Donnerstag, 26. Juli 2007

Jede Waschmaschine hat mehr Sicherheitsmarge

Das Flugzeug-Unglück der TAM in São Paulo ist letztes Beispiel einer Fehlerserie


Von Karl Weiss


Es schält sich nun, einige Tage nach dem schwersten Flugzeugunglück der brasilianischen Luftfahrt, mehr und mehr heraus: Es handelt sich wiederum, wie schon beim Absturz der Boeing 737 der Gol im September letzten Jahres, um eine Reihe von Fehlern bzw. unglücklichen erschwerenden Umständen, die in ihrer Gesamtheit zur Katastrophe geführt haben.

TAM Crash São Paulo

199 wahrscheinlich Tote sind bereits gezählt, erst 63 Leichen sind identifiziert, denn die meisten sind verbrannt und dies teilweise bis zur Unkenntlichkeit. Bei einigen Überresten ist kaum noch festzustellen, dass dies überhaupt ein menschlicher Leichnam ist. Der Vergleich der typischen Zahn-Register zur Identifizierung ist in einer Reihe von Fällen nicht mehr möglich. Da hilft nur noch DNA-Vergleich.

Die gravierendsten Fehler, die sicherlich wesentlich zur Katastrophe beigetragen haben, sind:
  • Es ist ungeklärt, auf welcher Grundlage die Haupt-Start- und Landebahn des Flughafen Congonhas in São Paulo gegen Ende Juni nach einem teilweisen Neubelag der Piste freigegeben wurde. Der Grund für die Arbeiten an der Startbahn waren schon mehrfach aufgetretenen gefährliche Situationen, weil sich bei Regen Pfützen auf dem Rollfeld bilden. Die Betreibergesellschaft der brasilianischen Flughäfen Infra-Aereo hatte damals angegeben, es hätte eine Überprüfung der Konditionen der Landebahn durch ein Technologie-Institut in São Paulo stattgefunden. Alle waren davon ausgegangen, dieses Institut hätte die Rollbahn freigegeben. Nun wurde aber von dem Institut eine Mitteilung an die Öffentlichkeit herausgegeben, die besagt, die Ergebnisse der Untersuchung seinen noch gar nicht aus dem Institut herausgekommen. Sie seien erst (zufällig) einen Tag vor dem Desaster fertiggestellt und noch niemand zugestellt worden. Damit steht fest: Die Betreibergesellschaft des Flughafens hat die Freigabe ohne eine fach- und sachgerechte Überprüfung durchgeführt. Eventuell hat sie sogar eine technische Freigabe vorgetäuscht. Zwar habe man die Messung eines Koeffizienten durchgeführt, der eine genügende Reibung der Bahnoberfläche gezeigt hätte, aber das Entscheidende, das Anbringen von Rillen, um den Wasserablauf zu verbessern, war nicht geschehen. Der Vorstandsvorsitzende dieser Gesellschaft läuft in Brasilien immer noch frei herum.
  • Die TAM, die Fluggesellschaft des verunglückten Flugzeugs, veröffentlichte eine Mitteilung, das verunglückte Flugzeug habe vier Tage vor der Katastrophe einen Fehler an der Schubumkehr eines der beiden Triebwerke erlitten und sei seitdem mit abgeschalteter Schubumkehr geflogen. Sowohl TAM als auch die Herstellerfirma Airbus behaupten, dies sei üblich. Das Flugzeug sei auch ohne Schubumkehr sicher und es hätte nicht zur Reparatur aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Ein Fachmann, der Luftfahrtspezialist de Oliveira von der Universität São Paulo, ist da ganz anderer Meinung: „Auf einer kurzen (1950 Meter) und regennassen Piste wie jene von Congonhas am Tag des Unglücks, würde der Umkehrschub sicherlich wesentlich zum Bremsen des Flugzeugs beigetragen haben. Auf keinen Fall hätte ein Flugzeug mit 62,5 Tonnen dort unter diesen Bedingungen ohne die Schubumkehr landen dürfen.“ Sowohl der Vorstandsvorsitzende der TAM wie auch der von Airbus laufen ebenfalls weiter frei herum.
  • Der dritte wesentliche Fehler war ganz sicherlich, dass in Congonhas weder eine generelle Anweisung bestand, bei feuchter Piste oder jedenfalls bei starkem Regen keine Landungen zuzulassen noch dass in der konkreten Situation die Flugaufsicht zumindest so lange die Piste für Landungen gesperrt hätte, bis der starke Platzregen nachliess. Das Flugzeug hatte ja genug Treibstoff an Bord, um über eine Stunde im Auffangraum zu kreisen. Es hätte auch auf die naheliegenden Flughäfen Internationaler Flughafen von São Paulo in Cumbica oder Internationaler Flughafen von Campinas - Viracopos umgeleitet werden können. Auch die hierfür Verantwortlichen laufen frei herum.
  • Ausserdem ist – anscheinend aus der Auswertung der „black box“ - bereits das Gerücht durchgesickert, es habe einen technischen Fehler am Flugzeug bei der Landung gegeben.
Man kann sich jetzt ungefähr die Situation des Piloten vorstellen, als er in einem dichten Regenguss im Dunkeln (um kurz vor sieben ist es jetzt im Winter im Südosten Brasiliens bereits zappenduster) auf der Landebahn von Congonhas aufsetzte. Er dürfte gleich gemerkt haben, dass Aquaplaning ihm ein normales Bremsen mit den Bremsen an den Rädern unmöglich machte (wer schon einmal Aquaplaning im Auto erlebt hat, weiss: Es ist genau wie Glatteis). Ebenso wusste er ja, man hatte ihn veranlasst, diesen Flug durchzuführen, obwohl die Schubumkehr nicht funktionierte. Damit konnte er also ebenfalls nicht bremsen.

Er hat sich also wohl in Sekundenbruchteilen überlegen müssen, was ihm an Handlungsmöglichkeiten offenblieb. Die bei weitem naheliegendste war mit Sicherheit das Durchstarten. Die Geschwindigkeit, mit der er am Ende der Landebahn ankam, lässt auch mit guter Wahrscheinlichkeit annehmen, genau dies hat er versucht. Nun muss aber irgendein anderer Fehler aufgetreten sein, denn normalerwiese hätte die Länge der Landebahn für ein Durchstartmanöver ausreichen müssen.

Denkbar ist, er hat die Entscheidung zum Durchstarten zu spät getroffen. Oder aber, der Computer hat sie zu spät getroffen (siehe unten).

Was jedenfalls auffällt, in der allerletzen Phase des Rollens innerhalb des Flughafens hat das Flugzeug eine Linkskurve gemacht. Dort, am Ende der Landebahn, mündet ja die Zufahrtstrecke in die Landebahn und genau dort ist es nach links geschwenkt, so als ob bei dieser Geschwindigkeit eine so scharfe Kurve möglich wäre. Es ist völlig unklar, ob dies ein Steuermanöver des Piloten war – was eigentlich keinen Sinn ergibt – oder ob ein weiterer Fehler am Flugzeug auftrat, der dies verursachte.

Dadurch war ein Abheben und Durchstarten sowieso nicht mehr möglich, denn nun musste er nicht nur den einfachen Zaun am Ende des Flughafens durchbrechen, sondern eine Betonabsperrung, die ein so schweres Flugzeug bei etwa 250 km/h auch durchbrach, was aber jedes Hoffen auf ein Durchstarten unmöglich machte. Es wird wohl ungeklärt bleiben, ob das Durchstarten gelungen wäre, wenn diese Linkskurve nicht geschehen wäre.

Trotzdem hob das Flugzeug kurzzeitig ab, denn hinter dem Flughafenzaun geht es etwa dreissig Meter steil nach unten. Es flog über die belebte Avenida Washington Louis, um dann aber wenige Meter dahinter auf dem Boden aufzuschlagen, die Tankstelle abzurasieren und in das dahinter stehende grosse Beton-Gebäude hineinzuknallen, das den Jet umittelbar zum Stehen brachte und alles in einer Explosion aufgehen liess.

Die Betreibergesellschaft des Flughafens hat ein Video veröffentlicht, auf dem man einen Teil dieses Ablaufs verfolgen kann. Das Video ist von einer der feststehenden Kameras am Flughafengebäude aufgenommen worden. Im Blick ist bei dieser Kamera im Hintergrund der letzte Teil der Landebahn.

Zunächst hat man ein Video davorgestellt, das eine normalen Landung eines Flugzeugs in diesem Teil der Landebahn zeigt. Das Flugzeug bremst stark ab, kommt fast zum Stehen und rollt dann nach links aus dem Blickwinkel. Es ist etwa 11 Sekunden im Blickbereich.

Dann kommt das Video, das vom Durchlauf des Unglücks-Airbus auf genommen wurde. Die genaue Uhrzeit ist eingeblendet und kann verfolgt werden. Das Flugzeug rast mit hoher Geschwindigkeit durchs Bild. Eine Sekunde, nachdem es links aus dem Bild verschwunden ist, sieht man den Lichtschein einer riesigen Explosion von dort. Es hat nur drei Sekunden gebracht, um den Blickbereich zu durchmessen. Angesichts dessen, was passiert ist, laufen einem kalte Schauer über den Rücken beim Ansehen des Videos.

Im Zusammenhang mit diesem Desaster ist dem Berichterstatter auch ein Erlebnis von eine Südafrika-Reise wieder eingefallen. Am Flughafen von Johannesburg musste er beim Heimflug nach Deutschland nämlich Stunden auf den Abflug des Lufthansa-Jumbos warten. Es war von dem Warteraum zu erkennen, es wurde an dem Jumbo gearbeitet, genau gesagt an einem der Triebwerke. Als Grund für die Verzögerung wurde `Regen` angegeben. In Johannesburg ist Regen eine Seltenheit, aber an diesem Tag gab es dort einen Landregen.

Das schien zunächst keinen Sinn zu ergeben. Als man dann aber endlich ins Flugzeug durfte, klärte der Flugkapitän auf, um was es sich gehandelt hatte. In einem der Triebwerke habe die Schubumkehr nicht funktioniert. Da die Startbahn aber regennass war, durfte der Jumbo so nicht starten. Hätte der Startvorgang abgebrochen werden müssen, hätte die Schubumkehr auf beiden Seiten gleichmässig und von allen vier Triebwerken zur Verfügung stehen müssen, um ein sicheres Bremsen vor dem Ende der Startbahn zu gewährleisten.

Nun mag jemand einwenden, hier handelte es sich ja um einen Jumbo, also ein weit grösseres und schwereres Flugzeug als ein A 320. Stimmt, aber es handelte sich auch um den internationalen Flughafen von Johannesburg mit einer Startbahn von 3200 oder 3500 Metern und grossen Auslaufstrecken hinter der Startbahn ohne dicht bewohnte Gebiete.

Allerdings handelte es sich um die 80er-Jahre. Das war also im wesentlichen vor der allgemeinen Liberalisierung des Flugverkehrs, jedenfalls war die Lufthansa noch nicht direkt betroffen. Heute hat die generelle Liberalisierung (fast immer verbunden mit einer Privatisierung der staatlichen Linien) zu einem im wahrsten Sinne tödlichen Konkurrenzkampf der Fluglinien (und Flughäfen) untereinander geführt hat, dem schon reihenweise Fluggesellschaften zum Opfer gefallen sind, eine der letzten die früher staatliche brasilianische Varig, davor in Brasilien bereits die VASP und die Transbrasil. Es kann kein Zweifel bestehen, die völlige Unterwerfung der Luftfahrt unter die kapitalistischen Profitgesetze hat das Fliegen deutlich unsicherer gemacht.

Im Zusammenhang mit diesem tragischen Unglück einer A 320 muss auch an die Geschichte dieses Flugzeugs erinnert werden.

Bei einem Schauflug in Mulhouse in Frankreich im Jahr 1988 zur Vorstellung vor der Weltpresse ist ein Airbus 320 nämlich abgestürzt. Er flog sehr niedrig eine Ehrenrunde über den Flughafen und blieb dann genauso niedrig, als er hinter dem Ende der Startbahn auf ein Waldstück zusteuerte, anstatt schneller zu werden und nach oben zu ziehen.

Er streifte die Bäume und krachte in den Wald. Zum Glück wurde der Absturz durch die Bäume zum Teil abgefedert, sodass von 136 Insassen 133 überlebten, einschliesslich der Piloten.

Die Airbus behauptete, die Piloten hätten Fehler gemacht und versäumt, das Flugzeug zu beschleunigen und hochzuziehen. Vom ersten Moment an war aber zweifelhaft, warum so erfahrene Piloten so stümperhaften Fehler begangen haben sollten. Die Piloten dagegen gaben an, das Flugzeug habe auf die Steuer- und Bechleunigungs-Bewegungen nicht reagiert. Als es schliesslich reagierte, habe man schon die Bäume gestreift.

Die A 320 war nämlich das erste Serien-Flugzeug, das ausschliesslich vom Computer seine konkreten Befehle empfängt. Die Steuerung und die Hebel des Piloten geben lediglich Informationen in den Computer ein (rein digitale fly-by-wire-Steuerung, der Pilot fliegt mit Joysticks). Ein Fachmann gab damals ein Gutachten ab, der Computer könne tatsächlich die Befehle nicht sofort ausgeführt haben, weil sie für ihn völlig unlogisch erschienen sein mögen.

Der erste Prozess gegen die Piloten wurde unter ungeklärten Umständen abgebrochen.

Später fand ein neuer Prozess mit einem anderen Richter statt, in dem die Piloten verurteilt wurden. Ihre Einlassungen wurden zu Schutzbehauptungen erklärt. Sie hätten angeblich während des Fluges das automatische Flugkontrollsystem abgeschaltet. Dies wäre ein so unglaublicher Fehler, dass dies ernsthaft bezweifelt werden muss. Jener Gutachter war von der Bildfläche verschwunden. Es wollten die Gerüchte nicht verstummen, der Richter sei vom französischen Staat zur Staatsraison gezwungen worden. Der ganze Ruf der Airbus – nicht nur in Frankreich – stand auf dem Spiel und daher mussten die Piloten schuldig sein.

Sollte der Computer der A 320 in Congonhas etwa wieder verspätet auf die Befehle zum Durchstarten reagiert haben? Vielleicht weil die Räder, die ja bei Aquaplaning über einem Wasserkeil schwebten, eine weit niedrigere Geschwindigkeit dem Computer vorspiegelten als es die wirkliche war? Vielleicht hätte aus der dem Computer angezeigten Geschwindigkeit kein Durchstarten mehr erfolgen können und er verweigerte darum, sofort zum Durchstarten überzugehen?

Interessant auch ein anderes Unglück einer A 320, dem meist verkauften Verkehrsflugzeug der Welt (5000 Exemplare), das Lufthansa-Unglück in Warschau am 14. September 1993. Auch dort trat bei der Landung Aquaplaning auf. Der Computer liess deshalb keine Bremshilfen und keinen Umkehrschub zu, bis nur noch ein kleiner Teil der Landebahn zur Verfügung stand. Das Flugzeug schoss über die Landebahn hinaus und kam an einem Erdwall zum Stehen, wo es Feuer fing. Zwei Personen starben.

Die Parallelen zum Fall in São Paulo sind vielfach. Hätte es in Congonhas hinter dem Ende der Landebahn eine Auslaufzone mit einem Erdwall gegeben, wären wahrscheinlich auch nur wenige Tote zu beklagen gewesen. Die Lage des Flughafens mitten in der Stadt und ohne auch nur den geringsten Sicherheitsabstand zu Strassen und Gebäuden, auch unmittelbar am Ende der Start- und Landebahn, muss also als eine wesentliche Ursache für die katastrophalen Aussmasse des Unglücks angesehen werden.

Nach Angaben auf der Site

http://de.wikipedia.org/wiki/Airbus_A320

führten die Erkenntnisse aus dem Unfall in Warschau zu einer Änderung der Software für die Bodenkontakterkennung, aber eben nicht zu dem, was die Concorde (ebenfalls ein fly-by-wire-Flugzeug) hatte, einem Ersatzsystem, das im Notfall dem Piloten das direkte Fliegen ermöglicht, ohne dass der Computer, der eventuell fehlerbehaftet sein kann, gegen den Willen des Piloten Entscheidungen treffen kann.

Nun, die Tendenz bei allen Beteiligten in Brasilien ist jedenfalls, dem toten Piloten die Verantwortung in die Schuhe zu schieben.

Kurios noch: Das Flugzeug hat eine Passagier-und Crew-Höchstzahl von 185, aber es waren auch zwei Kleinkinder an Bord, die keinen eigenen Sitzplatz hatten, so dass in Wirklichkeit 187 Insassen an Bord waren. Zunächst war aber immer von 186 ausgegangen worden. Auch die veröffentlichte Passagierliste enthielt 186 Namen. Erst jetzt wurde bekannt, es war auf dem letzten freien Platz noch ein Angestellter der TAM im Flugzeug, der mit einem Spezial-Pass einsteigen konnte und daher nicht auf der Liste stand.

Zu diesen 187 Toten kommen drei Angestellte der TAM, die in dem Gebäude arbeiteten, in das der Airbus schoss, die bereits im Krankenhaus an den schweren Verbrennungen gestorben sind. Es werden unter den Personen, die an jenem Abend im Gebäude der TAM Express-Frachtgesellschaft waren, aber noch acht Personen vermisst, die nach jeglicher Wahrscheinlichkeit auch tot sein dürften. Das macht insgesamt 198 Tote.

Dazu wurde jetzt klar, in der Tankstelle, wo das Flugzeug zunächst aufschlug, stand ein Taxi. Seine verkohlten Überreste wurden nun in den Trümmern gefunden. Der 22-jährige Fahrer des Taxis war zunächst verschollen. Inzwischen wurde er bereits als einer Toten identifiziert. Damit erhöht sich die Zahl auf 199.

Die ANAC, die staatliche Aufsichtsbehörde über den Flugverkehr in Brasilien, hat am Samstag bekanntgegeben, es werde eine Kommission eingesetzt, die den Bau eines neuen nationalen Flughafens in São Paulo als Ersatz für Congonhas prüfen wird. Ebenso hat man Massnahmen angeordnet, die Zahl der Flüge über Congonhas zu verringern. Speziell sollen keine Zwischenlandungen in Congonhas mehr möglich sein. Das bezieht sich darauf, dass der verunglückte Airbus noch viel Sprit in den Tanks hatte, als er verunglückte, denn er hätte noch nach Belo Horizonte weiterfliegen sollen.

Der Berichterstatter, der schon oft in Congonhas gestartet und gelandet ist, kann noch das unwohle Gefühl nachtragen, das man dort oft hatte. Bei fast jedem Start rauschte man über das Ende des Flughafens in den Luftraum über der dichtbesiedelten Stadt nur ein bis zwei Sekunden, nachdem man abgehoben hatte. Bei fast jeder Landung musste ein wesentlicher Teil der Landebahn genutzt werden, um zum Stehen zu kommen. Bei einem jährlichen Passagieraufkommen von 20 Millionen auf diesem Flughafen ein etwas kritischer Zustand. Jede Waschmaschine hat mehr Sicherheitsmarge.

Inzwischen hat sich auch die Internationale Transportarbeiter-Föderation ITF zu diesem Desaster zu Wort gemeldet und es als vorhergesehen und vermeidbar bezeichnet. Ingo Marowsky, der Sekretär der Sektion Ziviluftfahrt der ITF, sagte dazu: “Wir und die brasilianischen Gewerkschaften haben wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die Sicherheit gefährdet war. Es gibt keinen besseren Beweis dafür, als dass Vertreter der Beschäftigten der TAM mit solchen des Managments in jenem Moment eine Sitzung über Beschwerden wegen fehlender Sicherheit in jenem TAM-Gebäude abhielten, als das Flugzeug hineinkrachte.“

Auf der Site des internationalen Gewerkschafts-Zusammenschlusses kann man ein Dokument nachlesen, das bereits lange vor diesem Unfall wichtige Verbesserungen in der Zivilluftfahrt Brasiliens und der anderen Länder des Mercosur fordert:

http://www.itfglobal.org/news-online/index.cfm/newsdetail/1458


Veröffentlicht am 26. Juli 2007 in der Berliner Umschau


Originalartikel

Samstag, 21. Juli 2007

Massive Desinformation

Ölkartelle geben viel Geld für "leicht frisierte Wahrheit" aus

Von Karl Weiss

Die Öl- und die mit ihnen eng liierten Automobilkonzerne werden immer verzweifelter in ihren Bemühungen, ihre ‚Ikonen’ und hauptsächlichen Profitbringer Benzin und Diesel gegen den Ansturm von Bio-Treibstoffen zu verteidigen. Da werden denn auch schon mal ein paar schmutzige Tricks versucht, um die Biokraftstoffe zu verunglimpfen. Da schreibt zum Beispiel Mathias Gräbner in „Telepolis“, offenbar hereingefallen auf einen der Verdrehungsversuche der interessierten Industriekreise, Biosprit würde die Luftbelastung in den Städten vergrößern und dort zu vermehrten umweltbedingten Erkrankungen führen.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

Als Beleg nimmt er dabei eine Untersuchung, basierend auf Computermodellen, die Marc Jacoben von der Stanford University in Kalifornien angestellt hat. Nach diesen Untersuchungen sei in den bereits hochbelasteten Städten mit einem höheren Ozon-Niveau zu rechnen, wenn wesentliche Teile des Benzins durch Bio-Ethanol ersetzt würden.

Es geht aus dem zitierten Artikel nicht hervor, ob diese Untersuchung vielleicht zufällig durch einen Ölkonzern gesponsert wurde.

Die fünf wärmsten Jahre seit 1890

Liest man aber genauer nach, so wird gleich klar, es wurde nichts dergleichen nachgewiesen. Der Forscher arbeitet ausschließlich mit einer Computersimulation, in die voraussichtliche zukünftige Klimadaten, voraussichtlicher zukünftiger Verkehr, eine weiterhin hohe Luftbelastung durch Dieselmotoren und ein nicht näher spezifizierter voraussichtlicher Schadstoff-Ausstoß durch Ethanol-Motoren eingegeben wurden.

Als Ergebnis wurde eine um 4% höhere Ozonbelastung der Luft und damit eine entsprechend höhere Zahl von Todesfällen durch Ozon in den USA errechnet, wobei offen bleibt, ob dies auf höhere generelle Temperaturen, auf Steigerung des Verkehrs mit Dieselmotoren oder wirklich auf die Abgase von Ethanol-Motoren zurückzuführen wäre. Es ist deutlich, dass es keinerlei Möglichkeit gab, die Genauigkeit der Computersimulation zu verifizieren. Solche Computersimulationen haben (soweit sie überhaupt wissenschaftlich durchgeführt werden) üblicherweise – wenn sie nicht durch jahrzehntelange Arbeiten extrem verfeinert wurden – eine Schwankung von 10% nach oben und nach unten aufzuweisen.

Treffende Karikatur

Kein Ergebnis der Studie

Mit einer minimalen Erhöhung von 4% ist die Aussage also innerhalb der wahrscheinlichen Schwankungen. Mit anderen Worten: Es gibt kein Ergebnis der Studie. Sie hat im Gegenteil einen Hinweis darauf gegeben: Die Luft wird durch eine Umstellung von Benzin auf Alkohol nicht in messbarem Masse stärker mit Ozon belastet.

Die Behauptung der erhöhten Belastung durch Abgase von Ethanol-Motoren ist schlicht und einfach eine massive Desinformation – oder eine „leicht frisierte Wahrheit“.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Hätte man wirklich wissen wollen, wie sich die Luftverschmutzung in den Städten entwickelt, wenn ein wesentlicher Teil des Benzins durch Alkohol ersetzt ist, hätte man einfach die Daten der Messungen (nicht Computersimulationen) in Brasiliens Grossstädten zu Rate ziehen können. In Brasilien ist nämlich bereits seit den 70er Jahren Alkohol als Treibstoff im Einsatz, verstärkt wieder in den letzten Jahren, sowohl als Zumischung zu den normalen Benzin-Fahrzeugen (25%) als auch in reiner Form bei den alten Alkohol-Autos und in jeder beliebigen Mischung bei den modernen Flex-Fuel-Fahrzeugen. Heute ist bereits 75% des Nicht-Diesel-Kraftstoffverbrauchs Alkohol.

Die Ergebnisse der Luftmessungen in den brasilianischen Städten (es liegen ausführliche Untersuchungen vor) sind eindeutig: Die Gesamt-Luftverschmutzung ist deutlich zurückgegangen, hauptsächlich wegen der erniedrigten Schwefeldioxid-Werte. Die anderen Werte wie Partikel (hauptsächlich durch Diesel-Fahrzeuge verursacht), Ozon bzw. NOX sind gleich geblieben und ‚sonstige Verschmutzungen’ haben sich verändert, aber nicht vermindert. So findet man deutlich weniger krebserregendes Benzol oder Toluol, dafür aber Formaldehyd und Acetaldehyd.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Charakteristisch bei dieser Art von Auswertung von Computersimulationen: Es wurden nicht mit einem Wort die wesentlichen Vorteile erwähnt, wenn auf Alkohol umgestellt wird:

Der wichtigste Vorteil ist natürlich: Der Alkohol führt der Luft so gut wie kein zusätzliches Kohlendioxid zu, dem hauptsächlichen Verursacher der globalen Erwärmung, die schon zur beginnenden Klimakatastrophe geführt hat.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Ein anderer wichtiger Vorteil zur Luftverschmutzung: Alkohol enthält keinen Schwefel. Damit wird die Bildung von Schwefeldioxid in den Abgasen der Autos verhindert, der hauptsächlichen Ursache des sauren Regens.

Schliesslich ist es auch nicht zu unterschätzender Vorteil, dass man dann kein Erdöl mehr für diesen Teil des menschlichen Energiebedarfs braucht und die sich verringernden Reserven für wichtigere Zwecke verwenden kann.

Globale Erwärmung

Schliesslich auch die Preis- und Versorgungslage: Alle grossen Industrienationen wie auch China und Indien, die auch bereits zu den acht Ländern mit dem höchsten Brutto-Sozialprodukt (genau: „Gross Domestic Product“, GDP) gehören, müssen fast vollständig oder jedenfalls mehr als die Hälfte des benötigten Erdöls einführen. Die sich daraus ergebenden Abhängigkeiten (wie auch die Kriege um Erdölresourcen) können mit der Umstellung auf Bio-Kraftstoffe beschränkt werden.

Zudem ist das Erdöl ja bereits dabei, unbezahlbar teuer zu werden, während Bio-Ethanol in grossen Mengen z.B. von Brasilien der EU für 25 Cents vom Euro pro Liter angeboten wurde.

Tatsächlich löst der Austausch durch Alkohol keineswegs alle Luftverschmutzungs-Probleme des Strassenverkehrs. Zunächst darf man natürlich nicht, wie bei dieser Studie, dabei stehenbleiben und die ganzen Diesel-Brummis weiterhin ungestört die Luft verschmutzen lassen. Die müssen vielmehr auf Bio-Diesel umgestellt werden – jedenfalls in erheblichem Masse. Damit wird auch das Problem der Dieselabgase wesentlich verringert.

Übergangslösung

Zum anderen ist festzustellen: Alkohol als Benzin- und Bio-Diesel als Diesel-Ersatz sind keineswegs die Lösung der Energie-Probleme für den Transport der Menschheit. Sie können nicht mehr als eine Übergangslösung darstellen, bis genügend Sonnen-Energie-Paneelen in den Wüsten der Welt aufgestellt wurden, um den gesamten Energiebedarf der Menschheit zu decken.

Der Explosionsmotor ist nämlich aufgrund seiner generellen Eigenschaften ein Erzeuger von Luftverschmutzung durch NOX und durch Ozon, was keineswegs auf Dauer akzeptabel ist.

Schmelzendes Eis

Das Klima allerdings kann nicht warten. Es sind durchgreifende Sofortmassnahmen notwendig, um den CO2-Ausstos schnell zu verringern, sonst kann die Klimakatastrophe innerhalb von Jahren unumkehrbar werden. Dafür sind die Umstellung von Benzin auf Alkohol und die von Diesel auf Bio-Diesel (jedenfalls in wesentlichem Ausmass) gut geeignet - wenn sie auch keine endgültigen Lösungen darstellen – weil sie ohne übermächtigen Aufwand mit bereits bewährter Technik durchführbar sind.


Veröffentlicht am 21. Juli 2007 in "Journalismus - Nachrichten von heute"

Originalartikel


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen

- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatstrophe

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

Donnerstag, 19. Juli 2007

Todesschuss den Jungterroristen!

Kloakenjournalismus


Von Karl Weiss


Ein geradezu klassisches Beispiel für hetzerischen Kloakenjournalismus a lá B… hat sich Associated Press (AP) an diesem Sonntag geleistet. Man nahm eine Umfrage von Demoskopen der Universität Bielefeld und „interpretierte“ sie nach eigenem Gusto. Es ging darum, die Demonstranten gegen die Politik der G8 noch nachträglich als „gewaltbereit“ und „illegal“ zu denunzieren.

Ob die ursprüngliche Untersuchung des „Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung der Universität Bielefeld“ vielleicht sogar sinnvoll war, wissenschaftlich durchgeführt wurde und Ergebnisse gebracht hat, die für die herrschende Politikerkaste eine Lehre sein könnten, geht aus dem Text, wie er bei `yahoo-news` nachgedruckt wurde, nicht hervor.

Mal wieder werden weder der eigentliche Zweck der Untersuchung noch deren hauptsächlichen Ergebnisse vorgestellt. Es wird weder die Methodik angegeben, mit der gearbeitet wurde noch werden die Fragen und möglichen Antworten im Wortlaut vorgestellt. Die Methode z.B., mögliche Antworten vorzugeben und damit die tatsächlichen Meinungen zu verfälschen, wird von seriösen Soziologen strikt abgelehnt.

Befragt wuden 3576 der Teilnehmer an den Protesten in Rostock und Heiligendamm unter 25 Jahre. Nach welcher Methode diese aus den mindestens 80 000 ausgewählt wurden, erfährt man nicht. Vielleicht nach dem Motto: „Wir befragen alle, die ein wenig schräg ausssehen“?

Doch all dies interessiert die Textbereiter von AP nicht. Sie wollen hetzen. Da liest man dann:

„Als Motiv für die Teilnahme am Protest [gegen die Politik der G8-Politiker] gaben 88 Prozent Perspektivlosigkeit an.“ Da werden dann die Protestierer gleich zur „prekären Generation“.

Was? Wie? Wer völlig jede Perspektive verloren hat, geht auf Demos????

Da wird doch eher umgekehrt ein Schuh daraus: Gerade weil man eine Perspektive hat, aber eine andere, als die Herrschenden der G8, geht man hin.

Da man nicht erfährt, wie die Frage war und nicht, wie die Antwort war mit 88%, bleibt dies ein Geheimnis.

Doch das war nur der Auftakt. Jetzt gehts ans Eingemachte: 20% der Jugendlichen hätten sich als linksradikal erklärt. Wirklich? Mit diesen Worten? Das hätte man gern gesehen.

Und dann kommts, worauf man eigentlich hinauswill: Es gäbe eine hohe Bereitschaft unter den Befragten zu illegalen Aktionen, zum Beispiel Angriffen auf Firmeneigentum.

Na ist es denn die Möglichkeit, diese jungen Menschen wollen illegal werden, sogar Firmeneigentum angreifen. Na da muss man doch eingreifen! Eine Generation von Terroristen!!!

Na, da wird doch das Vorgehen der Polizei verständlich, nicht wahr? Da ist es doch nur angebracht, von Internierungslagern zu sprechen wie Schäuble und von „vorbeugendem Todesschuss“. Das sind doch offensichtlich alles „Gefährder“.

Die kleine Nebensächlichkeit, dass man keine Prozentzahl angegeben hat, ebensowenig wie den Wortlaut der Frage oder den der Antwort, bleibt ganz unbemerkt angesichts so klarer Aussagen, nicht?

Hat man vielleicht eine Frage gestellt vom Typ: „Wenn die Freiheit in Deutschland in Gefahr wäre, würdest du dann auch zu illegalen Mitteln greifen, z.B. Firmeneigentum angreifen?“

Wir werden es wohl nie erfahren.

Aber wichtig ist, nun muss irgendetwas getan werden gegen diese jungen Terroristen! War man doch bei „Internierungslagern“ etwas zurückhaltend, weil der Vergleich mit Konzentrationslagern sich natürlich aufdrängen würde. Nun ist es aber klar: Wenn eine ganze Generation von Terroristen heranwächst, dann gibt es keine andere Möglichkeit.

Stasi 2.0

Ebenso war die Sache mit dem vorbeugenden Todeschuss natürlich nicht von allen sehr wollwollend gesehen worden, aber nach diesen Ergebnissen gibt es nun natürlich keine andere Wahl mehr: Todesschuss den Jungterroristen!


Veröffentlicht am 19. Juli 2007 in "Journalismus - Nachrichten von heute"

Originalartikel

Mittwoch, 18. Juli 2007

Bis zu 200 Tote bei Flugzeugunglück in São Paulo

Tragödie mit Ansage - Airbus der brasilianischen Linie TAM abgestürzt

Von Karl Weiss

Am Abend des 17.7.2007, kurz vor 19 Uhr Ortszeit (Mitternacht europäische Sommerzeit), machte ein Airbus 320 der brasilianischen Linie TAM, kommend aus Porto Alegre im Süden Brasiliens, einen Landeanflug auf den Flughafen Congonhas, mitten in der Stadt São Paulo, dessen Haupt-Start- und Landebahn erst kürzlich nach einem teilweisen Neubelag wieder freigegeben worden war. Die Landung misslang. Das Flugzeug schoss noch in voller Geschwindigkeit über das Ende der Landebahn hinaus, kreuzte eine sechsspurige Hauptstrasse und knallte in eine Tankstelle und anschließend in ein Gebäude der eigenen Fluggesellschaft.

TAM Crash São Paulo

Zu diesem Zeitpunkt herrschten schwere Regenfälle in São Paulo. Die ersten Kommentare gehen davon aus, dass sich Pfützen auf der Start- und Landebahn gebildet hatten und ein effektives Bremsen des Flugzeuges verhinderten. Vielleicht hat der Flugkapitän auch ein Durchstarten versucht. Die Landebahn in Congonhas ist nur 2000 Meter lang.

Um sieben Uhr abends ist in São Paulo der Höhepunkt des abendlichen Stossverkehrs mit kilometerlangen Staus. Höchstwahrscheinlich war die Hauptstraße direkt am Flughafen in beiden Richtungen auf allen Spuren gestaut.

Der Airbus der TAM soll nach ersten Meldungen 176 Personen an Bord gehabt haben. Andere Meldungen besagen, es habe zumindest 4 Überlebende im Flugzeug gegeben. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass es auch Verletzte und eventuell Tote auf dem Boden gegeben hat, denn das Gebäude der TAM, in das der Jet gerast ist, war belebt.

Auch besteht die Möglichkeit, dass der Riesenjet, als er die Avenida Washington Louis kreuzte, eine Anzahl von Fahrzeugen dort mit sich gerissen hat. Eventuell ist das Flugzeug aber an dieser Stelle auch über sie hinweg geflogen. Das Ende des Flughafens liegt hier etwa 30 Meter über dem Strassenniveau.

Es muss wohl mit zwischen 170 und 200 Toten gerechnet werden, das ist aber offiziell noch nicht bestätigt.

Im Moment, als der Berichterstatter dies schreibt, etwa 2 einhalb Stunden nach dem Unglück, Originalübertragungen auf allen Fernsehkanälen beobachtend und im Internet die neuesten Nachrichten verfolgend, sind die Brände immer noch nicht gelöscht, obwohl mehr als 100 Feuerwehrfahrzeuge vor Ort sind. Sie werden offenbar genährt vom Kerosin des Flugzeugs selbst, von auslaufendem Benzin, Alkohol und Diesel von der Tankstelle und von einem Treibstoff-Depot, das laut Internet-Meldungen im Gebäude vorhanden gewesen sein soll.

Das Flugzeug sollte nach dem Zwischenstop in São Paulo nach Belo Horizonte weiterfliegen und war offenbar noch mit ausreichend Treibstoff für den Weiterflug versehen.

Laut einer Internet-Meldung hat ein Taxifahrer, der unmittelbar nach dem Unglück zum Katastrophenort kam, mindestens vier Personen aus dem Gebäude der TAM springen sehen, wo sie offenbar in einem Flammenmeer waren. Am Fernsehen wird eben berichtet, dass zumindest eine dieser Personen bereits tot im Krankenhaus ankam mit gebrochenem Schädel.

Bereits im Jahr 1996 war eine Fokker 100 der gleichen Fluggesellschaft TAM kurz nach dem Start von eben diesem Flughafen mitten in ein Wohngebiet gestürzt und hatte 98 Insassen und eine Person auf dem Boden in den Tod gerissen.

Die Stadt São Paulo hat, mit insgesamt 20 Millionen Einwohnern im Metropol-Gebiet die grösste der Südhalbkugel, wie so viele andere Städte, zwar einen internationalen Flughafen ausserhalb der Stadt, der weit genug von bewohnten Gebieten, Gebäuden und belebten Hauptstrassen entfernt ist, den Flughafen Cumbica, unterhält aber weiterhin einen kleineren nationalen Flughafen mitten in der Stadt, eben den Flughafen Congonhas. Wenige Meter hinter dem Flughafenzaun sind bewohnte Gebiete, andere Gebäude und zwei sechs- und teilweise sogar achtspurige Hauptstrassen.

Das gleiche gilt übrigens auch für die beiden anderen grossen Städte der Region Südosten Brasiliens, Rio de Janeiro und Belo Horizonte (von wo der Berichterstatter schreibt). In Rio ist es der Flughafen Santo Dumont, wo startenden Flugzeuge eine scharfe Kurve machen müssen, um nicht mit dem Zuckerhut zusammenzustossen. Hier in Belo Horizonte heisst der Stadtflughafen Pampulha, bevorzugt von den Passagieren wegen der kurzen Anfahrtzeit, obwohl ein sicherer Flughafen draussen vor der Stadt völlig unterausgelastet ist.

Aber dies ist ja nicht nur in Brasilien üblich. In Chicago in den USA heisst der Flughafen mitten in der Stadt Midway, in der deutschen Hauptstadt Berlin Tempelhof.

Alle diese Flughäfen entsprechen nicht den internationalen Luftfahrtrichtlinien, die zumindest ein oder zwei Kilometer freies Land hinter den Enden der Start- und Landebahnen verlangen.

In Brasilien kommt aber noch erschwerend hinzu, dass hier mit einer gewissen Häufigkeit die Regenfälle als tropische Sturzbäche auftreten.

Die Katastrophe vom 17.7.07 in São Paulo allerdings ist in einer Art und Weise angekündigt gewesen, dass eigentlich, wenn alles mit rechten Dingen zuginge, jetzt Personen der grob fahrlässigen Tötung angeklagt werden müssten.

Die Haupt-Start- und Landebahn von Congonhas ist nämlich bereits vor Monaten gesperrt worden durch einen Gerichtsbeschluss, beantragt von einem Staatsanwalt in São Paulo – und zwar genau aus diesem Grund: Bei Regen bildeten sich immer wieder grosse Pfützen, die sowohl Start- als auch Landevorgänge gefährdeten.

Man hat dann teilweise einen neuen Belag auf die Bahn aufgebracht und sie wurde erst vor wenigen Wochen wieder gänzlich freigegeben – durch Gerichtsbeschlüsse, welche die Flughafengesellschaft Infra-Aereo und die Fluggesellschaften beantragt hatten, während die Staatsanwaltschaft weiterhin für die Sperrung plädiert hat.

Doch diesmal gab es sogar noch eine unmittelbare Ansage: Einen Tag vor dem Desaster, am 16.6.07, rutschte ein kleineres Flugzeug der Fluggesellschaft Pantanal aus der Landebahn und bohrte sich in die Wiese, ohne dass allerdings jemand verletzt wurde. Der Flughafen war für eine gute Zeit gesperrt aufgrund dieses Beinahe-Unglücks. Auch an diesem Tag regnete es schon in São Paulo. Der Zwischenfall war ebenfalls auf Aquaplaning auf Pfützen auf der Rollbahn zurückzuführen.

Niemand wurde aufmerksam und sperrte nun die Piste, solange sie nass war. So kam es wie es kommen musste.

Dazu kommt, ein grosses Flugzeug wie der Airbus 320 dürfte auf einer so kurzen und gefährdeten Landebahn gar nicht zugelassen sein – aber die Fluggesellschaften wollen Reibach machen. Für sie lohnen sich vollbesetzte Grossflugzeuge an Tagesrandterminen wie diesem (Ankuft 19 Uhr) weit mehr als nur mit 100-Passagier-Flugzeugen zu fliegen, wie sie für kurze Landebahnen eher geeignet erscheinen.

Inzwischen ist es 22.30 h in Brasilien und man kann am Fernsehen in Originalübertragung sehen, wie jetzt, dreieinhalb Stunden nach der Katastrophe, immer noch bzw. schon wieder zig-meterhohe Flammen aus dem Gebäude schlagen, in das der Airbus gerast ist. Ein Teil des Gebäudes ist bereits eingestürzt und man wundert sich, wie der Rest immer noch standhält.

Als letzte Meldung kommt gerade: Die Fussball-Mannschaft von Gremio Porto Alegre, eben noch in den Endspielen der südamerikanischen Vereinsmeisterschaft „Libertadores“, ist nur um ein Haar dem Tod in der Flammenhölle dieses Desasters entkommen. Man war auf diesen Flug gebucht, wurde aber im letzten Moment auf einen anderen umgeleitet.

Informationen für Angehörige möglicher Unfall-Beteiligter finden Sie unter

http://www.tam.com.br/b2c/jsp/default.jhtml?adPagina=3&adArtigo=10742


Veröffentlicht am 18. Juli 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Zusatz vom 18.7.07, 9:30 Ortszeit

Inzwischen ist klar, es gibt keine Überlebenden aus dem Flugzeug. Man spricht bereits von mehr als 200 Toten. Insgesamt 7 der Angestellten der TAM, die in dem Gebäude gearbeitet haben, sind verletzt im Krankenhaus. Der erste identifizierte Leiche ist ein Kleinunternehmer, der gerade dabei war, Luftfracht in dem Gebäude aufzugeben, als der Airbus einschlug. Dort ist (war) u.a. die "TAM Express" untergebracht, eine Luftfracht-Gesellschaft.

Unglaublich: Die Start- und Landebahn des Flughafens ist gesperrt seit dem Unglück, aber die brasilianischen Autoritäten haben heute morgen bereits die Wiederaufnahme des Flugverkehrs auf dem Flughafen Congonhas auf der "Hilfspiste" genehmigt. Das ist jene Rollbahn, auf der die Flugzeuge zum Ende der Startbahn fahren, also noch kürzer und noch schmaler als die Hauptpiste.

Diese entmenschten Figuren dirigieren die Wirklichkeit, als ob es Show Business wäre: "The show must go on!"

Montag, 16. Juli 2007

Brasilien gewinnt die 'Copa América'

3:0 über Argentinien

Von Karl Weiss

Es ist nicht gerade selten, Brasilien im Fußball als den Sieger eines Turniers auszurufen, aber diesmal war vorher wirklich klar, Brasilien würde keine Chance gegen die argentinische „Tor-Maschine“ im Endspiel der „Copa América“ haben, dazu waren die vorher gezeigten Leistungen zu unterschiedlich gewesen.

Doch die großen Klassiker des internationalen Fußballs haben immer ihre eigenen Gesetze. Brasilien spielte plötzlich extrem aggressiv (35 Fouls), deckte „Pressing“, was diese Mannschaft sonst nie macht und siehe, auch die scheinbar übermächtigen Argentinier waren zu schlagen. Argentinien, das im ganzen Turnier erst drei Tore hatte hinnehmen müssen, wurde mit 3:0 unter Wert geschlagen. In Argentinien ist die Trauer grenzenlos. Eines der Fussball-Magazine dort textete "Mögen sie in Frieden ruhen".

Dazu kamen einige überragende Momente von eigentlich weniger bekannten Spielern, so wie der Pass über 30 Meter von Elano genau auf Julio Batista bereits nach 4 Minuten, als Julio Batista mit einer schnellen Bewegung den Verteidiger aussteigen ließ und zum 1:0 in den Winkel schoss. So einfach kann Fußball sein.

Auch der Pass von Vagner Love in der zweiten Hälfte bei einem schnellen Gegenangriff auf Daniel Alves (eingewechselt für den verletzten Elano) war genial, der den Ball direkt zum 3:0 verwandelte und die letzte Chance der Argentinier in Luft auflöste, noch eine Wende zu schaffen.

Natürlich hat der Tüchtige dann auch meistens noch Glück, so bei einem Pfostenschuss von Riquelme in der ersten Hälfte beim Stand von 1:0, als ein Tor die Geschichte des Spiels hätte ändern können und beim 2:0 noch in der ersten Halbzeit, als der unglückliche Kapitän der Argentinier, Ayala, in einen Pass in den Strafraum von Daniel Alves hineinrutsche und den Ball ins eigene Tor beförderte.

Im brasilianischen Team war bei diesem Endspiel alles anders. Robinho, der bis dahin als einziger im gelb-blauen Team eine durchweg überragende Leistung gezeigt hatte, verschwand völlig in der Versenkung. Das Mittelfeld wurde nicht von den argentinischen Superspielern Riquelme und Veron beherrscht, sondern von den international fast unbekannten Brasilianern Josué und Mineiro, die beide das Spiel ihres Lebens lieferten, so wie auch der eingewechselte Daniel Alves. Der Verteidiger Alex, der das ganze Turnier hindurch die entscheidende Schwachstelle in der Mannschaft gewesen war, ließ im Endspiel Bayerns Lúcio (verletzt) glatt vergessen.

Nichts bleibt, wie es ist.

Die Viertelfinale der Copa América waren durchweg mit hohen Siegen ausgegangen. Zunächst hatte Uruguay das überforderte Venezuela mit 4:1 ausgeschaltet, das als Gruppenerster gegen einen Gruppendritten spielte, aber im Viertelfinale wirklich auf der Höhe der Inkompetenz angekommen war.

Dann hatte noch am gleichen Tag Brasilien Chile mit 6:1 abgefertigt mit einer Galavorstellung von Reals Robinho, der auch zum Torschützenkönig des Turniers wurde mit 6 Toren.

Im dritten Spiel am darauffolgenden Tag hatte sich Mexiko mit Paraguay auseinanderzusetzen, was als ausgeglichene Begegnung angesehen werden musste. Doch bereits nach einigen Minuten wurde einer der Paraguayaner vom Platz gestellt und so stellte sich schnell eine generelle Überlegenheit der Mexikaner ein, die schliesslich auf ein 6:0 kamen.

Im letzten Vietelfinale spielte schliesslich Argentinien gegen Peru, eine ungleiche Begegnung. Immerhin gelang es Peru, sich eine Halbzeit lang gegen die argentinische Übermacht zu verteidigen, doch dann liessen die Kräfte nach und Argentinien kam noch in lässiger Manier zu einem 4:0.

Damit waren die beiden Halbfinalbegegnungen klar: Mexiko-Argentinien und Brasilien-Uruguay. Zuerst musste Brasilien ran. So wie (fast) immer, wenn es gegen Uruguay geht, wirkten die Brasilianer wie gelähmt.

Sie schafften zwar mit einer kämpferischen Leistung in der ersten Halbzeit ein 2:0, liessen sich aber in der zweiten Hälfte mit einer indiskutablen Leistung völlig in die eigene Hälfte drängen und mussten folgerichtig zwei Tore kassieren, die den Uruguayanern den möglichen Weg ins Endspiel aufzeigten.

Ohne Verlängerung ging es direkt zum Elfmeterschiessen. Zuerst verschoss ein Spieler der „Celeste“-Mannschaft (himmelblau wie die Nationalfarben und das Trikot), dann einer der Brasilianer. So stand es nach fünf Elfmetern von beiden Seiten 4:4 im Elfmeterschiessen. Nun mussten die Reservespieler ran. Der erste Schuss für Brasilien ging vorbei. Nun war Uruguay fast im Finale, nur noch einen Elfmeter verwandeln. Der Spieler lief an, ließ den Torwart in die andere Ecke streben und hatte das ganze Tor vor sich offen. Er brachte es fertig, genau den Pfosten zu treffen.

Der nächste Schuss für Brasilien traf. Dann kam ein Schuss für Uruguay genau in die Mitte des Tors. Der brasilianische Torwart Doni war bereits auf dem Weg in die rechte Ecke, konnte aber noch mit dem Fuss den Ball abwehren. Brasilien war im Endspiel – nach einigen Minuten heftigsten Schwitzens.

Dann das Spiel Mexiko, das immerhin bereits Brasilien mit 2:0 geschlagen hatte, gegen Argentinien. Die Argentinier waren nie gefährdet. Sie spielten mit den Mexikanern Katz und Maus. Die Überlegenheit war so eklatant, das man Mitleid mit den mexikanischen Spielern bekam. Das argentinische Team schien sich nicht einmal zu verausgaben, um Mexiko mit 3:0 zu schlagen. Messi und Riquelme in der Form ihres Lebens dürften praktisch jede Deckung auseinandernehmen, dachte man.

Damit war klar, wer die Copa América gewinnen würde, zumal Brasilien ja ohne Kaká und ohne Ronaldinho antereten musste (der Gerechtigkeit halber muss man aber auch sagen, dass bei Argentinien im Endspiel der verletzte Crespo schmerzlich vermisst wurde).

Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.

Am Rand sei noch der dritte Platz für Mexiko mit einem 3:1 über Uruguay erwähnt.

Am 15.7.07 war Brasilien-Tag. Zusätzlich zur Copa América im Fußball mit einer halben Reservemannschaft gewann man auch noch die Weltliga im Volleyball mit einem 3:1 über Russland. Dritter wurde dort das Team der USA.


Veröffentlicht am 16. Juli 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Samstag, 14. Juli 2007

Dossier `Operation Ore`, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

Von Karl Weiss

“Operation Ore”, das ist jene grosse Polizeioperation, die 1999 in den USA begann und viele Zehntausende von angeblichen Konsumenten von Kinderpornographie betraf, u.a. auch Pete Townshend. Es hat sich im April/Mai 2007 endgültig herausgestellt, dass sie alle – oder fast alle – Opfer von Ringen von Kreditkartenbetrügern wurden. Sie wurden angeklagt und zum Teil auch verurteilt aufgrund von völlig unzureichenden Anhaltspunkten (ihre Kreditkartendaten waren benutzt worden, um bestimmte Sites zu besuchen, unter denen auch Kinderporno-Sites gewesen sein sollen).

Obwohl jetzt aufgrund der zähen Arbeit des britischen Journalisten und Computer-Spezialisten Duncan Campbell erwiesen ist, sie dürften (fast) alle unschuldig gewesen sein, negiert die Polizei weiterhin die Rehabilitation der Verdächtigen, die zu Opfern wurden. Aber, was das Unglaubliche ist: Nicht eines unserer Massenmedien in Deutschland berichtet über diesen Skandal. Auch in Grossbritannien gibt es wenig öffentliche Information, wo es allein 39 Selbstmorde von so Angeklagten gab.


Die Rolle der Politik

Charakteristisch für die Teilnahme der Politiker an Internet-Kinderporno-Fällen ist die der sachsen-anhältischen Innenministerin im Fall „Operation Mikado“. Da waren ja insgesamt 22 Millionen Namen von Bundesbürgern anhand ihrer Kreditkarten von VISA und Mastercard (Eurocard) überprüft worden, eine Rasterfahndung mit Einbeziehen von Millionen Unbeteiligten, die vom Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf einen früheren Fall ausdrücklich als grundgesetzwidrig eingestuft wurde.

Was die Ministerin dazu auf einer Pressekonferenz freudestrahlend verkündete, war atemberaubend: Man habe ja private Firmen mit der Auswahl der Betroffenen beauftragt (nämlich die beiden Kreditkarten-Unternehmen), daher könne von polizeilicher Rasterfahndung keine Rede sein.

Das lässt Düsteres für die Zukunft ahnen: Der Bundestrojaner wird dann wohl auch von privaten Unternehmen in unsere Computer eingeschleust werden, wenn alle Computerbesitzer der Bundesrepublik in ihren privatesten Äusserungen im Internet überwacht werden.

Das Thema der „Kinderschänder“, der „Pädophilen“ (die der damalige Kanzler Schröder gleich generell auf Dauer weggesperrt wissen wollte) und der „Internet-Porno-Ringe“ ist schlicht ein Lieblingsthema der Politker-Kaste. Es bietet alles, was den Stolz der Ungeliebten erfreut:
  • Zunächst lenkt es in idealer Weise ab. Man braucht nur die „Kinderschänder“ hochzuspielen (auch wenn sie sich dann nur als Verdächtige des Konsums von Kinderporno im Internet herausstellen) und schon wird das Herz jedes Bundesbürgers mit Abscheu erfüllt und er geht in holder Eintracht mit dem Politker auf die Jagd nach den abscheulichen Verbrechern. Da bleibt dann kein Platz mehr für Abscheu vor dem Politker, der gerade beschlossen hatt, kleine arme Länder wie Afghanistan mit Truppen und Bomben zu überfallen oder Hartz IV beschlossen hat, die Armut in der Bundesrepublik auf neue Höhen treibend, oder die Rente mit 67 (demnächst mit 70), oder die erneute Kürzung der Renten oder die Verpflichtung der Eltern, ihre Kinder von bis zu 25 Jahren weiter bei sich wohnen zu lassen, wenn sie keine Arbeit finden, oder sich in die enge Umarmung mit dem US-Präsidenten zu begeben, der „nur“ 600 000 Ziviltote im Irak auf dem Gewissen hat oder, oder ... oder.
  • Der arme vielgeplagte Politiker, der „leider“ Massnahmen gegen den kleinen Mann beschliessen muss, kann sofort wieder Punkte gut machen bei der Bevölkerung, wenn er mit dem Beben der Empörung in der Stimme nach der Identifizierung eines Kinderschänders oder Kindermörders fordert, nun müsse endlich Schluss damit sein, dass bekannte Kinderschänder wieder auf die Kinder im Land losgelassen würden. Er PERSÖNLICH werde dafür sorgen, dass nun endlich die Gesetze geändert werden und so etwas nicht mehr vorkommt. Da kommt im Herzen des Bundesbürgers die Wärme der Geborgenheit auf. Mit solchen Politikern wird endlich alles besser! Die kleine Nebensächlichkeit, dass es diese Gesetze längst gibt, dass alle, die Kinder vergewaltigt haben, bereits zu lebenslänglich und Sicherheitsverwahrung (Wegsperren auf Dauer) verurteilt werden können, ist ja nicht so wichtig, wenn es gilt, grosse Worte zu machen. Das sind die gleichen, die am darauffolgenden Tag Lafontaine des „Populismus“ anklagen.
  • Schliesslich lässt sich diese Sache noch parteipolitisch ausschlachten. Ist man im Land an der Macht und „die anderen“ im Bund, kann man auf die Gesetzgebungs-Verantwortung des Bundes hinweisen, die sträflich vernachlässigt wurde von „den anderen“. Im umgekehrten Fall kann man auf die Landeszuständigkeit für die Freilassung nach dem Abbüssen der Strafe verweisen, die auf unverantwortliche Weise von „den anderen“ zugelassen wurde usw.
Kurz, das Thema ist der Liebling aller Politiker. Nichts kommt einem Politker mehr zu pass, als wenn in regelmässigen Abständen Kinder ermordet oder vergewaltigt werden. Dann gibt man Erklärungen vor laufender Kamera ab und die kommen als erste Meldung in der ‚tagesschau’. Aber auch die Fälle von Internet-Taten kommen sehr gelegen, wie die sachsen-anhältische Innenministerin deutlich gemacht hat. Vorher wusste kaum jemand im Land, dass Sachsen-Anhalt eine Innenmisisterin hat! Dafür kann man denn schon mal 22 Millionen Bundesbürger überprüfen, nicht wahr?

Man darf ja nicht vergessen, solche gewaltigen „Operationen“ von Polizei, Staatsanwaltschaft, gegebenenfalls noch dem BKA, können ja nicht einfach von kleinen Gendarmen beschlossen werden. Sie alle unterstehen ja dem Bundeskanzler und/oder dem Innenminister und/oder dem Landes-Innenminister und die gehören alle Parteien an, die wissen, wann mal wieder das Durchsuchen der Kreditkarten der Bundesbürger angesagt ist.

„Operation Ore“ und „Pecunia“ sind nicht von der Politik zu trennen. Dies wurde auch deutlich in einer Anfrage eines Abgeordneten des baden-württembergischen Landtags von Anfang 2003, als die „Operation Ore“ gerade in allen Zeitungen stand. Öffentlichkeitswirksam antwortete die Landesregierung mit stolzen Zahlen: 178 der 1400 in Deutschland angeklagten „Kinderschänder“ hätte man in Baden-Württemberg ausgemacht, man habe bereits 2176 Videos beschlagnahmt, 249 Computer und 17343 „Datenträger“. Man stelle sich nur vor, wie viele Polizei-Arbeitsstunden auf die armen baden-württembergischen Polizisten zukamen, um alle 17343 Datenträger, einen nach dem anderen, zu durchsuchen, um am Ende festzustellen, alle Verdächtigungen beruhten auf der falschen Aussage eines US-Polizisten.

Die Rolle der Massenmedien

Insgesamt ist die Rolle der Medien bei „Operation Ore“ so charakteristisch, dass einem bei genauerem Hinsehen die ganze wirkliche Aufgabe dieser Massenmedien im heutigen Kapitalismus klar wird nur an diesem einzigen Fall.

Die Rolle der Medien muss mindestens genauso ernst wie die von Politikern, Polizei und Staatsanwaltschaft eingeschätzt werden. Das Vorgehen der Polizei, die Frage, ob verhältnismässig zum Vorwurf vorgegangen wurde, hat nicht ein einziges der Medien gestellt. Die naheliegenden Fragen, z.B. ob man denn die entsprechenden Festplatten untersucht hätte oder ob man die Möglichkeit von Kreditkartenbetrug gebührend in die Erwägungen gezogen habe, wurden nie gestellt.

Die Medien, sei es in Grossbritannien oder Deutschland, stellen nichts mehr oder weniger als Papageien der offiziellen Verlautbarungen der Strafverfolgungsbehörden dar, ja in einigen Fällen wurde sogar „noch eine Schippe draufgelegt“.

Als charakteristisch seien hier die zwei Fälle der Artikel der FAZ und der taz angeführt unter einer grossen Zahl von Veröffentlichungen, als in Deutschland und im UK viele verhaftet wurden:

Hier, was die FAZ schrieb (März 2003):

„Im Zusammenhang mit den Ermittlungen gab Scotland Yard (...) die Festnahme von (...) Männern bekannt. Sie stünden im Verdacht, Bilder von Kindesmissbrauch aus dem Internet heruntergeladen und zum Teil weiter verbreitet zu haben.(...)

Spektakulärster Fall war bislang im Januar die vorübergehende Festnahme von Rock-Gitarrist Pete Townshend. Der Mitbegründer der Gruppe „The Who“ hatte eine US-Webseite mit Kinderpornos besucht und dafür gezahlt. Nach seinen Angaben wollte er nur für seine eigene Biografie recherchieren. Er wurde auf Kaution frei gelassen.“


Wird im ersten Absatz noch von „Verdacht“ gesprochen (auch hier wieder die infame Behauptung, es handele sich zum Teil auch um Weiterverbreitung), so bleibt dies im zweiten Absatz bereits weg. Es steht bereits fest: „hatte ... besucht und dafür gezahlt“. Das Erwähnen seiner Erklärung mit der Biographie ist so verkürzt, dass jeder vernünftige Mensch nur zum Schluss kommen kann, dies sei eine Ausrede.

Die einfachsten Grundregeln eines verantwortlichen Journalismus, wie etwa keine feststehenden Tatsachen behaupten, solange die Person nicht dafür verurteilt ist, sondern immer Formeln benutzen wie „Verdacht auf“, „nach Angaben der Polizei“, "wird verdächtigt“, "ist angeklagt“ usw., werden missachtet.

Besonders infam ist hier die völlig verkürzte Aussage über Townshends Einlassung zur Biographie. Hat man nicht den Platz, um einen Sachverhalt inhaltlich darzustellen, muss man ihn weglassen und nicht in extrem verdrehter, verkürzter Weise bringen.

Shame on you, FAZ!

Glaubte jemand, dies sei nicht mehr zu toppen, so führe er sich den Artikel zum gleichen Zeitpunkt (Beginn 2003) von einem Subjekt (Journalist kann man das nicht nennen) mit Namen Kutzmany aus der ‚Taz’ zu Gemüte:

„Gitarrenschänder unter Verdacht (...)

Ob Pete Townshend tatsächlich ein Pädophiler ist, kann zurzeit noch niemand genau sagen. Fakt ist: Der Gitarrist von "The Who" ist einer von rund 7.300 verdächtigen Briten, deren Kreditkartendaten vom FBI bei einem amerikanischen Anbieter von Kinderpornografie entdeckt wurden.

Townshend (57), treibende Kraft von "The Who", die bei Liveauftritten gern Gitarren an den Verstärkern zerschlugen, (...)

Die Pädophilen kommen aus allen Berufen und sozialen Schichten. Politiker und Fernsehprominente sind dabei, Richter auch. 50 Polizisten finden sich auf der Liste. Die Prominenz Townshends bringt dem Thema in Großbritannien eine Aufmerksamkeit, die ihm in Deutschland versagt blieb: Schon Mitte September 2002 nämlich griffen die deutschen Behörden bei der "Aktion Pecunia" zu. 1.100 Durchsuchungen meldete das BKA. Es wurden 47.000 Datenträger und 25.000 Videos beschlagnahmt (...)

Sowohl "Operation Ore" als auch "Pecunia" stützen sich auf Daten, die das amerikanische FBI im Rahmen der "Operation Avalanche" ("Operation Lawine") gegen den Texaner Thomas Reedy sicherstellte. Der Geschäftsführer der Kinderpornofirma "Landslide" ("Erdrutsch")... (...) auf der Landslide-Homepage gab es ein Feld mit der Beschriftung: "Für Kinderpornos hier klicken". Auf diesen Knopf hat auch Pete Townshend gedrückt.

Seine Verwicklung in den Fall hat ihm jetzt sogar eine Erwähnung bei der Verleihung des American Music Awards eingebracht. Er sei "ganz erschüttert", sagte Elton John, der die Show eröffnet hatte.“


Da wird wieder, wie bei der Frankfurter Zeitung, hinter der angeblich ein kluger Kopf stecke, der gleiche Trick angewandt, um gar nicht erst den Verdacht aufkommen zu lassen, die „Pädophilen“ seinen eventuell unschuldig. Am Anfang spricht man noch von „verdächtigen Briten“ und betont, man könne noch nichts Endgültiges über die Schuld von Townshend sagen. Aber diese Zurückhaltung wird dann schnell durch Gewissheiten ersetzt: Es handelt sich nun um „Pädophile“ (diesen Vorwurf hat die Polizei nie erhoben, ein Pädophiler macht – im umgangssprachlichen Gebrauch - Sex mit Kindern), nicht um des Konsums von Kinderporno Verdächtige.

Pete Townshend

Landslide wird hier zur „Kinderpornofirma“, dabei konnte Reedy nie etwas anderes vorgeworfen werden, als Zugang zu Kinderpornoseiten ermöglicht zu haben. Dann kommt die Behauptung mit dem Knopf, auf den alle Verdächtigen geklickt haben müssen. Das hätte genauer nachgefragt werden müssen. Journalismus kann sich nicht darin erschöpfen, polizeiliche Angaben ungeprüft in die Zeitung zu schreiben.

Dann wird es noch abenteuerlicher: Townshend hätte auf diesen Knopf geklickt. Das hat weder die Polizei je behauptet noch ein Staatsanwalt, das hat er auch nicht zugegeben – es war schlicht nicht so. Es bleibt völlig offen, woher der „Journalist“ dies hat, wenn nicht aus den eigenen Fingern gesogen.

Die bei weitem infamste Dreckschleuderei ist aber die Überschrift des Artikel im Zusammenhang mit dem Begriff „Pädophile“. In Anlehnung an „Kinderschänder“ nennt der unsägliche Schreiberling Townshend „Gitarrenschänder“, weil die „Who“ in ihrer Anfangsphase öfters Gitarren zerschlagen haben. Damit ist klar, was Townshend ist, ein Schwerverbrecher. Hat sich nicht auch sein Kollege Elton John erschüttert gezeigt?

In einer ernsthaften Würdigung der „Who“ im deutschen Wikipedia

http://de.wikipedia.org/wiki/The_Who

wird das Zerschlagen der Guitarren ausdrücklich als „künstlerisches Element“ des Auftritts gekennzeichnet. Umso deutlicher wird da nun das unsägliche „Gitarrenschänder“.

Das ist Kloakenjournalismus der niedrigsten Kategorie, selbst Kloaken-‚Bild’ hätte das kaum besser gemacht. Shame on you, taz!

Wollen wir der ‚taz’ zu gute halten, dies sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen. Den Herrn Kutzmany hat man hoffentlich längst entlassen.

Wie man an diesen beiden Beispielen sehen kann, haben deutsche Massenmedien sehr wohl – und schändlich – über ‚Operation Ore’ berichtet – damals, als es darum ging, ein ungehäures Netzwerk von Hunderttausenden von pädophilen Internet-Missbrauchern zu konstatieren.

Die Frage stellt sich, was berichten sie nun, da, beginnend im Jahr 2005 und nun ganz intensiv seit Januar bis Juni 2007 die Nachrichten eingehen, dass es sich im wesentlichen um die Verfolgung Unschuldiger handelt.

Im britischen Medienwald haben unter anderem einer der BBC-Sender, der ‚Guardian’ und der ‚Independent’, ebenso ‚BBC-News’ und die ‚Sunday Times’ hierüber berichtet, immer noch wenig angesichts der Grösse des Skandals.

Die deutschen Massenmedien dagegen üben sich in Schweigen – und zwar absolut! Man mache sich die Mühe, im Internet „Operation Ore“ oder "Operation Pecunia“ auf Deutsch zu googeln (man muss übrigens bei dieser Suche „Operation Ore“ in Anführungszeichen setzen, sonst bekommt man ein Unzahl von Ergebnissen, in denen die beiden Worte ohne Zusammenhang vorkommen. Ebenso muss man ausdrücklich darauf bestehen, nur Seiten auf deutsch zu bekommen, sonst wird die englischsprachige Literatur als Ergebnis geliefert, auch wenn man auf dem deutschen google.de ist).

Man wird nicht eine, ich wiederhole: NICHT EINE EINZIGE Notiz auch nur eines der Massenmedien in Deutschland finden, in der über die aufkommenden Zweifel an der Schuld der Angeklagten und schliesslich die Beweise für die Unschuld fast aller berichtet wird.

Mit anderen Worten: Nicht eine Zeitung, nicht ein grösserer Radiosender, nicht eine Fernsehstation, nicht ein angebliches Nachrichtenmagazin, nicht eine Illustrierte in Deutschland hielt es für nötig, nach der ausführlichen Berichterstattung über das Aufspüren von Hunderttausenden von angeblichen Kinderporno-Pädophilen im Internet in den Jahren 2002 und 2003 nun auch zu berichten, dass sich dies alles als völllig verfehlte Aktion gegen Opfer von Kriminellen oder mit anderen Worten als der grösste Polizei- und Justiz-Skandal (in Bezug auf die Zahl betroffener Opfer) des neuen Jahrtausends herausgestellt hat.

Damit weitet sich dieser Skandal auch noch zu einem Medien-Skandal aus.

Es ist somit bewiesen, die deutsche Landschaft der Massenmedien ist völlig gleichgeschaltet, zu 100%. Zunächst berichtete man nur, was die Polizei oder das BKA verlauten liessen, ohne eine einzige kritische Frage zu stellen. Wenn sich das Ganze dann als riesiger Fall der Verfolgung Unschuldiger herausstellt, sieht man weg und lässt die Opfer allein.

Es ist auch relativ leicht zu verstehen, wie so etwas zustandekommt: Polizei, Staatsanwaltschaften und BKA liefern den Massenmedien immer wieder „Privilegierte Informationen“ über Ermittlungen, die eigentlich der Geheimhaltung unterliegen, aber den Medien einen „Sensations-Vorsprung“ verschaffen. Es ist klar: Wer Negatives über die Polizeiarbeit berichtet, könnte nicht mehr in den Genuss dieser Privilegien kommen.

Trotzdem ist es bemerkenswert, dass im Gegensatz zu anderen Ländern sich nicht ein Einziges, vielleicht kleineres, in der Reihe der Massenmedien findet, das ausschert und auch einmal Kritisches zur Arbeit von Polizei, BKA und Staatsanwaltschaften berichtet.

Es kann ja den deutschen Massenmedien nicht entgangen sein, dass es Neues zu diesem Thema gibt, denn Berichte im BBC-Radio, der ‚Sunday Times’ und dem ‚Guardian’ sind schliesslich nichts Verstecktes oder wenig zugänglich, zumal all dies leicht findbar im Internet dokumentiert ist.

Machen Sie nur die Probe und googeln Sie die gleichen Worte im englischen ‚google.com’. Sie werden eine Unzahl neuerer Einträge finden. Man kann da tage- und wochenlang über dies Thema lesen.

Auch kann man in der deutschen ‚Wikipedia’ nachsehen. Es gibt keine Erwähnung der ‚Operation Pecunia’ und bei ‚Operation Ore’ wird man aufgefordert, selbst einen Artikel zu schrieben.

Lediglich auf der Site von Pete Townshend in der deutschen Wikipedia findet sich ein Hinweis:

„Die ‚Sunday Times’ berichtete am 3. Juli 2005, dass unabhängige Experten die beschlagnahmte LANDSLIDE-Webseite rekonstruiert hätten, und keinerlei Kinderpornografie gefunden hätten.“

Im Gegensatz dazu enthält die englische Wikipedia (oben schon verlinkt) eine eigene Seite hierfür mit allen Links zu den neueren Artikeln mit den Entdeckungen über ‚Operation Ore’ als das, was sie wirklich ist: Eine wirkliche Tragödie und ein dreifacher wirklicher Skandal.


Veröffentlicht am 14. Juli 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel



Zusatz zum Artikel

Auch diese Meldung vom 9.9.2007 gibt eine Vorstellung, zu welchen Absurditäten die extremistischen Christen von der Bush-Clique fähig sind:

Die 23-jährige Kyla Ebbert wurde kurz vor dem Start ihrer Maschine von San Diego, Kalifornien, USA, des Flugzeugs verwiesen, weil ihre Kleidung für die Fluggesellschaft Southwest Airline als zu provozierend angesehen wurde.

Kyla Ebbert in der beanstandeten Kleidung

Sehen Sie selbst das Bild von Kyla in der beanstandeten Kleidung und sie bekommen einen guten Einblick, was man in Zukunft auch in Deutschland von Merkel, Beckstein und Konsorten zu erwarten hat.

Als Begründung wurde angegeben, man sei eine Familienfluglinie. Das Abheben auf die ‚Werte der Familie’ eint seit jeher reaktionäre (und faschistische) Politiker und extremistische Christen. Wenn sich jemand auf die ‚Werte der Familie’ bezieht, wissen Sie, von was die Rede ist.

Wenn Sie hier Anklänge an islamistische Hysteriker erkennen, die glauben, ihre Frauen müssten sich vollständig verhüllen, so liegen Sie wohl nicht weit entfernt.

Religiöse Fanatiker, Bush und Bin Laden, ähnelten sich schon seit Urzeiten.

Quelle hier


Hier geht es zu Teil 1 von "Operation Ore", hier zu Teil 2


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Donnerstag, 12. Juli 2007

Dossier `Operation Ore`, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten und die Rolle der Polizei

Von Karl Weiss

“Operation Ore”, das ist jene grosse Polizeioperation, die 1999 in den USA begann und viele Zehntausende von angeblichen Konsumenten von Kinderpornographie betraf, u.a. auch Pete Townshend. Es hat sich im April/Mai 2007 endgültig herausgestellt, dass sie alle – oder fast alle – Opfer von Ringen von Kreditkartenbetrügern wurden. Sie wurden angeklagt und zum Teil auch verurteilt aufgrund von völlig unzureichenden Anhaltspunkten (ihre Kreditkartendaten waren benutzt worden, um bestimmte Sites zu besuchen, unter denen auch Kinderporno-Sites gewesen sein sollen).

Obwohl jetzt aufgrund der zähen Arbeit des britischen Journalisten und Computer-Spezialisten Duncan Campbell erwiesen ist, sie dürften (fast) alle unschuldig gewesen sein, negiert die Polizei weiterhin die Rehabilitation der Verdächtigen, die zu Opfern wurden. Aber, was das Unglaubliche ist: Nicht eines unserer Massenmedien in Deutschland berichtet über diesen Skandal. Auch in Grossbritannien gibt es wenig öffentliche Information, wo es allein 39 Selbstmorde von so Angeklagten gab.


Die betroffenen „Celebrities“

Der bekannteste Fall in Grossbritannien (ausserhalb der Musiker-Fälle) war der des Polizisten Brian Stevens, der zu jahrelangen entsetzten Äusserungen in Leserbriefen und im Internet führte.

Es hatte kurz vor dem Beginn der „Operation Ore“ in England einen Aufsehen erregenden Fall gegeben, indem zwei Mädchen, Holly und Jessika, entführt und ermordet worden waren. Stevens hatte als Polizist in besonders herausragender Weise während des ganzen Falls Jessikas Eltern beigestanden und sie auf dem Laufenden gehalten. Die Intimität mit der Familie ging so weit, dass sie den Polizisten auf der Beerdigung ein Gedicht vortragen liess. Die Revolverblätter hatten tränentreibende Geschichten veröffentlicht und Brian Stevens war fast zu einer Art von Nationalhelden geworden, jedenfalls zum Beispiel eines wirklich guten Menschen.

Eine Woche später ging die Nachricht durch den Blätterwald, er sei wegen Kinderporno im Internet festgenommen worden.

Das Entsetzen war englandweit. Wenn ein so guter Mensch zu so etwas fähig war, dann gab es niemand mehr, dem man trauen konnte, niemand, der noch Hoffnung auf eine Zukunft der Menschheit geben konnte, dann war alles verloren!

Selbst in deutschen Internetforen wurde dieser Fall diskutiert, unter anderem unter der Überschrift „Da fehlen mir die Worte“.

Stevens wurde vom Dienst suspendiert, musste Untersuchungshaft und Hausdurchsuchung sowie die öffentliche Anprangerung über sich ergehen lassen. Das letzte, was man von ihm gehört hat, ist der Prozess gegen ihn, dessen Ausgang noch offen ist und die Gewissheit, er werde aus dem Polizeidienst entlassen.

Einer anderer der Betroffenen war der Direktor der englischen Filiale der City Bank, John Adams. In den Jahren 1998 und 1999 wurde die Kreditkarte seiner Familie mehrmals von Verbrechern belastet, in diesem Fall die bekannte Gambino-Mafia-Familie, die später Vorbild der Fernsehserie „The Sopranos“ war. Die Gambinos verkauften die Daten zum Teil und nutzten sie auch selbst. Im Juni 1999 waren seine Kreditkarten-Daten erneut zweimal benutzt worden, diesmal um auf eine der Kinderporno-Seiten im Landslide-Netzwerk zuzugreifen (so jedenfalls 7 Jahre später die Anklage der Polizei).

Im Mai 2006 sah sich Adam einer Armee von Polizisten gegenüber, die in sein Haus eindrangen und alle persönlichen Sachen der Familie durchwühlten. Die herbeigeholten Anwälte machten die Polizisten auf die Möglichkeit des Kreditkartenschwindels aufmerksam, aber nach deren Aussage grinsten diese nur darüber. Sie hätten angeblich noch nie von Kreditkartenschwindel gehört. Erst eine zweitägige Gerichtsverhandlung im September 2006 konnte klären, was passiert war. Adams, der bereits wusste, was faul war, hatte sich auf keinen ‚Deal’ eingelassen.Schliesslich gab die Polizei zu, er sei unschuldig und entschuldigte sich bei ihm.

Ein anderer Berühmter unter den Opfern von „Operation Ore“ war Paul Grout aus Hull, ein Arzt, der einen Einsatz zur Rettung vom Menschenleben bei einem grossen Eisenbahnunfall in Selby geleitet hatte und seitdem als Nationalheld in England galt. Seine Kreditkartendaten wurden nicht Opfer der US-Mafia, sondern von zwei indonesischen Gangstern gephished. Im Oktober 2002 drangen Polizisten „wie Sturmtruppen“ in sein Haus ein, wie seine Frau berichtete. Danach kamen nach ihrer Aussage „18 Monate reine Hölle“. Auf seinen Computern und Datenträgern wurde nichts gefunden, trotzdem wurde er der Anstiftung zur Verbreitung von Kinderporno angeklagt. Erst nach zwei Jahren fand sich schliesslich ein Richter, der dem Albtraum ein Ende bereitete. Der Richter seines Prozesses sagte, die Anklage beruhe auf „Unsinn“ und wies die Geschworenen an, ihn freizusprechen. Er konnte mit dem Berühmten-Bonus rechnen, doch viele weniger Bekannte waren nicht so glücklich.

Ein dritter mehr oder weniger Berühmter unter den Opfern der modernen Hexenjagd war der leitende Manager einer Computerfirma Brian Cooper aus Brighton. Er kaufte Fahradteile im Internet bei einer US-Firma mit seiner Kreditkarte und wurde dabei von einem Hacker aus Indonesien seiner Daten beraubt (auch andere Betroffene in Grossbritannien gaben an, im Internet Fahradteile gekauft zu haben). Bei der Hausdurchsuchung, die auch bei ihm mit absolut übertriebenem Personalaufgebot durchgeführt wurde, sagte man seiner Frau, er stelle eine Gefahr für die Kinder dar.

Man brauchte 6 Monate, um die Computer zu untersuchen und fand nichts. Cooper hatte zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung bereits die falschen Abbuchungungen auf seiner Kreditkarte angezeigt, aber auch das half ihm nicht. Die Polizei weigerte sich, seine Unschuld zu bestätigen und sich zu entschuldigen. Die E-Mail-Adresse, unter der er angeblich Zugang zu Kinderporno erreicht haben sollte, lautete a@a.com, was jeden vernünftigen Polizisten bereits aufmerksam hätte werden müssen. Schliesslich, im April 2006, entschuldigte sich die Polizei von Sussex bei ihm und erklärte, die Untersuchungen seinen offensichtlich unnötig gewesen.

Die Musiker

Die bei weitem Berühmtesten unter den Betroffenen aber waren die Rock-Musiker. Da war einmal der „Massive Attack“-Star Robert del Naja (alias „3D“) und da war eben Pete Townshend, der legendäre Vormann, Textschreiber und Komponist von „The Who“, der auch als Solo-Musiker und in anderen Gruppen wichtige Erfolge hatte. Einer seiner Songs, „Who are you?“, ist heute Titelmelodie der häufig gesehenen US-TV-Serie CSI. Inzwischen gibt es auch wieder „The Who“, wobei von der Originalbesetzung Pete Townshend und Roger Daltrey übrig geblieben sind.

‚The Who’ sind eine der ersten grossen und einflussreichsten Bands in der gesamten Geschichte des Rock ´n Roll. Ab dem Moment, als ihr Song „My Generation“ 1965 in die Charts kam, war der Rock nie wieder derselbe. Ihr Album „Thommy“ von 1969 hat die Art, Alben zu machen, grundlegend verändert. Pete Townshend hat sogar die Anschlagtechnik der Gitarristen verändert, als er die bekannte „Windmühle“ erfand. Auf dem inzwischen legendären Festival von Woodstock in den USA waren die Who eine der Hauptattraktionen. Aus der heutigen Sicht kann Pete Townshend als einer der wesentlichsten Musiker des 20.Jahrhunderts angesehen werden.

Pete Townshend

Townshend und del Naja waren – stellvertretend für die anderen – vom ersten Moment der „Operation Ore“ an in den Mittelpunkt des Interesses getreten, denn die britische Polizei hatte beide Namen gezielt an die Presse durchsickern lassen, noch bevor die beiden selbst von ihrem Schicksal wussten.

Da immer mit dem Namen Pete Townshend verbunden, wurde die „Operation Ore“ zu einem Medienereignis, was die reine Mitteilung von Festnahmen und Hausdurchsuchungen niemals geworden wäre. Die gesamte europäische Presse, das Fernsehen, die Rundfunksender stürzten sich geifernd auf die neue Sensation: Pete Townshend ist Kinderschänder! Kein noch so kleiner Fernsehsender, der nicht seine Schwarte an dem Musiker wetzen musste: Pete Townshend ist Kinderschänder!

Das ist, vor allem wenn man die persönliche Tragödie von Pete Townshend in Betracht zieht, eine Ungehäuerlichkeit.

Als die Hausdurchsuchungen bei den Musikern begannen, auch hier von einem Riesenaufgebot von Polizisten durchgeführt, war bereits nach zehn Minuten die gesamte Presse und das Fernsehen mit laufender Kamera vor dem Haus. Die Musiker wurden abgeführt wie Schwerverbrecher, vor den Augen der Welt!

Sie wurden auch keineswegs nach kurzer Zeit wieder freigelassen, wie das eigentlich hätte selbstverständlich sein müssen, sondern bei del Naja wurde die volle Spanne von 48 Stunden ausgenutzt, die man einen Verdächtigen ohne Haftbefehl festhalten kann, während Pete Townshend die negative Seite der Berühmtheit kennenlernte: Es wurde Untersuchungshaft gegen ihn verhängt und eine Kaution festgelegt, bei deren Bezahlung er bedingt freikommen könnte. Kaution zahlen bedeutet aber immer gleichzeitig Anerkennung von Schuld. Wer unschuldig ist, braucht nicht auf Kaution freikommen. Theoretisch!

Auch viele anderen der Angeklagten der „Operation Ore“ wurden in Untersuchungshaft gesteckt und kamen nur gegen Kaution frei, wodurch sie schon ihre Schuld anerkannt hatten. Bei Pete Townshend, dem ersten in der Reihe, gab es ein besonderen Grund: Er hatte bei seinem ersten Verhör in Polizeigewahrsam zugegeben, sich im Internet Zugang zu einer Kinderporno-Site verschafft zu haben. Man hatte ihm verweigert, Details dessen, was man ihm eigentlich vorwarf, zu offenbaren und er war automatisch davon ausgegangen, die Polizei hätte seinen tatsächlichen Ausflug in die Welt des Kinderporno herausgefunden.

Pete Townshend hat nämlich ein spezielles Verhältnis zur Frage des sexuellen Angriffs auf Kinder: Er ist sich fast sicher, als Fünf- oder Sechsjähriger von einem Verwandten missbraucht worden zu sein, denn er hatte Blitz-Erinnerungen an solche Szenen. Dies ist typisch für vergewaltigte Kinder: Sie verdrängen die Erinnerungen, sie kommen aber in bestimmten Zusammenhängen als kurze, blitzartige ‚Flash-Lights’ in das Gedächtnis zurück.

Die Rock-Oper „Thommy“, deren Text und Musik von Pete Townshend ist, enthält u.a. auch die Szene des von seinem Onkel missbrauchten Titelhelden („I’m your wicked uncle Ernie“).

Aus diesem Grund hatte Pete Townshend, der an seiner Biographie arbeitete, versucht, sich besser an das Geschehene zu erinnern und zu diesem Zweck eine Kinderporno-Site im Internet besucht, denn er dachte, dann käme die Erinnerung an jene Szenen zurück. Nur war jene Kinderpornosite keine von den Landslide-Sites, es war ein völlig anderer Fall. Da er aber glaubte, erwischt worden zu sein, versuchte er den verhörenden Beamten zu erklären, warum er dies getan hatte.

Die hatten natürlich nichts anderes zu tun, als sofort der Weltöffentlichkeit mitzuteilen, Pete Townshend hätte gestanden.

Was daraus in den Massenmedien wurde, kann man sich vorstellen: Pete Townshend ist Kinderschänder und er hat bereits gestanden! Er hat behauptet, die Kinderpornosite für seine Biographie angeklickt zu haben! Das ist die lausigste Ausrede des Jahrhunderts!

Robert del Naja

Del Naja wurde bereits nach einem Monat in dürren Worten mitgeteilt, die Anklage sei fallengelassen worden, man habe nichts auf den Computern gefunden. Eine Entschuldigung hat er bis heute nicht erhalten. Allerdings hat das Britische Innenministerium im Jahre 2006 die neue Kinder-Schutz-Organisation der britischen Sicherheitskräfte mit einem Song an die Öffentlichkeit gebracht, der von Del Naja geschrieben wurde, „Teardrop“. Auch eine Art von Entschuldigung.

Pete Townshend dagegen war aufgrund seines voreiligen „Geständnisses“ tief im Fall verstrickt. In Wirklichkeit hatte man gar nichts gegen ihn in der Hand. Auf seinen Computern wurde keinerlei Kinderporno gefunden. Die Site, die er angeblich innnerhalb des Landslide-Netzwerkes angeklickt haben sollte, mit Namen „Alberto“, hatte ausserdem nichts mit Kinderporno zu tun.

Jedenfalls sahen seine Anwälte angesichts der allgemeinen Hysterie über den bekannten Rockmusiker als Kinderschänder (hatte man nicht schon immer gewusst, Rock-Musik ist kriminell?) keinen besseren Ausweg, als ihm die Annahme der Kautionszahlung und dann auch die Annahme des angebotenen Deals zu empfehlen. So ist Pete Townshend heute auf der offiziellen britischen Liste der „Sex Offenders“, wo eigentlich nur Kinderschänder und Vergewaltiger und ähnliche Verbrecher gelistet sein sollten.

Pete Townshend beschreibt fast wortgleich mit Anderen die Zeit unter Verdacht und Anklage als eine durchlebte Hölle und die ganze Aktion als eine Hexenjagd.


Die Rolle der Polizei und der anderen Sicherheitsorgane

Die Polizei hat vom ersten Augenblick der Operation Ore an immer versucht, den Unterschied zwischen Kinderschändern, die also selbst Sex mit Kindern machen oder sie dazu veranlassen, Sex zu machen sowie von Herstellern von Kinderpornos in Bild oder Video und von Kinderporno-Verkäufern im Internet einerseits und von reinen Konsumenten von Kinderporno andererseits zu verwischen. Dadurch appellierte sie an die einstimmmige Empörung der öffentlichen Meinung über Leute, die mit Kindern Sex machen und über Leute, die Kinder zu Sex veranlassen und fotografiern und filmen.

Nicht ein einziges Mal während der ganzen Vorgänge hat jemand von der Polizei klargestellt, es handele sich ausschliesslich um den Verdacht des KONSUMS von Kinderporno und nicht um Herstellung oder Verbreitung von Kinderporno. Im Gegenteil, es wurden bei einer Reihe von Angeklagten auch die Vorwürfe der Verbreitung von Kinderporno mit in die Anklage aufgenommen, obwohl dafür überhaupt keine Anhaltspunkte, geschweige denn Beweise vorlagen. Bis heute verteidigt die britische Polizei die völlig unverhältnismässigen Mittel der Operation u.a. damit, es sei ja eben auch in einer Anzahl von Fällen um Verbreitung von Kinderporno gegangen.

Verurteilt wurde nie jemand für die Verbreitung. Damit steht fest, Polizei und Staatsanwaltschaft haben böswillig gehandelt, als sie den Vorwurf der Verbreitung mit in einige Anklagen aufnahmen. Es ging darum, die Absurdität der ganzen Aktion zu verschleiern.

Hier ergibt sich auch eine Parallele mit der im Jahr 2007 von der Polizei in Sachsen-Anhalt durchgeführten ‚Operation Mikado’. Auch hier hatte man lediglich Konsumenten im Visier, weil es zu umständlich war, die Täter zu finden, die sich hinter einer philippinischen Site versteckten. Auch hier wurde wieder und wieder in den Medien die Aussagen der Polizisten und Staatasanwälte von ‚Kinderschändern’, von ‚Kinderporno-Ringen im Internet’ und von ‚Pädophilen’ widergegeben, während in Wirklichkeit nur nach Konsumenten gefahndet worden war.

In diesem Fall war ja die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich verbotene Rasterfahndung angewandt worden, also das Anwendung eines Rasters, das automatisch und in der weiten Überzahl Nicht-Betroffene erfasst. Als ein Rechtsanwalt gegen diesen Verfassungsbruch Klage einreichte, tat der Vorsitzende des Verbandes der Kriminalbeamten ein Übriges, wiederum die Unterschiede verwischend und erklärt, ein Erfolg dieser Klage wäre ein Durchbruch für die „Kinderschänder“. Die Vermischung der Täter mit den Konsumenten hat also Methode.

Hauptsächlich aber haben Polizei, Richter und Staatsanwaltschaften gesündigt, als sie völlig unverhältnismässige Mittel im Verhältnis zum schlichten Vorwurf des Konsums eingesetzt haben (noch einmal: das entspricht in der Schwere einer einfachen Sachbeschädigung). Hausdurchsuchungen mit riesigen Anzahlen von Polizisten, Untersuchungshaft, Durchsickern-Lassen von Namen und Terminen von Hausdurchsuchungen an Presse und Fernsehen, Kautionen für Freilassung, Deals mit den Verteidigern, all dies war extrem unverhältnismässig zum Vorwurf des Konsums.

Der Eindruck bei allen, die irgendeinen Kontakt zu einem der Verdächtigten hatten, war: Es konnte sich nicht um einfachen Konsum von Kinderpornobildern handeln. Es musste auch zumindest die Mitgliedschaft in Internet-Kinderpornoringen mit betroffen sein.


In Teil 3 von `Operation Ore`: Die Rolle der Politik und der Massenmedien

Veröffentlicht am 12. Juli 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Hier geht es zum Teil 1 und hier zum Teil 3



Zusatz zum Artikel

Auch diese Meldung vom 9.9.2007 gibt eine Vorstellung, zu welchen Absurditäten die extremistischen Christen von der Bush-Clique fähig sind:

Die 23-jährige Kyla Ebbert wurde kurz vor dem Start ihrer Maschine von San Diego, Kalifornien, USA, des Flugzeugs verwiesen, weil ihre Kleidung für die Fluggesellschaft Southwest Airline als zu provozierend angesehen wurde.

Kyla Ebbert in der beanstandeten Kleidung

Sehen Sie selbst das Bild von Kyla in der beanstandeten Kleidung und sie bekommen einen guten Einblick, was man in Zukunft auch in Deutschland von Merkel, Beckstein und Konsorten zu erwarten hat.

Als Begründung wurde angegeben, man sei eine Familienfluglinie. Das Abheben auf die ‚Werte der Familie’ eint seit jeher reaktionäre (und faschistische) Politiker und extremistische Christen. Wenn sich jemand auf die ‚Werte der Familie’ bezieht, wissen Sie, von was die Rede ist.

Wenn Sie hier Anklänge an islamistische Hysteriker erkennen, die glauben, ihre Frauen müssten sich vollständig verhüllen, so liegen Sie wohl nicht weit entfernt.

Religiöse Fanatiker, Bush und Bin Laden, ähnelten sich schon seit Urzeiten.

Quelle hier



Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Dienstag, 10. Juli 2007

Dossier 'Operation Ore': Der (bisher) grösste Polizei-, Justiz- und Medienskandal des neuen Jahrtausends, Teil 1

39 Selbstmorde wegen hysterischer Ermittler allein im UK

Teil 1: Der Fall „Operation Ore“

Von Karl Weiss

“Operation Ore”, das ist jene grosse Polizeioperation, die 1999 in den USA begann und viele Zehntausende von angeblichen Konsumenten von Kinderpornographie betraf, u.a. auch Pete Townshend. Es hat sich im April/Mai 2007 endgültig herausgestellt, dass sie alle – oder fast alle – Opfer von Ringen von Kreditkartenbetrügern wurden. Sie wurden angeklagt und zum Teil auch verurteilt aufgrund von völlig unzureichenden Anhaltspunkten (ihre Kreditkartendaten waren benutzt worden, um bestimmte Sites zu besuchen, unter denen auch Kinderporno-Sites gewesen sein sollen).

Obwohl jetzt aufgrund der zähen Arbeit des britischen Journalisten und Computer-Spezialisten Duncan Campbell erwiesen ist, sie dürften (fast) alle unschuldig gewesen sein, negiert die Polizei weiterhin die Rehabilitation der Verdächtigen, die zu Opfern wurden. Aber, was das Unglaubliche ist: Nicht eines unserer Massenmedien in Deutschland berichtet über diesen Skandal. Auch in Grossbritannien gibt es wenig öffentliche Information, wo es allein 39 Selbstmorde von so Angeklagten gab.




Auch wenn in Deutschland dieser unglaubliche Fall von Verfolgung Unschuldiger völlig von den Massenmedien unter den Teppich gekehrt wird, zeigt er doch exemplarisch, welche absurden Blüten die „Kinderporno“-Hysterie zu treiben vermag. 7272 Briten und mehr als 1400 Deutsche wurden 2002/2003 und später völlig unschuldig der Kinderporno-Herstellung bzw. des Zusammenhangs mit einem Internet-Kinderporno-Ring verdächtigt und öffentlich angeschwärzt.

Der Kinderporno-Vorwurf wird zum Ersatz der mittelalterlichen Hexenjagd.

Die ganze Aktion, in den USA genannt ‚Operation Avalanche’, in Grossbritannien ‚Operation Ore’, in Deutschland „Operation Pecunia“ oder „Aktion Pecunia“ begann 1999. In den USA hatte das FBI einen Hinweis auf Kinderporno-Sites im Internet bekommen und begann zu ermitteln. Man wurde dann auch schnell fündig. Es gab einen Zugangsschlüssel-Verkäufer für Internet-Sites, davon viele Porno-Seiten, mit dem Namen ‚Landslide’, dessen Besitzer ein gewisser Thomas Reedy war. Angeblich waren unter den vielen Websites und Porno-Sites, die über seine Eingangsseite unter der Bezeichnung ‚Keyz’ liefen(das ist eine Verballhornung von keys, also Schlüssel; man kaufte dort Schlüssel zum Zugang zu anderen Websites), auch Kinderporno-Seiten oder jedenfalls die Ankündigung von solchen.

Eigentlich war das von der Firma ‚Landslide’ im Internet angebotene ‚Keyz’-System eine Zahl- und Zugangsstelle für andere Websites (einschliesslich einer Altersprüfung in bestimmten Fällen; die Altersprüfung findet in den USA durch die Kreditkarten statt, die üblicherweise nur Erwachsenen haben). Es wurden über diese Zahl- und Zugangsstelle so viele Websites angelaufen, die eine Bezahlung zum Zugang verlangten, dass Reedy völlig die Übersicht verloren hatte, welche Sites das waren. In seinem Prozess konnte er glaubhaft versichern, er hatte nicht die geringste Ahnung, ob da eventuell auch Sites mit Kinderpornographie dabei waren. Das nahm man ihm allerdings nicht ab und er wurde verurteilt.

Das FBI erwirkte einen Durchsuchungsbefehl und beschlagnahmte die „Keyz“-Computer. Dort fand man die Nummern und Namen der Kreditkartenbesitzer, die sich Zugang zu Seiten bei ‚Landslide’ erkauft hatten. Auf richterliche Anordnung mussten die Kreditkartenorganisationen die Daten (Adressen usw.) der dazugehörigen Kartenbesitzer herausrücken. Es handelte sich weltweit um etwa 250 000 und allein in den USA um etwa 35 000 Personen, die so in den Verdacht gerieten, etwas mit Kinderpornographie zu tun zu haben. In Grossbritannien waren es 7 272, in Deutschland über 1 400 Personen, in der Schweiz erhielt die Operation den Namen ‚Genesis’ und betraf ebenfalls Hunderte von Verdächtigen. Offenbar sind auch andere Länder betroffen, aber darüber liegen keine Informationen vor.

Es war eine Mitteilung zusammen mit den anderen Dokumenten von den USA in die anderen Länder geschickt worden mit dem Inhalt: Auf der Startsite von ‚Landslide’ bzw. ‚Keyz’ habe es einen Knopf zum Klicken gegeben, der eindeutig als „Kinder-Pornographie“ gekennzeichnet war. Alle, die gezahlt hätten, mussten diesen Knopf angeklickt haben. Damit, so die britische (und wahrscheinlich auch bundesrepublikanische) Polizei, sei ihre Schuld bewiesen, auch wenn man kein Kinderporno auf den Computern findet.

Später (2005) stellte sich heraus, diese Behauptung stimmte nicht. Sie stammte aus der Aussage eines Polizisten, der mit Untersuchungen betraut war, eines gewissen Steve Nelson und wurde später widerrufen. Der Zugang zu ‚Landslide’ oder ‚Keyz’ hatte in Wirklichkeit zunächst nichts mit Kinderpornographie zu tun, wenn auch innerhalb dieses Netzwerks tatsächlich Kinderpornographie angetroffen wurden sein soll.

Duncan Campbell, ein englischer Journalist und Computer-Experte, der jahrelang Aufklärungs- und Recherche-Arbeit in diesen Fall gesteckt hat und der im Jahr 2006 Zugang zu Kopien der Original-Festplatten des ‚Keyz’-Netzwerks erhalten hat, beschreibt den Zusammenhang folgendermassen:

Wenn man auf die Startseite von ‚Keyz’ kam, war nicht der geringste Hinweis auf Kinderporno zu finden. Ging man dann auf eine bestimmte (von zig) Unterseiten, tauchten unten auf der Site sogenannte Fremdanzeigen auf, die ständig wechselten. Zu bestimmten Zeitpunkten konnte jemand, der auf diese Untersite gestossen war, dort den Hinweis finden: „Hier klicken für Kinderporno“. Die entsprechenden Seiten, die dort verlinkt waren (eventell auch nur eine) gab es zum Zeitpunkt der Untersuchungen 2006 nicht mehr.

Hätten die Ermittler in den USA damals direkt diese forensischen Untersuchungen vorgenommen, wären sie wahrscheinlich noch auf die tatsächlichen Kinderpornoseiten gestossen oder eventuell auch auf „Fake“-Seiten (die also nur abkassieren, aber gar nichts zeigen). Es gibt keinerlei Belege, dass die eigentlichen Hersteller der Kinderpornos auf diesen Seiten je zur Rechenschaft gezogen wurden, sofern da wirklich Kinderporno zu sehen war.

In den USA wurden denn auch von den 35 000 Betroffenen lediglich etwa 100 tatsächlich verurteilt, weil man zusätzliche Beweise gefunden hatte, z.B. Kinderporno im Computer. Nicht so in Grossbritannien. Scotland Yard gab sich mit der genannten Mitteilung zufrieden und klagte alle des Konsums von Kinderpornographie an, deren Kreditkarten-Nummer von den US-Behörden übermittelt worden waren.

Es hätte ausgereicht, die Computer von einem Fachmann untersuchen zu lassen, wie das nun erst im Jahre 2006 geschah. Der hätte sofort (und hat dann auch 2006/ Anfang 2007) die Spuren der Fälscher gefunden. Die Kreditkartenüberweisungen wurden nämlich nicht von einzelnen Websites, eine nach der Anderen, gemacht, sondern pulkweise von nur wenigen Sites. Die Ergebnisse der forensichen Untersuchungen der sechs Festplatten von ‚Keyz’ liegen seit Anfang 2007 vor und wurden im wesentlichen im April und Mai 2007 veröffentlicht.

Die britischen (und wohl auch deutschen) Behörden forderten aber gar nicht Kopien der Original-Computer-Festplatten zur forensischen Untersuchung an. Ebensowenig wurde Steve Nelson als Zeuge einvernommen.

So wurden Tausende von Personen völlig unschuldig des Konsums von Kinderporno angeklagt, aufgrund einer schriftlich übermittelten nicht überprüften Aussage eines Polizisten, der niemals in Grossbritannien, der Schweiz oder der Bundesrepublik aussagte. Immer nach dem Motto: „Grosser Bruder von jenseits des Atlantiks befiehl, wir folgen“.

Die Verfolgungen, Festnahmen, Durchsuchungen usw. in Europa begannen 2002/2003 und zogen sich bis vor kurzem hin. Ein Teil der Fälle ist bis heute noch nicht zu den Akten gelegt.

In der Folge der Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme von Hunderttausenden von Festplatten, CDs, DVDs, Disketten und anderen Datenträgern waren in den betroffenen Ländern für Jahre wesentliche Teile der Ermittlungskapazitäten der Polizeiapparate lahmgelegt, weil all dies Material auf Kinderpornos durchsucht werden musste. Es kann nur vermutet werden, wieviele ernsthafte Verbrechen ungesühnt blieben, weil man hinter vermeintlichen Kinderporno-Konsumenten her war.

Man lese nur, welch schwerwiegender Polizei-Fehler inzwischen bereits Teil einer Enzyklopädie, dem englischen ‚Wikipedia’ ist:

„...many of the people making charges at child porn sites were using stolen credit card information (and the police arrested the real owners of the credit cards, not the actual viewers). Plus, thousands of credit card charges were made where there was no access to a site, or access to only a dummy site. When the police finally checked, they found 54,348 occurrences of stolen credit card information in the Landslide database. The British police failed to provide this information to the defendants, and some implied that they had checked and found no evidence of credit card fraud when no such check had been done.“

„...viele der Leute, die für den Zugang zu Kinderporno-Sites zahlten, verwendeten gestohlene Kreditkarten-Informationen und die Polizei nahm die wirklichen Kreditkartenbesitzer fest und nicht jene, die wirklich Kinderporno sahen. Ausserdem wurden Tausende von Abbuchungen auf Kreditkarten gemacht, wo es überhaupt keinen Zugang zu Kinderporno-Sites gab oder nur Zugang zu Schein-Sites ohne Inhalt. Als die Polizei am Ende zusammenzählte, fanden sie 54 348 Fälle von gestohlenen Kreditkarten-Informationen in der ‚Landslide’- Daten-Basis. Die britische Polizei gab diese Information aber nicht an die Verteidiger der Verdächtigen weiter, einige Polizisten behaupteten sogar, sie hätten nach Anzeichen von Kreditkartenbetrug gesucht, aber nichts gefunden, obwohl eine solche Suche gar nicht stattgefunden hatte."

Es wird deutlich, was in England wirklich geschah: Anfänglich sonnte sich die Polizei in der positiven Öffentlichkeit, die sie gewann, als sie scheinbar Tausende von „abscheulichen Kinderschänder-Nestern“ aushob.

Ab dann war es nur noch der Versuch, die wirklichen Tatsachen unter dem Teppich zu halten und die anfänglich gemachten schwerwiegenden Fehler zu rechtfertigen und zu vertuschen. Dazu wurde gedreht, gefälscht und gelogen. Man entschied sich, die einmal erfundene Geschichte weiterhin zu unterstützen, auch wenn dafür alle Regeln der korrekten Polizeiarbeit missachtet werden mussten.

Die Folgen waren tragisch. Es wurde das Leben vieler, vieler Menschen zerstört. Auf der englischen Wikipedia-Site

http://en.wikipedia.org/wiki/Operation_Ore

kann man nachlesen, was allein in Grossbritannien geschah:

“In the United Kingdom, it has led to 7,250 suspects identified, 4,283 homes searched, 3,744 arrests, 1,848 charged, 1,451 convictions, 493 cautioned, 879 investigations underway, 109 children removed from suspected dangerous situations and at least 35 suicides.”

„Im Vereinigten Königreich (Grossbritannien) hat die Operation zu 7 250 Verdächtigen geführt, 4 283 Wohnungen wurden durchsucht, 3 744 Personen wurden festgenommen, 1 848 Personen wurden angeklagt, 1451 verurteilt, 493 sind auf Kaution in Freiheit, gegen 879 wird weiterhin ermittelt, 109 Kinder wurden aus vermuteten „gefährlichen Situationen“ entfernt und mindestens 35 der angeklagten Personen begingen Selbstmord.“

Die Zahl der Selbstmorde, allein in Grossbritannien, ist inzwischen auf 39 gestiegen. Wie viele sich in Deutschland umgebracht haben, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

In der Praxis sah das typischerweise so aus: Das Haus oder die Firma des Verdächtigen wurde von einer Heerschar von Polizisten heimgesucht. Der Presse und anderen Medien gab man bereitwillig Auskunft, wer und warum hier im Verdacht stehe. Innerhalb von kurzer Zeit wurde die Nachricht in alle Winde gestreut: „Der Herr X hat etwas mit Kinderporno im Internet zu tun!“

Die Familie, Nachbarn, Freunde, Kunden, Bekannte, Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Richter in Scheidungsprozessen (und Personen, die bekannte Persönlichkeiten kannten,), Geschäftspartner, Kunden, alle wussten, der Mann war mit einem Grossaufgebot der Polizei wegen Kinderporno im Internet bedacht worden. Er musste also ein Schwerverbrecher sein.

In fast allen Fällen wurde der Beschuldigte zumindest zeitweise ins Gefängnis gesteckt, was für die Öffentlichkeit den Eindruck schwerster Verbrechen noch verstärkte. Viele kamen nur durch Bezahlen einer Kaution frei, was immer bereits ein Anerkennen der Schuld beinhaltete und in der Regel nur bei Verbrechen, nicht bei Vergehen, angewandt wird.

Angesichts der Tatsache, dass fast alle Menschen kaum jemand mehr verabscheuen als solche, die Kinder missbrauchen und daraus Vorteil mit Bildern im Internet schlagen, ist diejenige Person damit erledigt. Ausser vielleicht Kindermord gibt es keinen vernichtenderen Verdacht als diesen. Es gibt kaum einen Bekannten mehr, kaum ein Familienmitglied, kaum Freunde oder kaum Ehefrauen, die mit so einem Individuum noch etwas zu tun haben wollen.

Macht man sich klar, dass fast alle (oder sogar alle) Verdächtigen unschuldig waren und niemals Kinderporno im Net angesehen haben, geschweige denn etwas mit der Herstellung solcher Pornofilme oder –bilder zu tun hatten, ist das schwerwiegend.

Zwar gab es in vielen Fällen vereinzelte Ehefrauen, Freunde oder Bekannte, vor allem aber Mütter, die den verzweifelten Beteuerungen der Betroffenen Glauben schenkten, sie hätten nichts mit Kinderporno zu tun, aber fast alle wurden direkt in die Hölle befördert, wie die meisten von ihnen das beschrieben: Sie wurden entlassen, die Frauen liessen sich scheiden, Freunde kannten sie nicht mehr, jegliche sozialen Kontakte wurden fast unmöglich – aber am schwerwiegendsten war für die meisten, denen das geschah: Die Kinder wurden ihnen weggenommen.

Dies betraf nicht nur die oben genannten 109 „Entfernungen von gefährdeten Kindern“, sondern weit mehr, denn dazu kamen die Fälle, in denen die geschiedenen Ehefrauen, die natürlich die Kinder zugesprochen bekamen, mit dem Argument dieser Verdächtigung jegliches Besuchsrecht des Vaters verhindern konnten.

Auch heute noch, nachdem bereits klar geworden ist, dass es sich praktisch ausschliesslich um Unschuldige handelt, sind viele Väter völlig von ihren Kindern getrennt.

Eine andere schwere Folge für einen Teil der Betroffenen war die öffentliche Blossstellung gegenüber Geschäftspartnern ihrer Firmen. Wer wollte wohl noch mit verurteilten „Pädophilen“ irgendeine Art von Geschäften machen? Es ist nicht bekannt, wieviele Unternehmen schliessen mussten, aber auch der Verlust von allen Computern einschliesslich der Backup-Kopien und damit von jeglicher Dokumentation führt regelmässig in solchen Fällen schon zum Schliessen der Firma.

Dagegen steht das, was den Tausenden von Verdächtigen (in Wirklichkeit Opfern) überhaupt vorgeworfen wurde, in keiner Relation. Es handelte sich ja nicht um den Vorwurf, Kinder missbraucht zu haben oder Fotos von Sex mit Kindern ins Internet gestellt zu haben, sondern um den weit weniger schweren Vorwurf, sich im Internet zur Verfügung stehende Bilder von Sex mit Kindern angesehen zu haben.

Auf dieses Delikt (Konsum von Kinderporno) steht zum Beispiel in Deutschland maximal 2 Jahre Gefängnis in schweren Fällen, das entspricht dem Strafmass von Sachbeschädigung. Bei einer Erstverurteilung heisst das in der Regel Geldstrafe oder Strafe auf Bewährung. Der Schaden, der den Verdächtigten entstand, wäre also auch dann nicht angemessen zum Vorwurf gewesen, wenn es sich tatsächlich um Konsumenten von Kinderpornos gehandelt hätte. Es ist möglich, dass sich unter den Verdächtigten auch wirklich solche Konsumenten befanden, aber das kann heute gar nicht mehr festgestellt werden – vor allem nicht, da es keinen Zugang für eventuell von Verteidigern beauftragten Sachverständige zu den sechs Original-Festplatten des ‚Keyz’-Netzwerks oder Kopien davon gibt.

Schuldsprüche

Warum, so wird man nun natürlich fragen, sind dann aber wirklich Viele verurteilt worden? Nun, in den USA wurden, sei es Zufall oder nicht, bei etwa 100 der 35000 Betroffenen Kinderporno auf den Computern angetroffen, das sind also 3 Promille der Verdächtigen. Dies hätte schon zu Vorsicht in den anderen Ländern führen müssen, denn es ist extrem unwahrscheinlich, dass 99,7% derer, die Kinderporno im Internet kaufen, nichts davon auf ihren Computer herunterladen. Da hätte der Verdacht auf gestohlene Kreditkarten-Informationen schon automatisch kommen müssen.

In Grossbritannien wurden 1 451 Personen verurteilt, das sind fast hundert Mal mehr im Verhältnis zu den 7 250 Verdächtigen als im Vergleich in den USA. In den USA waren es 0,3%, in GB 20%. Das hätte die Gerichtsbarkeit im UK schon aufmerksam werden lassen müssen, denn die US-Gerichtsbarkeit hat nicht im mindesten den Ruf, Kinderporno-Fälle lasch zu bestrafen, eher im Gegenteil.

Gehen wir näher in die Verurteilungen in England, so stellt sich schnell heraus, fast alle beruhen auf einem ‚Deal’, so wie auch jene von Pete Townshend. Das angelsächsische Recht kennt die Möglichkeit von ‚Deals’, das bedeutet, gegen den Preis, sich schuldig zu bekennen, wird derAngeklagte nur zu einer geringen Strafe verurteilt (gering im Verhältnis zum ursprünglichen Vorwurf). Da in diesem Fall von Konsum von Kinderporno die möglichen Strafen sowieso schon niedrig waren, blieben teilweise nur noch symbolische Strafen übrig.

So erhielt zum Beispiel Pete Townshend, die berühmteste der Personen, die angeklagt waren, nur eine „Strenge Verwarnung“, musste sich dafür aber schuldig bekennen und dies ist auch als strafrechtliche Verurteilung in den Akten. Ebenso ist er auf der öffentlich zugänglichen Liste der „Sex-Offender“ (sexuelle Angreifer) geführt.

Pete Townshend

Nun benutzt die Polizei, im April 2007 zu diesen neuen Entdeckungen über den Kreditkartenschwindel im Fall befragt, diese Tatsache als Ausrede, um zu verhindern, sich entschuldigen und eigene Fehler zugeben zu müssen. Man höre die Antwort, die der leitende Polizist und Direktor des „Child Exploitation and Online Protection Centre“ und wesentlicher Leiter der 'Operation Ore' in England, Jim Gamble, dem BBC-Kanal 4 auf die Vorhaltungen bezüglich des polizeilichen Vorgehens sagte:

„Es handelt sich hier nicht um Kreditkarten-Fälschung (...) Der grösste Teil der Verurteilten hat sich ... vor Gericht ... für schuldig erklärt.“

Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, infam.

Sehen wir uns die Situation der 1 451 verurteilten Peronen an (oder jedenfalls der überwältigenden Mehrheit von ihnen), als die Gerichtsverfahren eröffnet wurden: Fast alle hatten alles verloren, was ihnen lieb und teuer war, obwohl sie wussten, sie waren unschuldig. Soweit sie Polizisten waren, Richter, Lehrer oder Seelsorger (es war auch ein stellvertretender Schulleiter darunter), auch ihre Arbeit.

Zu all dem drohte ihnen nun auch noch eine Gefängnisstrafe, denn die Verteidiger mussten ihnen mitteilen: Trotz der unakzeptablen Beweislage (die eigentlich niemals hätte zu einer Verurteilung führen dürfen, noch nicht einmal zu Haftbefehlen) würde angesichts der aufgewühlten öffentlichen Meinung und der allgemeinen öffentlichen Hysterie angesichts von Kinderpornofällen eine Verurteilung extrem wahrscheinlich sein.

In dieser Situation wurde ihnen vom Staatsanwalt (der ja Verurteilungen vorweisen muss) der Deal angeboten: Wenn er sich des Delikts Konsum von Kinderporno schuldig erklärt, erhält er nur eine symbolische Strafe (wie Townshend) oder eine Bewährungsstrafe.

So ging ein grosser Teil von ihnen auf den ‚Deal’ ein, was heute von den verantwortlichen Polizisten als Beweis für das Zutreffen der Anklagen gewertet wird. So wird ein System sich selbst erfüllender Prophezeiungen geschaffen, basiert auf der allgemeinen Kinderporno-Hysterie. Die 'Organisation der Geschädigten von Operation Ore' nennt das moderne Hexenjagd.

Kreditkartenbetrug

Wie ging der Kreditkartenbetrug vor sich? Kriminelle Grossorganisationen wie auch kleine Einzelverbrecher beschaffen sich die Kreditkartennummern, Ablaufdaten, die dazugehörigen Namen und, wenn nötig, auch die zweistellige Nummer auf der Rückseite der Karte, die als Schutz gegen solchen Betrug gilt.

Dazu gibt es verschiedene Methoden. Die damals meist verwendete ist das Hacken von Internet-Verkaufsseiten, wo der Käufer alle diese Daten eingeben muss und wo sie der Hacker „abschöpft“. Ein guter Hacker kann so Tausende von Datensätzen pro Tag erlangen.

Eine andere Methode sind Lockvogel-Angebote zu unglaublich niedrigen Preisen im Internet, wo man die Datensätze gutgläubiger Käufer erlangt, das versprochene billige Gut aber natürlich nie den Käufer erreicht.

Dieser letzte Fall war der Trick, mit dem man eine grosse Anzahl der britischen Angeklagten der Operation Ore um ihre Kreditkarteninformationen gebracht hatte. Es handelte sich in diesem Fall um eine in Florida beheimatete Website, die Luxusgüter wie zum Beispiel ganze Garten-Grills und ähnliches im Internet zu interessanten Preisen zum Verkauf anboten. Das erklärt, warum relativ viele gutsituierte Personen unter den Verdächtigen in Grossbritannien waren.

Der dritte und heute meist verwendete Schwindel, um an einen Satz kompletter Kreditkarten-Daten zu kommen, ist das heute als „Phishing“ schon berühmte Verfahren. Man offeriert den Zugang zu einer grossen Porno-Website (oder einer anderen Site mit vielen Interessenten) zu einem extrem geringen Preis, in der Anfangszeit meist ein Dollar, heute üblicherweise 1,99 Dollars. Man muss zum Bezahlen alle Karten- und persönlichen Daten eingeben (angeblich, um eine Altersüberprüfung durchzuführen) und schon hat der Verbrecher einen kompletten Datensatz, den er selbst verwenden oder im Internet zum Verkauf anbieten kann.

Diese Art von Kreditkartenschwindel wird „Carding“ genannt. Die Daten wurden von Mitte der Neunziger Jahren an in internationalen Schwarzmärkten über das Internet zum Kauf angeboten. Es gab Websites mit nur Mitgliederzutritt und auch Chat-Gruppen, wie „Carders market“, „Dark market“, „Talk Cash“ und „The Vouchard“, in denen ganze Wagenladungen solcher gestohlener Kreditkarten-Informationen angeboten und verkauft wurden. Die Preise reichten von 30 Dollar für eine einzelne, noch nicht kriminell verwendete VISA-Gold-Karte bis hin zu einem „Bulk“ von 4000 gestohlenen American-Express-Karten-Daten zum Vorzugspreis von 10 000 Dollar, also gerade mal 2 Dollar 50 pro Stück.

„Carding“ über „Fake“- oder wirkliche Porno-Sites ist der einfachste Weg, Millionen zu machen, denn es braucht nichts geliefert zu werden. Man kann aus entfernten Ländern arbeiten (so war die Website bei der letzhin von der deutschen Polizei verfolgten ‚Operation Mikado’ auf den Philippinen gehostet).

Man öffnet eine Porno-Site, eventuell auch einfach nur ein Titelblatt mit einem fetzigen Titel und benutzt nun die Kreditkarten-Daten, die man gephished oder gekauft hat, um Abbuchungen von den Konten der Kreditkartenbesitzer vorzunehmen. Daher kommen dann Zahlungen im Bulk statt eine nach der anderen von einzelnen Seiten. Üblicherweise werden kleinere Beträge von unter 50 Dollar im Einzelfall abgebucht. Man wiederholt diese Abbuchungen monatlich, so als ob der Kreditkartenbesitzer sich Zugang gekauft hätte mit monatlichen Zahlungen.

Nur ein Teil der Kreditkartenbesitzer verlangen üblicherweise die Rückzahlung von ihren Kreditkartenorganisationen über die Bank, welche die Kreditkarte ausgestellt hat (was bei zurückliegenden Fällen extrem schwierig und arbeitsaufwendig ist, wie der Autor bestätigen kann, der selbst schon Opfer einer solchen Straftat geworden ist). Die meisten der Kreditkartenbesitzer bemerken diese Abbuchungen gar nicht oder können nicht herausfinden wie man Rückzahlungen bekommt.


Im zweiten Teil: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigen, die Rolle der Polizei; im dritten Teil: Die Rolle der Politik und der Massenmedien

Veröffentlicht am 10. Juli 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Hier geht es zu Teil 2 und zu Teil 3


Zusatz zum Artikel (6.8.07):

Die Nachveröffentlichung dieses Artikels in "Nachrichten - heute" wurde noch am Tag des Erscheinens mit einem Kommentar von einem "Konrad" versehen, der dann allerdings mit "Ralf" unterschrieb.

Dort wird eine dubiose Website verlinkt, die erneut zeigt, wie absurd und hysterisch die Reaktionen auf das Thema "Kinderporno" sind. Es wird ein Künstler (oder Möchte-gern-Künstler) denunziert, der in Wien ausstellt. Er würde Kinderporno herstellen. Als Beleg werden zwei Fotos auf die Site gestellt, die angeblich Kinderporno darstellen würden.

Der geneigte Leser mag sich hier die "Kinderpornos" ansehen und selbst urteilen:

Angebliches Kinderporno

Angebliches Kinderporno 2

Nun kann man über Geschmack streiten und darüber, was Kunst ist, nur Kinderporno ist das wirklich nicht.

Die Site, die diese hysterische Einordnung betreibt, tut noch ein Übriges. In ihrem Titel steht u.a.: "Madeleine McCann, ich kenne ihre Entführer".

Damit wird ein vermeintlicher Zusammenhang des "Künstlers" mit dem aufsehenerregenden Fall des Verschwindens einer englischen Vierjährigen von einem Ferienaufenthalt an der portugiesischen Algarve nahegelegt.

Wer ein wenig in die absurde Wahnsinnswelt der Hexenjäger von "Kinderpornos" Einblick nehmen will, kann sich diese Site ansehen.



Weiterer Zusatz zum Artikel

Auch diese Meldung vom 9.9.2007 gibt eine Vorstellung, zu welchen Absurditäten die extremistischen Christen von der Bush-Clique fähig sind:

Die 23-jährige Kyla Ebbert wurde kurz vor dem Start ihrer Maschine von San Diego, Kalifornien, USA, des Flugzeugs verwiesen, weil ihre Kleidung für die Fluggesellschaft Southwest Airline als zu provozierend angesehen wurde.

Kyla Ebbert in der beanstandeten Kleidung

Sehen Sie selbst das Bild von Kyla in der beanstandeten Kleidung und sie bekommen einen guten Einblick, was man in Zukunft auch in Deutschland von Merkel, Beckstein und Konsorten zu erwarten hat.

Als Begründung wurde angegeben, man sei eine Familienfluglinie. Das Abheben auf die ‚Werte der Familie’ eint seit jeher reaktionäre (und faschistische) Politiker und extremistische Christen. Wenn sich jemand auf die ‚Werte der Familie’ bezieht, wissen Sie, von was die Rede ist.

Wenn Sie hier Anklänge an islamistische Hysteriker erkennen, die glauben, ihre Frauen müssten sich vollständig verhüllen, so liegen Sie wohl nicht weit entfernt.

Religiöse Fanatiker, Bush und Bin Laden, ähnelten sich schon seit Urzeiten.

Quelle hier



Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Montag, 9. Juli 2007

Folterartikel

In eigener Sache

Von Karl Weiss

Die Artikel über Folter, vor allem die zwei, die in jeweils zwei Versionen im Blog stehen, "Profimässig foltern - wie ist das?" mit der anderen Version "Bush und Rumsfeld foltern", sowie "Folter - CIA-Folterflüge und europäische Regierungen" mit der anderen Version "Warum wird gefoltert?", sind bei weitem die meistgelesenen im Blog.

Sie haben sich inzwischen schon so verbreitet und wurden so oft gelesen, dass einem davon, "Warum wird gefoltert?" schon die Ehre zuteil wurde, in eine Enzyklopädie einzugehen, in die deutsche Wikipedia unter dem Stichwort "Folter in Chile":
http://de.wikipedia.org/wiki/Folter_in_Chile
Dort ist der Artikel unter Anmerkung 22 verlinkt.


Hier eine Anzahl Links zu Artikeln im Blog zur Folter:


- Bush und Rumsfeld foltern!

- Die USA am Scheideweg – Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- Profimässig foltern – wie ist das?

- Kann man durch Folter Wahrheit erfahren?

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... - USA-Land der Freiheit?

- Interviews mit Guantánamo-Insassen

- Beine zu Brei geschlagen – Folter in Afghanistan

- Warum wird gefoltert?

- US-Generalmajor Taguba zwangspensioniert

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Folter, Folter ohne Ende

Samstag, 7. Juli 2007

Copa América: Vorrunde beendet

Argentinien haushoher Favorit

Von Karl Weiss

Nun haben also die 18 Spiele der Vorrunde der “Copa América“ stattgefunden, der amerikanischen Meisterschaft der Fussball-Nationalmannschaften. Die wesentlichen Ergebnisse sind die überragende Vormachtstellung Argentiniens in dieser „Copa“, die eklatanten Schwächen des brasilianischen und uruguayanischen Teams, das relativ gute Abschneiden Venezuelas und das frühe Ausscheiden der Nationalmannschaft der USA mit drei Niederlagen, die nicht an frühere gute Vorstellungen anknüpfen konnte.

Im Artikel zum Auftakt der „Copa“ wurde bereits berichtet über die – vorsichtig ausgedrückt – seltsame Einteilung der Gruppen, Aufteilung der Teams auf die Gruppen und die verkorkste Festlegung der Viertelfinal-Begegnungen. Es war bereits spekuliert worden, der für die Organisation zuständige südamerikanische Fussballverband, der in Uruguay sitzt und traditionell von urugayanischen Politikern dominiert wird, habe krampfhaft versucht, der uruguayanischen Mannschaft eine Chance zu verschaffen, ins Endspiel zu kommen.

Dazu hätte allerdings Uruguay als Gruppenerster aus der Vorrunde hervorgehen müssen. Tatsächlich begann das Team vom Rio de la Plata aber mit einer saftigen 0:3-Niederlage gegen Peru. Sah man die peruanische Mannschaft in den folgenden Spielen, blieb es unverständlich, wie sie das geschafft hatte. Sie verlor sang- und klanglos gegen Venezuela, das eigentlich als eines der beiden schwächsten Teams des Turniers eingeschätzt werden musste (zusammen mit Bolivien) und schaffte am Ende gegen Bolivien nur ganz knapp mit einem Ausgleichstor kurz vor Schluss durch Bayerns Pizarro ein Unentschieden. Mit diesen vier Punkten schaffte Peru aber immerhin den zweiten Gruppenplatz.

Venezuela dagegen, im eigenen Land offenbar beflügelt, konnte mit einem Sieg und zwei Unentschieden den Spitzenplatz der Gruppe einnehmen und darf nun gegen den Dritten der eigenen Gruppe, Uruguay, das Viertelfinale bestreiten.

Uruguay war anscheinend nicht extrem beeindruckt durch die glatte Auftaktniederlage und gewann im zweiten Spiel gegen Bolivien. Am dritten und letzten Spieltag der Gruppe A trafen dann der Lokalmatador Venezuela und Uruguay aufeinander, wobei beide mit einem Unentschieden als Ergebnis zufrieden sein konnten, Venezuela, weil es damit Gruppenerster würde und Uruguay, weil es damit Gruppendritter würde und ebenso weiterkäme. Und was war das Ergebnis, raten Sie? Richtig! Ein 0:0 Unentschieden.

Das ist so, wenn man den letzten Spieltag der Gruppen nicht, wie bei der Weltmeisterschaft, gleichzeitig austragen lässt, sondern nacheinander, wie in diesem Fall. Die im letzten Spiel wissen oft schon genau, wie sie spielen müssen.

In der Gruppe B war schon vorher sehr wahrscheinlich, dass Mexiko und Brasilien die beiden ersten Plätze belegen würden, aber die meisten hätten wohl die Reihenfolge anders herum gesehen. Mexiko hatte aber im ersten Spiel Brasilien (mit einer indiskutablen Leistung in der ersten Halbzeit) mit 2:0 geschlagen und damit den ersten Gruppenplatz belegt.

Dies bedeutet nun aber gleichzeitig, Mexiko bekam einen weit stärkeren Gegner im Viertelfinale, nämlich Paraguay, während Brasilien sich nur erneut mit Chile aus der eigenen Gruppe herumschlagen muss, das man bereits im Gruppenspiel mit 3:0 geschlagen hatte.

Es wird deutlich, dieses Schicksal hatte man eigentlich für Brasilien vorgesehen, aber nun hat man sich Brasilien in die uruguayanische Halbfinalgruppe geholt und die Chancen für Uruguay, ins Endspiel zu kommen, werden immer geringer.

Bleibt in der Gruppe B noch zu berichten, dass Brasilien fast nur von der Spielkunst von Reals Robinho lebte, während Herthas Gilberto fast nur Fehlpässe produziert. Auch der Verteidiger Alex ist völlig von der Rolle. Alle vier Tore Brasiliens hat Robinho erzielt, der auch noch die Spielzüge nach vorn zu tragen hatte. Werders Diego, der eigentlich diese Aufgabe hätte übernehmen sollen, ist ausser Form und wurde nur im Mexiko-Spiel und am Ende des Spiels gegen Equador (nur 1:0!) eingesetzt.

Die Gruppe C schliesslich, die „Todesgruppe“, hat nun wirklich zwei Ausgeschiedene auf dem Gewissen, nämlich die US-Truppe und die kolumbianische. Argentinien marschierte in einmaligem Stil durch, wurde Top-Favorit und gewann als einzige Mannschaft alle drei Spiele, während Paraguay seine Spiele gegen die USA und Kolumbien gewinnen konnte. Damit war am Ende der Ausgang des Spiels zwischen Kolumbien und den USA (1:0) ohne Bedeutung, denn die beiden besten Gruppendritten hatten bereits 4 Punkte, was weder die USA noch Kolumbien mehr erreichen konnten.

Ausserdem schieden aus den Gruppen A und B Bolivien und Equador aus.

Argentinien hatte lediglich im Spiel gegen Paraguay etwas Probleme und gewann nur mit 1:0, ansonsten war man haushoch überlegen. Im Moment dürfte Argentinien die beste Nationalmannschaft im Fußball haben mit einem überragend aufspielenden Riquelme als Regisseur und einem Messi, der in der zweiten Halbzeit kommt und die entscheidenden Spielzüge nach vorne trägt.

Daraus ergaben sich nun die folgenden Paarungen für die Viertelfinals: In der ersten Gruppe, die für das Halbfinale 1 spielen, stehen Venezuela und Uruguay in einem und Brasilien und Chile im anderen Spiel gegeneinander. In der Gruppe für das zweite Halbfinale spielen Mexiko gegen Paraguay sowie Argentinien gegen Peru.

Damit steht jetzt schon fest: Im ersten Halbfinale werden deutlich schwächere Mannschaften stehen wie im zweiten (wenn sich nicht Brasilien aufrafft, noch an frühere glorreiche Zeiten anzuknüpfen).

Nach den bisher gezeigten Leistungen müssten die beiden Halbfinale lauten: Venezuela gegen Brasilien sowie Mexiko gegen Argentinien. Das Endspiel hiesse dann wohl, wie bei der letzten Ausgabe der Copa América, Argentinien gegen Brasilien. Doch diesmal dürfte dann Argentinien das bessere Ende für sich haben.

Das war aber beim letzten Mal auch schon die Vorhersage, doch Brasilien, das mit dem B-Team angetreten war, raffte sich zu einer Energieleistung auf, konnte kurz vor Schluss noch ausgleichen und gewann dann im Elfmeterschiessen.

Auch diesmal wieder sollte man das brasilianische Team (ohne Ronaldinho und Kaká) nicht voreilig abschreiben.

Die Viertelfinals werden an diesem Wochenende ausgetragen, die Halbfinale sind für Dienstag und Mittwoch vorgesehen, das Endspiel für den kommenden Sonntag, den 15.7.07.

Veröffentlicht am 07. 07. 07 in der "Berliner Umschau"

Originalartikel

Freitag, 6. Juli 2007

'Gefühlte Inflation' kontra 'Ermittelte Inflation'

Wie die offizielle Inflation nach unten manipuliert wird

Von Karl Weiss

Kürzlich wurde erstmals offiziell zugegeben, die Normalbürger „fühlen“ eine deutlich höhere Inflation als es die Statistik-Institute ermitteln. Der Begriff der „gefühlten Inflation“ wurde eingeführt. Das Gespräch mit einem der „Testkäufer“ hat ergeben, der Normalbürger fühlt nicht nur, dass etwas nicht in Ordnung ist mit den Zahlen der offiziellen Inflationsrate, sondern er hat Recht: Die für seinen Konsum eingetretene Inflation ist wirklich deutlich höher als die offiziellen Zahlen.

Die Tatsache, dass die „Testkäufer“ der Statistikinstitute grundsätzlich keine Sonderangebote berücksichtigen, ist einer der Hauptgründe, warum die offizielle Inflation oft weit unter der von uns „gefühlten Inflation“ bleibt (siehe „Teuro-Effekt“).

Wie der Zufall so spielt, hat der Autor über einen Bekannten hier in Belo Horizonte einen freiberuflichen Mitarbeiter der „Fundação Getúlio Vargas“ (FGV) kennen gelernt, die hier in Brasilien für das Messen der Inflation zuständig ist. Beim Gespräch über seine Tätigkeit kamen extrem interessante Aspekte ans Tageslicht. Auch ihm erscheinen die erhobenen Zahlen für die Werte der Inflation nicht realistisch, sondern nach unten manipuliert.

Als Hauptgrund hierfür (neben der geschickten Auswahl des Warenkorbes) nannte er das Ausklammern von allem, was als Sonderangebot läuft, aus den erhobenen Zahlen.

In der Praxis, berichtete er, läuft das so: Wenn er „Testkäufe“ macht, so kauft er nicht wirklich ein, sondern er notiert die Preise der Waren, die im „Warenkorb“ vorgesehen sind. Mit der entsprechenden Liste geht er anschließend zum Besitzer des Ladens oder zum Abteilungsleiter des Supermarkts und bespricht mit ihm die Preise.

Warum? Ganz einfach. Er darf keinerlei Preis verwenden, der als „Sonderpreis“, „Sonderangebot“, „Lockvogelangebot“, „Ausverkauf“ oder ähnliches deklariert wird. Der Manager teilt ihm also mit, was von den notierten Preisen als „Angebot“ gilt und was der „richtige Preis“ dafür wäre, wenn die Ware nicht im Angbebot wäre. Das führt nach seiner Angabe dazu, dass oft 80% der Preise, die er im Laden notiert hat, durch theoretische Preise ersetzt werden, die in Wirklichkeit niemand zahlt.

Er nannte als Beispiel den ‚Skol’-Preis, der als einer der Warenkorb-Preise für den Unterpunkt „Bier“ erhoben wird. Die Marke Skol ist hier in Brasilien die meistverkaufte Biermarke. In den Supermärkten wird Bier fast ausschliesslich in den kleinen Alu-Dosen mit 350 ml verkauft. Über ganz Brasilien fast einheitlich (ausser in abgelegenen Regionen) wird in diesem Moment eine solche Dose Skol zu Preisen zwischen R$ 1,20 und R$ 1,25 verkauft. Der Preis ohne Sonderangebot ist aber R$ 1,35. 99% des Verkaufs von Skol findet zu Angebotspreisen statt. Trotzdem notiert der Testkäufer einen anderen Preis, in diesem Fall also die 1,35 Reais.

Da ein Euro im Moment bei etwa 2,60 Reais liegt , heisst das, die Käufer erwerben das Bier in Wirklichkeit für zwischen 46 und 48 Cents, während der „offizielle Preis“ bei etwa 52 Cents liegt. Wie das nun die offizielle Inflation von der tatsächlichen abheben kann, zeigte nach seiner Aussage die vergangene Woche. Da wurde nämlich, wie er bemerkte, ein massiver Preisanstieg über alle Supermärkte hinweg versucht, wo in der Regel die Preise pro Dose um 0,04 Reais anstiegen, also zum Beispiel von 1,21 auf 1,25, das ist immerhin ein Anstieg von über 3% innerhalb einer Woche.

Gleichzeitig, so sagte er, wurde aber der offizielle Preis von 1,35 auf 1,34 verringert. Unter der Prämisse, dass fast die gesamte Menge aber eben zu angeblichen Angebotspreisen verkauft wird, verdreht die Erhebung so einen deutlichen Preisanstieg zu einem leichten Preis-Nachlass.

Das gleiche, so sagte er, trifft auch für den Unterpunkt ‚Erfrischungsgetränke’ zu, wozu ebenfalls das meistverkaufte Getränk herangezogen wird, Coca Cola. Er sagte, der offizielle Preis von Coca Cola in der 2-Liter-PET-Flasche, das ist die bei weitem meistverkaufte Version, liegt seit Monaten konstant bei R$ 3,40 (1,31 Euro). In Wirklichkeit wird nirgendwo das Getränk zu diesem Preis verkauft (mit Ausnahme von Läden an Tankstellen und ähnlichen). Vor Monaten noch wurde in Wirklichkeit die Flasche an vielen Stellen für R$ 2,40 (0,92 Euro) angeboten, während sich heute der Preis des braunen Sprudelwassers generell auf Werte zwischen R$ 2,80 (1,08 Euro) und R$ 3,30 (1,27 Euro) erhöht hat. Offiziell also keinerlei Preianstieg, in Wirklichkeit Preiserhöhungen im Bereich von 17 bis 37 %!

Ähnliches trifft nach seiner Aussage für andere viel gekaufte Güter zu, wie Grundnahrungsmittel (Reis, Brot, Bohnen, Margarine, Schinken, Käse usw.), Obst und Gemüse sowie Toilett-Artikel wie Shampoo und ähnliches.

Er erklärte zusätzlich, dass diese Methode auf lange Sicht natürlich keine verringerte Inflation erzeugen kann, denn am Ende müssen ja auch die „offiziellen Preise“ inflationär angeglichen werden, sonst würden sie ja unter die der tatsächlich gehandhabten fallen. Aber, so sagt er, auf diese Weise können jene raschen Inflationsschübe „verdeckt“ werden, die aus verschiedenen Gründen öfters vorkommen.

Wir haben in Europa ja damit Erfahrungen, seit wir die Einführung des Euro erlebt haben, der sich angeblich kaum inflationär ausgewirkt haben soll.

Die Methoden, wie man die Inflationszahlen auf längere Sicht nach unten manipuliert, sind dagegen andere: Vor allem wird dabei der ausgewählte Kreis der Konsumenten benutzt, um eine niedrigere Inflation zu erzeugen. Man nimmt als offizielle Inflations-Messzahl die Konsumgewohnheiten nicht etwa des normalen, wenig verdienenden Bürgers, ebensowenig einen genauen Durchschnitt der Bevölkerung in Einkommen und Ausgaben, sondern einen teuflischen Trick: Man verwendet den Durchschnitt des gesamten Konsums im Land! Dadurch werden die hohen Ausgaben der Reichen voll berücksichtigt, obwohl sie nur eine kleine Schicht der Bevölkerung darstellen.

Das bedeutet, wenn – sagen wir, die Gesamtmenge von Brot, die in einem Monat in einem Land gekauft wird, etwa 1 Milliarde Euros ausmacht, so geht der Brotpreis mit der gleichen Gewichtung in den Inflationsindex ein wie – sagen wir, die gekauften Luxusjachten und anderen privaten Schiffe und Boote, die angenommenerweise ebenfalls eine Milliarde in einem Monat ausmachen.

Dadurch gehen Luxusgüter, wie Jachten, Ferraris und andere Luxusautos, Chinchilla-Mäntel, Dior-Kleider und andere irrwitzige teure Kleidungsstücke, extrem teure elektronische Geräte wie spezielle Riesen-Fernseher und Luxus-Tonwiedergabe-Anlagen, antike Möbelstücke und viele andere in überproportionaler Weise in die Inflationsrate ein. Zwar nicht überproportional im Sinne ihres Anteil am gesamten Konsum des Landes, aber weit überproportional im Sinne der betroffenen Bevölkerung. Luxusgüter haben nämlich die unglaubliche Eigenschaft, kaum je im Preis zu steigen, oft sogar billiger zu werden.

Dieser Trick hat auch noch eine zweite Nebenwirkung, die ebenfalls „hilft“, die Inflationsrate niedrig zu halten: Neue elektronische Produkte, am Anfang meist noch extrem teuer, gehen bereits in diesem frühen Stadium in die Erfassung der Preise ein. Das trifft zum Beispiel für elektronische Cameras zu, als sie noch 10 000 Euro kosteten oder für Plasma-Fernseher, als sie noch 20 000 Euros kosteten oder für Digitalfernseher und Breitbild-Fernseher, als sie noch extrem teuer waren. In dem Masse, wie solche Artikel dann häufiger gekauft werden und dann entsprechend den schnell steigenden Mengen der Produktion billiger in der Herstellung und im Verkauf werden, drücken sie dann die Inflationsrate, obwohl sie teuer, wie sie waren, von fast der ganzen Bevölkerung nicht gekauft wurden.

Er sagte ausserdem, es gäbe noch ein paar andere Tricks, die aber nur sehr geringen Effekt hätten, in der Summe aber auch etwas ausmachen.

Er schätzt, dass die wirklichen Inflationsraten im Bereich von etwa 150% der offiziellen Inflationsraten liegen. Wenn also eine Jahresinflation von nur 2,5% angegeben wird, kann man getrost davon ausgehen, dass für den Normalbürger die Inflationsrate der Produkte, die er kaufte, bei etwa 3,6 bis 4% gelegen hat. Für jemand, der sehr wenig Geld hat und fast alles für das Grundlegende ausgeben muss, ist dieser Effekt sogar noch weit höher.

Er meinte, wenn man die Reichen und das, was fast nur sie konsumieren, aus der Inflationsermittlung herauslassen würde, würde glatt das Doppelte an Inflation herauskommen.


Veröffentlicht am 6. Juni 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 4. Juli 2007

Die Wirtschaftsbosse verlieren mehr und mehr die Hemmungen

"... Menschenleben gefährden"

Von Karl Weiss

Diesen Artikel (hier unten zitiert) könnte man in einer Boulevard-Zeitung der niedrigsten Sorte vermuten, aber er stand in der „Wirtschaftswoche“ und im „Handelsblatt“. Es wird offen zur Aufrüstung der Polizei mit Schalldruck- und Mikrowellen-Waffen und ähnlichem aufgefordert!

Wer gedacht hat, die Wirtschafts-Veröffentlichungen hielten sich fein säuberlich aus den Niederungen der Politik heraus, muss nun umdenken. Die Tarnkappe des „biederen Kaufmanns“ fällt und die Fratze des Monopolkapitalisten erscheint, der Anweisungen an die Politik gibt.

Man höre sich Originaltext „Wirtschaftswoche“ und „Handelsblatt“ an:

„Ein Aufrüsten der Polizei wäre leicht möglich. Unternehmen halten weltweit ein ganzes Arsenal neuer Systeme auf Lager, die Angreifer außer Gefecht setzen sollen(...). In einigen Ländern wurden sie schon eingesetzt, um Aufstände und Gefängnisrevolten niederzuschlagen oder Geiseln zu befreien.

Zum Repertoire der Ordnungskräfte gehören beispielsweise Projektile, die Reizstoffe gezielt über weite Distanzen versprühen können oder sogenannte Elektroschocker. Die Taser, so der englische Begriff, verschießen Pfeile, an denen dünne Elektrokabel hängen und deren Widerhaken sich in der Kleidung verhaken. Ein starker Stromstoß versetzt den Getroffenen (...) in eine Art Schockstarre.

Eine andere Neuentwicklung sind Akustikkanonen. Sie traktieren heranrückende Angreifer mit einen extrem hohen Schalldruck, der dem eines in 30 Meter vorbeidonnernden Düsenjets entspricht. Der Höllenlärm löst Schmerzen, Durchfall und Erbrechen aus. Die US-Armee hat die Waffe, die mit einer Lautstärke von 150 Dezibel Hörschäden verursachen kann, bereits (...) eingesetzt.

In einem anderen Verfahren, das unter anderem von Rheinmetall entwickelt wurde, erhitzen Mikrowellenkanonen mit gebündelter elektromagnetischer Strahlung, ähnlich der einer Mikrowelle in der Küche, gezielt die Haut des Gegners. Dieser nimmt dann vor Schmerzen Reißaus...“


Die Wirtschaftsblätter lassen auch keinen Zweifel, wer mit diesen Waffen angegriffen werden soll: Jeder, der protestiert. Dafür wird das Code-Wort „Chaoten“ verwandt.

Wie man in Heiligendamm bzw. Rostock gesehen hat, war die Polizei keineswegs erpicht darauf, schwarz gekleidete, vermummte Perosnen, die abseits der Demonstration „kämpften“, auszuschalten. Die Wasserwerfer und Gummigeschosse wurden vielmehr hauptsächlich auf die friedlichen Demonstranten gerichtet. Kein Wunder, wenn man davon ausgehen kann, es waren eine Menge ‚eigener Leute’ unter den schwarz-vermummten, die sich auch mit bestimmten Handzeichen zu erkennen gaben.

Die Heizer von Rostock - Militärische Befehlsausgabe?

Geiselnehmer und Demonstranten werden über den gleichen Leisten geschlagen.

Ja, Sie haben richtig verstanden, wer da entwickelt, ist Hitlers Kanonenschmiede Rheinmetall.

Die beiden Wirtschaftsblätter sind sich dabei auch sehr wohl bewusst, jene neuen Waffen verletzen und töten:

„... können die "nichttödlichen" Waffen Menschenleben gefährden. So wurden nach Erhebungen von Amnesty International durch den Einsatz von Elektroschockern weltweit bereits über 200 Menschen getötet. Ähnlich katastrophal sieht die Statistik für Gummigeschosse aus. (...)

...drohen schwere Verbrennungen.“


(Alle Zitate aus Handelsblatt, 1.7.2007, Quellenangabe: Wirtschaftswoche)

Die Lärmwaffen können sogar völligen Hörverlust auf Dauer verursachen.

Das hält aber unsere „Wirtschaftsbosse“, die hinter den beiden Blättern stehen, nicht davon ab, solche Waffen für den Einsatz gegen Demonstranten zu fordern.

Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten

Da wird deutlich, was auf den Bundesbürger zukommt. Er darf nicht gegen die Zumutungen protestieren, die man für ihn bereit hält, wie Entlassungen, Abgleiten in Hartz IV, wie es jetzt Tausenden von Bergleuten droht oder die Unterstützung von Truppen in fernen, armen Ländern, die Massaker an der Zivilbevölkerung begehen. Das alles muss lammfromm hingenommen werden, sonst gibt was auf die Löffel.

Sollen wir uns das wirklich gefallen lassen? Zur Schlachtbank wie die Lämmer?



Erschienen am 4.Juli 2007 in " Journalismus - Nachrichten von heute"

Originalartikel

Karl Weiss - Journalismus

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