Fukushima: Kernschmelze im Reaktor 4
Von Karl Weiss
Hatte der Bürgerjournalist gerade im letzten Artikel zu Fukushima geschrieben: „Interessanterweise hört man nichts über den Reaktor 4, der - ausweislich des Bildes hier oben - ja ebenfalls von einer Explosion zerstört worden war. Da gibt es anscheinend noch ein weiteres Geheimnis, das man uns nicht offenbaren will.“, da tritt es auch schon ein:
Nach Meldung von Monitor in ARD geht in diesem Moment im Reaktor 4 eine Kernschmelze vor sich. Vorher waren ja schon (teilweise) Kernschmelzen in den Reaktoren 1, 2 und 3 zugegeben worden. Damit haben wir also jetzt Kernschmelzen (also Super-Gaus) in allen vier zumZeitpunkt jenes Erdbebens in Funktion befindlichen Reaktoren von Fukushima.
Damit ist dies Ganze heute schon ein Tschernobyl mal 4.
Besonders kritisch ist: In Japan selbst wird andauernd nur Beruhigendes an die Bevölkerung weitergegeben. In der Furcht, es könnte zu panikartiger Flucht aus den Grossstädten kommen, setzt die japanische Regierung eine Millionenbevölkerung ungeschützt und ungewarnt den Strahlen aus.
Wenn selbst im Tausend Kilometer entfernten Korea bereits Schulen geschlossen bleiben, aber in Japan selbst so getan wird, als gäbe es keine Radioaktivität und überhaupt sei alles nur aufgebauscht, so grenzt das bereits an Totschlag.
Und dann das hier aus der ‘New York Times‘:
http://www.nytimes.com/2011/04/06/world/asia/06nuclear.html?_r=2&src=twrhp
“The document also suggests that fragments or particles of nuclear fuel from spent fuel pools above the reactors were blown “up to one mile from the units,” and that pieces of highly radioactive material fell between two units and had to be “bulldozed over,” presumably to protect workers at the site. The ejection of nuclear material, which may have occurred during one of the earlier hydrogen explosions, may indicate more extensive damage to the extremely radioactive pools than previously disclosed.”
Versuche mal zu übersetzen mit meinem mittleren English:
„Die Dokumente [die US-Forscher von japanischen Fachleuten bekamen] erwähnen auch, dass Teile von erschöpften nuklearen Brennstäben aus den Abklingbecken über den Reaktoren bis zu einer Meile weit vom Kraftwerk geschleudert wurden und dass Teile hochradioaktiven Materials zwischen zwei Reaktoren gefallen sind und dort mit Bulldozzern vergraben werden mussten, wahrscheinlich um die Arbeiter dort zu schützen. Der Auswurf von Atombrennstoff, der wahrscheinlich durch die vorherigen Wasserstoff-Explosionen verursacht wurde, weist auf einen höheren Zerstörungsgrad der hoch strahlenden Abklingbecken hin als vorher angenommen.“
Das sind schon wieder keine guten Meldungen. Was da an radioaktiven Teilchen bereits ausgetreten ist und weiterhin austritt, ist gewaltig und die Massnahmen des Schutzes vor diesen Teilchen, speziell in Japan selbst, wurden noch nicht einmal begonnen.
Die japanische Regierung weigert sich weiterhin, die Evakuierungszone auszuweiten. Das geht anscheinend nach dem Motteo: Wenn die später an Krebs sterben, können sie gar nicht nachweisen, dass wir daran schuld sind, aber wenn wir sie jetzt evakuieren, werden sie Schadensersatzansprüche stellen.
Das ist Kapitalismus in Reinkultur.
Tatsächlich: Kapitalismus und Atomkraftwerke, das ist wie ein Synonym:
Kalt, gefährlich heiss, zynisch, überholt, mörderisch, verborgen, verlogen, unübersehbare Folgen für die Zukunft, dient nur dem Profit, gehört schon lange weg!
Dies ist das Foto einer Wandzeichnung mit einem von der Krebsbehandlung gezeichneten Kind mit der Ruine von Tchernobyl im Hintergrund. Das schlimmste sind bei den Atomkatastrophen immer die hohen Zahlen von Kindern mit Krebs.
Und für jene, die denken, Japan ist weit, dies hier: Im französischen Atomkraftwerk Fessenheim, das unmittelbar am Rhein liegt, der dort die deutsch/französische Grenze ist, hat es einen nicht näher erklärten „Zwischenfall“ gegeben. Das dortige Atomkraftwerk mit zwei Reaktoren ist eines der ältesten und ist bekannt störungsanfällig. Selbst Schweizer Kantone haben schon das Abschalten gefordert.
Auf der deutschen Rheinseite wurden danach leicht erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen. Selbstverständlich leugnen die Verantwortlichen in Frankreich, dass radioaktive Teilchen ausgetreten seien.
Alle lügen und die Zeitbomben ticken!
Zusatz vom 9. 4. 2011 1Uhr32
Heute ist der Tag der englischen Texte. Hier ist der nächste:
"Japanese officials estimate that they already have accumulated about 15 million gallons of highly radioactive water. Hundreds of thousands of gallons are being added every day as the plant's operator, the Tokyo Electric Power Co., continues to feed coolant into the leaky structures."
Und hier wieder mein Versuch einer Übersetzung:
"Nach offiziellen japanischen Schätzungen hat man [in Fukushima] bereits etwa 15 Millionen Gallonen (grössenordnungsmässig 52 Millionen Liter oder 52 000 Tonnen) von hoch verstrahltem Wasser angesammelt. Hunderttausende von Gallonen kommen täglich hinzu, während der Betreiber, die Tokyo Electric Power Co., damit fortfährt, Kühlwasser in die löcherigen Gebäude [des Kraftwerks] zu pumpen."
Die US-Fachleute, die zu helfen versuchen, haben nach eigenen Angaben keine Ahnung, was man mit diesen Mengen hochverstrahlten Wassers anfangen kann.
Interessant, wie diese Atomkraftwerke andauern Situationen ohne Ausweg zu produzieren verstehen. Eine weitere Eigenschaft, die sie mit dem Kapitalismus gemein haben.
Aktualisierung vom 9. 4. 2011 23Uhr10
Es gibt im www Sites, auf denen man direkt die Strahlenmessung in den Reaktoren von Fukushima ablesen kann. Dies soll die von Reaktor 1 sein:
http://atmc.jp/plant/rad/?n=1
Man kann da die Sprache wählen.
Dort sieht man, wie mit Datum vom 8. 4. 2011 einer der Strahlungswerte plötzlich in die Höhe schiesst. Nach der Skala links sind das Sievert pro Stunde (nicht milli und nicht mikro), das ist also massiv. Bei "Fefe" ( http://blog.fefe.de/ ) wird dazu vermutet, das muss innerhalb des Containments gemessen sein.
Auf jeden Fall ist da etwas passiert.
Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten, wie innerhalb des Containments (das ist der Stählerne Schutzmantel, in dem der Reaktor untergebracht ist) eine so extrem ansteigende Strahlung interpretiert werden kann:
Das eine wäre, dass die Kühlung wieder nicht ausreicht und nun eine neue Kernschmelze in Gang gekommen ist. Das wäre wiederum mit einem hohen Explosionsrisiko verbunden.
Das zweite wäre - und das ist noch alptraumhafter: In dem Reaktor, der ja schon zum Teil geschmolzen ist, kommt erneut eine Kettenraktion in Gang. Dann wäre die Strahlung nicht einfach nur eine Alpha-, Beta-, und Gammastrahlung, sondern auch eine Neutronenstrahlung.
Kommt die Kettenreaktion wieder in Gang, streben die Temperaturen rasch nach oben und binnen kurzer Zeit wird sich das alles in die Erde hineinfressen und dabei aus dem Containment herauskommen und somit alles an die Umgebung abgeben.
Aber gehen wir einmal bis auf weiteres davon aus, es handele sich um einen Messfehler.
Hier Links zu den anderen Artikeln im Blog im Zusammenhang mit dem Super-Gau von Fukushima
- Nur ein bisschen harmlose Radioaktivität?
- Radioaktivitätswerte dürfen nicht mehr veröffentlicht werden.
- Super-Gau Japan 3
- Fukushima – Es wird immer gruseliger
- Radioaktivität? - Alles unschädlich
- Was war der Auslöser des Fukushima-Super-Gaus?
- Strahlende Teilchen in Kanadas Trinkwasser – Fukushima 7
- Fukushima – Düster, düsterer
- Streit um die Fukushima-Artikel dieses Blogs
- Nach Fukushima nun Kashiwasaki – Kariwa?
- Fukushima – Die Atom-Mafia
- Atomreaktor: 50 Jahre Abklingzeit
- Der Deutsche Atom-Gau
- Fukushima: Nuklear-Explosion?
- Fukushima: Vor einem neuen Ausbruch?
- Fukushima: Jetzt scheint es passiert zu sein
- Fukushima: Mein Gott, Walter
- Fukushima: Bei weitem das grösste Atomunglück aller Zeiten
- Fukushima: Jetzt hat es auch die ‚Süddeutsche‘ bemerkt