkssolidarität“. Und: . "Die Chancen, aus Armut wieder herauszukommen, haben abgenommen, Millionen Kinder wachsen ohne Perspektive auf - das sollte uns Angst machen."

Aus der Stadt Dresden wurde berichtet, dass dort inzwischen bereits 12.000 Menschen täglich auf Essen von der „Tafel“ angewiesen sind, um satt zu werden.

Aus einer Kindertagesstädte in Rostock wurde berichtet: „"Zu uns kommen Kinder ohne Frühstück und können nicht an Freizeitangeboten wie Theater, Schwimmen oder Ausflügen teilnehmen".

Hartz-Protest 01

Wo man auch hinsieht, der Hunger oder die Drohung des Hungers breiten sich aus in Deutschland. Wie wärs, wenn wir den Hartz-IV-Parteien SPD, Grüne, CDU/CSU und FDP mal mit Aushungern drohen?


Veröffentlicht am 15. April 2009 in der Berliner Umschau


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

Montag, 16. Februar 2009

Hartz IV 2009: Persönliche Notlagen? Die "Arge" sch.... drauf!

Hartz IV ist Skandal!

Von Karl Weiss

Es gibt unzählige Fälle in der Welt von Hartz IV, in denen die „Argen“ die Auszahlung von Leistungen verweigern, einfach nicht zahlen, auch und gerade dann, wenn der Antragsteller völlig ohne Mittel ist und nichts mehr zu Essen hat. Es scheint, der Herr de Sade persönlich hat die „Argen“ in Sadismus ausgebildet. Andererseits ist die „Arge“ Bonn, eine der berüchtigsten von allen, aber schnell bei der Hand, die Polizei zu holen und Hausverbote auszusprechen, wenn Begleitpersonen auf den Rechten der Betroffenen bestehen.

In Bonn war vor einiger Zeit schon einmal der Gerichtsvorsteher auf dem Weg zur Oberbürgermeisterin, um ihren BMW zu pfänden, weil sich die „Arge“ immer wieder geweigert hatte, Leistungen auszuzahlen.

Eine Anzahl von Hartz-IV-Geschädigten hatte sich an das „Erwerbslosenforum“ gewandt, weil ihnen über einen Monat oder sogar mehrere Monate keine Leistungen von der „Arge“ Bonn ausgezahlt worden waren. Immer wenn die Geschädigten bei der Arge vorsprechen wollten, wurden sie abgewiesen – eine Praxis, die nicht nur in Bonn alltäglich ist.

So gingen denn Begleitpersonen von der Kölner Erwerbsloseninitiative und vom Erwerbslosenforum mit ihnen und erreichten tatsächlich, dass sie vorgelassen wurden. Doch einem der Antragsteller wurde erneut die Anname des Antrags verweigert, was gar nicht zulässig ist. Als die Begleitpersonen dagegen protestierten, erklärte eine Person von der Bonner Arge den Arbeitsablauf gestört und holte die Polizei, um die Beistände entfernen zu lassen. Die aber, statt zuerst einmal die Situation zu klären, kam denn auch gleich dem Verlangen der Arge nach und entfernte die Beistände. Auch dies gesetzwidrig, denn jeder hat Anspruch auf Beistände, wenn er zur Behörde geht.

Aber die Frage von Gesetzwidrigkeiten ist inzwischen sowieso nicht mehr auf der Tagesordnung, denn die sind so häufig bei Hartz IV, dass die gesetzeskonformen Teile dagegen untergehen. Das ganze Hartz IV ist eine Gesetzwidrigkeit – und so war es auch geplant, es ist ein Skandal!

Hier neue Beispiele:

M. war arbeitslos geworden und hatte im November seinen Antrag auf Arbeitslosengeld 2 abgegeben, hat aber bis heute kein Geld erhalten, ebensowenig wie einen Bescheid. Die Arge behauptet, es fehlten zwei Kontoauszüge. Die hat er aber bereits drei Mal dort abgegeben. Solche Fälle von bei der Behörde „verlorenen“ Unterlagen und verschlampten Anträge sind Legion. Das Arbeitslosenforum gab M. einen Betrag zum Lebensunterhalt, bis er endlich Geld sieht, denn er ist mittellos und ohne Lebensmittel und müsste hungern, wenn es nach der CDUSPDGrüneFDPCSU-Behörde gehen würde.

Anderes Beispiel:

Frau S. Hat sich von ihrem gewalttätigen Mann getrennt und hat eine schwerkranke Tochter. Sie hat eine Wohnung gefunden, doch keinerlei Möbel. Ihr steht eine Erstausstattung mit Möbeln zu, doch die Arge übernahm das wochenlang nicht. Frau S. muss mit ihrer Tochter auf einer Decke auf dem Boden in der leeren Wohnung schlafen. Die Arge weiss das und bleibt untätig. Schliesslich können Beistände, die mit Frau S. zur Arge gehen, erreichen, dass die Übernahme der Möbel für die darauffolgende Woche zugesagt wird. Allerdings ist der zugesagte Betrag zu gering. Das reicht nicht hinten und vorne. Der Sachbearbeiter erklärt schnippisch, man könne ja widersprechen.

Weiteres Beispiel:

Die Schülerin V. geht zur Fachschule und hat Anspruch auf die Leistungen. Doch die ARGE rührt sich wochenlang nicht nach der Abgabe des Antrags. Schliesslich wurden ihr mit grosser Verspätung die Leistungen für Januar ausgezahlt und eine Mietgarantie zugesagt. Die Miete wurde aber nicht bezahlt. V. ist von Kündigung bedroht. Ein Schreiben des Anwalts rührt die Behörde nicht im mindesten. Offenbar sch... man drauf. Erst nach einem Eilantrag beim Sozialgericht wird schliesslich die Miete überwiesen. Es habe einen Zahlendreher bei der Kontonummer gegeben. Doch im Februar wieder das gleiche Lied. Die Leistung wird nicht bezahlt, die Miete auch nicht. Schliesslich erreichen Begleitpersonen, dass V. wenigstens 100 Euro bekommt. Für die kommende Woche ist Bezahlung zugesagt. Was wird dann wohl die Ausrede sein?


Veröffentlicht am 16. Februar 2009 in der Berliner Umschau

Donnerstag, 29. Januar 2009

Das Verfassungsgericht und Hartz IV

Unrechtsstaat Bundesrepublik

Von Karl Weiss

Zwei Nachrichten haben in den letzten Tagen die Diskussion um Hartz IV erneut angeheizt, die im Grunde nie abgerissen war. Die erste war vom Hessischen Landessozialgericht: Man erklärte, nach Ansicht dieses Gerichts sei der Hartz-IV-Regelsatz (351,- Euro) verfassungswidrig, weil er in nicht nachvollziehbarer Weise Abschläge ohne Begründung enthält. Man verwies deshalb ein Verfahren an das Bundesverfassungsgericht (BVG). Gleich am darauffolgenden Tag kam eine ähnliche Nachricht, diesmal vom Bundessozialgericht, der höchsten Instanz im Sozialrecht, das bisher dadurch aufgefallen war, alle Vorgaben der Politik abzusegnen: Der verminderte Satz für Kinder, so das Bundessozialgericht, sei verfassungswidrig, denn er sei nicht begründet. Auch dies Gericht verwies Verfahren ans BVG, das nun nicht mehr darum herumkommt, sich dazu zu stellen.

Sozialprotest DGB

Bereits seit Einführung von Hartz IV im Januar 2005 gab es vielfache Anstrengungen, das BVG zu einer Stellungnahme zu dieser größten Enteignungs-Gesetzgebung der Geschichte der Bundesrepublik zu bewegen. Unter Vorgabe juristischer Spitzfindigkeiten hat es sich aber bis heute geweigert, eine Grundsatzentscheidung zu den wesentlichen Inhalten von Hartz IV zu fällen. Erst jetzt, fast genau 4 Jahre später, wird zumindest zur Höhe des Regelsatzes und des Satzes für Kinder eine Entscheidung gefällt werden müssen.

Dabei ist die Höhe des Satzes tatsächlich eine der großen Unmenschlichkeiten bei Hartz IV, aber noch nicht einmal die größte. Die entsetzlichen Auswirkungen von Hartz IV auf die gesamte Gesellschaft wurden vor allem durch die Vorschriften hervorgerufen, dass Arbeitslose in Hartz IV jegliche Arbeit zu jeglicher Bezahlung annehmen müssen und dass gleichzeitig die Zeitarbeit geöffnet wurde und kein Mindestlohn festgelegt wurde. Dazu wurden die Ein-Euro-Jobs geschaffen, die reguläre Arbeitsplätze ersetzt haben und so die Arbeitslosigkeit insgesamt in die Höhe getrieben haben. So wurden all die Niedriglohn-Bereiche geschaffen und das gesamte Lohnniveau in Deutschland in den Keller getrieben.

Hartz-Protest 02

Rechtlich gesehen ist das Hauptproblem von Hartz IV aber die Enteignung. Alle diese Arbeitslosen haben (zum Teil viele Jahre) in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und haben daher Anspruch auf die mit dieser Zahlung verbundenen Versicherungsleistungen. Genau gesagt, hängt die Auszahlung einer Versicherungsleistung gar nicht von der Zahl der Jahre ab, die eingezahlt wurde, das ist ja gerade das Prinzip einer Versicherung. Allerdings kann es Mindestjahre geben, das sind in Deutschland drei jahre und die Leistung kann nach der Höhe der Einzahlung gestaffelt sein. Auch das war in Deutschland der Fall. Man bezahlte einen Prozentsatz des Brutto-Einkommens bis zu einem Höchstbetrag und hatte dann Anspruch auf Arbeitslosengeld in Prozent der letzten Einkommen (bzw. des Höchstbetrages) und nach 2 bzw. drei Jahren auf Arbeitslosenhilfe, deutlich weniger, aber ebenfalls abgestuft nach Einkommen und Einzahlungshöhe.

Nun kann ein Versicherungsunternehmen (und damit muss hier verglichen werden) natürlich sagen: Ab sofort kann ich aus diesen und jenen Gründen diese Art von Versicherung nicht aufrecht erhalten – ich biete ab sofort nur noch eine deutlich verminderte Leistung an. Das betrifft natürlich nicht die Altfälle, denn die haben ja ihre Ansprüche erworben. Es kann nur auf neu Eintretende angewandt werden.

Ebenso wird ein Versicherungsunternehmen, wenn es in finanziellen Schwierigkeiten steckt, eine Anpassung der Leistungen nach unten durchführen können, wobei da allerdings sicherlich enge Grenzen gesetzt sind, denn die Leistungen, für die eingezahlt wurde, können nicht willkürlich vermindert und/oder gestrichen werden.

Weg mit Hartz IV

Jedes Versicherungsunternehmen, das eine vergleichbare Verminderung der Leistungen ihren Versicherungsnehmern zugemutet hätte, wäre ohne Zweifel zur Fortführung der alten Regelung verurteilt worden. Selbst wenn es beklagt hätte, neue Umstände würden es unmöglich machen mit den alten Bedingungen weiterzuarbeiten, wären mit Sicherheit nur geringe „Anpassungen“ erlaubt worden. Auch hätten die „neuen Umstände“ eindeutig klargelegt werden müssen.

Nun argumentiert die Politikerkaste, es habe sich ja nur beim Arbeitslosengeld, nicht aber bei der Arbeitslosenhilfe um eine Versicherungsleistung gehandelt. Eine „ Anpassung“ bei der Arbeitslosenhilfe stehe im freiem Ermessen der Politik.

Das kann so nicht hingenommen werden:

1. Erstreckt sich dieses Argument nicht auf das völlig willkürliche Zusammenstreichen des Arbeitslosengeldes von zwei bzw. drei Jahren auf 1 Jahr, das sogar Hartz selbst als „Betrug“ charakterisierte.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

2. Das Versprechen der Leistung, das mit der Zahlung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verbunden war, erstreckte sich immer auch auf die Arbeitslosenhilfe, nicht nur auf das Arbeitslosengeld. Wenn die Politik entschieden hatte, diese Mittel aus Steuergeldern aufzubringen und nicht aus den Beiträgen, war das kein Freibrief für beliebige Streichungen.

3. Dass die Mittel aus den Beiträgen nicht mehr für die Bezahlung aus der Arbeitslosenhilfe ausreichte, war hauptsächlich auf sachfremde Nutzung dieser Mittel zurückzuführen. Es wurden Frühpensionierungs-Aktionen, Altersteilzeit und ähnliche Schemata massiv durch Versicherungsmittel finanziert, obwohl die ausschließlichen Nutznießer davon nicht die Versicherten, sondern die Unternehmen waren, die jene Leistungen eigentlich hätten aufbringen müssen, um sich „geräuschlos“ von ihren älteren Arbeitnehmern trennen zu können.

Natürlich ist eine staatliche Pflichtabgabe nicht identisch mit einem Vertrag mit einem privaten Versicherer, aber nicht umsonst heißt die Abgabe „Arbeitslosenversicherung“. Sie muss zumindest im Prinzip ähnlich wie eine Versicherung funktionieren. Damit ist völlig unvereinbar, zuerst die Beiträge zu kassieren und dann die geschuldeten Leistungen willkürlich und extrem zusammenzustreichen.

Natürlich wäre angesichts der stark steigenden Arbeitslosenzahlen gewisse Anpassungen in den Leistungen möglich gewesen, aber nicht ein Zusammenstreichen auf einen fast verschwindenden Rest. Das war Enteignung!

Es gibt aber noch einen anderen Teil der Enteignung, die Hartz IV von Anfang an dargestellt hat: Die Leistung, nun Arbeitslosengeld 2 (ALG2) genannt, wird nur gezahlt, wenn man alle Ersparnisse bis auf einen winzigen Rest aufgebraucht hat. Das ist mit dem Prinzip einer Versicherungsleistung unvereinbar. Und es bleibt eben eine Versicherungsleistung, auch wenn die Politiker entschieden haben, diesen Teil aus Steuergeldern zu bezahlen.

Was die Menschen sich erspart haben, kann nicht als „Vermögen“ bewertet werden, das zunächst aufgebraucht werden muss. Man hat ja eben gerade Ersparnis für den Fall von Arbeitslosigkeit und/oder Alter, wenn man mit den staatlichen Leistungen aus den Versicherungen sehr knapp dran sein wird.

Wenn sich die Versicherung weigert zu zahlen, weil noch „Vermögen“ vorhanden ist, ist das völlig unakzeptabel.

Das wäre der Fall, wenn es sich einfach um völlig unbegründete Almosen handeln würde, die man nur Bedürftigen auszahlen will. Nur ist das eben nicht der Fall, denn das deutsche System beruht eben gerade darauf, dass man niemand in die Situation kommen lassen will, wo er auf Almosen angewiesen ist. Zu diesem Zweck zahlt eben jener Arbeitnehmer seine Versicherungsbeiträge: Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung. Diese Beiträge sind ja nicht freiwillig, sondern Pflichtbeiträge. Nur schaffen sie eben auf der anderen Seite auch die Pflicht, die versprochenen Leistungen (jedenfalls im wesentlichen) dann auch zu gewähren, wenn der Versicherungsfall eintritt.

Wären die Leistungen freiwillig und jemand hätte nicht eingezahlt, so könnte man eventuell rechtfertigen, dass Ersparnisse aufgebraucht werden sollen, aber als Beitragszahler einer Pflichtleistung ist das unvereinbar. Und die versprochene Leistung der Pflichtversicherung „Arbeitslosenversicherung“ war eben nie auf das Arbeitslosengeld am Anfang beschränkt, sondern enthielt immer auch die anschließende Arbeitslosenhilfe.

Der zweite wesentliche Punkt außerhalb des Regelsatzes ist die Verpflichtung, jeden beliebigen Job annehmen zu müssen, und sei er noch so schlecht bezahlt, wenn man ALG2 bezieht, sonst wird die Leistung gekürzt und im Wiederholungsfall gestrichen. Dies ist sogar der eigentliche Kernpunkt von Hartz IV. Damit (im Zusammenhang damit, dass man keinen Mindestlohn einführte) wurde ein riesiger Bereich von Niedriglöhnen und Winzlöhnen geschaffen, in den die Hartz-IV-Geschädigten hineingezwungen wurden.

Das war das Unmenschlichste am System Hartz IV und ist zweifellos mit der Würde des Menschen nicht vereinbar. Bis heute hat aber kein Gericht das Bundesverfassungsgericht angerufen wegen dieser Regelung.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung, die Frage des Kindersatzes an das Verfassungsgericht zu leiten, u.a. den Begriff des „grundrechtsensiblen Bereiches der Sicherung des Existenzminimums“ gebraucht. Damit stellt man fest, es kann in einem Staat, der sich Sozialstaat und Rechtsstaat nennt, nichts unterhalb der wirklichen Sicherung des Existenzminimums geben, denn das wäre nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, jedenfalls nach Ansicht des Bundesozialgerichtes.

Nur, in vorherigen Entscheidungen hat das Bundesozialgericht bereits die berühmten „Sanktionen“ abgesegnet, das teilweise oder vollständige Streichen des ALG2 bei Verstößen (wenn man z.B. nicht die vorgeschriebene Zahl von Bewerbungen in einem Monat nachweisen kann). Das bedeutet aber eben auf jeden Fall das Unterschreiten des „grundrechtssensiblen Existenzminimums“ und ist natürlich auch nicht mit der Menschenwürde vereinbar. Da hat man aber nichts ans Verfassungsgericht weitergleitet. Wie denn nun? Kann man das „grundrechtssensible Existenzminimum“ aus- und anknipsen wie ein Licht?

Es gibt also weit mehr als nur die Höhe des Regelsatzes, was das BVG überprüfen müsste. Im

Kern müsste das ganze Gesetz Hartz IV für verfassungswidrig erklärt werden. Aber darauf können wir lange warten in diesem Unrechtsstaat.

Aber wenn wieder Hunderttausende zu den Montagsdemos gehen, wenn mit Generalstreik gedroht wird, dann bekommen die Richter und Politiker vielleicht ihren Hintern hoch.


Veröffentlicht am 29. Januar 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 19. Januar 2009

Gezielt die Bevölkerung verarmen und vereinzeln

Will Große Koalition am Wohngeld sparen?

Von Karl Weiss

Im Bundestag wurde still und heimlich schon vor einiger Zeit ein Gesetzentwurf von der Großen Koalition eingebracht, der den Bewohnern von Wohngemeinschaften nicht mehr zugesteht, Wohngeld entsprechend ihrem tatsächlichen Anteil an der Miete zu bekommen. Nirgends in Presse, Funk oder Fernsehen wurde darüber berichtet. Offenbar will man hier einen weiteren Beitrag zum Verarmen und Vereinzeln der Bevölkerung klammheimlich durchziehen.

Weg mit Hartz IV

Im Fall eines Wohngeldanspruchs von Wohngemeinschaftsmitgliedern soll geprüft werden, wer noch in der Wohngemeinschaft wohnt und nur dann Wohngeld gezahlt werden, wenn keine Person mit höherem Einkommen in der Wohngemeinschaft gefunden wird, der man einfach das Bezahlen der Miete oder des größten Teils der Miete auferlegt.

Oder mit anderen Worten: Alle Wohngemeinschaften, in denen einer dort wohnenden Anspruch auf Wohngeld hat, hätten nicht mehr die Freiheit, die Miete zu gleichen Teilen zu bezahlen oder nach einen anderen Modus, der von den Mitgliedern der Wohngemeinschaft festgelegt wird, sondern müssen die Miete unter den Mitgliedern ohne Wohngeldanspruch aufteilen. Erst wenn dann noch etwas für denjenigen zu zahlen übrig bleibt, der Wohngeldanspruch hat, kann dieser (verringerte) Wohngeldanspruch greifen, wenn dies Gesetz durchkommt.

Was bedeutet das in der Praxis? Niemand wird mehr mit jemand eine Wohngemeinschaft bilden wollen, der Wohngeldanspruch hat, denn dann müsste man ja überproportional zahlen. In bestehenden Wohngemeinschaften werden wohl solche Mitglieder mit Wohngeldanspruch hinausgeworfen. In der Praxis wird also die Zahl der Wohngemeinschaften deutlich sinken. Das dürfte beabsichtigt sein.

Wer Wohngeldanspruch hat, wird fast automatisch dazu verurteilt sein, allein in einer 1-Zimmer-Wohnung oder ‚kitchenete‘ zu leben.

Die Große Koalition sagt sich – und damit hat sie wohl Recht -: Wer sozial isoliert ist, vereinzelt, wird sich weniger wahrscheinlich gegen die Verarmungspolitik der Regierung auflehnen.

>>Also lasst uns die Menschen vereinzeln, in Kleinstwohnungen separieren!<<

Das gleiche war ja schon vorher bei Hartz IV gemacht worden: Lebt jemand, der Hartz-IV-Geschädigter ist, mit jemand zusammen, sei es ein Partner, sei es ein Verwandter, sei es einfach der Hauptmieter, wenn er in Untermiete wohnt,, muss sich der Andere immer darauf gefasst machen, mit Fragebögen über persönliche Verhältnisse, Einkommen usw. ausgeforscht zu werden, denn man geht davon aus: Wer mit Hartz-IV-Geschädigten zusammenlebt, hat deren Unterhalt zu bestreiten, so dass derjenige kein Arbeitslosengeld 2 (ALG 2) mehr bekommt oder es gekürzt bekommt.

Auch dies hatte bereits dazu geführt, dass viele Hartz-IV-Geschädigten auseinandergezogen und in Kleinstwohnungen umgezogen sind, um ihren ALG -2-Anspruch nicht zu verlieren. Sie mussten sich dann von den Politikern der herrschenden Kaste auch noch anhören, sie würden betrügen!

Meseberg-Tagung Bundesregierung

Das gleiche wird nun auch für alle gelten, die Wohngeldanspruch haben (weil sie wenig verdienen und hohe Mietkosten haben), wenn dies Gesetz verabschiedet wird.

Das ist besonders interessant, denn die verkommene Politikerkaste nimmt dabei bewusst in Kauf, mehr bezahlen zu müssen. Es ist offensichtlich: Wollte man die Kosten von Hartz IV verringern, würde man, ganz im Gegenteil, das Zusammenleben in größeren Wohnungen und Wohngemeinschaften fördern, denn dann fallen für jeden Einzelnen bekanntermaßen weniger Mietkosten an. Wenn alle Hartz-IV-geschädigten und Wohngeldberechtigten in Winz-Wohnungen vereinzelt werden, kostet das den Staat mehr ALG 2 und mehr Wohngeld. Aber wir hams ja.

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

Hier wird einmal mehr klar: Es ging bei Hartz IV nie um Einsparungen, ganz im Gegenteil. Hartz IV kommt weit teurer als vorher das Arbeitslosengeld. Man bezahlt dafür, dass die Menschen immer hoffnungsloser werden, denn dann werden sie seltener aufbegehren, dass die Menschen vereinsamt werden, in kleine 1-Zimmerwohnungen gezwungen werden, denn man hofft, so die sozialen Kontakte zu verringern und damit das Rebellions-Potential.

Hartz-Protest 02

So rechnet das Politiker-Pack: Mehr zahlen, macht nichts, Hauptsache die Menschen schließen sich nicht zusammen und gehen nicht auf die Straße.

Darum kann jedem in Hartz IV oder mit Wohngeldanspruch nur geraten werden: Geh zu den Montagsdemos, wehre dich gemeinsam mit anderen!


Veröffentlicht am 19. Januar 2008 in der Berliner Umschau

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Nonkonformer - 21. Sep, 23:42

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