Montag, 22. September 2008

Dossier (Neo-)Liberalismus: Das Waterloo des (Neo-)Liberalismus

Plötzlich ist Geld zur Genüge vorhanden

Von Karl Weiss

Wenn es noch jemanden gab, der den Glaubenssätzen des (Neo-)Liberalismus Vertrauen entgegenbrachte, der kann dies nun getrost zu den Akten legen. Wenn die Bibel der Neoliberalen nicht sowieso schon widerlegt war, so tut dies spätestens die momentane Situation der weltweiten Finanzkrise und des langsamen Eintauchens in die Welt-Wirtschaftskrise.

Reichstag - Bundestag

Wenn Napoleon bei Waterloo der endgültigen Niederlage ins Auge sehen musste, so sind diese Tage der Milliarden und Billionen Dollar (und Euro) Unterstützungen von Banken und anderen Kreditinstituten mindestens genauso endgültig das Waterloo des (Neo-)Liberalismus. Wer so vollständig alles „vergisst“, was er je gepredigt hat und genau das Gegenteil tut, das, was er bisher als „Sozialismus“ und Bolschewismus“ verteufelt hat, der hat jeden Rest von Glaubwürdigkeit verloren.

Nun bestehen allerdings kaum Aussichten, dass die (neo-)liberalen Politiker und die „Fachleute“, die Volkswirtschaftler und Börsengurus, die Bankiers, Bank-Vorstandvorsitzenden und Herren der Monopole, aufhören werden, ihr (neo-)liberales Einmaleins und ihre unverrückbaren Grundsätze verlauten zu lassen, ganz zu schweigen von unserem Lieblingspolitiker Westerwelle. Nur werden sie jetzt leicht durchschaubar sein.

Fragt man nach bei all diesen bürgerlichen „Fachleuten“, wieso dass, was gerade eben noch eine Todsünde war, nun von allerhöchster Stelle (Notenbanken und Regierungen) munter praktiziert wird, so kommt so manche dümmliche Ausrede, es wird vom Thema abgelenkt oder abgestritten, dass dies überhaupt unter jene Regeln falle – kurz, man weiss nicht mehr ein noch aus und muss frei erfinden.

Bundestag - Reichstag

Natürlich haben sie getönt, der Staat dürfe nie in die Abläufe des Marktes eingreifen, der Markt reguliere sich immer selbst und täte dies immer zum besten der Allgemeinheit. Natürlich ist das Hinauswerfen von Geld des Steuerzahlers für Leute, die sich verzockt haben, nicht mit (neo-)liberalen Grundsätzen vereinbar. Als es um ein halbwegs annehmembares Niveau einer Arbeitslosenhilfe ging, da haben sie gezetert, das käme nicht in Frage, das sei gegen alle Regeln der Marktwirtschaft (sprich Kapitalismus), auch wenn das bedeutete, Hunderttausende in die Armut, Zehntausende von Kindern in die Hoffnungslosigkeit zu stürzen. Nun aber, da es um ausgewachsene Banker und Bankiers geht, da laufen die Tränen des Mitleids in Strömen und das Füllhorn, von dem man gerade noch behauptet hatte, es sei leer, ist plötzlich bestens gefüllt.

Die angeblichen Regeln des Kapitalismus werden plötzlich recht dehnbar, wenn es ums Retten von Banken geht. Und selbst da gibts keine festen Regeln. Während Bear Stearns gerettet wurde, liess man die in jeder Beziehung vergleichbare Lehmann Brothers absaufen – erst später fand sich ein Käufer für den Rest mit Barclays.

Was da inzwischen bereits an Werten verbraten wurde, ist bemerkenswert. Allein die Garantien für die grössten Hypothekenbanken der Welt, Fannie Mae und Freddy Mac, die im Kern auf eine ‚weisse‘ Verstaatlichung hinauslaufen, werden zwischen 500 Milliarden Dollar (auf englisch: 500 Billion dollars) und 4 Billionen Dollar (auf englisch: 4 trillion dollars) geschätzt. Auch Merril Lynch musste mit Staatsgarantien in Milliardenhöhe versehen werden, damit sich mit der Banc of America ein Käufer fand.

Northern Rock Pleite

Die Northern Rock (verstaatlicht) ist schon fast vergessen, und in Deutschland hat man sich mal wieder als besonders absurd erwiesen. Die IKB, die keinerlei Bedeutung am Markt hatte, wurde mit Milliarden Euros gestützt, obwohl nicht der geringste Anlass bestand. Wie zu erwarten, stellte sich inzwischen heraus, die hatten gelogen, das reicht bei weitem nicht aus und nun wird man dem Schwachsinns-Geld noch viele weitere Milliarden Steuerzahlergeld hinterherwerfen.

Chávez und Lula

Wenn Hugo Chávez Öl, Gas und Banken faktisch verstaatlicht, dann ist dies das Böse in Person, wenn die US-Fed Fannie und Freddy faktisch verstaatlicht, dann ist das weise.

Evo Morales

Wenn Evo Morales bolivianisches Gas und Wasser verstaatlicht, dann ist das angeblich „linksextrem“, wenn die deutschen Landesbanken wie die Norddeutsche Landesbank, die Westdeutsche Landesbank, die Sächsische Landesbank, die Bayerische Landesbank, die Kreditgesellschaft für Wiederaubau - KfW und was da noch alles kommt, mit Beträgen gestützt werden, die zusammen in die Hunderte von Milliarden Euro gehen, dann haben die christlichen Politiker (rein zufällig alle unter christlicher Fuchtel) ihrer Christenpflicht Genüge getan.

Otto Wiesheu

Und – wir wissen – das war nur der Beginn. Die grössten Probleme noch im Kommen. Bisher ist noch fast kein Hedge Fond betroffen – und davon gibt es weit mehr als Banken. Auch die Auswirkungen auf die Versicherungen beginnen erst jetzt langsam am Horizont aufzutauchen. Die genaue Höhe der Hilfe für US-Versicherer American International Group, den weltweit grössten Versicherer, wurde nicht bekanntgegeben. Auch eine Sparkasse, Washington Mutual, ist Kandidat. Von den fünf grossen US-Investment-Banken haben bis jetzt nur Goldmann-Sachs und Morgan Stanley überlebt. Promt gehen deren Kurse auf Talfahrt. Auch bereits im Blickpunkt: Die britische Halifax Bank of Scotland.

Sehen wir uns nun die Glaubensätze des (Neo-)Liberalismus im Einzelnen an:



Glaubenssatz Nr. 1: Der Markt richtet alles!


Eigentlich war dieser Glaubenssatz längst widerlegt, spätestens seit jener Zeit Mitte des letzten Jahrhunderts, als Ford und GM das Bahnsystem in Los Angeles kauften und schlossen. Sie brachen damit Bahn (im wahrsten Sinne des Wortes) zu einer Entwicklung von Los Angeles zu einer reinen Straßenstadt (einer der hässlichsten und ungemütlichsten der Welt) und zum heutigen Verkehrschaos in der zweitgrößten Stadt der USA. Wer heute an einem Tag zwei Kunden an zwei Enden in Los Angeles besuchen will, schafft es oft nicht, weil er in stundenlangen Staus steht – und das, obwohl die Stadt so mit Straßen zugepflastert ist (wiederum im wahrsten Sinne des Wortes), dass sie als Stadt nicht mehr erkennbar ist. Man wohnt praktisch auf dem Autobahnkreuz.

Auch die Logik sagt einem schon: In einer Situation,in der die Gemeinschaft ein Interesse hat und der jeweilige Kapital-Herrscher nur das seines Profits, wird es unweigerlich zu Interessen-Konflikten kommen, die im Kapitalismus zugunsten des Kapitals und zuungunsten der Gemeinschaft ausgehen. Das heißt nicht, es könne auch Fälle geben, in denen beide Interessen zusammenlaufen, aber das ist eben selten und wird in der aktuellen Situation noch seltener bis praktisch unmöglich.

Jene Firma, die z.B. ein gut funktionierendes Hybrid-Auto Wasserstoff/Elektro mit Sonnen-Zellen auf dem Dach entwickelt hat, hat sicherlich Profitinteressen - und gleichzeitig hat die Menschheit ein tiefgehendes Interesse, dass diese Firma gedeiht und solche Autos massenweise auf den Markt bringen und vervollkommnen kann.

Was ist aber die Wirklichkeit? Die absolute Monopol-Situation der verbliebenen Automobil-Konzerne verhindert jegliche Möglichkeit, ein anderes Auto als jene des Automobil-Kartells könnte je zum Verkaufsschlager werden. Da die Konzerne aber keinerlei Interesse haben, in neue Technologien ernsthaft einzusteigen, denn es könnten ihre Monopol-Profite gefährdet sein, so radieren sie buchstäblich jede Chance eines Aussenseiters aus.

Gleichzeitig versichern sie ununterbrochen ‚glaubhaft’ seit Jahrzehnten, alle alternativen Konzepte wären noch nicht ausgereift. Da stimmen sie, welch Zufall, dann auch mit den Energie-Konzernen und denen des Öls überein. So kam es zu der Lachplatte, die hier in Brasilien die Runde machte: Ein hoher Vertreter eines der grossen Öl-Konzerne verkündete mit ernster Miene auf einem Symposium, die Verwendung von Alkohol als Benzin-Ersatz sei noch nicht ausgereift – und dies, nachdem die Alkohol-Autos in Brasilien bereits seit den siebziger Jahren fahren! Autos von Volkswagen, GM und Ford!



Wenn die GM jetzt ausschert und wirklich ein Elektro-Auto auf den Markt bringt, zeigt das nur den Grad der Verzweiflung der Manager dort angesichts eines kollabierenden Auto-Marktes.

In Wirklichkeit richtet „der Markt“ eigentlich immer nur eins: Die Profite des Mächtigsten und Rücksichtslosesten – und die regelmässgen Krisen.

Immobilienkrise USA

Denn „der Markt“ kann nicht erkennen, wann eine Überproduktionskrise droht, so eine wie jene, die im Moment weltweit eine Ökonomie nach der anderen packt. Der Kapitalist kann nämlich nicht „logisch“ handeln, denn dann müsste er die Löhne seiner Arbeiter Jahr für Jahr deutlich anheben, zumindest um die Inflation plus Produktivitätssteigerung, um damit genügend Kaufkraft zu erzeugen, damit seine Produkte einer ständig wachsenden Produktion gekauft werden können und müsste auch noch darauf vertrauen, dass die anderen Kapitalisten es genauso machen. Nun, wir wissen, Lohnerhöhungen in dieser Grössenordnung hat es zuletzt in den 70er-Jahren gegeben – und auch damals nur in Ausnahmefällen.

Der Kapitalist muss versuchen – bei Strafe, von den Konkurrenten abgehängt zu werden – seinen Profit pro Kapitaleinsatz (Profitrate) immer mehr zu erhöhen, doch er stösst damit unweigerlich auf die Probleme, die eine wesentlich erhöhte Produktion (die seine Profitrate garantieren soll) mit dem Absatz hat.

In einer chaotischen Marktwirtschaft, genannt Kapitalismus, hängt dieser Absatz davon ab, ob er irgendwie Vorteile gegenüber seinen Konkurrenten erreichen kann, was diese dann wiederum in eine Situation der massiven Nicht-Auslastung bringt.

Da sie aber auch die Produktionskapazitäten ausgeweitet haben, entsteht die Situation der Überproduktion. Die Produkte finden zu grossem Teil keinen Absatz mehr, denn die Löhne der Arbeiter wurden ja nicht, bzw. nicht nennenswert erhöht (Real-Netto-Löhne), so dass Kaufkraft fehlt. Die Wirtschaftskrise beginnt. Sie wird zum Schliessen von Firmen führen, zu Massenentlassungen, Neueinstellungen werden praktisch nicht mehr getätigt, die Löhne noch weiter versucht zu senken. Erst wenn genügend Kapital vernichtet ist, kann sich das jeweilige Land wieder langsam aus der Krise herausarbeiten und auf niedrigerem Niveau neu beginnen.

So ist das Bild geschlossener Fabriken – ganzer Komplexe von leeren Werkshallen, durch die der Wind pfeift, überall im Kapitalismus häufig und gibt Zeugnis über die unglaubliche Verschwendung von Resourcen, die mit der Chaos-Gesellschaft Kapitalismus einhergeht.

Dies ist der Ausdruck der Anarchie, die durch die Konkurrenzwirtschaft bedingt ist. Die Chefs der grossen Konzerne können sich ja nicht zusammensetzen und eine Aufteilung des Marktes beraten, die allen Luft zum Atmen lässt und allen gute Gewinne garantiert, denn damit würden ja die Regeln des Kapitalismus verletzt. Wenn sie dies wirklich einmal tun, so bilden sie vielmehr Kartelle, was die anderen Konkurrenten oft detoniert.

Karl Marx

Erst im Sozialismus wird die Gesellschaft statt der Anarchie die sinnvoll geplante Produktion einführen, in der genau das und genau so viel hergestellt wird, was und wie man bracht. Dann kann man die Umwelt schützen, ohne durch die Konkurrenz gezwungen zu sein, Umweltregeln zu verletzen, dann kann man die Energiegewinnung so gestalten, wie es am sinnvollsten ist statt so, wie bestimmte Konzerne am meisten Profit haben. Dann kann man sich überlegen, wie man sinnvoll den Transport von Menschen und Gütern im Kurzbereich, im mittleren Bereich, im Fernbereich sowie im Interkontinentalbereich organisiert und dann entsprechend danach handeln.


Glaubenssatz Nr.2: Öffentliche und Staatliche Unternehmen müssen immer privatisiert werden, nur dann sind sie „effektiv“

Auch dies längst widerlegt. Was privatisierte Unternehmen an „Effektivität“ gewinnen, ist ein Profit für die Neu-Aktionäre – und auch das ist nicht sicher, siehe der Fall Telekom. Dass die Dienste der Firma für die Gemeinschaft effektiver werden, ist dagegen durch nichts garantiert, oft geschieht sogar genau das Gegenteil.

Man sehe sich nur an, was die Privatisierung der Bahn in England für Verschlechterungen gebracht hat. Selbst die „Süddeutsche“, sonst fast immer „His Masters Voice“, schreibt in einem Kommentar am 29.4.08: „...gab es, zumal in Frankreich und Großbritannien, Privatisierungskatastrophen: das Waterleau von Grenoble oder die Auflösung der British Rail. (...) Deutschland ist von solchen ganz großen Desastern verschont geblieben.“

Bis jetzt wurde die Bahn ja auch noch nicht privatisiert.

Argentina - Trainmaps

Die Privatisierung der Bahn in Argentinien kann man direkt an diesem Schaubild beurteilen: Fast alle Linien wurden eingestellt.

Speziell im Fall von Unternehmen, die einen unersetzlichen Dienst an der Gemeinschaft leisten, ist die Privatisierung fast immer zu einem Desaster für diese Dienste geworden. Das gilt besonders für Dienstleistungen wie Öffentlicher Transport (Bahn, Nahverkehr), Krankenhäuser, Kindergärten, -krippen und Horte, Sozialwohnungen, Schwimmbäder, Wasserwerke, Elektrizitätswerke, Schulen, Universitäten, Post-Dienste, Telefon-Dienste usw.

Die Erfahrungen sind fast durchweg schlecht. So hatte man das System der Elektrizität in Deutschland privatisiert und grossmäulig versprochen, nun werden die notwendigen Investitionen gemacht und durch die Vielzahl der privatisierten Firmen würde ein funktionierender Wettbewerb (Markt) entstehen, der die Strompreise drücken würde.

Das Ergebnis kann man nun besichtigen, nur eine Anzahl von Jahren nach den Privatisierungen. Die Strompreise sind immens angestiegen, von Konkurrenz kann keine Rede sein, denn im Kapitalismus gibt es generell die Tendenz zur Konzentration: Es sind praktisch nur drei grosse und ein paar mehr oder weniger bedeutende Stromunternehmen übriggeblieben. Auch ein massives Investieren in neue, alternative und umweltfreundliche Techniken hat nicht stattgefunden. Statt dessen versucht man, die längst abgeschriebenen Atomkraftwerke, die jetzt reine Goldgruben sind, weiterlaufen zu lassen, obwohl man schon lange nichts mehr dort investiert hat und sie längst Schrott sind.

Atomkraftwerke Deutschland

Gut für die Profite, schlecht für unsere Sicherheit.

Ausserdem werden massiv Kohlekraftwerke gebaut und die Braunkohlewirtschaft ausgebaut anstatt eingeschränkt.

Kraftwerk

Gur für die Profite, schlecht für die Umwelt und das Klima.

Energieverbrauch Deutscland

Dies Schaubild des Bundesministeriums für Wirtschaft zeigt: Es ist überhaupt keine Einschränkung des Verbrennens fossiler Energiequellen vorgesehen. Die alternativen Energien sollen bis 2030 Alibi bleiben.

In Deutschland würde sich das massive Investieren in die Gewinnung von Biogas aus Pflanzen, aus tierischen und pflanzlichen Abfallstoffen sowie Abfall-Holz und das Verbrennen dieses Biogases in Wohnnähe mit Elektrizitäts–Wärme-Verbund anbieten, weil damit die deutsche Landschaftsstruktur am besten ausgenutzt wird, die fast ausschliesslich aus bebauten bzw. versiegelten Flächen und landwirtschaftlich nutzbaren Flächen (inklusive zur Holzgewinnung genutzter Flächen) besteht.

Vor allem würde dadurch der mit Milliardensummen subventionierten Landwirtschaft ein neues und sinnvolles Betätigungsfeld eröffnet, ohne dass sie am Tropf der Subventionen hangen bleiben würde. Gleichzeitig würde die massive Abhängigkeit Deutschlands von importierten Energieträgern verringert und es würden dafür Milliardenbeträge eingespart ebenso wie jene, die heute für das EU-Landwirtschafts-Desaster ausgegeben werden. Man sehe sich das Beispiel des Bio-Energie-Dorfes Jühnde in Niedersachsen an (siehe hier ). Mit den eingesparten Milliarden der Subventionen könnte ein wesentlicher Teil des Programms finanziert werden. Eine win-win-win-Situation für den Staat, die Bürger und die Unternehmen. Doch nichts davon geschieht.

Stattdessen investieren e-on, Vattenfall und RWE in neue riesige CO2-Schleudern wie Kohlekraftwerke und intensivieren den Abbau von Braunkohle, der schmutzigsten Energie der Welt.

Auch die angebliche Notwendigkeit von Privatisierungen, um die Haushalte der jeweiligen Staaten (oder Länder oder Städte) auszugleichen, erweist sich als ein Schuss, der nach hinten losgeht. Die an die jeweiligen Staatshaushalte gehenden Verkaufserlöse stellen fast immer nicht einmal einen Bruchteil des Werts der Unternehmen dar, die da privatisiert werden, während der Abgang an Staatsvermögen dann weit höher ist und auf die Dauer auch praktisch zählen wird, denn die Kreditwürdigkeit eines Staates (oder eines Bundeslandes oder einer Gemeinde) hängt natürlich eng mit seiner Vermögenssituation zusammen und damit auch die Zinssätze, die man auf dem Markt zahlen muss.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel hierfür war die Privatisierung des zweitgrößten Welt-Unternehmens im Bergbau, der Compania Vale do Rio Doce, einem brasilianischen Staatsunternehmen, des Ende der Neunziger-Jahre privatisiert wurde. Ungefähr ein Jahr vor der Privatisiereng fiel dies traditionell extrem gewinnträchtige Unternehmen (im wahrsten Sinne des Wortes eine Goldgrube, denn man besitzt einige der grössten Goldminen der Welt) plötzlich in rote Zahlen. Was da genau manipuliert wurde, kam nie ans Licht der Öffentlichkeit.

Der Preis, der für die ganze Firma erzielt wurde, entspricht etwa dem Wert von zwei heutigen Monatsgewinnen der Firma, war also absurd niedrig. Laut Angaben des brasilianischen Gewerkschaftsdachverbandes CUT wurde bei der Festsetzung des Mindestpreises, zu dem dann auch verkauft wurde, nur ein Bruchteil der Liegenschaften, des Vermögens und der Schürflizenzen überhaupt gezählt. Die Gewerkschaft hat daher die Forderung nach der Rückgängigmachung des Verkaufs aufgestellt, weil nachweisbar geschwindelt wurde.

Bereits ein Jahr nach der Privatisierung hatte die Vale, wie sie jetzt heißt, ihre alte Profitabilität wieder erreicht und ist heute der lateinamerikanische Konzern mit dem höchsten Profit.

Das Ganze stank kilometerweit nach Korruption. Der damalige brasilianische Präsident Cardoso von der konservativen PSDB hatte sich persönlich besonders intensiv für diese Privatisierung eingesetzt. Ob er persönlich Bestechungsgelder erhalten hatte, war nie durch eine unabhängige Untersuchung geklärt worden. Tatsache ist, er lebt seit seiner Abwahl im wesentlichen in den Vereinigten Staaten - um keinen Zweifel zu lassen, für welchen Imperialisten er Brasilien geführt hatte - und diniert nach Aussagen
seines politischen Verbündeten Lembo abends in einem New Yorker Restaurant, in dem ein Gläschen Cognac umgerechnet 300 Euro kostet.

Dieser Fall weist darauf hin: Privatisierungen und Korruption sind Zwillinge.

Auch in Deutschland haben wir ausführlich Erfahrungen mit der unmittelbaren Verbindung von Privatisierung und Korruption. Da war nicht nur die Kölner Müllverbrennung, da war speziell auch der Fall Baganz, über den hier berichtet wurde:

„Bürgermeister Baganz von Mülheim legte sich nämlich eine Geliebte zu, eine gewisse Ute Jasper, Rechtsanwältin ihres Zeichens und lebte dann auch mit ihr zusammen. Genau dieser Frau gab er einen millionenschweren (1,4 Mio. Euro) Beratervertrag mit der Stadt Mülheim, als Bürgermeister!

Sie war als ‚Beraterin’ dafür verantwortlich, daß beim Verkauf der städtischen Werte die RWE und nicht die Gelsenwasser die Wasserwerke bekommen hat, obwohl jene 80 Millionen mehr geboten hatte. Ähnlich verhielt es sich beim Verkauf der Mülheimer Entsorgungsbetriebs-Anteile. Den Zuschlag bekam - ohne Ausschreibung - die vor allem in Köln inzwischen gerichtsnotorische Trienekens.

Es wurde nie eindeutig bewiesen, ob und wieviel die Rechtanwältin und/oder ihr ‚Lover’ für diese Liebesdienste von RWE und Trienekens erhielten, aber der gesunde Menschenverstand ...“

Ein anderer besonders Aufsehen erregender Fall einer Privatisierung war die Privatisierung der Wasserwerke von La Paz in Bolivien. Der französische Suez–Konzern hatte sich diese unter den Nagel gerissen und sofort die Wasserpreise immens erhöht. Die arme Bevölkerung konnte die Wasserrechnungen nicht mehr bezahlen und hätte verdursten müssen. Suez blieb davon völlig ungerührt. Als die Bevölkerung begann, Regenwasser in Zisternen aufzufangen, um nicht zu verdursten, stellte Suez auch Rechnungen für das Regenwasser aus.

Nur durch einen praktischen Volksaufstand konnte diese Privatisierung rückgängig gemacht werden, was in unmitelbarem Zusammenhang mit den angesetzten Neuwahlen stand, aus denen der jetzige Präsident Evo Morales als Sieger hervorging.

Also? Privatisierung? Offenbar wird nichts gehalten, was man davon versprochen hat. Dagegen sind die negativen Auswirkungen für die Bevölkerung Legion.

Es gibt auch die positiven Gegenbeispiele von Firmen, die nicht privatisiert wurden und ein wichtiges Mittel sozialer Politik in den Händen der Regierung geblieben sind. Typische dafür ist die staatliche frühere Monopolgruppe Petrobras in Brasilien.

Logo Petrobras

Man löste zwar das Monopol auf und erlaubte anderen Ölkonzernen, in Brasilien tätig zu werden, man gab zwar Aktien aus für etwas weniger als die Hälfte des Kapitals der Gruppe, aber das Sagen behielt der Staat in der Petrobras (das brasilianische Aktienrecht gibt Minderheitsaktionären keine weitgehenden Rechte).

Erdöl 1

Das hat sich angesichts des steigenden Erdölpreises als segensreich erwiesen. Während in fast allen anderen Ländern die Erdölpreise auf die Benzinpreise durchschlugen und nur durch drastische Statistik-Manipulationen verhindert werden konnte, dass die Inflation in zweistellige Raten hineinwuchs, ist in Brasilien der Benzinpreis (so wie die an ihn gekoppelten Preise für Alkohol und - mit Eimschränkungen - Diesel) seit September 2005 an der Raffinerie gleichgeblieben, zu einem Zeitpunkt, als der Preis für Rohöl bei 60 Dollar pro Barrel lag. An biligeren Tankstellen in der Nähe von Raffinerien ergaben sich daraus Endverbraucherpreise für den Liter Benzin (Gasolina) von zwischen 2,20 und 2,30 Reais (etwa 83 bis 87 Euro-Cent) – die ganze Zeit bis heute, unverändert seit 2005.

Treibstoffpreise Brasilien
Benzinpreis (gasolina) in Brasilien Juli 2007

Treibstoffpreise Brasilien Juli 08
Benzinpreis Brasilien Juli 2008

Das wurde schlicht von der Regierung Lula beschlossen und die Petrobras hatte danach zu handeln. So konnte die ganze Zeit die Inflation in Brasilien am deutlichen Steigen gehindert werden und dies wirklich und nicht durch Statistik-Manipulationen. Auch in diesem Moment, in dem in vielen Ländern die Inflationsraten in die Höhe schiessen und nur noch durch dreistete Fälschungen in niedrigen Zahlen gehalten werden können, bleibt die Inflation in Brasilien unter 5%.

Natürlich musste die Petrobras dafür auf Profit verzichten, aber das war leicht zu verkraften, denn sie ist als ständig wachsender Rohölförderer zu einem der profitstärksten Unternehmen in ganz Lateinamerika geworden (im Moment an zweiter Stelle in Lateinamerika nach der schon erwähnten Vale). Näheres dazu in diesem Artikel: „Brasilien – die Insel der Glückseligen?“.



3. Glaubenssatz: Der Staat muss sich vollständig aus den Märkten heraushalten, sie regeln sich selbst

Nach diesem Glaubenssatz wird jede Überwachung oder gar Regulierung, ganz zu schweigen von einem direkten Eingreifen des Staates oder öffentlicher Stellen auf den Markt oder irgendeine auf dem Markt gehandelte Ware oder die Fabriken der Kapitalisten oder über die „freien Entscheidungen der freien Agenten des Marktes“, ganz zu schweigen von den Finanz-Dienstleistern abgelehnt, ja meistens sogar als „bolschwewistisch“ oder schlimmer gebrandmarkt.

Nun geschah aber etwas sehr „bolschewistisches“ in Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin hatte spekuliert und war in Schieflage geraten. Die CDU Berlin war intensiv verwickelt, auch einige SPD-Politiker. Nun liess man aber die Bank nicht Pleite gehen und die Zocker die Folgen tragen, nein, der Berliner Steuerzahler wurde herangezogen, um die Fehlbeträge auszugleichen, die in die Milliarden Euro (mindestens 9,8 Milliarden Euro nach einer Zeitungsmeldung) gingen und um den armen Zockern unter die Arme zu greifen.

Das war ein direktes Eingreifen des Staates in das Geschehen des freien Marktes. Es war der Beweis, im Grunde ist der liberale Glaubenssatz nicht wirklich ernst gemeint. Man will eigentlich nur, dass der Staat nicht die Sauereien aufdeckt, die man macht und einfach alles als gottgegeben hinnimmt, was „die Wirtschaft“ (sprich: das Kapital) entscheidet.

In Wirklichkeit legt man sehr viel Wert auf das Eingreifen des Staates, wenn es gegen die Arbeiter und kleinen Leute geht und wenn dadurch die Kapitalrendite garantiert wird. Dann ist plötzlich der Staat sehr wichtig als Regulierer und ganz speziell natürlich als Steuereintreiber beim kleinen Mann, um das Geld in den Vorstandsetagen und Banken abzuliefern.

Housing Slump

Hatte man den Fall der Bankgesellschaft Berlin noch unter Ausnahmen von der Regel ablegen wollen, es war ja wirklich nur ein Fall in Jahren, so sind wir nun, am Beginn der internationalen Wirtschaftskrise und mit der Finanzkrise, die vor allem durch unseriöse Kreditvergabe auf der Basis von weit überhöhten Wertschätzungen von Immobilien, vor allem in den USA, ausgelöst wurde, in einen praktisch wöchentlichen Rhythmus von Eingreifen verschiedener Staaten in die Bankenwelt eingetreten, was den Glaubenssatz nun wirklich in der Luft zerrissen hat.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Deutschland war einer der ersten Staaten, der in diesem Fall eine Privatbank mit Namen IKB aus der Bredouille half mit Milliarden von Steuergeldern.

Und die Landesbanken, das war gleich die nächste Reihe von Fällen, in denen man Milliardenbeträge zur Unterstützung aus Steuergeldern plötzlich zur Verfügung hatte. Nun war plötzlich Geld da!

Das zauberten die gleichen Politiker aus dem Nichts, die uns immer und immer wieder mit einem Kuhblick in den Augen versichern, es sei kein Geld da, man könne wirklich beim besten Willen nicht einen Heller auftreiben für eine menschenwürdige Arbeitslosenunterstützung, für die benötigten Kinderkrippen, Kindergärten und Horte, für den öffentlichen Personennahverkehr, für ein Sozialticket auf diesem, für das Offenhalten von Schwimmbädern, für die Finanzausstattung von Universitäten, damit keine Studiengebühren gefordert werden, für die Einstellung von Lehrern, um die hohen Stundenausfälle auszugleichen und die Klassengrössen zu verkleinern, nein, für all dies, so hörten wir wieder und wieder, war kein Geld da. Es war kein böser Wille, wirklich nicht, nur man kann einem nackten Mann eben nicht in die Tasche greifen.

Doch nun, aus Quellen, die man uns vorsichtshalber vorenthält, sind Milliarden und Abermilliarden da, für die Landesbanken, für die KfW und was da noch alles kommt.

Aber da ist nicht nur in Deutschland plötzlich ausreichend Geld für so manches Geldinstitut da, auch in den USA wird mit 200 Milliarden Dollar aus Steuergeldern die Investmentbank Bear Stearns zum Verkauf fit gemacht. In Grossbritannien wird Northern Rock schlicht und einfach vom Staat übernommen und die gesamten Verluste aus dem Staatssäckel bezahlt.

Doch was nun in den Vereinigten Staaten der Krise endgültig den Garaus machen soll und sofort auf begeisterte Zustimmung der Anleger gestossen ist, geht noch weit darüber hinaus. Es soll eine Auffanggesellschaft gegründet werden, die den Banken, den Hedge Fonds, den Versicherern, schlicht jedem Finanzdienstleister, zu festgelegten Kursen alle faulen Papiere abnimmt, obwohl diese nicht einmal mehr das Papier wert sind, auf dem sie geschrieben sind.

Das ist der absolute Freibrief. Jeder kann so viel gezockt haben wie er will, kann soviel verloren haben wie er will, die Lasten werden alle dem Steuerzahler auferlegt, während die Zocker und Verlierer heil davon kommen und sogar noch belohnt werden. Doch dies gilt nur für Finanzdienstleister. Für alle anderen bleiben die Regeln die vorherigen. Wer eine Firma hat und zahlungsunfähig wird, geht weiterhin den Bach hinunter wie ehedem. Warum sind nun alle Banken und sonstigen Finanzdienstleister von jeglichem Risiko in ihren Geschäften befreit? Warum lässt man Banken und Versicherungen wie auch Hedge Fonds nicht einfach Pleite gehen? Es könnten ja danach neue gegründet werden von jenen, die Kapital dafür haben.

Nun, die Antwort ist klar: Weil sie die Herrscher sind! Sie, das sind die grossen Banken und Versicherer, die Produktionsmonopole in ihrer Gesamtheit. Sie sind die Sonnenkönige, die absolutistischen Alleinherrscher. Die gesamte Gesellschaft ist nur dazu da, ihnen zu diesen. Sie sagen den Regierungen, was zu tun ist. Und jetzt ist Zahltag.

Ob sie mit der Rettung jedes einzelnen Finanzdienstleisters allerdings ihr System, den Kapitalismus, retten können, bleibt dahingestellt. Was allein der US-Steuerzahler dafür wird aufbringen müssen, wurde vorsichtig mit 800 Milliarden Dollar (auf englisch: 800 Billion dollars) veranschlagt, aber manche warnen schon, es könne bis zu 9 Billionen Dollar (auf englisch: 9 Trillion dollars) ausmachen. Das wäre das Ende des Dollars und damit das der USA als Supermacht.

Auch andere Länder mit grossen Brutto-Inlands-Produkten, wie Grossbrittanien , Frankreich und die Bundesrepublik wurden schon aufgefordert, eine ähnliche Auffanggesellschaft zu gründen.

Es ist Geld da!

Man sollte sich nun langsam daran gewöhnen, keinem Politker mehr zu glauben, der behauptet, es sei kein Geld da. Das Gegenteil ist bewiesen.

Von unseren Medien der Hofberichterstattung zu erwarten, dass sie bei ihren Freunden, den Politikern, doch bitte mal nachfragen, wo sie das Geld denn die ganze Zeit versteckt hatten, ist natürlich zuviel verlangt. Majestätsbeleidigung ist strafbar! Sie Wicht!

Der (Neo-)Liberalismus hat nun wirklich die Hosen herunter gelassen und jeder kann jetzt sehen, was an den Argumenten dran war: Sie waren nichts als der Versuch, die nackte unmenschliche kapitalistische Wirklichkeit hinter Scheinargumenten zu verstecken.


Teile dieses Dossiers waren schon in einem Artikel am 6.Mai 2008 veröffentlicht worden, aber hier wird nun der gesamte Überblick über das endgültige Ende des (Neo-)Liberalismus in Form eines Dossiers gegeben.

Veröffentlicht am 22. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Sonntag, 21. September 2008

Gouverneur Lembo erleichtert sein Herz

"Die brasilianische Bourgeoisie ist eine zynische, perverse, heuchlerische weiße Minderheit..."

Von Karl Weiss

Eigentlich war für den heutigen Sonntag der letzte Teil der Serie "Brasilien jenseits von Fussball und Samba" von Elmar Getto vorgesehen, aber er hat mich gebeten, ihn auf nächsten Sonntag zu verschieben. Stattdessen sei hier ein älterer Artikel über Brasilien eingestellt, der in mehrerer Hinsicht entlarvend ist und sehr charakteristisch für das heutige Brasilien, in dem die Oligarchie bereits Stillhalteabkommen mit den kriminellen Mafia-Organisationen abschliesst. Er war am 29. Mai 2006 in der Berliner umschau erschienen (damals noch "rbi-aktuell") und ist hier leicht aktualisiert und redigiert, Dies gleiche Thema wird dann auch in jenem Artikel am nächsten Sonntag vorkommen und eine Anmerkung von Elmar sich auf diesen Artikel beziehen.

Kaum je erlebt man einmal, daß einer der führenden Politiker in einem der Regime der großen Länder seiner Wut freien Lauf läßt und sein Herz ausschüttet. Jeder weiß, daß damit seine Karriere beendet wäre und kommt deshalb auch nur auf solche Posten, wenn er bereits bewiesen hat, daß er sich immer (fast vollständig) im Griff hat.

Doch aufgrund der speziellen Umstände in Brasilien hat der Gouverneur (Ministerpräsident) des Bundesstaates São Paulo, Lembo, genau dies getan. Er war der Verantwortliche, als die Mafia-Terrororganisation PCC beschloß, ihre Macht zu zeigen, weil sie den Bruch eines Abkommens mit der Staatsregierung zu beklagen hatte. Ihre Attacken und die Reaktion des Staates darauf wurden bereits berichtet (siehe "Doppelherrschaft in Brasilien").

Die spezielle Situation des Gouverneurs Lembo beruht auf dem präsidialistischen System (im Gegensatz zum parlamentaristischen System), das in Brasilien (so wie in den USA) herrscht. So wie der Präsident und das Parlament auf Bundesebene, werden auch auf der Ebene der Bundesländer der Gouverneur und das Parlament getrennt voneinander direkt vom Volk gewählt. Deshalb treten die Kandidaten für die Präsidentschaft und für den Gouverneur jeweils mit einem Vize-Kandidaten an. Der Vize übt kein Ministeramt oder etwas ähnliches aus, sondern vertritt nur den Präsidenten (Gouverneur) bei seiner Abwesenheit. Das ist also ein Drückerposten, in das man üblicherweise ältere, ‚verdiente’ Politiker (die keinen mehr vom Hocker reißen) jener Partei steckt, die Anspruch auf den Posten hat (so ähnlich wie in Deutschland der Bundespräsident).

So kam auch Vize-Gouverneur Lembo zu diesem Posten. Er ist ein altgedienter Haudegen der politischen Rechten in Brasilien, war zu Zeiten der Militärdiktatur Parteichef der ‚Arena’ in São Paulo, des politischen Flügels der Militärdiktatoren und einziger zugelassener Partei. Später, als die Militärdiktatur abgelöst wurde, ging er zeitweise zur liberalen Opposition, gründete dann zusammen mit anderen die PFL (Partei der liberalen Front), eine der beiden Nachfolgeparteien der ‚Arena’. Heute ist er bereits über Siebzig. So wurde er denn von seiner Partei ausgewählt, Vize des Kandidaten Alckmin zu sein, der mit einer Koalition zwischen dessen Partei PSDB (eine konservative Partei, die sich lustigerweise sozialdemokratisch nennt) mit der PFL antrat.

Nun ergab sich aber, daß Alckmin zum Kandidaten der PSDB gegen Lula bei den Präsidentschaftswahlen im Spätjahr bestimmt wurde [der Artikel wurde vor den letzten Präsidentschaftswahlen in Brasilien geschrieben] und deshalb den Gouverneursposten abgeben mußte, denn wer hier zum Präsidenten kandidiert, muss 8 Monate vor den Wahlen von seinen öffentlichen Ämtern zurücktreten. So kam Lembo zum Amt eines Gouverneurs wie die berühmte Jungfrau zum Kind. Nur: Er wird diesen Posten nur 8 Monate bekleiden und seine Karriere ist sowieso bereits am Ende.

Unter dieser Bedingung wollten offenbar die PSDB-Politiker ein Experiment durchführen, daß sie unter der Herrschaft eines der eigenen nicht gewagt hätten: Sie ließen - wahrscheinlich über den Sicherheits-Minister, der ja nicht ausgetauscht worden war - die Zusicherungen, die man an die PCC gegeben hatte, zur Seite und ließen deren gefangene Mitglieder, einschliesslich des Führers, in ein entfernt gelegenes Hochsicherheitsgefängnis verlegen. Man vermutete wohl schon, daß die Antwort des PCC gewaltig und gewalttätig sein würde. Ein ausgedienter Politiker der PFL konnte das dann nötige neue Abkommen auf seine Kappe nehmen. Man selbst geht einfach auf Tauchstation.

Das waren offenbar die Umstände, die Lembo dazu veranlaßten, sein Herz zu erleichtern. In der Krisensituation verschwanden nämlich alle seine Allierten von der Bildfläche. Niemand wollte mit den schweren Problemen identifiziert werden, die dieser Gouverneur nun hatte und die er offenbar nur durch einen „Deal" mit der Verbrecherbande lösen konnte, was er offenbar auch tat.

Niemand verteidigte ihn, niemand wollte mit dieser Ungeheuerlichkeit Verbindung haben, daß in Brasilien die Oligarchie ihre Herrschaft bereits mit dem organisierten Verbrechen teilt und mit ihm teilweise auch gemeinsame Sache macht, oder auch nur seinen Namen hiermit in Verbindung gebracht sehen.

Der Kandidat der Rechten gegen Lula, Alckmin, versteckte sich unerreichbar und ließ nur kurz über Telefon verlauten, er habe kein Abkommen mit der PCC gehabt, was offensichtlich nicht stimmt. Der bei weitem aussichtsreichste Kandidat für den Posten des Gouverneurs von São Paulo, Serra (der also wahrscheinlich das Abkommen erben wird), ebenfalls von der PSDB, unterlegenenr Kandidat gegen Lula bei den letzten Präsidentschaftswahlen, verschwand. Niemand wußte, wo er sich aufhält, wahrscheinlich in den USA. Der frühere Präsident Brasiliens, Cardoso, ebenfalls von der PSDB, war in New York und kritisierte von dort aus das Abkommen, das Lembo offenbar geschlossen hatte. Die Führer von Lembos eigenen Partei, der PFL, sonst immer die ersten vor einer Fernseh-Kamera, tauchten ebenfalls unter.

In einem Interview ironisierte Lembo diese politischen Größen und hob hervor, daß sie selbst telefonischen Kontakt mit ihm weitmöglichst vermieden: „Alckmin hielt es für nötig, genau zweimal kurz anzurufen, naja, die Telephoneinheiten sind ja so teuer. Serra hat Amnesie und Fernando Henrique [Cardoso] sitzt in New York und diniert in feinen Restaurants, in denen ein Gläschen Cognac 900 Reais kostet (etwa 300 Euro)". Seine eigenen Parteiführer von der PFL, so sagt er sarkastisch, denken nach und werden sicherlich anrufen bei ihm, in etwa 500 Jahren!

Doch er blieb nicht dabei stehen. Er attakierte die brasilianische Oligarchie, die sich selbst gerne die „Elite" nennen läßt, aber auch die ‚brasilianische Bourgeoisie’ genannt wird. Er nennt sich selbst einen ‚Pequeno Burgues’ (Kleinbürger) und findet starke Worte gegen die Oligarchie: Sie sei böse, sie sei eine zynische und perverse weiße Minderheit, die ihre Bediensteten schlecht behandelt und sei außerdem heuchlerisch und sterbe fast vor Geiz. Sie sei nicht bereit, die Rechnung zu bezahlen für das Elend, das sie sich so angestrengt habe zu erzeugen.

Dann langt er noch einmal hin: „Im ökonomischen, politischen, Finanz-Bereich gibt es große Räuber, die niemals... Ich sehe Leute, die ihre pompösen Villen zur Schau stellen, obwohl sie große Betrügereinen gemacht haben und andere sind im Gefängnis, nicht wahr?"

Das Interview wird von einem bekannten brasilianischen Journalisten geführt, Bob Fernandes, der sich auch längst an die Oligarchie verkauft hat, nun aber Schadenfreude empfindet, daß er Lembo Stichworte geben kann, die der auch gerne aufgreift. Man höre sich nur diesen Teil des Interviews an:

„Welches Verhältnis sehen Sie zwischen dem Leben im Gefängnis und dem derer, die Sie die Bourgeoisie genannt haben? Wie groß ist der Abstand dieser Welten?"

„So groß ist der Abstand nicht! Vielleicht hat die eine Welt nur gute Rechtsanwälte und die andere schlechte?"

Oder diesen:

„Herr Gouverneur, Sie haben in jenem Interview (mit der „Folha de São Paulo", der grössten Tageszeitung Brasiliens) Ihr Herz ausgeschüttet ... war das Ihr 18. Brumaire?"

Das zu sagen wäre gefährlich, denn beim ersten Mal ist es heldenhaft, beim zweiten ein Irrtum. Das war Karl Marx selbst, der dies gesagt hat, darum würde ich das so nicht sagen."

Diese Stelle des Interviews belegt, daß beide, zwei hervorstechende Figuren der Rechten in Brasilien, Karl Marx gelesen haben. Der 18. Brumaire bezieht sich auf die Schrift von Karl Marx „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte". Dort beschreibt Marx einen versuchten Staatsstreich in Frankreich gegen den reaktionären Herrscher Louis Bonaparte in den 60er Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Eine Reihe dessen scheinbar besten Freunde versuchten, ihm seinen Thron zu rauben und er beklagt sich denn auch lautstark darüber, verspottet von Karl Marx.

Die Antwort des Gouverneurs bezieht sich auf die Aussage von Karl Marx, daß sich die Geschichte nicht wiederholt - und wenn sie es tut, dann beim ersten Mal als Ereignis, beim zweiten Mal als Farce.

So dreht sich denn die Anklage des Zynismus gegen die Bourgeoisie gegen die beiden Marx-Kenner, den etablierten Journalisten und den Gouverneur eines Staates mit 40 Millionen Einwohnern. Der Journalist stichelt: „Dann sind Sie also jetzt links von [der trotzkistischen] Senatorin Heloísa Helena?" „Nein, sie hat einige sehr farbige Hemden [bezieht sich auf die rote Farbe], während ich bei den dunklen bleibe [bezieht sich auf das Schwarz des Konservatismus].

Nun, hier hat einer der intimsten Kenner der brasilianischen Oligarchie gesprochen und wir dürfen ihm glauben. Es wurde deutlich, daß er dabei noch voll die Staatsräson bewährt hat. Wo er Namen nannte, hat er nur leicht ironisiert, wo er schwerere Geschütze auffuhr, blieb alles anonym. Aber alles, was er z.T. nur andeutete, können wir gestrost als Wahrheit ansehen, auch wenn er nur einen kleinen Zipfel des großen Teppichs angehoben hat, unter den ansonsten alles gekehrt wird.

Freitag, 19. September 2008

Gross-Konzern = kriminelle Vereinigung?

Die kapitalistische Barbarei

Von Karl Weiss

Die Begriffe “Gross-Konzern” und “kriminelle Machenschaften“ werden mehr und mehr identisch. Die eigentlichen Mafia-Organisationen werden längst von solchen in Anzug und Krawatte übertroffen. An diesem Sonntag wurden zufällig gleichzeitig zwei dieser Gentleman-Verbrecherorganisationen an die Öffentlichkeit gebracht: Siemens (das größte deutsche Unternehmen) und Pirelli/Telecom Italia, während zwei Tage vorher veröffentlicht wurde, dass Lidl eine Millionenstrafe wegen des Ausspionierens der Mitarbeiter zu erwarten hat.

München

Siemens, so steht an diesem Tag in der Zeitung, hat seit den Fünfziger Jahren systematisch bestochen und dafür illegale schwarze Kassen angelegt

Wie die brasilianische Zeitung „Estado de Minas“ am 13.9.08, informiert, haben zwei italienische multinationale Konzerne, die Pirelli und die Telecom Italia, mit Millionenaufwand Telefone und E-mails abgehört bzw. ausspioniert, in Brasilien, daneben auch in Frankreich und in Uruguay. Es ging um den millionenschweren Markt der Telekommunikation, also von Festnetztelefonen und vor allem von Handys.

Die brasilianischen Gruppen der Telekommunikation wurden in den 90er-Jahren privatisiert und im Verlauf der letzten zehn Jahre wurden immer neue Lizenzen für Provider von Mobil-Telefonnetzen vergeben. Wie immer in solchen Fällen, setzt nach einiger Zeit der Prozess der Konzentration ein. Die kleineren werden von den Großen aufgekauft, einige werden zahlungsunfähig und verschwinden vom Markt.

In diesem Fall ging es in Brasilien um die Brasil Telecom, die einen Anteil am Festnetz hat und vor allem den höchsten Anteil an Auswärts- und Auslandsgesprächen aus dem brasilianischen Festnetz. Die Telecom Italia besaß bereits einen der drei großen Provider für Mobil-Telefone in Brasilien, aber noch keinen Festnetzanteil, wie seine beiden größeren Konkurrenten.

Die Brasil Telecom war seit zwei Jahren Kandidat zum Verkauf. Der größte Aktionär des Unternehmens war die Banco Opportunity der schillernden Person mit Namen Dantas, einem Lebemann, der inzwischen bereits zweimal einige Nächte im Gefängnis zubringen musste, aber vom höchsten brasilianischen Bundesgericht immer wieder in Freiheit gesetzt wurde (eine allgemeine Praxis hier: Reiche bleiben hier nie in Gefängnissen).

Es gab aber Konkurrenten beim Rennen um den Kauf der Brasil Telecom. Da war eine US-Firma mit Namen Kroll, die im Auftrag einer ungenannten US-Firma arbeitete und ebenfalls das Mittel des Anzapfen von Telefonleitungen und das Abschöpfen von E-Mails verwendete.

Ausserdem gab es einen dritten Kandidaten, der von der Politik, d.h in diesem Fall von Personen aus dem Umkreis von Präsident Lula und seiner Partei PT, favorisiert wurde: Eine im Besitz von Brasilianern befindliche Festnetzfirma mit Namen Telemar, die zwar auch einen Handy-Netz-Provider hat, der aber weit kleiner ist und kaum überleben könnte.

Nun begann der Krieg und der wurde mit grossem Aufwand geführt. Nach Auskünften der italienischen Staatsanwaltschaft hat die Telecom Italia über 17 Millionen Euro in die illegalen Abhör- und Spionage-Aktivitäten investiert.

Da wurden Ex-CIA-Agenten angeworben, die Erfahrungen in illegalem Abhören haben, da bezahlte man italienische Polizei-Spezialisten, darunter solche der „antimafia“ und der „carabinieres“, französischen Ex-Agenten der „Europol“ (Europa-Polizei), sogar einen ausgewachsenen ehemaligen Geheimdienstagenten der Sowjetunion und nicht zuletzt eine Unmenge von Brasilianern. Darunter waren aktive Agenten des brasilianischen Geheimdiestes Abin wie auch Ex-Agenten dieser dubiosen Organisation sowie brasilianischen Bundespolizisten in Pension.

Allein in Brasilien wurden die Telefongespräche von etwa 2000 (in Worten zweitausend) Personen abgehört und deren E-Mails überwacht, von denen man vermutete, sie könnten diesbezügliche Informationen haben und austauschen, darunter Politiker, Manager der beteiligten Unternehmen und sehr viele Journalisten, wie auch Personen des unmittelbaren Umfeldes von Präsident Lula.

In diesen Fällen geht es darum, jeden Schachzug des Verkaufskandidaten und der gegnerischen Parteien frühzeitig zu erfahren und Gegenmassnahmen zu ergreifen.

Auch die Konkurrenten bedienten sich der gleichen Mittel, so wurde von der Kroll u.a. die Ministerin Marta Suplicy abgehört und der Exminister Palloci. Die Kroll selbst wurde wiederum von Leuten der Opportunity ausspioniert, ebenso wie von der Telecom Italia usw. usf.

Die Anklagen bei der italienischen Staatsanwaltschaft beschäftigen sich mit illegaler Spionage, mit Geldwäsche, mit Korruption (Bestechung von Amtsträgern) und anderen.

Die brasilianische Übersetzerin, die von einer Firma beschäftigt wurde, welche für die Telecom Italia arbeitete und über lange Zeiträume ganze CDs mit abgehörten Telefongesprächen und ausspionierten E-Mails zu übersetzen hatte, erzählt aber, was die Inhalte der interessanten Teile der Kommunikationen waren und macht so deutlich, da ist noch mehr Illegales im Spiel:

„Was ich zu übersetzen hatte, bezog sich auf Marktstrategien, gefälschte Bilanzen, Manöver, um bestimmte Personen in einer Firma durch andere ablösen zu lassen, Informationen über das Privateben von wichtigen Figuren bestimmter Firmen und bestimmter Parteien und Informationen, wer wen als Strohmann verwendet beim Kauf und Verkauf von Immobilien und Unternehmen, weil der eigentliche Käufer/Verkäufer nicht in Erscheinung treten will.“

Und dies alles, kurz nachdem wir ausführlich darüber informiert wurden: Hunderte von Firmen haben sich unsere persönlichen Daten beschafft, oft einschliesslich der Kontonummern und haben ein Millionengeschäft aufgemacht, indem sie diese Datenbündel an interessierte Unternehmen verkauften.

Und Lidl war ja keineswegs die einzige Firma, welche die Mitarbeiter ausspioniete. In den USA ist es sogar schon für legal erklärt worden, die eigenen Mitarbeiter auszuspionieren.

Auch die Kreditkartendaten von Hunderten von Bürgern zusammen mit dem richtigen Namen sind Millionen wert.

Wenn die Herrschaften dieser Bundesreublik sich über die Stasi aufregen, die kam auch nie in die Nähe des Umfangs des Ausspionierens der Privatspäre wie die Bundesrepublik Deutschland.

Selbst die Einwohnermeldeämter haben unsere persönlichen Daten weitergegeben und entsprechende Firmen haben daraus Datensätze zum Verkauf gemacht, die von Propagandisten gekauft werden.

Und da kamen nun die Politiker auf die blendende Idde, man könne ja ein Gesetz machen, dass die Firmen ausdrücklich um unsere Zustimmung bitten müssten, wenn sie unsere Daten speichern und handeln. Da sind die jetzt schon draufgekommen???? Wo waren alle diese Politiker, diese Parteien von CDU/CSU über FDP, SPD und Grüne die letzten 20, 30 Jahre? Auf dem Mond?

D.h. ein wesentlicher Teil dieses Einbruchs in unsere Privatspäre war die ganze Zeit auch noch legal. Soweit illegal, ist es lediglich mit symbolischen Strafen belegt, denn die Politiker haben sich die ganze Zeit nicht im geringsten um unsere Privatsphäre geschert.

Und alle jene kriminellen Spionierorganisationen und alle jene, die unser Daten kaufen, sei es um Propaganda gezielt loszuwerden oder um unsere Konten abzuräumen oder unseren Kreditkartenrahmen ausznutzen, alles dieses sind Firmen, grosse Firmen – und gleichzeitig Mafiaorganisationen.

Wenn Sie oder ich noch ein klitzekleines Geheimnis haben, wir können sicher sein, bald weiss eine Firma davon und verwendet es, um Profit zu machen.

Das nennt man die kapitalstische Barbarei.


Veröffentlicht am 19. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Montag, 15. September 2008

Argentinien und Brasilien: Im Ernstfall auch Truppen nach Bolivien

Putschversuch in Boliven in der Region zunehmend isoliert / Nachbarstaaten fürchten Ausfälle bei Gaslieferungen

Von Karl Weiss

Seit zwei Wochen halten Unruhen in Bolivien an. Die bei der landesweiten Abstimmung im August erneut unterlegene Opposition will sich nicht mit dem mit 67% der Stimmen überwältigenden Sieg von Präsident Evo Morales abfinden. Argentinien und Brasilien haben am Donnerstag Abend erklärt, sie würden keinerlei Putsch gegen die gewählte Regierung in Bolivien akzeptieren. Sie ließen indirekt durchblicken, sie würden die gewählte Regierung Morales in Bolivien auch mit Truppenentsendungen unterstützen, sofern Präsident Morales dies erbitten würden.

Brasilien (topographisch)

Morales hat allerdings alle Nachbarländer gebeten, das Land den Konflikt selbst beilegen zu lassen. Er erklärte außerdem, er habe nicht vor, mit den Vereinigten Staaten zu brechen, aber jener Botschafter habe offen gegen ihn konspiriert.

Ebenfalls bereits gegen jede Art von Umsturz oder Abtrennung von Landesteilen in Bolivien haben sich die Präsidenten der angrenzenden Staaten Paraguay und Ecuador ausgesprochen. Venezuelas Präsident Chávez hat nicht nur Morales unterstützt, sondern auch gleich in einem Akt der Solidarität seinen US-Botschafter auch des Landes verwiesen, wie Evo Morales schon vorher.

Evo Morales

In beiden Fällen reagierte die US-Regierung wie üblich damit, daß auch die beiden Botschafter dieser Länder in Washington ausgewiesen wurden. Beide US-Präsidentschaftskandidaten reagierten mit Kritik auf die Ausweisung der Botschafter. Keiner von beiden hat auch nur den Ansatz eines Versuchs gemacht zu klären, ob die Anklagen von Evo Morales nicht der Wahrheit entsprechen, die US-Regierung würde die gewaltbereite Opposition in Bolivien massiv unterstützen. Wahrscheinlich wissen sie längst, daß sie wahr sind.

Der Präsident von Honduras, Zelaya, hat ein Treffen mit dem US-Botschafter abgesagt, um den bolivianischen Präsidenten zu unterstützen.

Bolivien: Brandschatzung einer staatlichen Organisation

Die rechtsgerichteten Oppositions-Gruppen in Bolivien, die von den Gouverneuren der östlichen Tiefland-Staaten (departamentos bolivianos de Tarija, Santa Cruz, Beni, Pando e Chuquisaca) Boliviens unterstützt werden und nach Angaben der Regierung Boliviens auf finanzielle, materielle und logistische Hilfe aus den USA bauen können, hatten zu einer Woche des Protestes aufgerufen und Terror-Attentate ausgeführt, darunter Sprengstoffanschläge, Morde und Brandschatzungen. Eine der Pumpstationen des Erdgases wurde explodiert. Dadurch barst aufgrund des hohen entstehenden Druckes auch eine andere Pumpstation.

Insgesamt 8 Tote (nach anderen Meldungen: 9) sind auf der Seite der Gegen-Demonstranten, die Morales unterstützen, zu beklagen. Sie wurden von den rechtsgerichteten Demonstranten erschossen bzw. wurden Opfer von geschleuderten Granaten. Der bolivianische Innenminister hat in dem ‚departamento’ Pando den Ausnahmezustand ausgerufen. Er sagte bei dieser Gelegenheit, es seien noch weit mehr Tote als jene neun gefunden worden, nach letzten Meldungen sind es jetzt 16 Tote.

Bolivien: Bewaffnete Mitglieder von Rechts-Milizen

Einer dieser Toten wird in Pando beklagt, nachdem es zu Zusammenstößen am Flughafen der Stadt Cobija kam. Cobija liegt direkt am Grenzfluss zu Brasilien. Dort wurden auch drei Brasilianer verletzt, als „Milizen“ (das sind bewaffnete Banden der Rechtsextremisten) das Feuer auf fahrende Autos eröffneten.

Argentinien und Brasilien sind die wichtigsten Empfänger des Erdgases aus Bolivien. In beiden Ländern würde die Wirtschaft beeinträchtigt, wenn die Gas-Versorgung für längere Zeit unterbrochen würde.

Die Lieferung von Erdgas an Argentinien ist vollständig unterbrochen, die an Brasilien zum Teil. Im Moment hat aber in beiden Ländern noch keine Verknappung eingesetzt.

Bolivien: Leichen von erschossenen Kleinbauern

Ob es eine sehr kluge Strategie der Rechtsextremen war, sich ausgerechnet die Gas-Pipelines nach Brasilien und Argentinien als Ziel von Terroranschlägen auszusuchen, sei dahingestellt. Dadurch werden die Interessen Brasiliens und Argentiniens automatisch mit denen von Morales parallel. Aber Intelligenz war ja noch nie die starke Seite von Rechtsextremen.

Inzwischen hat Morales versprochen, die Gas-Pipelines mit Militär zu schützen. Das Signal an die beiden grossen Brüder im Osten bzw. Süden ist eindeutig: Morales ist auf „unserer“ Seite, die abtrünnigen Separtisten von der extremen Rechten auf der „Gegenseite“.

Der Vize-Präsident des ‚Mercosul-Parlaments’ (eine Vertreter-Versammlung der Mitgliedstaaten des Mercosur/Mercosul), der Uruguayer Conde, erklärte: „Die Vereinigten Staaten führen eine Kampagne gegen die Regierungen der Linken in Südamerika und gegen den Prozess der Integration Südamerikas.“

Bolivien: Mitglieder von Rechts-Milizen

Die Dinge haben sich geändert in Südamerika. 1973 in Chile erhob sich (zufällig auch gerade am 11. September) einfach das in den USA (Fort Bennent) geschulte Militär und der Präsident Allende wagte nicht einmal mehr zu sagen, die US-Regierung steckt dahinter. Vielleicht hoffte er noch, dann würden sie ihn nicht umbringen?

Am 11. September 2008 eine andere Welt: Erneut ein Putschversuch, diesmal ohne Militär, aber inszeniert, als wäre es die Stimme des Volkes, die da auf die Strasse geht. Dahinter stecken außer der US-Regierung die Gouverneure der östlichen Flachland-Provinzen von Bolivien. Auch diesmal wieder Gewaltanwendung, aber das Militär bleibt in den Kasernen oder verläßt sie nur auf Anweisung des gewählten Präsidenten.

Warum? Weil die Militärs nicht so dumm sind wie die Rechtsextremisten. Sie würden, wenn sie putschten, von (fast) allen anderen Regierungen Südamerikas isoliert – und die Unterstützung der US-Regierung würde nichts nützen, denn das Geld steckt nicht mehr locker. Und sie müßten gegen Streiks und Demonstrationen regieren, die nicht aufhörten. Oder sollen sie die Hälfte der bolivianischen Bevölkerung abschlachten?

Chávez

Die Oligarchien sind weiterhin die gleichen, sei es in Mexiko, in Brasilien, in Argentinien, in Venezuela, in Nicaragua, in Kolumbien, in Bolivien oder in irgendeinem anderen Land südlich des Rio Grande. Es sind Oligarchien, die in unermeßlichem Reichtum leben, den sie aus der Bevölkerung ihres Landes herausgepreßt haben und weiter herauspressen. Sie haben die Posten in Exekutive, Justiz , Militär und Medien inne oder mit Vertrauten besetzt. Sie sind fast alle in den USA ausgebildet, haben ihre akademischen Grade in Harvard und anderen berühmten US-Universitäten erworben. Sie leben zum Teil sogar mehr in New York oder Miami als auf ihren ausgedehnten Ländereien im jeweiligen Land.

Bush und Lula in Brasilien

Sie haben einen unausgesprochenen Vertrag mit der US-Regierung: Ihr laßt uns (augenzwinkernd) unser Volk ausnehmen bis aufs letzte Hemd und wir sorgen dafür hier in ... dafür, daß die US-Interessen immer an erster Stelle in der Politik stehen. Wenn das nicht mehr auf scheindemokratischem Weg funktioniert, dann putschen wir einfach.

Diese Oligarchien sind traditionell extrem rechts („ein guter Bayer wählt CSU“) oder sogar faschistisch eingestellt. Sie haben noch vor keiner Gaunerei und keinem Mord zurückgeschreckt. Sie lassen regelmäßig von bewaffneten Banden, die ihnen unterstehen, Bauer von ihrem Land vertreiben und eignen es sich an. Die Morde an Leuten, welche die armen Bauern unterstützen, z. B. in Brasilien, sind Monatsmeldung. Jener an Chico Mendez und der an Schwester Dorothy Stang haben auch außerhalb des Landes Aufmerksamkeit gefunden.

Dorothy-Stang
Dorothy Stang

Nicht umsonst hat die CIA, als sie die Grössen des Faschismus und Massenmörder des Hitler-Regimes nach dem zweiten Weltkrieg in Sicherheit brachten, sich Südamerika als Ziel ausgesucht. Dort konnten sie kameradschaftlich-freundlicher Aufnahme sicher sein.

Bis in das neue Jahrtausend hinein haben sich die Völker dieser Länder kaum hierum gekümmert, denn man war mit dem täglichen Kampf ums Überleben beschäftigt oder duckte sich ängstlich unter den Schlägen der Oligarchie.

Doch nun ist alles anders. Revolutionäre Gärung hat in vielen Ländern in Mittel- und Südamerika eingesetzt.

Zwar hat dies noch in keinem Land zu einer wirklichen Revolution geführt, aber Argentinien im Jahr 2001 beim „Argentinazzo“ kurz vor Weihnachten, als der damalige Präsident de la Rua nur in letzter Minute aus seinem Amtssitz fliehen und ein Flugzeug ins Ausland besteigen konnte und Bolivien im Jahr 2005 sind dem nahe gekommen.

Bolivien: Laden eines Verwandten von Morales gebrandschatzt

Heute kann die Oligarchie in einem Land Mittel- oder Südamerikas nicht mehr so einfach selbst das Präsidentenamt antreten oder einen Vertrauten einsetzen. Rein formal gab es ja Wahlen, aber in Wirklichkeit konnte man nur wählen, wer von ihnen weniger verhaßt war. Heute aber haben allenthalben Oppositionsparteien ihr Haupt erhoben, meist solche vom Typ Sozialdemokratie, oder es kamen Präsidenten an die Macht, wie Kirchner in Argentinien und Chávez in Venezuela, die von vornherein einen von den USA unabhängigen Kurs verfolgten.

Nun, wir haben ja ausführliche Erfahrungen mit der Sozialdemokratie und wissen, die hat nie Revolution im Sinn, sondern ist im Gegenteil der Verhinderer der Revolution. So ist es auch in Lateinamerika.

2002 wurde Lula in Brasilien gewählt, dem größten lateinamerikanischen Land. Der begann zwar seine Präsidentschaft noch mit neo-liberalen „Reformen“, so zum Beispiel der Rentenreform, entdeckte aber dann seine Berufung zu einem der Führer der Entwicklungsländer und verfolgt seitdem auch einen in zunehmenden Masse von den USA unabhängigen Kurs. Charakteristisch dafür die Meldung aus den letzten Tagen: Die Hilfsgüter, die Kuba nach den Passagen der Hurricanes Gustav und Ike von den USA erbat, spendete Brasilien und brachte sie mit einem Frachtflugzeug nach Kuba. Die USA hatten jede Hilfe verweigert.

Chávez und Lula

Dann kam Uruguay, wo sich seit undenklichen Zeiten immer nur zwei Parteien gegenseitig die Macht in die Hände gegeben hatten. Der Kandidat einer dritten Partei, Vasquez, gewann die Wahlen und begann eine gemäßigt sozialdemokratische Politik zu machen. Etwas in mancher Hinsicht Ähnliches geschah vor kurzem in Paraguay, wo der Oppositionskandidat Lugo einer Partei, die nie mehr als zehn Prozent der Stimmen hatte, die Wahl gewann und einen politischen Umschwung ankündigte. Er ist erst im August ins Amt eingeführt worden.

Vorher schon hatte eine Anzahl von Aufständen in Bolivien zu Neuwahlen geführt, aus denen Evo Morales als Sieger hervorging, der eine Linie mit Verstaatlichungen ähnlich Chávez in Venezuela verfolgt, was schon weit radikaler als die Sozialdemokratie ist.

Auch in Chile wurde eine dem Namen nach Sozialdemokratin, Frau Bachelet, gewählt. Allerdings stellt Chile schon seit vielen Jahrzehnten eine Ausnahme in Südamerka dar, weil es kein so hohes Niveau von Armut aufweist wie alle anderen Länder hier.

Juan Carlos, Bachelet und Chávez

Nicht lange danach war Ecuador dran. Der neue Präsident Correa, der auch als „links“ gilt, wurde denn auch bald vom Eindringen kolumbianischer Flugzeug in sein Land betroffen. Kolumbien ist heute das einzige Land Südamerikas, das noch die traditionell faschistische Linie verfolgt, in der Linke und Gewerkschafter schlicht und einfach ermordet werden und es entwickelt sich zunehmend zum Kettenhund der USA in Südamerika. Es wurde bereits offen vor einem Angriff des bis an die Zähne bewaffneten Kolumbien auf Venezuela gewarnt.

Peru als eines der letzten Länder, das noch auf US-treuem Kurs liegt, wird von Streiks und Demonstrationen erschüttert.

Vorher schon hatte nach den unabhängigen Meinungsumfragen auch in Mexiko ein sozialdemokratischer Kandidat die Mehrheit. Seine Wahl konnte dann nur durch massive Wahlfälschungen verhindert werden.

Nicht viel später kam dann auch Nicaragua dran, das vorher schon einmal eine „linke Episode“ erlebt hatte. Der damalige Präsident Ortega wurde erneut gewählt und bewies denn auch, was er von der US-Politik hält, als er am 3. September als erster nach Russland die von Georgien abtrünnigen Staaten Süd-Ossetien und Abschasien anerkannte.

All dies hat die traditionellen Oligarchien in Lateinamerika nun offensichtlich in Aufregung versetzt. Hatten sie am Anfang wohl noch an vereinzelte Ausnahmefälle geglaubt und erwartet, die „Welle“ werde bald verebben, fördert die fortschreitende Veränderung nun offenbar Panik bei den alten Herrschern. Anders kann man das offene Übergehen zu Terrorakten und Brandschatzungen vor den Augen der Welt nicht interpretieren.

Man darf weiter eine Menge Konflikte sozialer Art in Lateinamerika erwarten. Die revolutionäre Gärung dürfte unwiderruflich sein und die Volksmasen werden voraussichtlich an Klarheit gewinnen. Andererseits werden die alten Oligarchien sicher nicht freiwillig ihre Pfründe hergeben.

Barack Obama

Und die US-Regierung – speziell wenn Obama Präsident werden sollte – wird erneut massiv intervenieren. Obama hat bereits angekündigt, sich speziell dem Verhältnis zu den anderen amerikanischen Ländern widmen zu wollen. Das kann aus Südamerika nur als Drohung verstanden werden.


Veröffentlicht am 15. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

Was zum Zeitpunkt der erstellung des Artikels noch eine Vermutung war, ist nun offiziell durch eine Untersuchungskommission bestätigt: Die reaktionären Horden unter Anleitung des US-Botschafters, haben wirklich Progrome begangen. Siehe diese Meldung:

http://www.rf-news.de/rfnews/schlagzeilen#News_Item.2008-12-05.3657

05.12.08 - Bolivien: Kommission bestätigt Massaker in Pando

Eine von der Union Südamerikanischer Staaten (Unasur) eingesetzte Untersuchungskommission hat das von der ultrarechten Opposition verübte Massaker in der Provinz Pando bestätigt. Am 11. September wurden mindestens 20 Anhänger des Präsidenten Morales von angeheuerten Auftragskillern gefoltert, verstümmelt und bestialisch ermordet.

Sonntag, 14. September 2008

Brasilien jenseits von Fußball und Samba, Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

Brasilien jenseits von Fußball und Samba, Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

Von Elmar Getto

Seit etwa Mitte September 2005 gehen alarmierende Meldungen aus dem Amazonasbecken ein: In großen Teilen, speziell im brasilianischen Bundesstaat Pará, herrscht Trockenheit. Das mächtige Stromsystem ist an manchen Stellen zu Rinnsalen geworden, Hunger und Elend breiten sich unter der Bevölkerung aus. Umweltaktivisten und Wissenschaftler, wie auch viele Bewohner Amazoniens selbst, haben seit Jahren gewarnt: der Raubbau an den wertvollen Hölzern der Regenwälder Amazoniens und das ständig ansteigende Abbrennen von Regenwaldflächen werden zu einer Verringerung der vom Regenwald „ausgeschwitzten" Feuchtigkeit führen, die die Hauptquelle der ergiebigen Regenfälle ist, durch die der Regenwald charakterisiert ist. Gehen die Regenfälle unter bestimmte Mindestmengen zurück, wird der Regenwald als solcher beginnen abzusterben. Das wäre der Beginn des Endes der Menschheit, wie wir sie kennen.

Brasilien (topographisch)

Dazu kommen die Einflüsse des Klimawandels. Vor zwei Jahren konnte der Schreiber dieser Zeilen mit einem brasilianischen Klimaspezialisten sprechen, von dem er in etwa folgendes lernte: Die verschiedenartigen Regenwälder des Amazonasbeckens haben eine Reihe von klimatischen Bedingungen gemeinsam, die wiederum von einer großen Anzahl an Einflüssen geprägt sind.

Der erste wichtige Einfluß ist der Winkel der Sonneneinstrahlung, der die gesamte Energiezufuhr bestimmt. Das gesamte Amazonasbecken ist nahe des Äquators gelegen, hat allerdings im Kern ein Südhalbkugel-Klimaverhalten. Oft wird nicht klar gesehen, daß ein solches Gebiet sich im wesentlichen so verhält wie sein Mittelpunkt. Der Mittelpunkt des Amazonasbeckens ist eindeutig südlich des Äquators. Dabei muß man das Amazonasbecken deutlich vom Orinokobecken unterscheiden, auch wenn beide an manchen Stellen ineinander übergehen. Beide Becken sind aber im wesentlichen durch Bergketten voneinander getrennt, die eine Höhe von bis zu 3.000 Metern erreichen. Der höchste Berg Brasiliens, der Pico de Neblina, fast auf den Meter genauso hoch wie die Zugspitze, liegt auf einer dieser Bergketten.

Amazonas

Nur am Oberlauf des Orinoko und des Rio Negro, eines der Quellflüsse des Amazonas, gibt es eine unmittelbare Verbindung beider Flußsysteme, die sogar so weit geht, daß - je nach Wasserstand - Orinokowasser in den Amazonas fließt und umgekehrt, ein weltweit einmaliges Phänomen.

Der Südhalbkugel-Charakter des Amazonas-Klimas zeichnet sich durch folgende Sommer-Winter-Besonderheit aus: Im Südhalbkugelsommer, also etwa von Oktober bis Mai, hat das Amazonasbecken die Energiezufuhr einer Sonne, die jeden Tag den Zenit erreicht oder einen Punkt nahe des Zenits. Im Winter dagegen, also etwa von Juni bis September, wird jeweils nur ein Punkt in der Größenordnung von zehn bis 20 Grad unterhalb des Zenits erreicht. Das macht im Mittel einen Unterschied der Energieeinstrahlung von der Hälfte (bzw. dem Doppelten) aus.

Die hohe Energiezufuhr im Sommer führt zu einem generellen Aufheizen des ganzen Regenwaldes und seiner Flüsse, Kanäle und Seen. Die höheren Temperaturen führen zu einer erhöhten Verdampfung von Wasser (im Schnitt über den ganzen Sommer in etwa das Doppelte der Verdampfung gegenüber dem Winter). Der wesentlichste Teil des verdampften Wassers kommt als Regen innerhalb des Amazonasgebiets wieder herunter. Die führt in diesen Monaten (mit einer Zeitverzögerung) zu einem weit höheren Wasserstand des gesamten Flußsystems des Amazonas als im Winter. Auf der Höhe von Manaus, das ist etwa in der Mitte des Weges von den Anden zum Atlantik, hat der Amazonas Jahr für Jahr einen Unterschied des Wasserstandes, der etwa 10 bis 15 Meter ausmacht. Die Höchststände werden typischerweise im August erreicht (mit einer Zeitverzögerung nach der langen Sommersaison), die niedrigsten Stände im November.

Regenwald

An der Mündung dagegen, etwa auf der Höhe der Insel Marajó, gibt es nur einen Unterschied des Wasserstandes von 1 bis 2 Meter. Das belegt einmal mehr, daß es sich wirklich um einen Kreislauf von Wasser im wesentlichen innerhalb des Amazonasbeckens handelt. Dies wiederum zeigt, daß das gesamte Bestehen des Amazonasregenwaldes vom selbst erzeugten Regen abhängt. Es gibt keinen aufgrund des Klimas von außen kommenden Regen, der ausreichend zur Bildung (oder für den Bestand) von Regenwald wäre. Ein Regenwald braucht zum Überleben im Schnitt einer Anzahl von Jahren etwa 2.000 mm Regen jährlich (in Deutschland haben wir um die 500 mm jährlich).

Für das Klimageschehen im weiten Umkreis bedeutet das: Der Amazonasregenwald ist ein Energiefresser: Er sorgt für weit niedrigere Temperaturen im Gebiet des Regenwaldes, aber auch in der ganzen Region, als auftreten würden, wenn es dort keinen Regenwald gäbe. Diesen Effekt kann jeder im Wald selbst spüren: Sobald er sich einem Wald annähert, wird es kühler. Im Wald selbst wird es noch einmal kühler, je weiter man zum Zentrum des Waldgebietes vorstößt.

Das bedeutet, daß im Sommer, aber auch in Teilen des Winters, der Amazonasbecken ein ständiges Tiefdruckgebiet darstellt. Das führt, zusammen mit der äquatornahen Lage, zu einem typischen täglichen Wetterablauf in großen Teilen des Gebietes: Bei Sonnenaufgang ist es bewölkt, wie es auch über Nacht war. Im Lauf des Vormittags werden die Wolken von der Erwärmung durch die steigende Sonne „aufgefressen". Gleich darauf, meist schon vor dem Mittag, manchmal erst nachmittags, kommen neue Wolken auf, die durch die hohe Verdampfung gebildet werden und türmen sich zu Regenwolken oder auch zu mittleren oder großen Unwettern zusammen. Am Nachmittag regnet es, oft in Strömen. Zu Beginn der Nacht hört es auf zu regnen und bleibt bewölkt, bis in die Nacht hinein. In Belém, im brasilianischen Bundesstaat Pará, an der Mündung des Amazonas z.B. gibt es dieses Schema für so große Teile des Jahres, daß die Leute sich dort für den späten Nachmittag, „nach dem Regen", verabreden.

Brasilien: Soja-Pflanzungen auf Regenwald-Gelände

Fast nur im Winter (im Sonner nur in Ausnahmefällen), wenn die Sonneneinstrahlung nicht für so viel selbst produzierten Regen ausreicht, kommt es vor, daß Hoch- oder Tiefdruckgebiete von außerhalb der Zone in das Amazonabecken kommen und das Wetter bestimmen.

Das gesamte Klima der Region ist damit für wesentliche Teile des Jahres von dem Dauertiefdruckgebiet über dem Amazonasbecken bestimmt. Es arbeitet zusammen mit einer anderen Dauererscheinung, das ist das Dauerhochdruckgebiet auf der anderen Seite des Atlantiks, über der Sahara, die sich heute ja bereits beachtlich nach Süden ausdehnt. Die Meteorologen sind sich heute einig, daß die Kombination dieser beiden Phänomene die Hauptverantwortung trägt für den konstantesten Dauerwind, den es auf der Erde gibt, der Wind, der fast ununterbrochen aus einer Zone im Äquatorialgebiet vor der Küste Westafrikas nach Nordwesten weht, also ein Südostwind, der den gesamten Nordosten Südamerikas und die gesamte Karibik trifft.

Dieser Wind ist so konstant und weht über so große Teile des Jahres, daß die Bäume in diesem Bereich mehr oder weniger nach Nordwesten geneigt wachsen, abhängig von ihrem Ausgesetztheit. Dies ist auch der Wind, der die Meeresströmung hinein in den Golf von Mexiko verursacht. Das Wasser hat nur einen schmalen Ausweg aus dem Golf von Mexiko: Die etwa 150 km breite Straße zwischen Florida und Kuba und danach der Kanal zwischen Florida und den Bahamas, der dem Strom eine nordöstliche Richtung gibt.

Dort strömt der warme Golfstrom aus dem Golf von Mexiko und überbrückt als die stärkste aller Meeresströmungen den ganzen Atlantik. Er sorgt dafür, daß es an der Westküste von Grönland (=Grünland) grüne Wiesen gibt, daß Island bewohnbar ist, daß Irland nicht einen großen Teil des Jahres unter Schnee und Eis liegt, sondern ‚die grüne Insel’ ist, daß der Südwestzipfel Englands, Cornwall, fast keine Temperaturen unter 0 ºC kennt und dort Palmen wachsen, daß ganz Südeuropa nicht ein gemäßigtes Klima hat, wie es seiner Lage entspräche, sondern ein subtropisches Klima, daß Mitteleuropa nicht das Klima Kanadas oder Schweden hat, sondern eben das Mitteleuropas und daß Nordeuropa nicht unter einem Eispanzer liegt, sondern bis hinauf an den Polarkreis bewohnbar ist.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Diese Winde und Meeresströmungen bilden einen großen Kreisel im Nordatlantik: Im Süden des Nordatlantik der Wind und die Meeresströmung nach Westen, im gesamten nördliche Nordatlantik nach Osten. Für uns ist es ja fast gesetzmäßig, daß Wetter von Westen kommen, was keineswegs in allen Teilen der Welt so ist. Dies ist wesentlich bedingt durch diese Strömungen und Winde. Wahrscheinlich hat schon Kolumbus diesen großen Kreisel im Nordatlantik gekannt oder jedenfalls geahnt. Dies legen einige seiner Dokumente (und der Film Columbus 1492) nahe: Als sich die Schiffe seiner historischen Mission auf der Rückreise verlieren, nimmt sein Rivale den direkten Kurs nach Westen und kommt lange nach Kolumbus an, der einen scheinbaren Umweg über einen viel weiter nördlichen Kurs genommen hat.

Es gibt sogar die Theorie, daß Kolumbus auf einer seiner Reisen, die ihn vorher auf die Azoren geführt hatte, bereits den Sprung nach Amerika geschafft hatte. Er konnte aber mit dieser Entdeckung noch nichts anfangen, denn es war keine offizielle Mission, von einem König beauftragt. Erst als er 1492 vom spanischen König beauftragt losfuhr, konnte er ‚offiziell’ den Seeweg nach Indien entdecken, wie er meinte.

Jedenfalls ist klar, daß im Jahre 1500, also acht Jahre später, bereits Allgemeingut war (und sich schon bis Portugal herumgesprochen hatte), daß man, um schneller zu den „neuen Inseln" zu kommen einen sehr südlichen Weg, ausgehend von den Kanarischen oder besser noch den Kapverdischen Inseln nehmen muß, während man auf dem Rückweg einen weit nördlicheren Kurs nehmen sollte, der einen auf die Höhe oder sogar noch nördlich der Azoren führt.

Die fünf wärmsten Jahre seit 1890

Im Zentrum dieses großen Kreisels, in einer Zone mit wenig von außen kommenden Winden, ist die ‚Küche der Hurricanes’, wo in jeder Saison (von Juni bis November) etwa 16 schwere tropische Unwetter entstehen, die sich zum Teil zu Hurricanes entwickeln. Dieses Jahr waren es bis jetzt bereits 23 und davon wurden schon 13 zu Hurricanes (einschließlich Hurricane Beta).

Dort bestehen in diesem Zeitraum die notwendigen Bedingungen zur Herausbildung von Unwettern oder Hurricanes: Relativ hohe Oberflächentemperaturen des Wassers (wahrscheinlich braucht es mindestens etwa 26 ºC für die Entwicklung von Hurricanes) und schwache Winde, so daß die aufsteigenden Massen warmer Feuchtigkeit nicht gleich weggeweht werden.

Das Ganze ist, wie man sich leicht vorstellen kann, ein labiles Gleichgewicht. Kommt auch nur eine der wesentlichen Komponenten seiner Aufgabe im Geschehen nicht mehr vollständig nach, beginnt sich das Ganze zu bewegen, wobei die Richtung und die Ergebnisse fast unmöglich vorherzusagen sind.

Treffende Karikatur

Neben dem Einfluß der Sonneneinstrahlung gibt es aber noch einige andere Einflüsse auf das Klima im Amazonasgebiet. Während Einflüsse aus der Pazifikregion extrem gering sind wegen der gigantischen Mauer der Anden zwischen dort und dem Pazifikbecken, gibt es sowohl eine Interaktion zwischen dem Klima im Südatlantik und der Amazonasregion als auch eine solche mit dem Geschehen im Nordatlantik.Diese gegenseitigen Beeinflussungen können zwar an bestimmten Ergebnissen und Wetterereignissen nachgewiesen werden, aber es gibt bisher keine erwiesenermassen richtige Theorie über diese Zusammenhänge.

Die Theorie über die Interaktion zwischen dem Nordatlantik und Amazonien, die der genannte Gesprächspartner bevorzugte, war folgende: In den Übergangsmonaten zwischen dem Sommer auf der Nord- und auf der Südhalbkugel gibt es eine Phase in jedem Jahr, in dem die Südostwinde im Äquatorialatlantik abflauen und Massen feuchter Luft zwischen der Amazonasregion und der „Küche der Hurricanes" im Nordatlantik ausgetauscht werden, in diese oder jene Richtung. Danach schließt sich das Fenster wieder und eine der beiden Regionen hat einen Feuchtigkeitsüberschuß für die folgende Saison und vice versa. Das wird geschlossen aus der Tatsache, daß niedrige Hochwasser im August im Amazonas koinzidieren mit besonders heftigen Hurricanes im Nordatlantik im gleichen Jahr und umgekehrt.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Was den Südatlantik angeht, so besteht ebenfalls normalerweise keine direkte Klimaverbindung mit dem Amazonasgebiet. Das beruht darauf, daß die Kaltfronten aus der Wetterküche zwischen Südamerika und der Südpolregion, die üblicherweise ganz Südamerika nach Norden hinauf fortschreiten, auf brasilianischen Gebiet meistens auf große Massen warmer Luft stoßen und von diesen auf den Atlantik hinaus abgeleitet werden. Unter bestimmten Bedingungen aber, deren Ursachen noch erforscht werden, geschieht dies nicht. Die Kaltfront stößt weiter nach Norden vor bis in die Amazonasregion hinein und sorgt dort für ausgiebige Regenfälle von tagelanger Dauer. Dies führt aber auch zu einem Sinken der Temperaturen im Amazonasgebiet und damit zu einer Verringerung der Verdunstung, was dann wieder Zeiten ohne die typischen häufigen Regenfälle verursacht.

Soweit also die Grundlagen der amazonischen Klimakunde.

Nun kommt der zweite Schritt; Was passiert, wenn, wie leider anzunehmen, weder die Zerstörung des Regenwaldes am Amazonas noch die globale Erwärmung durch radikale Maßnahmen gegen den CO2-Ausstoß gestoppt wird?

Nun, wenn die globale Erwärmung fortschreitet, wird sie sich beschleunigen, unabhängig davon, ob eventuell der Kohlendioxid-Ausstoß nicht mehr weiter ansteigt, denn die steigenden Temperaturen setzen neue Mengen von Kohlendioxid frei. Das betrifft vor allem Böden, die bisher auf Dauer gefroren waren oder jedenfalls in den kurzen Sommern arktischer Gebiete nur oberflächlich auftauen. Tauen diese Böden bis in die Tiefe hinein auf, worüber schon die ersten Berichte aus Grönland, Alaska und Sibirien vorliegen, werden sie neue gewaltige Mengen von Treibhausgasen freisetzen und die globale Erwärmung weiter beschleunigen.

Grönland-Erwärmung-Stand-1985

Grönland Erwärmung Stand 2002

Grönland Erwärmung Überblick - Kartenausschnitt

Die beiden oberen Bilder zeigen in beeindruckender Weise das Fortschreiten der Eisschmelze in Grönland, wie weit sie bereits vor 6 Jahren gekommen war. Allerdings ist die Aussagekraft durch die unterschiedlichen Aufnahmezeitpunkte eingeschränkt. Aber: Sowohl November als auch Mai sind in der Arktis-Region Teile des Winters. Der Sommer dauert nur von Juni bis August. Das untere Bild zeigt den Ort der Satelliten-Fotos und (in Farben) die Anzahl Tage in Grönland mit Eisschmelze.

Wie wirkt die globale Erwärmung auf Amazonien? Zunächst gibt es natürlich die einfache Reaktion: Höhere Temperaturen führen zu höherer Verdunstung. Die Sommer-Hochwasser im Amazonasgebiet würden die Tendenz haben zu steigen. Tatsächlich gab es in den letzten zehn Jahren zwei der höchsten Wasserstände des Amazonas. Das reicht allerdings zur Stützung dieser Theorie noch nicht aus. Andererseits wird nämlich darauf hingewiesen, daß eine erhöhte Verdunstung auch zu vermehrter Wolkenbildung führt und diese wiederum die weitere Aufheizung von Regenwald und Flußsystem abblockt, das Amazonassystem also innerhalb bestimmter Grenzen selbstregulierend ist. Die Energie wird aber doch in die untere Athmosphäre gepumpt, denn in diesem Fall absorbieren die Wolken die Energie. Wozu das führt, ist noch nicht bekannt.

Im allgemeinen muß man mit großer Wahrscheinlichkeit mit erhöhten Regenfällen im Amazonasgebiet rechnen und damit auch mit durchschnittlich höheren Wasserständen. Dies war allerdings bisher nicht eindeutig statistisch nachweisbar.

Ganz anders dagegen mit dem fortschreitenden Abbrennen und Abholzen des Regenwaldes: Dies führt eindeutig zu einem Rückgang der Verdunstung und damit auch der Niederschläge und des Wasserstandes. Die globale Erwärmung und die Regenwaldvernichtung würden also zunächst zu entgegengesetzten Folgen führen, die sich für eine Zeit gegenseitig aufheben könnten. Ab einem bestimmten Grad der Verringerung der Regenwaldflächen - damals wurde bei gleichbleibender Vernichtungsgeschwindigkeit des Regenwaldes etwa mit der Größenordnung des Jahres 2015 gerechnet - würde die Verringerung des Regens dann überwiegen und es käme zu ersten Trockenheiten in der Periode des Niedrigwassers ab September als erstes Anzeichen für ein Verschwinden des Amazonasregenwaldes.

Und damit sind wir jetzt in der Aktualität angelangt. Wie schon verschiedentlich seit September berichtet wurde, ist im Amazonasgebiet eine extreme Trockenheit aufgetreten, die selbst die ältesten Menschen in der Region als etwas bezeichnen, was sie nie vorher gesehen haben. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß eine bestenfalls für 2015 erwartete Erscheinung jetzt bereits eingetreten ist. Es gibt zwei Möglichkeiten der Erklärung: Eine wäre, daß es sich um einen typischen einmaligen Ausreißer handelt, wie sie gelegentlich vorkommen (es könnte z.B. beim "Öffnen des Fensters" im Juni zu einer übermäßigen Transfer von Feuchtigkeit in die Zone der Brutstätte der Hurricanes gekommen sein, was mit dem diesjährigen extrem hohen Hurricane-Aufkommen zusammenfallen würde).

Schmelzendes Eis

Dies schien bis zum 21.Oktober 2005 die wahrscheinlichste Erklärung zu sein. Seitdem aber muß davon ausgegangen werden, daß in Wirklichkeit die andere Erklärung bemüht werden muß, um diese Trockenheit zu erklären: Der Prozeß der Vernichtung des Regenwaldes am Amazonas ist bereits viel weiter fortgeschritten als vorher angenommen. Die Trockenheit ist wirklich bereits die Ankündigung des kommenden Austrocknens der Region, was den endgültigen Beginn der akuten Phase der globalen Klimakatastrophe anzeigt.

Am 21. Oktober 2005 nämlich wurde in der internationalen wissenschaftlichen Fachschrift Science ein Artikel (Band 310, S. 480) veröffentlicht, der genau dies auf wissenschaftlicher Grundlage belegt, nämlich den Fakt, daß die Vernichtung des Regenwaldes am Amazonas bereits viel weiter fortgeschritten ist als angenommen. Verantwortlicher Autor für eine Gruppe von Carnegie Wissenschaftlern ist Gregory Asner, Assistenzprofessor der Stanford University, Department of Geological and Environmental Sciences.

Globale Erwärmung

Bereits im Mai waren die letzten Zahlen der Vernichtung des Amazonas-Regenwaldes veröffentlicht worden: Von August 2003 bis August 2004 wurden mindestens 26.130 Quadratkilometer Urwald vernichtet. Berücksichtigt wurden hier aber nur die nach einem Kahlschlag vollständig gerodeten Waldflächen. Das entsprach etwa der Hälfte der Fläche der Schweiz in einem einzigen Jahr (die US-Wissenschaftler pflegen zu sagen: in etwa die Fläche des Staates Connecticut pro Jahr).

„Jede Minute verliert Brasilien eine Fläche von sieben Fußballfeldern wertvollen Regenwaldes", wurde Michael Evers schon damals zitiert, Leiter des Fachbereichs Wald bei der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. Die Regierung in Brasilia trage eine erhebliche Mitschuld an der Entwicklung, indem sie Bodenspekulationen zur Vergrößerung von Weideflächen für Rinder begünstige und den illegalen Holzeinschlag sowie die Ausbeutung der Arbeiter und die Kriminalität nicht ausreichend bekämpfe.

Nun aber wurde festgestellt, daß darüber hinaus bisher noch nicht registriert wurde, daß bereits seit vielen Jahren in großen Teilen des Amazonasgebietes das selektive Einschlagen bestimmter wertvoller Hölzer praktiziert wird. Dies führt, wie jetzt durch eine neue Methode der Auswertung von Satelittenbildern herausgefunden wurde, zu einer massiven Ausdünnung des Regenwaldes mit weitgehenden Folgen für eine der wichtigsten Eigenschaften eines Regenwaldes: Die Dichte. Durch seine hohe Dichte hält der Regenwald eine extrem hohe Luftfeuchtigkeit unterhalb des Blätterdachs, was durch das Ausdünnen beeinträchtigt wird. Dies führt zu einem generell trockeneren Wald und zu einer geringeren Verdunstung.

Dieser trockenere Regenwald wird dann auch viel eher Opfer natürlicher Buschfeuer, so etwa durch Blitzschlag, wogegen Regenwälder - eben wegen ihrer hohen Feuchtigkeit - eigentlich relativ geschützt sind.

Was hier interessant ist, ist die schwarze Linie (Beobachtung). Sie zeigt einen völlig von den vorherigen Scwankungen abweichenden, unaufhaltsamen Anstieg der Temperaturen in letzter Zeit.

Beim selektiven Einschlag werden nur jene wirtschaftlich besonders interessanten besonders großen Bäume mit besonders hartem Holz geschlagen (Mahagoni und andere). Allerdings reißen diese Urwaldriesen mit Höhen bis zu 70 Metern beim Fallen gewaltige Breschen in den Wald, die dann beim Abtransport noch vergrößert werden. Die Blätterdachabdeckung in großen Höhen wird unterbrochen, viele kleineren Bäume und niedrige Vegetation leiden. Es wird ein US-Spezialist zitiert, der sagt: „Der Regenwald ist durchlöchert wie Schweizer Käse." Er beklagt vor allem die fehlende Kontrolle bei den Abholzaktionen. Daraus ergibt sich die Erkenntnis, daß in Wirklichkeit eine weit höhere Abholzung erfolgt, als angenommen worden war. Tatsächlich, so die Wissenschaftler, dürfte die Abholzung in jedem Jahr jeweils 60 bis 128 Prozent über den offiziell festgestellten Werten liegen.

Es wird auch berichtet, daß die Technik des selektiven Einschlagens auch in Bereichen durchgeführt wird, die als Naturschutzgebiete ausgewiesen sind oder als Indio-Reservate, wo eigentlich der Zugang verboten ist.

Im Schnitt, so stellten die Wissenschaftler fest, werden etwa 30 Bäume mitgefällt, wenn einer der Urwaldriesen herausgeholt wird. Das hängt auch damit zusammen, daß in solchen Regenwälder die Bäume untereinander mit Lianen verbunden sind. Ein großer Mahagoni-Stamm bringt mehrere Hundert Dollar in einem Sägewerk. Neben dem Mahagony gibt es noch etwa 35 andere Baumarten, deren Hölzer begehrt sind. Die Stämme werden mit Traktoren zum nächsten Flußlauf geschleppt und dort zu Flößen zusammengestellt, die dann mit Schleppschiffen zu den großen Sägewerken gebracht werden. Wenn man im Schnitt täglich drei Bäume für einen Tag pro Einsatztrupp (mit fünf Mann) rechnet und die geringen Kosten für den Verantwortlichen der Aktion (weniger als 50 Dollar pro Tag einschließlich Abschreibungen), kann dieser größenordnungsmäßig mit etwa 1.000 Dollar Reingewinn pro Tag rechnen. Davon muß der verantwortliche Verbrecher dann etwa 100 Dollar pro Tag an Schmiergeldern für Beamte abziehen, die ihm anschließend den Stempel „aus kontrolliertem Einschlag" auf die Papiere seiner Hölzer setzen.

Arbeitet der Verbrecher mit einem Schiff und drei Traktoren sowie drei Trupps, erzielt er also einen Profit von um die 2.700 Dollar pro Tag. Das macht bei 25 Arbeitstagen im Monat 67.500 Dollar REINGEWINN. Pro Jahr wären das 810.000 Dollar. Man kann damit also mit wenig Aufwand annähernd eine Million Dollar im Jahr machen.

Die Schätzungen besagen, daß Zehntausende solcher Trupps in Amazonien unterwegs sind.

Solange also in den entwickelten Ländern Nachfrage nach Tropenhölzern besteht, wird es haufenweise Leute geben, die das Risiko eingehen werden, mit so etwas erwischt zu werden. Daß die hier angelieferten Hölzer offiziell „aus kontrolliertem Einschlag" gekennzeichnet sind, sagt gar nichts.

Und - nur um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: Das ist alles zusätzlich zu dem Niederbrennen zum Gewinnen neuer Flächen zum Anbau und für Viehweiden, das allein schon jährlich die Fläche der Hälfte der Schweiz ausmacht. D. h., wir müssen nun mit einer jährlichen Fläche von zerstörtem Regenwald (allein im Amazonas-Bassin) in der Größenordnung der Schweiz ausgehen.

Ein so ausgedünnter Regenwald verliert einen Teil der Fähigkeit, CO2 zu speichern, was im Moment die wichtigste Eigenschaft des Amazonas-Urwaldes für die Menschheit darstellt. Das ist das Ergebnis einer anderen Arbeit, die in der gleichen Ausgabe von Science veröffentlicht wurde. Ein Team um Daniel Bunker von der Columbia University in New York hat festgestellt, daß es durch den Einschlag zu weniger Niederschlägen im Regenwald komme. Das führe letztendlich dazu, daß auf der gleichen Fläche weit weniger Kohlendioxid absorbiert würde. Das bedeutet im Endeffekt, daß die gesamte bisherige Einschätzung über die Menge von CO2, die der Regenwald im Amazonas absorbiert, neu durchdacht werden müssen. Bisher ging man davon aus, daß durch Abbrennen und Abholzen des Amazonas-Waldes etwa 400 Millionen Tonnen von Kohlenstoff zusätzlich in die Athmosphäre gelangen. Nach diesen neuen Erkenntnissen müssen jetzt etwa weitere 100 Millionen Tonnen pro Jahr dazugezählt werden. Wahrscheinlich ist die Kapazität des Waldes auch in dieser Hinsicht letzthin überschätzt worden und muß nun aus neuer Perspektive gesehen werden. Das bedeutet wiederum, daß die bisherigen Voraussagen, wann die Menge an Kohlendioxid in der Atmosphäre so weit angestiegen ist, daß unumkehrbare generelle und weitreichende Klimaänderungen alles menschliche Leben beeinträchtigen werden, neu gefaßt werden müssen. Es kann wahrscheinlich keine Rede mehr davon sein, daß ein solcher Zeitpunkt erst 2050 oder 2040 einträte, sondern es muß mit kürzeren Zeiträumen gerechnet werden.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der neuen wissenschaftlichen Untersuchungen über die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes kann man auf dieser Web-Site nachlesen (in Englisch).

Diese neuen Erkenntnisse sind erst seit kurzer Zeit bekannt. Es gibt daher noch keine wissenschaftlich abgesicherten Einschätzungen, welchen Zeitvorhersagen jetzt gemacht werden können. Man kann aber schon davon ausgehen, daß wahrscheinlich in etwa das Jahr 2030 der letzte und äußerste Zeitpunkt sein wird, bis zu dem die bereits in ihr akutes Stadium getretene Entwicklung zur globalen Umweltkatastrophe noch umkehrbar wäre, wahrscheinlich geht es eher in die Richtung der Jahre 2015 oder 2020.

Was charakterisiert nun die globale Umweltkatastrophe? Neben anderen Erscheinungen (wie z.B. dem Anstieg des Meeresnieveaus, der vom Verschwinden einiger Inseln und einiger tiefliegender Küstenbereiche begleitet ist oder auch der Möglichkeit des Ausbleibens des Golf-Stromes, was Nord- und Mittel-Europa für eine Übergangszeit in Schnee und Eis versinken lassen würde) besteht sie im wesentlichen aus dem Anstieg in Intensität und Häufigkeit von Unwettern sowie dem Anstieg in Intensität und Häufigkeit von Dürren.

Beide Effekte gemeinsam werden einerseits zur Ausdehnung bestehender und dem Entstehen neuer Wüsten und Steppen führen (das Amazonasgebiet z.B. wird zu einer Wüste werden) und andererseits werden die gewaltigen Regen-Sturzbäche den Humus, den Boden, auf dem Pflanzen wachsen können, in zunehmendem Maße weg- und ins Meer spülen. Beides wird auch die Möglichkeit des Zurückhaltens von Regenwasser vermindern, so daß es immer schwieriger werden wird, noch Trinkwasser zu finden. Die Sturzbach-Regenfälle werden außerdem immer mehr zu verheerenden Überschwemmungen führen. Im Endstadium gibt es kaum noch Trinkwasser und kaum noch Pflanzen. Es braucht nicht näher erläutert zu werden, daß dies das Ende der Menschheit bedeutet, wie wir sie kennen.

Es ist offensichtlich, daß zumindest dieser Teil der Regenwald-Vernichtung (nicht nur im Amazonasgebiet) einfach beendet werden könnte: Mit einem generellen Verbot der Einfuhr und des Verkaufes von tropischen Hölzern in allen G8-Staaten, verbunden mit hohen Strafen. Ebenso offensichtlich ist, daß die Regierungen der G8-Staaten den Teufel tun werden, ein solches Verbot zu beschließen. Sie sind schließlich den reichen Verbrechern verpflichtet, nicht den Völkern.

Und das alles, damit gewisse Reiche noch viel reicher werden können. Es wird deutlich, daß wir nur noch wenig Zeit haben, den Kapitalismus zum Teufel zu jagen. Der Kapitalismus steht bereits im Übergang zur kapitalistischen Barbarei und diese wird in der globalen Umweltkatastrophe ihren am weitest gehenden Ausdruck finden. Jetzt müssen alle Kräfte zum Sturz des Kapitalismus vereint werden.


Hier also Teil 12 der Serie "Brasilien jenseits von Fussball und Samba" von Elmar Getto. Des ist eine der umfangreichsten und tiefgreifendsten Veröffentlichungen zu diesem Thema, ursprünglich in der "Berliner Umschau" veröffentlicht am 19.11.2005. Er ist wieder besonders aktuell wegen der umfassenden Aussagen zur Beeinflussung der Entwicklung zur Klimakatastrophe.


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Samstag, 13. September 2008

Rente mit Siebzig - ein Blick zurück

Eine eingetroffene Vorhersage

Von Elmar Getto

Hier ein Artikel (mit kleinen Aktualisierungen in eckigen Klammern), der in der Berliner Umschau (damals "rbi-aktuell") am 3. Mai 2005 veröffentlicht wurde, also vor jener Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, die später Anlass war, um vorgezogene Neuwahlen zu veranstalten. Es zeigt sich, das Vorhergesagte ist eingetroffen! In etwa um diese Zeit entschloss sich Oskar Lafontaine, zusammen mit der WASG der PDS die Gründung einer gemeinsamen Linkspartei vorzuschlagen, was bereits den Wahlausgang in NRW beeinflusste und heute bereits ein historischer Fakt ist.

Wir konnten aus einer Quelle innerhalb der SPD Neuigkeiten in Erfahrung bringen. Jene Quelle hatte sich in der Vergangenheit bereits als zuverlässig erwiesen, so daß wir sie hier - wenn auch mit Einschränkung - veröffentlichen. Die wichtigste Neuigkeit ist, daß die Rente mit Siebzig zwischen CDU und SPD bereits vereinbart ist.

Schröder

Wir veröffentlicht in der Regel keine Informationen, die mit dem Zusatz versehen werden müssen „Aus gewöhnlich gut unterrichteter Quelle verlautet...“, weil es sich dabei um nicht verifizierte Aussagen handelt, die auch reine Gerüchtemacherei sein könnten. Wegen der Brisanz der Information und der früheren Zuverlässigkeit der Quelle haben wir uns aber entschlossen, in diesem Fall die Informationen zu veröffentlichen, obwohl keine Verifizierung möglich war. Es wird hier aber eben diese Einschränkung gemacht.

Laut unserer Quelle hat sich die SPD mit der CDU bereits darauf geeinigt, daß nach den Bundestagswahlen im nächsten Jahr, unabhängig vom Wahlausgang, ein Gesetzentwurf eingebracht und durchgebracht wird, der bereits in einer Schublade existiert. Darin wird ab 2011 das Rentenalter auf 67 heraufgesetzt und dann in weiteren Schritten auf 70 Jahre erhöht. Damit soll die Rentenkasse, zusammen mit weiteren Anpassungen des ‚Nachhaltigkeitsfaktors’, ins Gleichgewicht gebracht werden, ohne daß große Beitragserhöhungen nötig werden.

[Nach den vorgezogenen Bundestagswahlen und der Bildung der grossen Koalition hat die Regierung tatsächlich einen Gesetzentwurf ein- und durchgebracht, der ab 2011 in Stufen das Rentenalter auf 67 erhöht und für später eine weitere Erhöhung bis 70 Jahre angekündigt. Nicht vergessen: Eine weitere Erhöhung bis 70 Jahre liegt bereits in den Schubladen!]

Noch nicht entschieden sei, was mit dem Rentenalter der Frauen geschehen werde.
[Auch dies offenbar eine richtige Information: Bis heute hat man sich nicht ans Rentenalter der Frauen gewagt.

Laut unserer Quelle war diese Einigung auf Initiative „hoher Industriekreise“ zustande gekommen, die sich Sorge darum gemacht hatten, daß die Frage des Rentenalters in den Wahlkampf eingehen könnte. Eine Gruppe SPDler hatte die Idee aufgebracht, der Union ihre Rentenpläne im Wahlkampf vorzuwerfen und so die unpopuläre Erhöhung des Rentenalters zum entscheidenen Kriterium der Wahlentscheidung zu machen. So hätte die SPD eventuell eine Chance gehabt, den Riesenvorsprung aufzuholen, den Union und FDP in den Umfragen gegenüber SPD/Grünen haben.

In der SPD besteht die Einschätzung, daß man im Moment keine weiteren unpopulären Entschlüsse fassen sollte. Es müßte befürchtet werden, daß die Montagsdemos wieder Zulauf bekämen und die Stimmung in den Betrieben sich weiter aufheizen und eventuell der Kontrolle entziehen könnten, zumal jetzt schon Zwangsumzüge wegen Hartz IV beginnen werden (entweder umziehen oder eine Kürzung des Mietzuschusses auf den „angemessenen“ Wert). Ebenso kamen bereits Hilferufe aus den Gewerkschaften, der allgemeine und spezielle Unmut in den Betrieben sei bereits so groß, daß man ernste Schwierigkeiten bekomme, „den Deckel auf dem Topf zu halten“.

Aus diesem Grunde war auch in Berlin schon beschlossen worden, die vollen Mieten der ‚Verhartzten’ bis Ende des Jahres weiterzuzahlen. Bis jetzt steht noch nicht fest, wie man die Zeit bis zu den Bundestagswahlen dann überbrücken will.

Nach realistischer Einschätzung in der SPD wird man diesmal kein „Kaninchen“ haben, das man aus dem Hut zaubern könnte, um die Bundestagswahlen doch noch zu gewinnen, wie das bei den letzten mit der Weigerung gelang, am Überfall der US-Regierung auf den Irak teilzunehmen.

Es wird nicht einmal mehr ausgeschlossen, daß nach einem eventuellen Wahldesaster in Nordrhein-Westfalen die Schröder-Fischer-Regierung bereits das Handtuch wirft [was ja dann auch eintrat]. Die Idee ist, offiziell eine Union-FDP-Minderheits-Regierung zu dulden, Schröder aufs Altenteil zu schicken und mit Müntefering eine heftige Opposition zu veranstalten und so eventuell noch bis zu den Bundestagswahlen aufholen zu können.[Das wurde allerdings anders gemacht: es wurden vorgezogene Neuwahlen provoziert.]

Es gebe aber stärkste Widerstände bei den Grünen dagegen, weil man dort im Gegensatz zur SPD die Führungsgestalt nicht auswechseln kann. Für die SPD würden sich eher Vorteile ergeben, wenn man den unbeliebten Schröder austauscht. Die Grünen haben aber keinerlei Möglichkeit, Fischer abzulösen, der weiterhin einer der beliebtesten Politker ist. Sie müßten dadurch den ‚Abfall’ eines ins Gewicht fallenden Teiles ihrer Wähler befürchten. Im Falle des Rücktritts wäre man aber eine ‚gescheiterte’ Partei mit einem ‚gescheiterten’ Frontmann, was ebenfalls Einbußen bringen dürfte. Die Grünen beständen deshalb darauf, daß die Legislaturperiode bis zum Ende durchgestanden werden müsse, selbst wenn keine einzige wichtige Entscheidung mehr getroffen werden könne.

Allerdings wird weder bei der SPD noch bei den Grünen der Gang in die Opposition als Katastrophe angesehen. Vielmehr ist man sich sicher, daß man aus der Opposition heraus das verlorenen Vertrauen früherer Wähler wiedergewinnen kann. Die Union und die FDP würden aufgrund ihrer zwangsläufig unpopulären Beschlüsse (siehe u.a. Rente) wahrscheinlich schnell abwirtschaften und eventuell nicht einmal das Ende der neuen Legislaturperiode erreichen.
[Dies ist eine Überlegung, die eventuell angesichts der Neuwahlen in 2009 wieder interessant werden könnte.]

Die jetzt vom Zaum gebrochenen Diskussion der ‚Kapitalismus-Kritik’ [Müntefering hatte zu jenem Zeitpunkt die Hedge Fonds als Heuschrecken bezeichnet] ist ein Probelauf, um an den Wahlen in NRW zu erproben, ob man mit dieser Art von ‚Seifenblasen’ eventuell einen Umschwung in der Wählermeinung erreichen könnte. Man habe mit den ‚Industrie-Kreisen’ bereits gesprochen und ihnen im Vorfeld schon versichert, daß selbstverständlich nichts getan wird, was ihnen weh tun könnte, sondern nur ein Diskussionsansatz verfolgt und mit Maßnahmen gedroht werde, die entweder keinerlei Wirkung haben oder nie wirklich umgesetzt werden (weil die Union im Bundesrat sowieso die Dinge stoppen würde).

Im Moment sei man dabei, diese Linie bei unzufriedenen SPDlern zu erklären und durchzusetzen, die immer noch der Meinung anhängen, man müsse die Rentenfrage an die große Glocke hängen und zum Wahlkampfschlager machen. Es wird zwar nicht abgestritten, daß dies eventuell wirklich für eine Wiederwahl ‚gut’ sei. Danach werde man aber die Erhöhung des Rentenalters auf jeden Fall durchziehen müssen und noch mehr Kredit verlieren als jetzt schon.

Es müsse vor allem verhindert werden, daß sich Wähler auf Dauer und grundsätzlich von der SPD abwenden, was in diesem Fall nicht mehr ausgeschlossen werden könne. Nach Einschätzung von Fachleuten in der Partei ist der Teil der Wähler, der sich bisher schon nicht mehr aufraffen konnte, SPD zu wählen, noch wiederzugewinnen, wenn man eine heftige, scheinbar ‚antikapitalistische’ Opposition inszeniere. [Interessant, die Schachzüge, die man damals schon plante. Gleichzeitig wird aber deutlich, all dies konnte nichs bringen. Die Hoffnung, die verlorenen SPD-Wähler mit 'Feuerwerk' zurückzholen, blieb Illusion. Die Wähler sind küger, als es die SPD gerne hätte.]

Mittwoch, 10. September 2008

Jetzt offiziell: Atomkraftwerke: Unberechenbares Risiko

FAZ: „Wer hat je behauptet, das Atomgeschäft sei ohne Risiken?“

Von Karl Weiss

Wenn die FAZ - ultrarechtes Nobelblatt mit einem angeblich klugen Kopf dahinter - und immer bereit, die Atomkraftwerke zu verteidigen, schreibt: „Aber wer hat je behauptet, dass das Atomgeschäft ohne Risiken ist?“, so muss schon etwas passiert sein. Immerhin gut, nun haben wir es schriftlich – von einem der Leib- und Magenblätter der Herrschenden in Deutschland! Damit ist nun offiziell: Atomkraftwerke sind ein unberechenbares Risiko!

Atomkraftwerke Deutschland

Es geht um Asse, ein aufgelassenes Salzbergwerk in der Nähe von Wolfenbüttel, wo das Lagern von Atommüll in stillgelegten Salzbergwerken „erprobt“ werden sollte: Atomgeschäft.

Asse-Atomgeschäft ist die Ausgeburt des Kapitalismus. Der Beweis: Der Kapitalist geht auch über Berge von Leichen, wenn es um märchenhafte Profite geht. Die Herrschenden in Deutschland, sprich das Monopolkapital, haben die Atomwirtschaft (das Atomgeschäft) vom ersten Moment an sehenden Auges als Geschäft betrieben: Große Gewinne bei den Konzernen und Banken, große strahlende Probleme bei der Bevölkerung.

Alle Experten, die nicht gekauft waren, haben dies seit den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren, als die ersten Atomkraftwerke geplant und später auch gebaut wurden, klar und deutlich gesagt: Es fallen bei der Stromgewinnung aus Atomkraftwerken Unmengen strahlender Abfälle an, leicht strahlende, mittel strahlende und hoch strahlende, für die es keinerlei Möglichkeit der bezahlbaren sicheren Entsorgung gibt.

Die Schosshündchen der Herrschenden, die deutschen bürgerlichen Medien und die Politiker von rechts von der CSU über die CDU hin zur FDP, der SPD und dann nach einiger Zeit auch den Grünen, haben diese Tatsachen verdreht, verneint, verniedlicht, haben gelogen, dass sich die Balken bogen, haben mit Halbwahrheiten versucht zu beruhigen und haben währenddessen den Atommüll auf unverantwortliche Weise gelagert und in Europa herumtransportiert, so als ob es sich um gefährliche Abfälle handeln würde, die einfach nur einer Behandlung unterzogen werden müssten, um unschädlich zu werden.

Glauben Sie einem Naturwissenschaftler: Radioaktivität ist eine physikalische Gesetzmässigkeit, die man nicht abschalten kann. Viele der in Atommeilern entstehenden Isotope strahlen Zehntausende von Jahren, ohne dass man dies unterbinden könnte. Die einzig vielleicht akzeptable Entsorgung wäre, diese Tausende von Tonnen von Abfällen mit Raketen in die Sonne oder ins Weltall zu schiessen, aber eine einfache Kostenrechnung macht klar: dann würde der Atomstrom das Zehnfache kosten.

Mit einem Trick hat man geglaubt, sich des Problems entledigen zu können: Der so teure und doch so billig verkaufte Atomstrom kam den Konzernen zu Gute, die märchenhaften Profite der längst abgeschriebenen Kernkraftwerke fliessen heute im wesentlichen den drei grossen Betreiber zu: RWE, Vattenfall und eon, während alles, was die strahlenden Abfälle betraf, einfach dem Staat der Bundesrepublik Deutschland aufs Auge gedrückt wurde, sprich dem deutschen Steuerzahler.

Das ist Kapitalismus in Reinkultur, an einem kleinen Beispiel auf den Punkt gebracht.

Doch die Probleme können nicht mit Zeitungsartikeln und Fernsehsendungen aus der Welt geschafft werden. Die Realität holt die Herrschenden und ihre Schosshündchen ein: Die Realität heisst Asse und Cäsium-137.

Atomkraftwerk

Die Grundidee war und ist: Man könne die strahlenden Atom-Abfälle in tiefen aufgelassenen Bergwerken einlagern. Dort würden sie für alle Zeiten sicher lagern und man könne das Problem vergessen. Dumm nur, dass die Geologen (die nicht gekauft waren) sofort widersprachen: Sie sagten: Der gesamte Untergrund auf der Erde ist von Wasseradern durchzogen, die zusätzlich noch andauernd (manchmal alle zehn Jahre, manchmal alle 100 Jahre, manchmal nach Hunderten von Jahren) Weg und Richtung des Flusses ändern. Und fast all dies Wasser kommt irgendwann an irgendeiner Stelle wieder an die Oberfläche – und zwar im Einzelfall unvorhersehbar. Der Untergrund arbeite, er sei nicht auf Dauer stabil. Wo es grosse Kavernen gibt, werden diese irgendwann vom „Bergdruck“ geschlossen und alles, was darin ist, zermalmt. Eingelagerte Behälter würden dann die radioaktiven Stoffe freigeben und das Wasser würde sie aus den Höhlungen laugen und an irgendwelchen Stellen an die Oberfläche bringen.

Doch es gab auch gekaufte Geologen. Einer von ihnen, ein besonderer Schlaumeier, kam auf eine wunderbare Idee: Wenn man nur aufgelassene Salzbergwerke wie das in Asse und das in Gorleben benutzen würde, dann sei man vor Wassereinbrüchen sicher. Denn dort hätten sich in Hunderten von Jahren Salzstöcke gebildet und all diese Zeit sei kein Wasser eingedrungen, denn das hätte ja sonst das Salz herausgelaugt. Einlagern in Salzstöcken sei sicher.

Die nicht gekauften Geologen widersprachen: Auch Salzstöcke seien keineswegs sicher. Kleinere Wassereinbrüche sind auch dort die Regel. Dass dort zweihundert Jahre keine grösseren Wassereinbrüche vorkamen, bedeute nicht, dies bliebe auch für die nächsten Zehntausende von Jahren so. In Wirklichkeit würden Salzstöcke auch immer wieder von Wassereinbrüchen betroffen, die dann das Salz an andere Stellen befördern oder an die Oberfläche.

Das Problem war nur: Die nicht gekauften Geologen waren alle ohne Anstellung. Und wer wollte schon arbeitslosen Geologen glauben? Die vernünftigen Geologen dagegen, die Anstellung hatten, wiederholten im Auftrag ihrer Kapitalisten: „Salzstöcke sind sicher! Salzstöcke sind sicher! Salzstöcke ...“

Um der Öffentlichkeit, die aus unerfindlichen Gründen anscheinend immer noch nicht ganz überzeugt war von der völligen Ungefährlichkeit des Atomgeschäfts, ein für alle Mal zu beweisen, es gibt keinerlei Gefahr, alles ist unter Kontrolle, wählte man im Jahr 1965 – damals gab es gerade eine große Koalition (CDU-SPD – ach ja – und nicht zu vergessen die CSU), wie auch heute wieder – das aufgelassene Salzbergwerk Asse als Vorzeige-Lager und kaufte mit den Geldern des deutschen Steuerzahlers das ganze Gelände und dessen Untergrund.

Dort werde man erproben – natürlich nur mit leicht- und mittel-radioaktiven Abfällen, um jede mögliche Gefahr auszuschliessen – wie man die Atomabfälle einlagern könne und belegen: Salzstöcke seien sicher. Es werde so eingelagert, dass man alles wieder herausholen könne, falls dies nötig wäre. Aber man wusste bereits mit Sicherheit: Dies würde nie nötig sein. Es wurde eine Gesellschaft für Strahlenforschung geschaffen, voll von lauter Fachleuten, die über ihrem Bett ein Schild hängen hatten: Salzstöcke sind sicher!

Heute heisst die Institution Helmholtz-Zentrum und der Name des grossen deutschen Chemikers Helmholtz ist für alle Zeiten entehrt.

Wie es weiterging – Originalton FAZ, hier:

"Es sickert die Lauge, es rostet der Müll"

„...3,5 Millionen Kubikmetern Hohlraum, die allein mit Atommüll gar nicht zu füllen waren. Doch erst einmal kam mit Ausnahme des hochradioaktiven Abfalls 13 Jahre lang alles hinein, was in der Bundesrepublik an schwach- und mittelaktiven Rückständen anfiel. Heißere Fracht war schon avisiert: 100 000 Graphit-Brennelemente aus dem Versuchsreaktor Jülich sollten in die Asse geliefert werden.“

„Als hätten sie [die Politiker] bei zahllosen Grubenfahrten nicht sehen können, dass niemals daran gedacht war, die Abfälle jemals wieder herauszuholen. Anfangs waren die Fässer noch sorgsam gestapelt, später einfach abgekippt und mit Salz bedeckt worden; war eine Kammer voll, wurde sie mit Beton versiegelt. 125 000 Fässer verschwanden auf diese Weise auf der 750-Meter-Sohle, weitere 1300 mit stärker strahlenden Überbleibseln wurden mit erheblichem Aufwand weiter oben auf der 490-Meter-Sohle versenkt (...). Alles war von den zuständigen Bergämtern und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt abgesegnet worden.“

„In der Zwischenzeit sind tragende Pfeiler gebrochen. Obwohl der größte Teil der Hohlräume inzwischen mit Salz und anderem Material verfüllt ist, mögen Gutachter dem maroden Bergwerk nur noch eine Standzeit von sechs Jahren garantieren. Auch das war abzusehen; ein Wunder nur, dass das Grubengebäude nicht schon früher versagt hat.“

„... die Kammern wurden später mit den Rückständen verfüllt. Seitdem suppt aus ihnen beständig Flüssigkeit, denn der Gebirgsdruck sorgt dafür, dass das gesamte Grubengebäude immer mehr zusammengedrückt wird. Ausgerechnet die 750-Meter-Sohle, auf der die meisten Abfälle lagern, sei "bekanntermaßen mit Lauge durchtränkt", sagen die Gutachter.“

Castor

„Messungen zeigten, dass die Lauge anfangs geringe, dann immer höhere Konzentrationen Cäsium-137 aufwies; dieses Isotop kommt praktisch in allen radioaktiven Abfällen vor und geht besonders rasch in Lösung.“

„Seit zwanzig Jahren ... sind es 12 000 Liter [Wasser] pro Tag, die auf unbekannten Wegen über das Deckgebirge in das Grubengebäude strömen. Zum Skandal hätte das schon lange getaugt. Wenn sich nur mal jemand darum gekümmert hätte.“

Schachtanlage Asse

Interessant, nicht? Die FAZ wusste natürlich nichts davon, dass das Versprechen gebrochen war, dort nur provisorisch einzulagern, dort keinen hochradioaktiven Abfall einzulagern, dass dort seit zwanzig Jahren 12 000 Liter Wasser pro Tag Salz herauslösen, angereichert mit Cäsium-137 und anderen radioaktiven Isotopen. Die FAZ, die während dieser ganzen Zeit das Atomgeschäft verteidigt hat, ist keineswegs verbrecherisch, nein, sie ist ehrenwert!

Bis jetzt hat man noch nicht gefunden, wo all das Wasser an die Oberfläche kommt. Man hat aber auch noch nicht gesucht – 20 Jahre lang!

Nur um dem Nichtfachmann eine Idee zu geben: Wenn dieses Wasser mit Cäsium-137 an irgendeiner Stelle einen Trinkwasserbrunnen oder ein Grundwasser verunreinigt, aus dem Trinkwasser gewonnen wird, dann werden Hunderte, vielleicht Tausende, vielleicht Zehntausende, im schlimmsten Fall Hunderttausende Menschen mit geringenMengen des hochradioaktiven Isotops verstrahlt. Dessen Salze sind wasserlöslich und unser Körper baut sie, als wären es Kalium-Atome, in den eigenen Körper ein (Kalium ist eines der lebenswichtigen Spurenmetalle). Dort können dann selbst winzigste Mengen, 10, 20 oder 30 Milligramm (tausendstel Gramm) ihre Langzeitwirkung durch Strahlung entfalten.

Die mit geringen Mengen von Caesium 137 verstrahlten aus der Nähe von Hiroshima und Nagasaki haben zum Teil die fürchterlichsten Schicksale von allen gehabt. Entsetzliche Schmerzen – Gliedmassen faulen ab, müssen amputiert werden, Organe entfernt. Mehrere Krebse entwickeln sich zur gleichen Zeit. Wer das überlebt, ist noch schlimmer dran. Es gibt Fälle, wo Menschen 15 Jahre lang entsetzlich litten, bevor der Tod sie erlöste.

Wer mit Cäsium 137 verstrahlt wird, speziell mit kleinen Mengen, so dass er nicht schnell stirbt, wird die Gefolterten von Abu Ghraib und von Guantanamo beneiden.

Aber die Vorstandsvorsitzenden der Konzerne und Banken, die dies alles in Gang brachten und davon profitierten, sind natürlich keinesfalls Verbrecher, nein sie sind unschuldig! Sie sind ehrenwerte Männer!

Und die Regierungsverantwortlichen, die Herren Adenauer, Erhardt, Kiesinger, Brandt, Schmidt, Kohl und Schröder und Frau Merkel, sie sind natürlich keinesfalls Verbrecher, nein, sie sind unschuldig! Sie sind ehrenwerte Männer und Frau!

Und die Herren Umweltminister ...., - na, lassen wir das jetzt und erwähnen nur, dass Frau Merkel da zweimal vorkommt, die war nämlich vor Gabriel auch Umweltministerin.

Ja, und Herr Gabriel, dieser Nicht-Verbrecher, dieser ehrenwerte Mann, er schäumt vor Wut.

Die FAZ berichtet: „Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hielt einen Aktenordner in die Kameras und verkündete, darin fänden sich "unglaubliche Vorgänge". Die Grüne Renate Künast setzte noch eins drauf: Sie stellte Strafanzeige, denn die Verantwortlichen hätten offenbar "jahrzehntelang gemeingefährliche Straftaten begangen".“

Na, ist es nicht die Höhe?

All diese freundlichen, netten Politiker haben natürlich von gar nichts gewusst. Sie und ihre Vorgänger haben das selbstverständlch nicht angeordnet. Sie sind alle neugeborene Babys, speziell Gabriel, dessen Wahlkreis fast an Asse angrenzt, der bereits Ministerpräsident von Niedersachsen war, wo Asse liegt. Die Grünen, die mit der Vereinbarung zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke am Anfang der rot-grünen Koalition das grüne Licht (daher der Name „Grüne“) zum Weiter-Verstrahlen gaben, alle sie sind Eiapopeia-Windel-Babys, gerade erst geboren.

Die einzig Verantwortlichen sind zwei kleine Beamte im Helmholtz-Zentrum, natürlich – welche Verbrecher! Pfui Spinne!

Wenn sie den Berichterstatter als Wissenschaftler fragen, wie man wohl vermeiden könnte, eventuell von an die Oberfläche dringenden 12 000 Litern Wasser täglich mit deutlichen Mengen von Cäsium-137 betroffen zu werden, so kann man in etwa folgendes sagen: Ziehen Sie auf der Landkarte einen Kreis von 350 km um Asse (Wolfenbüttel). Wenn Sie innerhalb sind, besteht Gefahr.

Und kommen Sie nicht hierher nach Brasilien! Hier wird noch nicht einmal bekannt, wo das hiesige Asse liegt.

Doch das ist noch nicht alles, hören Sie die FAZ erneut: „Nun soll allen Ernstes der Plan geprüft werden, sämtlichen Müll wieder auszugraben. (...) müsste man komplett neue Robotertechniken erfinden. Die Bergung würde nach Schätzung von Ingenieuren mindestens zwanzig Jahre dauern und deutlich mehr als zwei Milliarden Euro kosten. In jedem Fall würde zusätzlich ein Berg von kontaminiertem Abraum entstehen, der zusammen mit den Fässern in das benachbarte Endlager Konrad bei Salzgitter verfrachtet werden müsste.

Und achten Sie besonders auf die politischen Aussagen. CDU und CSU versichern übereinstimmend, die Atomkraftwerke müssten weiter verlängerte Laufzeiten bekommen. Man wird voraussichtlich mit der FDP ab 2009 Deutschland regieren, also wissen Sie schon, was passiert: Mehr Asse.

Und hören Sie genau hin, was Erzengel Gabriel sagt: Selbstverständlich sei Asse ein Einzelfall. Gorleben, ein ander Salzstock, in den schon eingelagert wird, sei völlig anders. Das sei absolut sicher!

Na, so glauben Sie dem Mann doch endlich!

Alle „Wissenschaftler“ im Atomgeschäft tauschen nun das Schild über dem Bett aus: Statt „Salzstöcke sind sicher“ steht da nun „Gorleben ist sicher!“ und „Konrad ist sicher!“.

Und Sie wissen ja: 350 km Umkreis von Gorleben, 350 km um Konrad (das liegt bei Salzgitter)...

Am besten, Sie hängen sich auch ein Schild übers Bett: „FAZ: „Aber wer hat je behauptet, dass das Atomgeschäft ohne Risiken ist?“

Hatte man das nicht vor Tisch anders gehört?


Veröffentlicht am 10. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Dienstag, 9. September 2008

Ein Volk unverbesserlicher Rassisten?

Das kann wohl nicht wahr sein.

Originalveröffentlichung

Von Karl Weiss

Uri Avnery hat in seiner aktuellsten Kolumne, veröffentlicht in vielen alternativen Medien, unter dem deutschen Titel „Des Teufels Pferdefuss“ eine mögliche Ein-Staat-Lösung für das Problem Israel/Palästina als eine Anti-Lösung bezeichnet, weil dies automatisch zu der „ethnischen Säuberung“ durch die jüdischen Israelis gegen alle Araber führen würde, deren sie habhaft werden könnten. 99,99% der jüdischen Israelis würden daran teilnehmen. Ist Israel wirklich der Staat der unverbesserlichen und gewaltbereiten Rassisten?

Uri Avnery

Eine der Stellen dieser Veröffentlichung des Artikels von Avnery ist hier.

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Als Grund für den vorausgesagten Genozid in diesem Fall gibt Avnery an, die Juden in Israel würden die "demographische Drohung" fürchten. Will sagen, die Palästinenser haben durchschnittlich mehr Kinder als die jüdischen Einwohner Israels und würden so bald die Mehrheit darstellen. Avnery, anstatt das rassistische Argument der „demographischen Drohung“ zu bekämpfen, macht es sich zu eigen.

Das sei dann eben so, dass die Palästinenser bald die Mehrheit stellen würden und dann: „99,99% der jüdischen Bevölkerung wird sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehren. Die Demographie wird nicht aufhören, sie heimzusuchen, im Gegenteil, es wird sie zu Dingen antreiben, die heute noch undenkbar sind. Die ethnische Säuberung wird praktisch auf die Agenda kommen.“

Das ist rassistisch und faschistisch, bei allem Respekt vor Uri Avnery, dessen Kommentare üblicherweise die grosse Hoffnung am Leben erhalten, das Nahost-Problem könne doch noch friedlich gelöst werden, wenn nur endlich der „grosse Bruder“ von der anderen Seite des Atlantiks aufhörte, sich einzumischen. In diesem Fall aber stimmt Avnery in diese absurde Lamentiererei über die „demographische Bedrohung“ ein, was viel von dem, was er sonst geschrieben hat, den Wert nimmt.

Tatsache ist, wenn man eine Bevölkerung in Elend, Armut und Hoffnungslosigkeit treibt oder belässt, hat sie eine weit höhere Kinderzahl pro Paar als wenn man ihnen ausreichende oder gute Lebensbedingungen bietet. Über die Gründe dafür braucht hier nicht spekuliert werden. Würden die Palästinenser aus der von der israelischen Besatzung verursachten Elend, Armut und Unterentwicklung befreit und hätten ausreichende und sogar aufstrebende Lebensbedingungen, würde die Zahl der Kinder pro Paar im gleichen Masse sinken wie bei allen anderen Völkern, bei denen dies geschah.

Das Argument, die Palästinenser seien eben so, die hohe Zahl der Kinder stecke bei ihnen gewissermassen in der DNA, ist absurd und rassistisch. Das ist vergleichbar mit der Anmassung jener hohen Adligen in Deutschland, die erklärte, die Schwarzen würden eben so gerne „poppen“, daher seien die Probleme Afrikas mit der hohen Geburtenrate verbunden.

Avnery ist eigentlich zu intelligent, um dies absurde Argument zu verwenden. Wenn er es trotzdem tut, so steckt da offenbar Anderes dahinter. Was das sein könnte, darauf weist diese Passage hin: „Innerhalb weniger Jahre werden die arabischen Bürger die Mehrheit darstellen. Dann ist der zionistische Traum ausgeträumt. Der jüdische Staat ist gestorben.“

Ist das ein Albtraum für Avnery?

Palestina land loss

Meint er wirklich, es wäre möglich, das Nahostproblem zu lösen, indem in Israel alles gleich bleibt, lediglich ein winziges Stück Land den Palästinensern zur Verfügung gestellt wird, das sie einen „Staat“ nennen dürfen, möglichst noch geteilt in zwei (oder mehrere) Teile ohne Verbindung, wo man sie nach Belieben aushungern kann, ihnen das Wasser abdrehen, jeglichen Kontakt nach aussen unterbinden und dann vergnügt zusehen kann, wie sie verdursten, verhungern - oder sich vielleicht sogar gegenseitig auffressen?

Nein, eine Lösung des Nahostproblems ist nur möglich, wenn der zionistischen Ideologie in Israel abgeschworen wird, die eine angebliche „natürliche“ Überlegenheit des jüdischen über andere Völker beinhaltet, wenn Israel die Attribute des „Jüdischen Staates“ verlässt und einen normalen säkularen demokratischen Staat installiert, unabhängig, ob es daneben einen palästinensichen Staat gibt oder ob sich der als gar nicht nötig herausstellt, denn man kann ohne Zionismus und „Jüdischen Staat“ auch in einem gemeinsamen Staat zusammenleben.

Avnery unterschätzt offenbar sein eigenes Volk. Araber und Juden haben friedlich zusammengelebt im Nahen Osten, bevor dort der Zionismus installiert wurde und können dies auch danach wieder.

Wenn Israel darauf besteht, zionistisch zu bleiben und ein „Jüdischer Staat“ zu sein, dann macht es nicht den geringsten Unterschied, ob daneben ein palästinensischer Staat installiert wird oder nicht. Es wird weiterhin ständig Quelle von Spannungen und Kriegen im Nahen Osten sein, denn die Araber können nicht in Frieden leben, solange es in ihrer Mitte einen zionistischen Krebs gibt.

Wenn Avnery gewissermassen argumentiert, wenn die Palästinenser in einem gemeinsamen Staat die Mehrheit zu werden drohten, sei es fast schon gerechtfertig, sie mit einem Genozid zu überziehen oder zu vertreiben, so stellt er sich in den Gegensatz zu allen grundlegenden Menschenrechten. Er sollte sich wirklich überlegen, was er da sagt.

Wenn er wirklich Recht hat, dass 99,99% der jüdischen Israelis sich dann am Genozid und an Vertreibungen beteiligen würde – was kaum glaubhaft ist -, wenn das wirklich stimmte, so muss man die grundlegende Frage stellen, ob die Existenz eines solchen Volkes unverbesserlicher gewaltbereiter Rassisten im arabischen Herzland von der wirklichen internationalen Gemeinschaft (nicht von der selbsternannten der Regierung der USA und ihrer Verbündeten) akzeptiert werden kann.

Dann muss man sich überlegen, ob ein Staat, der sich so identifiziert, nicht mit Gewalt von diesen Idealen abgebracht werden muss, z.B. durch ein System von Sanktionen, wie damals im Falle Südafrika. Siehe in diesem Zusammenhang auch den Artikel: „...am Ende werden wir weg sein“.

Diese Frage mag sich konkret erst in Jahrzehnten so stellen, aber auch wenn es noch 100 Jahre dauert, es kann kein Überleben eines zionistischen „Jüdischen Staates“ im arabischen Kernland geben. Nur das friedliche Zusammenleben unter gleichen Rechten und Bedingungen mit den Arabern kann den Juden in Israel garantieren, in diesem Teil der Welt leben zu können.

Montag, 8. September 2008

Die Tinner-Connection, Teil 2: Der größte Skandal in der Geschichte der USA?

Ein Komplott zur Weitergabe der Atomgeheimnisse

Von Karl Weiss

Nach allen vorliegenden Beweisen scheint nun festzustehen: Die US-Regierung hat mit voller Absicht über seinen Geheimdienst CIA und unter Mitwirkung der Bundespolizei FBI die Anleitungen zum Bau von Atombomben ins Ausland schaffen lassen und dort Agenten anderer Länder zugänglich gemacht. Die „Atom-Geheimnisse“, die dann keine mehr waren, wurden auf verschiedenen Wegen an Israel, an die Türkei, an Pakistan und in der Folge auch an den Iran, Libyen und Nord-Korea weitergegeben.

CIA-Hauptquartier Langley

Die drei Tinners aus der Schweiz, Vater Friedrich Tinner und seine beiden Söhne Urs und Marco waren CIA-Mitarbeiter und haben einen wesentlichen Teil dieser schweren Verbrechen durchgeführt. Die Schweiz hat die entsprechenden Akten bewusst vernichtet, um eine Anklage gegen die Tinners zu erschweren.

Dies alles geht aus Artikeln der New York Times und der Londoner Times hervor. Auch andere haben Teile dieses Komplotts aufgedeckt, darunter die ehemalige FBI-Mitarbeiterin Sibel Edmonds und die deutsche Website world-content-news. Weitere Quellen sind der Schweizer Tagesanzeiger und die Schweizer Nachrichtenagentur 20min.

Wer alle Quellen nachlesen will, findet die Links zusammengefasst in diesem Artikel.

Bereits im ersten Teil von “Die Tinner-Connection“ wurde berichtet: Die Regierung der Schweiz hat offiziell über 300 000 Akten vernichtet, vor allem als Computerdokumente, die sowohl die Inhalte der Atomgeheimnisse als auch die Tätigkeiten der Tinners diesbezüglich enthielten.

Es verdichten sich die Anzeichen seitdem, dass dies auf intensiven Druck aus den USA geschehen ist. Offenbar wollte die US-Regierung damit verhindern, dass bekannt wurde, die drei Tinners waren Mitarbeiter des CIA. Denn die Unterlagen belegen andererseits die Weitergabe von Atomgeheimnissen an Nord-Korea, an Libyen (damals noch „Schurkenstaat“ Nr.1) und an den Iran. An den Iran??? Ja, an den Iran!

Tinners Haus in Haag in der Schweiz

Dieser Hauptgrund für die Vernichtung der Akten (damit die Verbindung der Tinners zum CIA nicht auffliegt), hat sich allerdings bereits erübrigt, denn nun, Ende August (Artikel vom 24. August), nur wenige Monate nach der Bekanntgabe der Vernichtung im Mai, stand bereits in der New York Times, sie waren Mitarbeiter des CIA.

Woher die NYT das weiss? Sie sagt, sie hat Aussagen von insgesamt vier Geheimdienstmitarbeitern darüber, die allerdings in der Anonymität verblieben. Es gab aber auch die Aussage von Gary Samore, dem ehemaligen Zuständigen für Nichtweiterverbreitung des US-National Security Council: Die Zusammenarbeit mit den Tinners sei extrem wichtig gewesen. Es wurde auch gleich noch berichtet, die Tinners erhielten 10 Millionen Dollar für ihre Dienste, zum Teil in den berühmten schwarzen Geldkoffern, die auch das deutsche Publikum seit Kohl zur Genüge kennt.

Die Lüge der Schweizer Regierung, man habe die Unterlagen vernichtet, um ihren Diebstahl zu verhindern, damit diese Atombombenbaupläne nicht in die Hände von Terroristen gelangen, war schon damals durchschaubar. Wenn ausgerechnet die Schweiz, die das Geld und die Geldgeheimnisse der Hälfte aller Reichen dieser Welt gut gesichert beherbergt, sich für ausserstande erklärt, ein paar Computerfiles sicher aufzubewahren, so ist das eine Lachplatte.

Urs Tinner

Man hat aber immer noch eine Ausrede: Der Kontakt mit den Tinners und das Abschöpfen von dem, was sie wussten, habe dazu gedient, herauszufinden, wohin Abdul Khan, der „Vater der pakistanischen Atombombe“, seine Kenntnisse verkauft hatte. Die Tinners seien enge Mitarbeiter von Khan gewesen und daher konnten sie wissen, was und wohin Khan verkauft hat.

Auf den ersten Blick ergibt das einen Sinn, wenn man die offizelle Khan-Story glaubt. Aber da gibt es ernsthafteste Zweifel.

Abdul Khan

Abdul Khan hat 2004 im Fernsehen auf Englisch eine Geständnis abgelegt, er habe seine Kenntnisse über die Urananreicherung und den Bau von Atombomben an Nord-Korea, Libyen und den Iran weiterverkauft, aber es gibt nicht die geringsten handfesten Beweise hierfür. Zwar behauptet dies auch die CIA, aber was die sagt, kann man ja wohl nicht als glaubwürdig ansehen.

Er wurde nämlich nie wirklich vor ein Gericht gestellt, wo Beweise hätten aufgefahren werden müssen. Er wurde vielmehr nach seinem öffentlichen Geständnis vom kürzlich zurückgetretenen pakistanischen Diktator Musharraf begnadigt (der nie über die Rolle eines Vasallen der US-Regierung hinauskam), und lebt seitdem unter Hausarrest, aber unter recht freundlichen Bedingungen, in Islamabad.

Kürzlich wurde er von einem Journalisten interviewt und widerrief sein Geständnis. Er sei damals mit der Androhung schwerster Bestrafungen zu diesem Schauspiel gezwungen worden. Er sei es nicht gewesen, der die Atom-Unterlagen an diese Länder weitergegeben habe.

Diese Einlassung ist glaubhafter als das Geständnis.

Warum? Weil es die Aussagen der früheren FBI-Übersetzerin Sibel Edmonds gibt, eine jener heroischen Frauen, die selbst einem Präsidenten Bush junior die Stirn zeigen. Was sie sagte (nachdem ihr Sprechverbot Ende 2007 abgelaufen war), steht nämlich in drei Artikeln der Londoner Times vom Anfang des Jahres.

Die ganze Geschichte ist zuammengefasst in den zwei Artikeln „Die Türkei-Connection, Teil 1“ und „Die Türkei-Connection, Teil 2“ und soll hier nur kurz dargestellt werden:

„Die Londoner Times hat veröffentlicht, wie US-Offizielle, beginnend im Jahr 2000, über eine private türkische Gesellschaft hoch geheime Atom-Unterlagen an Israel und an Pakistan (und damit später an den Iran, an Nord-Korea und an Libyen, wahrscheinlich auch an die Türkei und Saudi-Arabien) verkauft haben.“

„Dieser Deal wird jetzt von Präsident Bush mit einer geheimen Gesetzesvorlage versucht nachträglich zu legalisieren. Es handelt sich um eine nach dem Atomwaffensperrvertrag international geächtete Tat – und um eine mit Todesstrafe bedrohte in den USA.“

„... kam aus Kreisen von US-Offiziellen (sprich also aus höchsten Kreisen der Bush-Administration) ein Hinweis an Vertreter der Türkei-Connection, die sich in den USA aufhielten, jeden Kontakt mit Brewster Jennings zu vermeiden. So kam die CIA nie dazu, den Komplott aufzudecken und auch im FBI wurde dafür gesorgt, dass keinerlei Informationen, die 'Türkei-Connection' betreffend, ausgeplaudert wurden (Wir haben schon gehört: Sibel Edmonds wurde entlassen und mit einem strafbewehrten Sprechverbot belegt).“

Zuammen mit den jetzt veröffentlichten Verbindungen über die Tinners und das offizielle USA ergibt sich also ein zusammenhängendes, klares Bild: Die offizielle USA hat gewollt Atomgeheimnisse weitergegeben. Niemand ist bis heute in den USA wegen dieser Spionage angeklagt worden. Im Gegenteil, Präsident Bush versucht, diese Weitergabe als (nachträglich) erlaubt durch einen Gesetz abzusegnen.

Darunter war auch der Empfänger Iran. Wenn man also dem Iran Geheimnisse geliefert hat, so kann man sich jetzt nicht darüber aufregen, dass der Iran sie verwendet – so er sie denn verwendet, wie die US-Regierung und Israel behaupten.

Es gibt also für die angebliche iranische Atombombe zwei Möglichkeiten:

Entweder die US-Regierung (unter Einbeziehen von israelischen Agenten) hat die Technologie selbst geliefert – dann kann man deshalb den Iran nicht angreifen –

Oder der Iran hat die Entwicklung einer Atombombe längst eingestellt – wie es US-Dienste leztes Jahr selbst veröffentlicht haben – dann kann man deshalb den Iran nicht angreifen –

So oder so, ein Angriff auf den Iran würde auf einem FAKE beruhen, mindestens so gross wie jenes der Massenvernichtungswaffen im Irak.


Veröffentlicht am 8. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Sonntag, 7. September 2008

Brasilien jenseits von Fussball und Samba, Teil 11: Brasilien und Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

Von Elmar Getto

Es begann Anfang der Siebziger Jahre. Brasiliens Superreiche drängten auf eine neue Einnahmequelle und so erfand man das ‚Pro-alcool’-Programm, das erste großangelegte Experiment, Alkohol (bei uns auch gern ‚Weingeist’ genannt) statt Benzin als Kraftstoff für Autos zu verwenden.

Brasilien (topographisch)

Es war die Zeit der düstersten Jahre der brasilianischen Militärdiktatur. In den Folterkammern schrien die gequälten Kreaturen, der Militär-Präsident hieß Geisel, war deutscher Abstammung und handelte im Auftrag der US-Regierung. Jede noch so leise „linke Stimme“ wurde unterdrückt. Wer auch nur den Ansatz einer Kritik des Militärregimes äußerte, konnte sich mit etwas Pech bald in den Kellern der Junta vorfinden, wo die in Fort Bennett in den USA ausgebildeten Knechte ihre Kenntnisse anwandten (woher kommt nur das Gerücht, das die offiziellen USA erst jetzt hätten angefangen zu foltern?).

Auch die hohen Militärs, auf anderer Ebene, waren durch Fort Bennett gelaufen. Sie wußten, was sie zu tun hatten, um ihren Auftraggebern aus dem Norden des Doppel-Kontinents Wohlgefallen zu bereiten. Sie selbst waren fast alle aus den Familien der Superreichen Brasiliens, etwa 500 - 1000 Familienclans, die Banken, Unternehmen, Ländereien und den Staat besitzen seit der Unabhängigkeit und die dort trainiert wurden, ihre Macht mit dem „Großen Bruder“ aus dem Norden zu teilen. Der gestand ihnen dafür märchenhaften Reichtum zu. Und im Kapitalismus gilt meist: Je reicher sie sind, desto größer die Raffgier.

Diese 500 - 1000 Familienclans sind nebenbei meist auch noch Großgrundbesitzer und besitzen fast den ganzen Grund und Boden Brasiliens, von Stücken von nur einigen läppischen Zig Quadratkilometern bis hin zu Besitzungen in der Größe der Schweiz. Doch in jenem Tagen war mit Agrarprodukten nicht so viel zu verdienen. Die Weltwirtschaft war noch am Brummen – der letzte Rest des großen Booms der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Agrarprodukte dagegen waren schwer abzusetzen und niedrig im Preis. Ein wesentlicher Teil dieser Familienclans baute u.a. Zuckerrohr an, viele hatten auch Zuckermühlen, in denen dieses zu Zucker verarbeitet wird.

Zuckerrohr-Ernte

Doch die wichtigsten Zuckermärkte waren verschlossen: Die USA und Europa. Die stellten selbst Zucker her und hatten hohe Zollbarrieren (wie auch heute weiterhin). Der Zucker war nicht abzusetzen und die Preise verfielen. Ein Teil der Ernte wurde in den beliebten „Cachaça“ oder „Pinga“ umgesetzt, den brasilianischen Zuckerrohrschnaps, der sich durch einen Fermentierungsvorgang vom Rum unterschieden und die Grundlage des weltberühmten ‚Caipirinha’ ist. Doch auch dafür war der Markt begrenzt.

Ein kleiner Teil des Zuckers wurde in modernen Anlagen in Industriealkohol umgesetzt, so daß Brasilien zum einzigen Land wurde, in dem Ethanol (Alkohol) billiger war als Methanol, eines der Großprodukte der petrochemischen Industrie. Bis heute streiten sich die Geister, wer dann zuerst die Idee hatte, Alkohol auf seine Eignung als Kraftstoff zu testen. Es stellte sich schnell heraus, daß Alkohol im Prinzip als Kraftstoff für Benzinautos geeignet war. Er hat wegen seiner höheren Dichte sogar mehr Energieinhalt bei der Verbrennung pro Liter als Benzin – und er hat eine Oktanzahl von weit über Hundert, ist also nicht im geringsten klopfanfällig.

Wenn man den typischen Industriealkohol verwendet, der 99%ig ist, also nicht den mit Wasser vermischten 96%igen, ist er auch in allen Verhältnissen mit Benzin mischbar. Allerdings stellten sich auch schnell Nachteile heraus: Ein Teil der im Benzinsystem verwendeten Dichtstoffe im Auto war nicht beständig gegen Alkohol und – mit Alkohol springen die Autos nicht an, außer wenn es schön warm oder sehr heiß ist.

Treffende Karikatur

Nun ist es zwar in Brasilien weithin und über große Teile des Jahres heiß, aber es gibt eben auch südlicher und höher gelegene Orte, wo es schon mal ganz kühl werden kann und der in Brasilien dicht bevölkerte Südosten und Süden hat einen Winter, in dem schon mal Temperaturen unter 10 ºC vorkommen, in manchen Gebieten sogar unter 0 Grad. Das Problem wurde relativ einfach gelöst: Neben dem kleinen Kunststofftank für Scheibenwaschwasser unter der Motorhaube wurde ein zweiter, ebenso kleiner Benzintank mit etwa 2 Liter Inhalt angebracht, aus dem Benzin zum Anspringen geholt wurde.

Damals hatten fast alle Autos ja noch den ‚Choke’, den man ziehen mußte zum Kaltstart. Der konnte leicht mit einer Mechanik zum Öffnen des kleinen Benzintanks verbunden werden und fertig war das Alkohol-Auto. Ansonsten mußte man nur noch einige Dichtmaterialien austauschen.

Die Militärherrscher beschlossen also, ihren Familien (und den anderen Superreichen) mit den Alkohol-Autos zusätzlichen Gewinn zukommen zu lassen. Jeder Zuckerproduzent, der etwas auf sich hielt, legte sich nun eine Industriealkoholfabrik zu. Die drei Autofabriken, die es zu jener Zeit schon in Brasilien gab, die von Volkswagen, von General Motors und von Ford, wurden vergattert, Alkoholautos herzustellen und zu verkaufen und die Tankstellenketten, Alkoholtanks und -zapfsäulen anzuschaffen.

Das Ganze hatte auch noch einen Nebenzweck: Das hohe Außenhandelsdefizit Brasiliens sollte verringert werden, das damals nicht unwesentlich durch die Erdöleinfuhren erzeugt wurde, denn man brauchte Benzin und Diesel für die boomenden Fahrzeugabsätze. Zu jener Zeit hatte Brasilien noch kein Erdöl gefunden bzw. war noch in den Anfängen der Erölförderung.

Was hier interessant ist, ist die schwarze Linie (Beobachtung). Sie zeigt einen völlig von den vorherigen Scwankungen abweichenden, unaufhaltsamen Anstieg der Temperaturen in letzter Zeit.

Die bessere Umweltverträglichkeit von Alkoholautos und der Aspekt der nachwachsenden Rohstoffe spielten damals dagegen noch keine Rolle.

Der Alkohol aus Zucker wurde von der Steuer befreit und war damit billiger als das Benzin und er wurde mit etwa 10 % Benzin vergällt – und ab ging die Post. Fast unter Ausschluß der (außerbrasilianischen) Öffentlichkeit wurde eines der fortschrittlichsten Projekte im Großmaßstab der gesamten Automobilgeschichte auf die Beine gestellt – und das aus ganz kapitalistischen Gründen und ohne jede Absicht, fortschrittlich zu sein.

Alkoholautos waren beliebt, denn sie haben eine höhere Leistung als Benzinautos mit gleich großen Motoren – eine Folge der höheren Energiedichte. Allerdings hatte man mit Alkohol auch einen höheren Verbrauch als mit Benzin – eine Folge der fehlenden Anpassung der Motoren: Man hatte lediglich die Dichtungen ausgetauscht und den kleinen Tank eingebaut und sonst alles gleich gelassen. Man brauchte etwa ein Drittel mehr Kraftstoff als bei einem baugleichen Benzinmodell. Da aber der Preis für Alkohol auch ein Drittel unter dem des Benzins lag, glich sich das aus.

Bis etwa zur Mitte der 80er-Jahre, dem Höhepunkt des damaligen Alkoholbooms, waren bis zu 70% der in Brasilien verkauften Autos Alkohol-Fahrzeuge. Als der Schreiber dieser Zeilen 1990 nach Brasilien kam, kaufte er als Privatauto ein Alkohol-Auto, einen Fiat Uno (inzwischen hatte sich auch Fiat mit einer großen Fabrik in Brasilien niedergelassen). Der hat ihn über Jahre bis zu seinem Ende bei einem Unfall nie im Stich gelassen.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Zu jener Zeit hatten die großen Alkoholhersteller so große Profite, daß sie übermütig wurden. Einer der größten, eine Firma mit dem Namen Copersucar, kaufte sogar einen Formel-1-Rennstall und engagierte den zu diesem Zeitpunkt bereits dreimaligen brasilianischen Weltmeister Nelson Piquet für ihr Team. Der eine oder andere Rennsport-Begeisterte mag sich noch an diese Episode erinnern. Allerdings kam der Rennstall nie über die Rolle einer ‚Minardi’ hinaus und so stellte man das Engagement wieder ein.

Die Alkohol-Autos hatten allerdings den Ruf, daß ihr Motor nicht so lange hält wie jener der Benziner. Das könnte ebenfalls mit der mangelnden Anpassung der Motoren zusammenhängen, die ja nun ein deutlich höheres Drehmoment zu ertragen hatten, aber keinerlei Verstärkung erhalten hatten. Aber auch dies hatte dem Alkoholauto nicht den Garaus gemacht.

Was dies fast tat, war ein Ereignis aus dem Beginn der neunziger Jahre. Wieder war die Raffsucht der brasilianischen Superreichen der Anlaß. Die Alkoholhersteller hatten immer darauf geachtet, daß ihnen die Regierung im Gleichschritt mit den Benzinpreiserhöhungen auch zusätzliche Profite zuschanzte. So stand zu jenem Zeitpunkt mal wieder eine solche Erhöhung an, doch die Regierung und die Superreichen konnten sich nicht über den genauen Umfang einigen.

Da sagten sich Brasiliens Superreiche, daß man doch einmal etwas Muskeln zeigen müsse und stoppten die Belieferung. Unter Vorwänden wie „technische Probleme“, „die Schuld liegt bei den Vetriebsorganisationen“ und „die Tankstellen sind Schuld“ ließ man die Besitzer von Alkoholautos ohne Kraftstoff. Das dauerte zwar nur zwei Wochen, bis die Regierung nachgab, doch die Brasilianer kennen ihre Superreichen, die von den Mainstream-Medien üblicherweise als „die Elite“ bezeichnet werden, nur zu gut. Einmal Geschmack gefunden, würden sie dies Mittel immer wieder einsetzen.

Die fünf wärmsten Jahre seit 1890

Für die Brasilianer war damit das Alkohol-Auto gestorben. Von diesen Raffies in seiner Bewegungsfreiheit abhängig zu sein, nein, das wollte (fast) niemand. Die Alkohol-Autos verloren mächtig an Wiederverkaufswert, der Neuwagenverkauf der „Alkoholiker“ brach ein und bis zum Tiefststand im Jahre 2003 war der Verkauf von Alkoholautos auf unter 3% aller Neuwagen gesunken.

Zwar wiederholten die Raffkes jenen „Streik“ nicht, erschrocken über die harte Reaktion ihrer Landsleute, aber das Vertrauen war dahin. Es half auch nicht, daß nun Verträge mit Konventionalstrafen für Nicht-Lieferungen zwischen Regierung und „Elite“ geschlossen wurden, denn die Brasilianer haben ebenso schlechte Erfahrungen mit den staatlichen Autoritäten wie mit den elitären (die, wie sie wissen, sowieso ineinander verwoben sind).

Allerdings waren immer noch eine beträchtliche Zahl von ‚Alkoholikern’ in Bewegung, denn in Brasilien werden die Autos deutlich länger gefahren als in unserer salzdurchwachsenen Welt. Auch blieben die Alkoholfabriken nicht auf ihrem Produkt sitzen, denn nun wurde Schritt für Schritt der Alkoholanteil im Benzin in Brasilien erhöht. Heute wird dem Benzin 25% Alkohol zugesetzt. Das Benzin-Auto fährt also heute in Brasilien 3:1 mit Alkohol. Das wirkt nicht nur als Anti-Klopfzusatz – man braucht damit weder die früheren Blei-Zusätze noch die heute verwendeten Additive zur Erhöhung der Oktanzahl –, sondern macht auch einen Riesenunterschied für die Umwelt.

Welt-Ölreserven

Überhaupt ist Alkohol als Kraftstoff extrem umweltfreundlich.

Kurz gesagt: Die Verbrennung des Alkohols stößt lediglich die Menge von Kohlendioxid (das Treibhausgas) wieder in die Atmosphäre aus, die vorher beim Wachsen des Zuckerrohrs der Atmosphäre entnommen wurde: Die Lösung des Treibhausgasproblems in Bezug auf den Kraftstoff.

Grönland Erwärmung Überblick - Kartenausschnitt

Grönland Erwärmung Stand 2002

Grönland-Erwärmung-Stand-1985

Zugleich braucht man für die Fortbewegung per Alkohol nicht mehr auf die (begrenzten) Vorräte an Erdöl zurückgreifen. Sie können für noblere Zwecke genutzt werden und auf unbestimmte Zeit in ihrer Nutzung ausgedehnt werden.

Für ein Land wie Deutschland, das praktisch kein Erdöl hat, aber eine teure landwirtschaftliche Überproduktion von Lebensmitteln, die niemand braucht, aber von der EG mit unseren Steuergeldern aufgekauft wird, um vernichtet oder eingelagert zu werden, wäre das Alkohol-Auto DIE Problemlösung – jedenfalls innerhalb kurzer bis mittlelfristiger Sicht.

Aber – langsam mit die junge Pferde – immer der Reihe nach.

Die Automobilkonzerne sahen und sehen sich seit etwa dem Beginn der 80er–Jahre verstärkten Fragen nach alternativen Fortbewegungskonzepten ausgesetzt. Die Umweltbelastung mit saurem Regen, Ozongehalt der Luft und Stickoxiden und der Treibhauseffekt des produzierten Kohlendioxids beim Verbrennen von Benzin und Diesel drangen immer deutlicher in das Bewußtsein der Menschen ein – in neuerer Zeit auch die Frage der Endlichkeit der Erdölvorräte. Die Antwort der großen ‚carmaker’ war eine auf Sparflamme köchelnde Entwicklung aller alternativer Antriebssysteme. Sowohl an dem reinen Elektroauto wurde herumentwickelt wie auch an dem Hybrid-System. Man erprobte alternative Kraftstoffe wie Wasserstoff und Erdgas (und eben auch Alkohol oder Methanol). Die Entwicklung von Solarzellen-Antriebssystemen wurde ebenso begleitet wie die der Brennstoffzellen. Dazu kamen Entwicklungen, die man aus der Nähe beobachtete wie die der Batterien und der Lagerung von Wasserstoff.

Im Grunde war es allen Autofirmen bewußt, das so nicht weitergehen konnte, aber man mußte eben dort vor allem sehen, daß man Monopolist eigentlich nur in der Motorentechnik, der Karroserietechnik und im Verkauf und Marketing von Autos war. Alternative Antriebssysteme würden dieser Monopolstellung teilweise abträglich sein, denn da könnten andere Firmen, die mehr in diese Entwicklungen investiert hatten, plötzlich als neue Konkurrenten auftauchen. Die allgemeine Devise hieß daher: Mit Kleinst-Entwicklungsprogrammen für alle Fälle gewappnet sein, aber mit Macht auf die Weiterführung des Verbrennens von Benzin und Diesel drängen.

Globale Erwärmung

Bestätigt und unterstützt wurden sie darin von den Öl-Monopolen. Die waren und sind noch intensiver daran interessiert, daß möglichst der gesamte Transport der Menschheit auf Verbrennung von Benzin und Diesel basiert, denn sie sind die alleinigen Inhaber von Explorations-und Fördertechniken des Erdöls und Raffinerie-Techniken, die im wesentlichen genau diese Kraftstoffe herstellen. Weit über die Hälfte des Geschäfts der großen Ölmonopole ist basiert auf der Benzin- und Diesel-Kette vom Erdöl-Bohrloch bis zur Zapfsäule.

So bildete sich eine unheilige Allianz zwei der größten und mächtigsten Monopolgruppen dieses Kapitalismus, der Automobil- und Erdölmonopole. Beiden gelang es vereint, jegliche Neuerungen in Bezug auf Antriebssysteme und Kraftstoffe zu verhindern.

Erdöl 1

Jegliche Ansätze wurden immer mit dem Totschlagargument „nicht ausgereift“ vernichtet. Diese Konzerne verwiesen bei jeder Gelegenheit auf ihre eigenen Entwicklungen und versicherten in fast gleichlautenden Erklärungen über 25 Jahre hinweg, sicherlich seien in der Zukunft andere Antriebssysteme und andere Kraftstoffe möglich, aber die Entwicklungen zeigten, daß man bis auf weiteres nicht einmal in die Nähe einer ökonomischen Alternative zum heutigen Automobil, seinem Antriebssystem und seinen Kraftstoffen gekommen wäre.

Das häufige Wiederholen führte dazu, daß diese Argumentation gewissermassen zum Allgemeingut wurde. Kein brauchbarer Konservativer – oder 'neocon' – von heute, der sie nicht auswendig könnte: „Alles nicht ausgereift, braucht noch Jahre!“ - und das seit 25 Jahren!

Auffallend war nur, daß immer wenn andere als diese Konzerne sich der Dinge annahmen, schnell brauchbare Resultate herauskamen. In Wirklichkeit sind alle diese Alternativen bereits seit Jahren anwendungsfertig. Ihre praktische Umsetzung wird nur durch die (fast) Allmacht der interessierten Konzerne verhindert, jedenfalls bezüglich einer Verwirklichung in nennenswertem Umfang.

Schmelzendes Eis

Die Blockadepolitik vor allem von seiten der großen Ölkonzerne war so extrem und hysterisch, daß es sogar zu lächerlichen Episoden kam. In Brasilien kolpoltierte man in den 90er Jahren die Aussage eines Sprechers von einem ihnen, der glaubhaft versichert hatte, die Verwendung von Alkohol als Kraftstoff sei noch nicht voll anwendungsreif (nachdem zu diesem Zeitpunkt in Brasilien bereits seit 20 Jahren Millionen von „Alkoholikern“ herumfuhren).

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Alternativen, die bereits anwendungsreif sind:

1. Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff in normalen Benzinmotoren – Das ist schon so lange möglich, daß kaum noch jemand davon spricht.

2. Verwendung von Wasserstoff in Brennstoffzellen zur Erzeugung von Strom, der dann das Fahrzeug antreibt – ein solches Vehikel hat vor kurzem den absoluten Sparsamkeitsrekord aller Fahrzeuge ausfgestellt.

3. Sichere Lagerung von komprimiertem Wasserstoff im Auto mit einem Risiko, das nicht größer als das heutige des Benzintanks ist.

4. Herstellung des Wasserstoffs oder Stroms aus Sonnenlicht mit weit höherer Energie-Ausbeute als bei Photovoltaik-Anlagen der ersten Generation.

5. Der reine Elektro-Antrieb, der seinem Strom aus Batterien bezieht – Solche Omnibusse fahen bereits in vielen Städten der Welt.

6. Das Hybrid-Modell Benzin/Elektro, siehe Toyota Prius.

7. Die Verwendung von Erdgas als Kraftstoff in normalen Benzin-Motoren – hiervon gibt es ebenfalls schon viele Millionen funktionierende Autos, die heute noch alle von Benzin auf Gas und umgekehrt hin- und hergeschaltet werden können.

8. Wie oben schon dargelegt, die Verwendung von Alkohol aus Pflanzen in Benzin-Autos mit leichter Anpassung, wobei es heute auch schon die Version gibt, in der Benzin und Alkohol in jeder beliebigen Mischung verwendet werden können (dazu unten noch mehr).

9. Die Gewinnung von Alkohol als Kraftstoff aus Pflanzenabfällen, Holzschnitzeln, bzw. Schilf oder anderer Biomasse, letzteres ein VW-Projekt (SunFuel) von der IAA 2001, von dem man seitdem nichts mehr gehört hat.

10. Die Gewinnung von Benzin und/oder Diesel aus Pflanzenabfällen und aus Klärschlamm (der heute unter höchster Umweltbelastung deponiert oder verbrannt wird).

11. Die Gewinnung von Benzin/Diesel/Schmierölen aus Kunststoffabfällen (die heute unter höchster Umweltbelastung verbrannt werden).

12. Benzin/Diesel kann auch aus Kohle gewonnen werden, wie das faschistische Deutschland in mehreren großen Anlagen bewiesen hat (Fischer-Tropsch-Synthese).

13. Bio-Diesel, wie er in Deutschland heute schon selbstverständlich ist, also chemisch umgewandelte (umgeesterte) Pflanzenöle, seien sie auf Basis von Rapsöl, Rizinusöl oder Sojaöl oder auch von Frittierabfällen.

14. Neue Dieselmotoren, die Pflanzenöle direkt in Bewegung umsetzen können, also ohne den Umweg über die Methyl- oder Ethylester.

Daneben gibt es weitere interessante Entwicklungen, wie z.B. die Lagerung von Wasserstoff in Nano-Röhren und vieles andere.

Im Kern geht es bei allen diesen Entwicklungen um drei Hauptprobleme und zwei Nebenprobleme, die mit diesen Alternativen gelöst werden können, seien es eines davon, zwei, drei oder alle.

Die Hauptprobleme sind:

1. Treibhauseffekt: Die Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxid (Treibhausgas), das u. a. bei der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen (z.B. Benzin, Diesel, Erdgas) entsteht.

Erdöl

2. Die Umweltverschmutzung durch die Abgase, die zu 'saurem Regen' aufgrund von Schwefeldioxid, NOx-Belastung der Luft, Ozonbelastung der Luft und Feinstaub in der Luft führen.

3. Fossile Brennstoffe: Die Verwendung des endlichen Rohstoffs Erdöl als Ausgangsstoff der Kraftstoffe und anderen Brennstoffe, was die Verschwendung eines hochwertigen und unwiederbringlichen Rohstoffes bedeutet (abgesehen davon, daß man eventuell schon bald sowieso davon Abschied nehmen muß, weil er zu teuer wird).

Als viertes, weniger grundsätzliches Problem, das allerdings in Deutschland dringend ist, stellt sich die Außenhandelsbilanz eines Landes dar, das Erdöl bzw. Erdölprodukte in hohem Maß einführen muß und dafür Devisen erwirtschaften und bereitstellen muß (das betrifft vor allem die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien sowie eine Reihe anderer Staaten).

Schließlich gibt es noch ein Fünftes, sehr spezielles Problem in der EU und den USA: Der Agrarmarkt. Um die Landwirtschaft nicht völlig aussterben zu lassen, werden landwirtschaftliche Produkte subventioniert, d.h. zu Preisen aufgekauft, die über dem Weltmarktniveau liegen, was riesige Summen an Steuergeldern verschlingt und gleichzeitig die Entwicklungsländer mit ihren Agrarprodukten aussperrt. Würde die Landwirtschaft stattdessen mit dem Anbau nachwachsender Rohstoffe für Kraftstoffe beschäftigt, könnten die Haushalte dieser Länder in ungeahntem Maße entlastet und gleichzeitig den Entwicklungsländern faire Absatzchancen gegeben werden.

Die weitestgehende Problemlösung (die allerdings auch noch weit am Horizont steht) läßt sich mit der Verwendung von Wasserstoff als Kraftstoff erreichen, wenn er aus Sonnenlicht gewonnen wird. Aus dem Auspuff eines Wasserstoff-Motors oder einer Brennstoff-Zelle kommt nur Wasserdampf und man wäre von den fossilen Kraftstoffen weg. Alle drei Hauptprobleme wären gelöst (die beiden Nebenprobleme wären dann sowieso nicht mehr so wichtig).

Üblicherweise wird hierzu davon gesprochen, daß man mit der Belegung von 5% der Fläche der Sahara mit Sonnenlicht einfangenden Zellen oder Spiegeln den gesamten benötigten (Wasserstoff-)Kraftstoff der Menschheit gewinnen könnte. Aber es gibt auf allen Kontinenten Wüsten bzw. sonnendurchflutete, weitgehend unbewohnte Gegenden, so daß man gar nicht so viel von der Sahara beanspruchen müßte.

Diese weitestgehende Lösung braucht nicht unbedingt über den Wasserstoff zu laufen, es könnten auch direkt der Strom in Batterien gespeichert werden und dann die Fahrzeuge mit Batterien betrieben werden.

Die Lösung mit der Verbrennung von Erdgas löst im Kern nur das Problem der Luftverschmutzung, und auch das nur teilweise - ist also nicht zukunftsträchtig.

Die Verwendung von Alkohol aus Pflanzen löst zwei der drei Hauptprobleme (Treibhauseffekt und fossile Brennstoffe) und teilweise das dritte, die Luftverschmutzung. Es hätte den Vorteil, daß es für uns in Europa auch noch die beiden Nebenprobleme löst. Abgesehen von einer gewissen (wenn auch deutlich geringeren) Luftverschmutzung ist dies also die Problemlösung mit dem weitesten Nutzen bei gleichzeitig minimalem Umrüstungsaufwand. Das gleiche gilt, wenn der Alkohol aus Pflanzenabfällen oder Biomasse gewonnen wird oder wenn Flüssigkeiten ähnlich dem Benzin oder Diesel (aber weit reiner) aus solchen pflanzlichen Quellen hergestellt werden.

Synthesis Hochspannungsleitungen-Verbund

Auch Biodiesel (und - mit Einschränkungen - die Verwendung der Dieselmotoren, die Pflanzenöle direkt verbrennen können), haben diesen gleichen Effekt: Sie lösen die Probleme Treibhauseffekt und fossile Brennstoffe, z.T. das Problem Luftverschmutzung und lösen auch beide Nebenprobleme: Gleich weiter Nutzen wie der Alkohol. Im übrigen soll auf Biodiesel hier nicht weiter eingegangen werden, um beim Thema zu bleiben.

[Hinweis: In der Reihe von Artikeln von Karl Weiss unter dem Namen "Der Alkohol-Boom hat begonnen" wird auch ausführlich auf Bio-Diesel eingegangen.]

Wird Alkohol oder werden ähnliche Flüssigkeiten wie Benzin oder Diesel aus Kunststoffabfällen oder Klärschlamm gewonnen, hat man allerdings nicht mehr oder nicht mehr vollständig den Effekt der Vermeidung des Treibhausgaserzeugung, jedoch kann der Vorteil der Vermeidung anderweitiger Luftverschmutzung dies mehr als aufwiegen. Speziell bieten sich diese Methoden an, wenn der Anbau nicht vollständig den Bedarf an Kraftstoffen deckt.

Das reine Elektroauto hat nur Sinn, wenn der Strom nicht vorher aus fossilen Brennstoffen oder aus gefährlichen und nicht endenwollend strahlende Abfälle hinterlassenden Atomkraftwerken gewonnen wird. Die Wasserstoff-Lösung sieht da im Moment vielversprechender aus, zumal die Batterien bis jetzt noch nicht allen Ansprüchen genügen.

Das Hybrid-Auto wie der Toyota Prius besitzt dagegen nicht einen der Vorteile. Er kann nur den Benzinverbrauch drücken, was immerhin auch schon etwas ist, aber im Vergleich doch wenig.

Daß die Gewinnung von Benzin/Diesel aus Kohle auch keinen Vorteil bringt, liegt auf der Hand (Kohle ist ja nur eine andere Art fossiler Rohstoffe als Erdöl).

Zur Gewinnung von Wasserstoff aus Sonnenlicht gibt es jetzt noch ein weiteres Verfahren, wie man aus einer Meldung vom 5. August erfahren konnte:

„Den Chemikern war schon lange bekannt, dass manche Metalle wie etwa Zink Wasser spalten können. Gescheitert sind diese Versuche meist daran, daß Zink stets zu unrein war. Zur Herstellung von reinem Zink war eine Reihe von chemischen Prozeduren erforderlich. Diese machten den Einsatz von Säuren und großen Mengen Strom erforderlich. Die israelischen Forscher [des Weizmann Institute of Science] haben nun einen besseren Weg gefunden: 64 sieben Meter hohe Spiegel fokussieren einen Lichtstrahl auf einen Turm mit Zinkoxid und Holzkohle. Der Strahl mit einer Leistung von 300 Kilowatt heizt den Reaktor auf bis zu 1.200 Grad Celsius an und schafft die Herstellung von bis zu 50 Kilogramm Zink pro Stunde.“

Jetzt hat uns eine Schweizer Zeitung allerdings aufgeklärt, daß die Idee aus der Schweiz von der ETH Zürich stammt. Das Weizmann-Institut hat lediglich seinen „Sonnenofen“ zur Verfügung gestellt, um die Erfindung zu testen. „Der von (... ) ETH entwickelte Solarreaktor ist vereinfacht gesagt ein grosser Behälter mit einer Fensteröffnung und einem «Abgasrohr». Der Reaktor wird vor Sonnenaufgang mit einem Gemisch aus Zinkoxid-Pulver und Kohle beschickt. Durch das Quarzfenster tritt die konzentrierte Solarstrahlung in den Reaktor und erhitzt ihn. Bei Temperaturen von 1200 Grad reagiert Zinkoxid und Kohle zu Kohlenmonoxid und gasförmigem Zink. Das Gasgemisch wird über ein Rohr aus dem Reaktor abgeführt und so abgekühlt, daß das Zink zu einem Pulver auskondensiert. Am nächsten Morgen wird der Reaktor wieder neu beladen."

Was so einfach tönt, stellt in der Detailumsetzung einige Herausforderungen.

«Um eine möglichst hohe Effizienz zu erreichen, darf nur wenig Solarwärme verloren gehen», erklärt Christian Wieckert (...). Die Forscher mußten die Geometrie des Reaktors so optimieren, daß viel Solarstrahlung eintritt, aber möglichst wenig wieder zurückstrahlt. Zentral ist auch, daß das Zinkoxid möglichst vollständig zu Zink reagiert. Das Mischungsverhältnis zwischen Kohle und Zinkoxid ist dabei entscheidend. (...) Die am Reaktorfenster eintreffende Strahlung ist etwa 2000-mal stärker als die direkte Sonne.

Nach den ersten Testläufen des Reaktors zieht Christian Wieckert eine positive Bilanz: «Etwa 30 Prozent der in den Reaktor einfallenden Sonnenenergie werden für die chemische Umsetzung genutzt.» Größere industrielle Anlagen dürften eine Effizienz von 50 bis 60 Prozent erreichen. Werden die angestrebten Wirkungsgrade erreicht, hat die Technologie ein großes Potenzial: Eine Landfläche von schätzungsweise drei mal vier Kilometer müßte mit Heliostaten ausgestattet werden, um mit Hilfe des Zinkkreislaufes genügend Wasserstoff für eine Million Brennstoffzellen-Autos zu produzieren.

Ethanol- und Zuckerfabrik in Brasilien

In unseren Breitengraden ist die Sonneneinstrahlung allerdings zu gering für ein großes solarchemisches Kraftwerk. Offen ist die Frage, wie die Energie aus künftigen Solarreaktoren in Israel, der Sahara oder Südspanien zu uns gelangen könnte. Macht es Sinn, Zink zu transportieren und dezentral Wasserstoff oder Strom zu produzieren? Oder soll man den Wasserstoff oder den Strom transportieren? In einer laufenden Studie wollen die (...) Forscher Antworten liefern.“

Sind wir zunächst von Brasilien ausgegangen und haben uns dann den alternativen Antriebssystemen und Kraftstoffen zugewandt, so kommen wir nun wieder auf Brasilien zurück.

Im Jahr 2003 nämlich verkündeten die vier großen Autobauer in Brasilien, VW, GM (Chevrolet), Fiat und Ford überraschend, sie würden Projekte verfolgen, die auf Autos zielen, die Alkohol oder jede Mischung von Benzin und Alkohol per Einspritzung und mit angepaßten Motoren verwerten können (jetzt hat auch Toyota entsprechende Autos angekündigt). Es waren Bosch und Magnet Marelli, die entsprechende Einspritzanlagen konstruierten. Im Verlauf von 2004 kamen bei allen vier die ersten Fahrzeuge auf den Markt, die mit den Mischungen dieser Kraftstoffe in jedem Verhältnis fahren können.

[Anmerkung vom Oktober 2006: Inzwischen gibt es auch "Flex-Fuel-Autos" von Toyota, Peugeot, Renault und Honda in Brasilien.]

Die Nachfrage war zunächst nicht riesig. Das lag aber daran, daß es diese Ausrüstung zunächst nur für Fahrzeuge gab, die für brasilianische Verhältnisse relativ großkalibrig waren, das war der 'Palio' mit 1,6-Liter-Motor bei Fiat, der 'Escort' oder 'Focus' mit 1,6-Liter-Motor bei Ford, der 'Gol' und 'Fox' mit 1,6-Liter-Motor bei VW und der 'Corsa' und ein neues Fahrzeug mit Namen 'Meriva' der gleichen Motorgröße bei GM-Chevrolet.

Wie sich jeder vorstellen kann, kann sich in Brasilien nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Autos leisten. Davon wiederum müssen sich die weitaus meisten für die kleinsten verfügbaren Ausführungen entscheiden, das sind jene mit einem 1,0-Liter-Motor, die von der Regierung mit Steuervorteilen unterstützt werden, um den Fahrzeugabsatz anzukurbeln. Etwa 65% der in Brasilien verkauften Autos sind mit 1,0-Liter-Motoren ausgerüstet. Auch der Autor fährt ein solches Auto mit 1,0-Liter-Motor.

Erst Anfang 2005 begannen alle vier großen brasilianischen Auto-Firmen, auch die 1,0-Liter-Autos wahlweise mit dem Misch-Alkohol-Motor auszustatten. Jede der Firmen hatte dafür einen eigenen Namen gefunden. Bei Fiat heißt er einfach ‚flex’, bei VW ‚total-flex’, bei GM-Chevrolet ‚flex-power’ usw. Toyota hat seine Entwicklung als ‚Flexible-Fuel-Vehicle’ angekündigt.

Seitdem stiegen die Verkäufe dieser ‚flex’-Fahrzeuge innerhalb der ganzen Autoverkäufe kontinuierlich an. ‚Reine Alkoholiker’ gibt es jetzt natürlich überhaupt nicht mehr als Neuwagen (aber immer noch viele als gebrauchte). Im Mai schließlich stiegen die Verkäufe der Flex-Autos auf über 50% aller verkauften Autos. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach fortsetzen, denn nun spricht sich langsam herum, daß die ‚Flex’, mit Alkohol betrieben, keineswegs mehr den höheren Verbrauch haben wie die früheren Alkohol-Gefährte und man damit einen recht beachtlichen Preisvorteil hat, vor allem, wenn man viel fährt.

Wahrscheinlich wird sich die Rate wieder bei den 70 bis 75% der verkauften Fahrzeuge festsetzen. Inzwischen haben auch schon die Gebrauchtwagenpreise der alten ‚Alkoholiker’ angezogen. Heute muß man bei einem Basismodell, z.B. des Fiat Palio mit 1-Liter-Motor und ‚Flex’-Austattung etwa 500 Reais (weniger als 200 Euro) mehr bezahlen beim Kauf als beim Benzin-Modell– das hat man schnell wieder raus.

[Anmerkung von Oktober 2006: Inzwischen hat sich der Anteil der "Flex-Fuel"-Fahrzeuge in Brasilien bereits bei über 75% festgesetzt und VW hat angekündigt, in Brasilien ab Anfang 2007 überhaupt nur noch diese Versionen seiner Fahrzeuge herzustellen - die anderen dürften nachziehen. Alle Flex-Fuel-Autos werden bereits zu gleichen Preisen wie die reinen Benzin-Modelle angeboten.]

Damit sind wir denn auch schon bei der Frage der Preise, die den Autofahrer vordergründig natürlich mehr interessiert als die Frage der Umweltverträglichkeit. Erfahrungsgemäß setzen sich umweltverträgliche Neuigkeiten nur durch, wenn sie nur gleich teuer sind oder besser billiger, sonst bleiben sie beschränkt auf eine kleine Minderheit.

Treibstoffpreise Brasilien Juli 08

Treibstoffpreise Brasilien
Hier die Preise für Benzin (Gasolina) und Alkohol (Alcool) an einer Billig-Tankstelle im Grossraum Belo Horizonteim Juli 2008 (oberes Bild) und im Juli 2007 (unteres Bild)

Unsere Recherchen haben im August 2005 in Brasilien folgende Ergebnisse über die Preise gebracht: Benzin kostet in Brasilien etwa zwischen 2,05 und 2,30 Reais pro Liter, das sind in etwa 70 bis 80 (Euro-)Cents. Alkohol kostet im Bundesstaat São Paulo zwischen 0,85 und 1,05 Reais (29 bis 36 Cents) und in anderen Bundesstaaten im Bereich von 1,10 bis 1,35 Reais (38 bis 47 Cents). Zum einen zeigen diese Zahlen, daß es in Brasilien keine Öko-Steuer gibt (die in Deutschland für alles andere außer ökologischen Zwecken verwendet wird). Zum anderen zeigen sie, daß für den Alkohol weniger Steuern gezahlt werden muß als für das Benzin. Und drittens schließlich zeigen sie, daß der Vorteil des geringeren Kraftstoff-Preises für den Alkohol so gravierend ist, daß der plötzliche Erfolg leicht erklärlich ist.

Allerdings gibt es in Brasilien – so wie auch in Deutschland – auch noch eine andere Alternative, das ist das Erdgas. Man kann für etwa 2000 Reais (etwa 670 Euro) sein Benzin-Auto mit einem zusätzlichen Hochdruck-Tank für Erdgas sowie den sonstigen Geräten versehen lassen, die es ermöglichen, wahlweise mit Erdgas oder Benzin zu fahren.

Ein üblicher Tank von (komprimierten) 16 bis 17 Kubikmeter reicht für etwa 200 bis 250 Kilometer, das ergibt in etwa den Km-Inhalt eines Kubikmeters als äquivalent zu 1,5 Litern Benzin. Also ein deutlich kleinerer Radius bis zum nächsten Tankstop, aber der Preisvorteil ist gewaltig. Der Kubikmeter Erdgas kostet an den Tankstellen in Brasilien um 1 Real, also etwa 34 Cent. Das ist also noch viel billiger als mit Alkohol. Dazu hat die brasilianische Regierung einen zusätzlichen Anreiz beschlossen, diese Umformung in ein Gas-Fahrzeug durchführen zu lassen: Man zahlt nur 25% der KFZ-Steuer für diese Fahrzeuge.

Allein damit hat man bei einem Neuwagen nach drei Jahren die Kosten für die Umstellung meist wieder herausbekommen.

Da Erdgas ja nun keineswegs die Umweltvorteile wie der Alkohol hat, ist es zumindest etwas verwunderlich, daß ausgerechnet in dem Land, das die Alkoholautos ‚erfunden’ hat, die Erdgas-Autos so sehr gefördert werden, aber warum sollte man von brasilianischen Politikern mehr Vernunft erwarten als von Deutschen?

[Anmerkung vom September 2008: Inzwischen ist der grosse Preisvorteil von Naturgas für Autos bereits nicht mehr vorhanden. Das Naturgas kam aus Bolivien, doch dort ist inzwischen Evo Morales am Ruder und hat die Gaspreise deutllich erhöht. Damit ist heute, bei Preisen um 1,50 Reais pro Kubikmeter, die Verwendung von verflüssigtem Erdgas für den Auto-Antrieb nicht mehr sehr attraktiv, denn man muss ja den Nachteil der geringeren Reichweite mit einrechnen. Gas wird heute in Brasilien hauptsächlich noch für Taxis verwendet.]

In Deutschland ist, wie jeder weiß, bis heute noch kein Alkohol-Programm gestartet worden, obwohl dies das naheliegendste von allem wäre.

Auch für die USA wäre ein Alkohol-Programm äußerst naheliegend. Hierzu gibt es einen Artikel in der New York Times vom 5. August 2005 von T.L. Friedmann über das neue Energie-Gesetz unter der Überschrift „Too much pork and too little sugar“, in dem er unter anderem schreibt:

“Many technologies that could make a difference are already here - from hybrid engines to ethanol. All that is needed is a gasoline tax of $2 a gallon to get consumers and Detroit to change their behavior and adopt them. (…) "During the 1973 Arab oil embargo Brazil was importing almost 80 percent of its fuel supply," notes Mr. Luft, director of the Institute for the Analysis of Global Security. "Within three decades it cut its dependence by more than half. ... During that period the Brazilians invested massively in a sugar-based ethanol industry to the degree that about a third of the fuel they use in their vehicles is domestically grown. They also created a fleet that can accommodate this fuel." Half the new cars sold this year in Brazil will run on any combination of gasoline and ethanol. "Bringing hydrocarbons and carbohydrates to live happily together in the same fuel tank," he added, "has not only made Brazil close to energy independence, but has also insulated the Brazilian economy from the harming impact of the current spike in oil prices." The new energy bill includes support for corn-based ethanol, but, bowing to the dictates of the U.S. corn and sugar lobbies (which oppose sugar imports), it ignores Brazilian-style sugar-based ethanol, even though it takes much less energy to make and produces more energy than corn-based ethanol. We are ready to import oil from Saudi Arabia but not sugar from Brazil.”

“Viele Technologien, die einen Fortschritt bedeuten können, sind bereits vorhanden – von Hybrid-Motoren bis zum Ethanol. Was nötig ist, ist eine Steuer von 2 Dollar auf eine Gallone Benzin [eine Gallone sind etwa 4,2 Liter, er tritt also hier für so etwas wie eine Öko-Steuer ein], um die Verbraucher und [die Automobilkonzerne in] Detroit dazu zu bekommen, ihre Gewohnheiten zu ändern und sie [diese Technologien] zu gebrauchen.... „Während des arabischen Ölembargo 1973 muß Brasilien fast 80% seines Kraftstoffes einführen.“ stellt Herr Luft, Direktor des ‚Instituts für Analysen der weltweiten Sicherheit’ fest. „Innerhalb von drei Jahrzehnten hat es seine Importabhängigkeit auf mehr als die Hälfte verringert. ... Während dieser Zeit hat Brasilien so massiv in eine Alkohol-Industrie auf der Basis von Zucker investiert, daß etwa ein Drittel des jetzigen Kraftstoff-Bedarfes im Land gepflanzt ist. Man hat auch eine Flotte von Autos geschaffen, die diesen Kraftstoff verwerten können.“ Die Hälfte der neuen Autos in diesem Jahr in Brasilien werden mit jeder Mischung von Benzin und Alkohol fahren können. “Die Kohlenwasserstoffe und die Carbohydrate zu einer fröhlichen Zusammenarbeit im Benzintank zu bringen,“so fügte er hinzu, “hat Brasilien nicht nur nahe an die Energie-Autarkie gebracht, sondern auch die brasilianische Wirtschaft immun gemacht gegen die momentanen Erhöhungen der Erdölpreise.“ Das neue Energie-Gesetz schließt eine Unterstützung für Alkohol auf der Basis von Mais ein, aber es hat sich dem Diktat der Zucker- und Mais-Industrie gebeugt (die Zucker-Importe ablehnen) und ignoriert Alkohol auf Zucker-Basis wie in Brasilien, obwohl dies Verfahren viel weniger Energie verbraucht und mehr Energie produziert als Alkohol auf Mais-Basis. Wir importieren laufend Erdöl aus Saudi-Arabien, aber keinen Zucker aus Brasilien.“

Was die brasilianischen Zucker- und Alkohol-Produzenten angeht, so haben die bereits verlauten lassen, daß sie die Zucker- und Alkohol-Produktion noch gewaltig steigern können, wenn dies notwendig sein sollte. Die Zuckerexporte Brasiliens sind fast zum Erliegen gekommen. Die EU und die USA lassen praktisch keinen Zucker herein, bis auf ein paar Alibi-Tonnen. Der Weltmarktpreis ist im Keller. Zu diesem Preis lohnt es sich für die Großgrundbesitzer fast nicht, überhaupt anzubauen. So wird fast nur für den Alkohol und den internen Markt produziert. Alkohol wird zwar in ansehnlichen Mengen exportiert und der heimische Konsum steigt zusammen mit der Zahl der Flex-Mobile, aber es sind immer noch einige der Alkohol-Fabriken aus der Zeit des Alkohol-Booms Ende der 80er-Jahre eingemottet. Außerdem kann man solche Fabriken von der Stange kaufen. Sie sind innerhalb weniger Monate schlüsselfertig.

Die brasilianischen Zucker- und Alkoholproduzenten heben dabei besonders hervor, daß sie die Energie zur Herstellung von Zucker und Alkohol aus angeschlossenen Kleinkraftwerken beziehen, in denen die ausgepreßten Reste des Zuckerrohrs verbrannt werden. Die Mengen sind so groß, daß die gesamte benötigte Energie so gewonnen werden kann. Auch bei diesem Verbrennungsprozeß wird der Kohlendioxid-Gehalt der Luft ja nicht erhöht, denn jedes dabei freiwerdende Kohlenstoff-Atom in einem CO2 – Molekül ist ja vorher beim Wachsen des Zuckerrohrs aus einem CO2 – Molekül der Luft gebildet worden.

Laut einer Mitteilung der brasilianischen Bundesregierung wird im Jahr 2006 die Autarkie Brasiliens in Bezug auf Erdöl erwartet, d.h. daß sich die Im- und Exporte von Erdöl und Erdölprodukten die Waage halten werden (im Wert). Damit wird Brasilien dann zu den wenigen Ländern auf der Erde gehören, die nicht von Erdölimporten abhängig sind und sogar beginnen, von den hohen Erdölpreisen beim Export zu profitieren.

Dies ist zunächst darauf zurückzuführen, daß die Brasilianer so stur waren, einfach nicht einer US-Fachfirma zu glauben, die es der brasilianischen Regierung in den Fünfziger-Jahren nach jahrlanger Suche schriftlich gegeben hatte, daß es auf brasilianischen Grund kein Erdöl gäbe. Man suchte weiter und fand schließlich, hauptsächlich draußen im Atlantik auf dem Festlandssockel, große Erdöl- und Gasvorkommen. Die waren aber in Wassertiefen, in denen bis dahin eine Förderung nicht möglich war. Die brasilianische Staatsfirma Petrobras entwickelte daraufhin neue Verfahren, die eine Bohrung und Förderung in großen Wassertiefen ermöglichten (ganz im Gegensatz zu allen Geschichten, die man uns über staatliche Firmen erzählt).

Logo Petrobras

Bis heute sind brasilianische Ingenieure weltweit führend in der Erdölförderung bei großen Wassertiefen. Die Petrobras hat eine eigene Firma, die dieses Know-How anderen Interessenten anbietet und verkauft. Im Moment sind gerade drei neue schwimmende Plattformen in Werften in Niteroi am werden, einer Stadt gegenüber Rio de Janeiro auf der anderen Seite der Guanabara-Bucht gelegen. In wenigen Jahren will man zu einem bedeutenden Erdölexporteur werden.

Der zweite Grund aber, daß man so schnell die Autarkie erreichen wird, ist das Alkohol-Programm. Da Brasilien so gut wie kein Erdöl zu Zwecken der Stromerzeugung oder der Erzeugung von Heizöl einführen muß – Strom wird fast ausschließlich aus Wasserkraft und Atomkraftwerken gewonnen und Heizungen gibt es in brasilianischen Häusern so gut wie nicht (wenn nötig, muß man sich mit Elektrostrahlern behelfen) - , ist die Herstellung von Diesel und Benzin der wesentliche Grund für die Einfuhr von Erdöl. Da macht natürlich der Ersatz von Benzin durch Alkohol viel aus.

Die EU könnte sofort mit einem Alkohol-Programm beginnen (man könnte ja Alkohol aus Brasilien einführen) und dann in aller Ruhe eine EU-Alkohol-Agrarpolitik vorbereiten, aber weit gefehlt. Eher steigen die sieben Reiter des jüngsten Gerichts herab. Die Erdöl-Riesen und die EU-Kommission, das ist fast eins.

Wer nun mit einem Alkohol-Programm begann, ist Schweden, eines der wenigen europäischen Länder außerhalb der EU. Man ist bereits dabei, ein Alkohol-Tankstellennetz aufzubauen. In Schweden sind schon Flex-Fahrzeuge zu kaufen.

Saab hat seinen 9-5 FFV BioPower vorgestellt. Ein kleiner Teil aus einem Testbericht dieses Autos:„Schweden eifert Brasilien nach und bringt den Saab 9-5 als BioPower-Version nun auch in unsere Breiten. (...) Der in Schweden angebotene Kraftstoff besteht zu 85 Prozent aus Äthanol und zu 15 Prozent aus Benzin. (...)Angetrieben wird der etablierte Schwede von einem Zweiliter-Vierzylinder mit der bekannten Turboaufladung. Der Motor ist wahlweise mit Äthanol oder Benzin zu betreiben. (...) Je nach Kraftstoff variiert jedoch die Leistung. Verfügt der Turbo bei Benzinbetankung über die üblichen 110 kW / 150 PS, so gibt es mit der hochkonzentrierten Tankfüllung Alkohol 132 kW / 180 PS. Die Fahrleistung sind entsprechend höher: 0 auf 100 km/h in 8,5 Sekunden und ein maximales Drehmoment von 280 Nm liegen über den Benzinerwerten. (...)Durch die höhere Oktanzahl (104 ROZ) kann der Motor den Kraftstoff effizienter verbrennen. Ein früherer Zündzeitpunkt und eine erhöhte Verbrennungstemperatur machen es möglich. „Unsere Motorsteuerung paßt sich automatisch dem gerade verwendeten Typ Kraftstoff an“, sagt Kjell Bergstörm, Präsident der Saab Automobil Powertrain AB. Zündzeitpunkt und Kraftstoff-Luft-Gemisch werden getrennt überwacht. (...)

Die Kosten halten sich im Rahmen. Der Preis des E85-Kraftstoffs liegt in Schweden rund 25 Prozent unter dem von bleifreiem Benzin. Die Verbräuche vergleichbarer Fahrzeuge liegen im Drittelmix und in der Stadt auf dem gleichen Niveau der handelsüblichen Modelle. Saab verspricht bei monotonem Tempo auf der Autobahn eine Ersparnis von rund 15 Prozent. Das Saab 9-5 FFV BioPower kostet im Kronenland knapp 900 Euro mehr als der handelsübliche Benziner. Zudem sind die Fahrzeuge steuerbefreit.“

Zum Jahreswechsel kündigte Saab auch die entsprechenden Varianten des kleineren Saab 9-3 an. Volvo hat ebenfalls Alkohol-Flex-Fahrzeuge angekündigt. Volvo bereitet nach Angaben der Konzernmutter Ford den Start von Ethanol-Versionen des V50 und des S40 in Schweden vor.

Auch Ford in Schweden hat bereits seine „Weingeist-Flotte“ vorgestellt. Hier kleine Ausschnitte aus einem Artikel über diese Fahrzeuge: „Ford wird den Focus und den C-Max Mitte August auch mit Ethanol-Antrieb ... ausliefern. (...)... wird es die Schräghecklimousine und den Kompaktvan dann mit einem 92 kW / 125 PS starken 1,8-Liter-Motor geben, der sowohl mit Superbenzin als auch mit Bio-Ethanol in nahezu allen Mischungsverhältnissen betrieben werden kann. (...)Die Preise für den Focus beginnen laut Ford bei 17.975 Euro; der C-Max wird mindestens 19.525 Euro kosten, was einem Aufpreis von jeweils 300 Euro entspricht. (...)... mindere Bio-Äthanol die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und werde überdies steuerlich gefördert.

Deshalb können Autofahrer mit diesem Kraftstoff laut Ford-Sprecher Isfried Hennen bis zu 20 Prozent Betriebskosten sparen. Bislang jedoch ist Äthanol in Deutschland nur vereinzelt verfügbar. Deshalb will Ford parallel zur Markteinführung nach Angaben von Umwelt- Vorstand Wolfgang Schneider auch auf den schnellen Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur hinarbeiten.“

Nun, da kann man ausnahmsweise mal einem Automobil-Konzern nur viel Erfolg wünschen. Der Ford-Sprecher kündigte an: „Wenn Ethanol in Deutschland zum Thema wird, dann stehen diese Autos ganz schnell auch bei uns im Showroom.“

So sehr – und mit soviel Grund – man Brasilien in vieler Hinsicht als rückständiges Land ansehen kann, so sehr muß man andererseits immer wieder zugeben, daß Brasilien in anderer Hinsicht plötzlich fortschrittlicher ist als unser ‚good old Germany’. Wir haben allen Anlaß, unser übliches Naserümpfen sein zu lassen und unser Denken neuen Ideen zu öffnen, auch und gerade wenn sie aus Ländern stammen, denen wir uns so überlegen vorkamen.


Hier stelle ich einen weiteren Brasilien-Artikel von Elmar Getto ein, der jetzt eine besondere Bedeutung gewonnen hat. Noch bevor der jetzige Alkohol-Boom losbrach, hat er hier die gesamten Grundlagen zusammenfassend dargelegt. Der erste Teil des Artikels erschien ursprünglich am 15. August 2005 in der 'Berliner Umschau', damals noch 'Rbi-aktuell', zwei andere Teile einige Tage später. Die drei Teile sind hier zusammengefaßt und vom Autor redigiert und aktualisiert.


Hier die Links zu allen Teilen der Reihe „Brasilien jenseits von Fussball und Samba“

- Teil 1: „Wie der Amazonas zu seinem Namen kam“

- Teil 2: ‚Menschenfresser-Country’

- Teil 3: „Ausgerottete Künstler“

- Teil 4: Niemeyer ist 100 – ‚Auf dem Höhepunkt des Schaffens’

- Teil 5: Brasilien und Gold

- Teil 6: Die Landschaften Brasiliens – Der Amazonas-Regenwald

- Teil 7: Brasilien und der Strom

- Teil 8: Die Landschaften Brasiliens – Mata Atlântica

- Teil 9: Santos Dumont und der erste Motorflug

- Teil 10: SIVAM – Big Brother in Amazonien

- Teil 11: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Teil 12: Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Teil 13: Wie unsere Zukunft in der beginnenden kapitalistischen Barbarei aussähe – „Ich habe kein Leben“

Freitag, 5. September 2008

Frau Palin und der "Kinderschänder"

Sie repräsentiert die Rechtsaussen-Fundamental-Christen

Von Karl Weiss

Die in dieser Woche bestätigte Kandidatin der republikanischen Partei für die Vizepräsidentschaft, Sarah Palin, Repräsentantin der fundamentalistisch-extremistischen Christen in den USA, wurde plötzlich blind auf einem Auge, als ein offensichtlicher Fall von „Kinder-Schänden“ in der eigenen Familie geschah.

Bristol Palin und Levi Johnston
Hier sieht man das "glückliche" junge Paar, Bristol Palin und Levi Johnston, gepudert und geschminkt auf der Tribüne des Bundesparteitags der Republikaner, wo man die "gute" alte Regel "jetzt muss er sie heiraten" auch noch vor dem Millionenpublikum ausbreitet. Wieviele solcher Ehen halten, ist bekannt. Man sehe sich nur das Milchgesicht an, das in anderen Bundestaaten bereits im Gefängnis schmoren würde.

Palins siebzehnjährige Tochter Bristol ist im fünften Monat schwanger. Der Vater ist ein 18-jähriger, der sie bald heiraten will, mit Namen Levi Johnston. Soweit wäre dies eine banale Story, nicht des Erwähnens wert. Überall auf der Welt tun junge Leute, meist mit wenig Kenntnissen der Sexualität, miteinander Dinge, welche die Erwachsenen ihnen nicht in dieser Weise raten würden. Schließlich liegt das Niveau von Sexualhormonen im Körper in diesem Alter von 14 bis 18 Jahren besonders hoch und so ist die Zahl derer Legion, die Sex haben, ohne sich vor AIDS und Schwangerschaft zu schützen

So sagte denn auch der Kandidat der gegnerischen Partei, Obama, man solle diesen Fakt nicht einmal erwähnen. Tatsächlich wäre dies schlicht und einfach Privatsache jener Familie und niemand hätte da dreinzureden. Wäre, wenn.....

Wenn da nicht ein anderer Fakt wäre: Frau Palin ist erklärtermaßen die Kandidatin, die den Republikanern die Stimmen der fundamentalistischen Christen zutreiben soll, denn sie ist selbst eine dieser christlichen Extremisten. Und eben diese Christen mit dem Schaum vor dem Mund haben bereits in einer großen Zahl von Staaten der USA Gesetze durchgesetzt oder eingebracht, die aus moralischen Gründen ihre Ansichten zum Sex in jungen Jahren in massive Strafbewehrungen umsetzen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob die Gouverneurin von Alaska mit jeder der absurden Meinungen jener Evangelikalen persönlich übereinstimmt oder solche Gesetze auch schon im eigenen Staat durch die Legislative gebracht hat oder nicht. Sie ist in ihrer Eigenschaft als Vize-Präsidentschaftskandidatin der Exponent des „Pit-Bull-Flügels“ der wild gewordenen Ultra-Rechts-Christen in den USA – kein Wunder, wenn sie sich selbst als Pit Bull bezeichnet.

So ist es denn auch charakteristisch, wie sie auf dem Parteitag der Republikaner auftrat: Nach der Rede wurden alle Kinder auf die Bühne geholt, einschliesslich der schwangeren Tochter und des Schwiegersohns in spe. Sie versucht damit, den Sex des Jung-Hengstes mit ihrer minderjährigen Tochter in einen positiven Fakt umzudrehen. Das könnte man ihr auch zugestehen, denn das machen fast alle Familien, die mit diesen Ereignissen konfrontiert werden: Es ist nun einmal geschehen, sehen wir nach vorne: Eine Hochzeit, eine neue Familie und viel Glück. Könnte, wenn...

Ja, wenn sie nicht die Repräsentantin der Absurditäten der rechten Extrem-Christen wäre.

Was sind die wesentlichen Inhalte der neuen Gesetze, die da aus dieser Ecke des rechten evangelischen Sekten-Spektrums in mehr und mehr Bundesstaaten bezüglich des Sex von jungen Leuten durchgesetzt werden (Der Begriff Sekten trifft nur aufgrund der ungewöhnlichen (vorsichtig ausgedrückt) Ansichten zu, nicht im Blick auf die Zahl der Adepten, die ist vielmehr Legion.)?

In allen diesen Bundestaaten wird die Definition „Kind“ auf alle bis zum 18. Lebensjahr ausgeweitet. Gleichzeitig werden „sexuelle Handlungen“ (in einigen Staaten nur „Penetration“ oder „Penetration in der Vagina“) mit diesen „Kindern“, also allen jungen Leuten bis 18, als „Kindsmisshandlung“, als angebliches „Kinderschänden“, eingestuft und entsprechend mit hohen Strafen belegt

Das klassische Beispiel dafür ist der seit vielen Jahren von Republikanern der christlich-extremistischen Spezies beherrschte Staat Georgia und die Verurteilung eines jungen Mannes, der mit seiner jungen Freundin (beide unter 18) Sex gemacht hat. Einzelheiten dazu in diesem Artikel: „Sex?? Gefängnis!!“. Der inzwischen bereits erwachsene Genarlow Wilson sitzt bereits seit mehr als zwei Jahren im Gefängnis und ist zu 10 Jahren verurteilt. Auch eine Aufhebung der Strafe hat bisher noch nicht zur Freilassung geführt. Siehe hierzu auch: „Sex unter 18? 10 Jahre Gefängnis!“

Hätte Frau Palin in ihrem Staat Alaska bereits entsprechende Gesetze durchgebracht, dann wäre der junge Levi nicht auf der Bühne eines Parteitags bejubelt worden, sondern sässe in einer Gefängniszelle und könnte ihre Tochter nicht heiraten (jedenfalls nicht, wenn die Mutter gewählt werden will), geschweige denn sich um das Kind kümmern, das da erwartet wird.

Frau Palin als Repräsentantin eben genau dieser Fraktion von Evangelikalen, die für solche Gesetze verantwortlich sind, „bemerkt“ plötzlich nicht mehr, dass hier etwas geschah, was man in ihren Kreisen als Verbrechen charakterisiert, nämlich „Kindsmissbrauch“ an ihrer Tochter, die ja noch keine 18 Jahre alt war, d.h. bis heute noch nicht ist. Ihr sonst so wacher christlicher Sündendetektor war irgendwie abgeschaltet, als es um das Verhältnis ihrer eigenen Tochter ging. Der junge „Kinderschänder“ ist plötzlich kein Verbrecher mehr, sondern ein willkommenes Mitglied der Familie? Das ist ein wenig dick aufgetragene Heuchelei, oder?

Obwohl diese Tatsachen in den USA ja allseits bekannt sind, bringt keine Sendeanstalt, keine Zeitung, kein Magazin diese Frage auf. Man will sich nicht mit den Millionen von „wiedergeborenen Christen“ anlegen noch mit der katholischen Kirche in den USA, die solche Gesetze in der Regel unterstützt. So absurd auch die haarsträubenden Gesetze sind, die da durchgebracht werden, es gibt keine öffentliche und sachliche Kritik.

Der Parteitagsauftritt von Frau Palin ist also nichts als Heuchelei. Die von ihr repräsentierte Bewegung in den USA zum Abschaffen aller Gesetze, die von der Aufklärung beeinflusst sind und zum Einführen von Gottesstaat-Gesetzen, besonders im Zusammenhang mit sexuellen Aktivitäten, ist ja so stark, dass sie es sogar geschafft hat, eine Unterorganisation der UN, die sich mit Kinder-Missbrauch beschäftigt, zum Verfassen von generelle Richtlinien genau im Sinne der Super-Moral-Christen zu bringen (auch ein Lehrstück über die UN als reines Sprachrohr der US-Regierung).

Diese Richtlinie wurde bereits von der EU aufgegriffen und hat zu einer EU-Richtlinie geführt, die von allen EU-Staaten verlangt, ebenfalls die Kernpunkte dieser Doppel-Moral einzuführen. In Italien ist ein entsprechendes Gesetz bereits Wirklichkeit. Fast wäre ein entsprechender Gesetzentwurf auch in Deutschland durchgegangen, in dem ebenfalls die Definition von „Kind“ für Alle bis 18 vorgesehen war. Siehe hierzu auch „Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, 1“, „Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, 2“ und „Hurra, sie haben es gestoppt“

Es ist also hier nicht die Rede von ein paar Spinnern, die in irgendwelchen abgelegenen und fast bevölkerungsfreien US-Bundesstaaten absurde Gesetze durchbringen, sondern um eine der mächtigsten politischen Strömungen in den Vereinigten Staaten und um angewandte Gesetze in extrem bevölkerungsreichen Bundestaaten wie Georgia und Michigan. Siehe zu Michigan auch diesen Artikel: „USA: Absurditäten des religiösen Extremismus“

Es handelt sich um eine UN-Richtlinie und um eine bindende EU-Richtlinie und in Italien auch bereits um eine Gesetz. Zweifellos hat Bush Junior als Präsident entscheidend mit zu diesen „Erfolgen“ der fanatisch-extremistischen Christen weltweit beigetragen, der ja selbst ein solcher „wiedergeborener“ Evangelikale ist.

Dabei kommt erschwerend hinzu: Wer in den USA einmal wegen irgendeinem Sexualvergehen verurteilt wurde, ist zeitlebens auf den Listen der „Sexual Offenders“, die es sowohl in vielen Staaten gibt als auch als Bundesregister. Aus diesen Listen kann jeder entnehmen, wie die Betroffenen heissen, wo sie wohnen und meistens ist auch ein Fahndungsfoto dabei. Auch Telefonnummern werden in einigen der Register angegeben. Um sich dem nicht entziehen zu können, müssen sich die „Sexual Offenders“ zeitlenens regelmässig melden und die jeweils aktuelle Wohnung angeben. Sie dürfen nicht in der Nähe von Plätzen wohnen, wo Kinder sind, wie Schulen, Kindergärten, Kinderspielpläte usw.

Dabei haben viele dieser „Sexual Offenders“ nichts anderes gemacht als Doktorspiele als Kinder, als Sex unter 18, als fremd zu gehen oder mit einer Frau aggressiv zu flirten. In Kürze werden auch, je nach Bundestaat, viele Homosexuelle unter ihnen sein. Im Moment versuchen die Fundamental-Christen in vielen Bundestaaten, den homosexuellen Geschlechtsverkehr wieder strafbar zu machen.

Um dieser Überwachung zu entgehen, flüchten viele der Registrierten und versuchen woanders und unter anderem Namen ein neues Leben aufzubauen. Die Lokal-Zeitungen und Lokal-Sender in den USA haben es sich zum Sport gemacht, solche versteckten „Sexual Offenders“ aufzuspüren und zu denunzieren.

Im Kern ist dies alles ein Angriff auf den einzigen Fortschritt, den der Kapitalismus wirklich gebracht hat: Die Werte der Aufklärung. Ihnen gegenüber wollen die Christen von Rechtsaussen ein generelles „Roll-Back“ durchsetzen, also weltweit alle Inhalte, Werte und Gesetze, die solche Werte der Aufklärung widerspiegeln, ersetzen durch solche, welche die heuchlerische Sexual-Moral der verklemmten extremistischen Christen ausdrücken. Dazu gehört die Strafbarkeit von Ehebruch, die Wiedereinführung der Strafbarkeit von Homosexualität, die völlige Verbot der Abtreibung, auch bei Lebensgefahr für die Mutter, auch bei Vergewaltigung, auch bei schweren Schäden der Leibesfrucht, das generelle Verbot jeglicher Nacktheit , das Verbot von Anal- und Oral-Sex, die Einstufung von Bildern oder Texten, der jemanden „aufreizen“ könnten, als verbotenes Porno usw usw.

Dabei unterhält man ausserdem geschlossene Anstalten, in denen jungen Männern und Frauen der Homosexualismus durch Folter ausgetrieben werden soll und andere für Kinder (Menschen bis 14), die bei irgendwelchen sexuellen Aktivitäten erwischt wurden

Interessant ist: Man wagt es nicht, diese Offensive mit Argumenten, offen und für alle sichtbar zu führen. Man versteckt sich hinter Organisationen wie der UN und der EU, man stellt sich als brave Familien-Personen dar – so wie Palin -, verschweigt aber, wie viele im Gefängnis sitzen wegen absurder Gesetze, für die man verantwortlich ist. Man weiss offenbar, würden diese Fragen offen diskutiert, würde die Absurdität jener Ansichten für alle sichtbar demaskiert. Also wird Versteck gespielt.

Auch in Deutschland hat keines der großen Medien diese Fragen angesichts der Kandidatur von Frau Palin aufgegriffen.

Wir werden uns also selbst darum kümmern müssen, dass unsere Kinder nicht demnächst als „Kinderschänder“ oder „Kinderporno-Produzenten“ angeklagt werden, wenn sie frühzeitig Sex machen oder ein paar Nacktfotos austauschen. Frau Palin, die den „Schänder“ ihrer Tochter mit offenen Armen in der Familie begrüsst, wäre dann sicherlich eine der Verantwortlichen.


Veröffentlicht am 5. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 4. September 2008

Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise

Deutschland ist unter den großen Ländern bereits am schlimmsten betroffen

Von Karl Weiss

Die Zahlen von Eurostat, veröffentlicht am 3. September, sind klar: Im zweiten Quartal sank das Bruttosozialprodukt (jetzt: „Brutto-Inlandseinkommen (BIE)“) der Euro-Zone um 0,2 % gegenüber der Zahl des vorherigen Quartals, von ganz Europa um 0,1% im gleichen Vergleichszeitraum. Damit tritt ein, was bereits vorausgesagt wurde: Auch die EU wird von der internationalen Wirtschaftskrise erfasst. Wird das dritte Quartal auch ein Minus ergeben, ist man auch formal in der Wirtschaftskrise, von den bürgerlichen Ökonomen schamhaft Rezession genannt.

Northern Rock Pleite


Wie bereits in diesem Artikel veröffentlicht, befinden sich Spanien, Irland und Dänemark bereits offiziell in der Wirtschaftskrise, doch die anderen Länder Europas und der EU hatten bisher noch ein geringes Wachstum aufzuweisen. Jetzt aber sinkt dieses übrig gebliebene Wachstum schnell und die ersten Länder haben bereits (für ein Quartal) den Rubikon überschritten und stehen im Minus. Die offizielle Definition der Wirtschaftskrise ist: Zwei aufeinanderfolgende Quartale im Minus beim Gross-Domestic Product (BIE), dem international verwendeten Vergleichsmaßtab, im Vergleich zum vorhergehenden Quartal

Die nun veröffentlichten Zahlen (das sind alles Schätzungen) für einzelne Länder in Europa sind (2. Quartal gegenüber 1. Quartal): Estland: - 0,9%, Deutschland und Lettland: - 0,5%, Frankreich und Italien: - 0,3%. Bei +/- 0 lagen Vereinigtes Königreich, Schweden und Niederlande. Ein deutliches Plus weisen nur noch die Slowakei (+ 1,9%), Polen (1,5%) und Tschechien sowie Litauen mit je 0,9% auf.

Zwar ist Europa als Ganzes im Jahresvergleich immer noch im positiven Bereich (Eurozone: 0,7%, EU: 0,6%), aber auch diese Zahlen sinken schnell, wenn man erst einmal in der Wirtschaftskrise ist (in diesem Quartal gab es bei beiden betrachteten Ländergruppen bereits ein Minus von 0,7 Prozentpunkten gegenüber den vorherigen Zahlen).

Übrigens rutscht auch Japan im Moment in die Krise: - 0,5% im Vergleich zum vorherigen Quartal.

Nach diesen Zahlen wird also Deutschland gegen Ende des Jahres, wenn die Zahlen des dritten Quartals veröffentlicht werden, sogar eines der ersten Länder sein, das offiziell in die Wirtschaftskrise eintritt – und vor allem: Das erste der großen EU-Länder.

Das Schönreden, die Beschwörung des Aufschwungs, die Statistikmanipulationen bei den Arbeitslosenzahlen von Frau Merkel und der ganzen grossen Koalition helfen also nicht (was auch nicht schwer vorauszusagen war): Der Export, das letzte Faden, an dem die deutsche Wirtschaft noch hing, nachdem der Inlandskonsum bereits vorher in die Miesen abrutschte, bricht in diesem Moment mit zweistelligen Minus-Raten ein.

Nun wird sich rächen, das man ausgerechnet in dieser Situation vor der Wirtschaftskrise den Inlandskonsum mit aller Macht abgewürgt hat: Millionen von Bundesbürgern wurde in prekäre Arbeit gezwungen, die einen Lohn aufweist, der nicht zum Leben reicht. Hartz IV ist das Schicksal von über 6 Millionen Deutschen.

Speziell die Familien mit Kindern und alleinerziehende Mütter werden zwanghaft in die Armut getrieben. Man braucht nur einmal den Andrang bei einer der „Tafeln“ ansehen. Frau Merkel und Herr Beck haben Riesenmengen von Geld aus der normalen Bevölkerung herausgepresst und an die Grosskonzerne ausgeschüttet.

Dazu kam die härteste Steuererhöhung für den kleinen Mann (Erhöhung der Mehwertsteyuer, die speziell die niedrig Besoldeten trifft, um etwa 20%, höchste Steuererhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik) bei gleichzeitigen Steuerkürzungen für Grosskonzerne und für Reiche.

Und – bemerkenswert, wie schlau dies Politiker-Gesindel auch noch ist - man hat die Bundestagswahlen und den Moment des grössten Impakts der Krise genau auf den gleichen Zeitpunkt gelegt: 2.Hälfte 2009. Herzlichen Glückwunsch für ihr Näschen, Frau Merkel und meine Herren Politiker! Der verdiente Lohn ist Ihnen sicher!

So erklärt sich denn auch, warum der Euro seinen Höhenflug gegen den Dollar unterbrochen hat und am gleichen Tag dieser Meldung mit dem Unterschreiten von 1,44 US-$ den niedrigsten Stand seit vielen Monaten ereichte. Das nützt natürlich dem Export jetzt auch nichts mehr, denn Exporte werden nicht im Tagesrhythmus errungen, sondern in Monaten von Arbeit.

Gleichzeitig wird erneut deutlich: Die Spekulanten glauben den offiziellen Zahlen. Obwohl alle vernünftigen Kommentaristen auch die USA bereits in der Krise sehen und den offiziellen Zahlen von 3,3% Wachstum keinen Glauben schenken, bewegt sich der Dollar gegen den Euro genau entsprechend diesen Zahlen, so als ob die USA nicht in der Wirtschaftskrise wären. Na, denn spekuliert mal hübsch weiter!

Aus diesem Artikel („FTD: Dramatischer Dollar - Verfall bedroht deutschen Export - Die Wirtschaftskrise in Deutschland wird fürchterlich“) vom 1.Dezember 2006 hier noch eine Vorhersage, die sich jetzt anfängt zu bewahrheiten:

„ (...) Nun kommt aber die Wirkung der Krise als solche dazu: Massenentlassungen, Anstieg der Zahl der Arbeitslosen (der wirklichen, die veröffentlichten Zahlen mag man manipulieren können), Kurzarbeit, Werksschließungen, Lohnkürzungen, Arbeitszeitverlängerungen usw. Das wird die Massenkaufkraft zusätzlich schwächen und weitere Prozente ausmachen, schätzen wir konservativ ebenfalls 2%. Damit sind wir bei –4%

Nun aber: Der Dollar wird nicht etwa bei 1,40 im Vergleich zum Euro stehen bleiben. Er wird bis zu 1,50 gehen. Damit bricht der deutsche Export, die einzige Hoffnung in Deutschland, weiter ein: Weitere 2%, damit kommen wir auf –6%. Das würde bereits die bei weitem tiefste Wirtschaftskrise der Geschichte der Bundesrepublik ausmachen.

Der Rückschlag der Wirtschaftskrise aus anderen Ländern käme noch dazu: Die können nicht mehr soviel deutsche Produkte kaufen, da sie selbst in der Krise stecken. Sind glatt noch einmal 2%, da sind wir auf –8%.

(...) Das kann in seinen desaströsen Auswirkungen bestenfalls noch mit der massiven Weltwirtschaftskrise verglichen werden, die 1929 begann und bis tief in die Dreißiger Jahre hinein ging – und selbst die könnte noch übertroffen werden.

Der Kommentator der Financial Times nennt es eine tektonische Umschichtung, was uns für die nächsten Jahre bevorsteht.“

Und hier aus dem gleichen Artikel auch noch die Schlussfolgerung:

Karl Marx

„Weit mehr Bundesbürger werden nun endgültig sehen: Der Kapitalismus hat keine Zukunft für sie und ihre Kinder. Ein System, das nur unermeßlichen Reichtum für eine winzige Minderheit und Arbeitslosigkeit, Krisen, Hunger, Not, Elend, Kriminalität, Krieg und Gewalt produzieren kann, muß weg! (...) Die Zeiten, als kaum einer den Kampf für nötig hielt, werden bald definitiv vorbei sein. Lebhafte, revolutionäre Zeiten stehen an!“


Veröffentlicht am 4. September 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Viertes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"

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