Atomreaktor: 50 Jahre Abklingzeit
Von Karl Weiss
Da nun nicht nur Fukushima auf dem Höhepunkt seiner Strahlungskraft steht, sondern auch 25 Jahre Tschernobyl begangen werden, muss man sich einmal mit dem Phänomen Atomkraftwerk als solches beschäftigen. Nichts eignet sich dazu besser als der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (bzw. seine Ruine) in Hamm-Uentrop in Nordrhein-Westfalen.
Er hat zwar keinen Super-Gau erlebt, aber wahrscheinlich nur, weil seine Gefährlichkeit erkannt und er stillgelegt wurde. Sein Konzept wurde als „revolutionär“ gefeiert und es wurden Millionen ausgegeben, um diese neue Technik zuerst zu entwickeln und dann 4 Milliarden Euro zum Bau dieses ersten Reaktor dieses Typs, sechsmal soviel wie ursprünglich vorgesehen (hört ihr da bei Stuttgart 21: sechsmal soviel!). Er ist auch der letzte seines Typs.
Hätte man einen Grundschüler befragt, ob er wohl sicherer sein würde als die bekannte Atomkraftwerktechnik, so hätte man ihm nur klarmachen müssen, er sollte statt bei 100 Grad Celsius, der Siedetemperatur des Wassers, zu arbeiten, bei 800 Grad Celsius arbeiten und von Helium gekühlt werden, von Helium, einem Gas!
Die Brennelemente sind keine Stäbe wie bei der üblichen Technik, die im Notfall aus dem Reaktor herausgezogen werden können, während man gleichzeitig Bor-haltige Stäbe in die Reaktionszone einführt, welche die Kettenreaktion zum Halten bringen. Statt dessen wurde dieser Reaktor mit Kugeln gefüllt, die im Inneren Uran und aussen Graphit enthielten.
Nun, der Grundschüler hätte wohl, da er ein verständiger Grundschüler ist, gesagt, das sei doch offensichtlich ein weit schwerer zu beherrschendes Konzept als die typischen Atomkraftwerke. Ein Gas statt Wasser als Kühlelement, das entweicht doch beim geringsten Leck, während das Wasser wenigstens immer nach unten fliesst. Und Kugeln, die zu einem Haufen gepackt werden (darum hiess er auch der Kugelhaufenreaktor), sind doch offensichtlich schlechter beherrschbar als Stäbebündel in Metallummantelungen.
Was der Grundschüler wahrscheinlich nicht hätte voraussehen können, waren die Probleme der mechanischen Stabilität der Kugeln, denn Graphit ist mechanisch wenig belasttbar und so zerbrachen viele der Kugeln.
Damit ging aber der eigentlich als Vorteil gedachte Graphit um die Kugeln verloren, der eigentlich die Möglichkeit einer Kernschmelze hätte ausschalten sollen, denn nun waren eben doch die Uran-Brennelemente frei und der vermeintliche Vorteil, dass Graphit erst bei extrem hohen Temperaturen schmilzt, kam nicht zum Tragen.
Na gut, seien wir gerecht, ein Grundschüler hätte dies so wohl nicht voraussehen können, aber andererseits brauchte man auch kein Diplom-Physiker mit Spezialisierung in Atom-Physik zu sein, um die höhere Anfälligkeit dieses Konzepts zu erkennen.
Ausserdem waren die Kugeln sehr teuer in der Herstellung und weit schwerer wieder aufzubereiten als Brennstäbe.
Dies ist das Foto einer Wandzeichnung mit einem von der Krebsbehandlung gezeichneten Kind mit der Ruine von Tchernobyl im Hintergrund. Das schlimmste sind bei den Atomkatastrophen immer die hohen Zahlen der Kinder mit Krebs.
Tatsache ist, der 4 Milliarden Euro teuere Reaktor von Hamm-Uentrop hatte während seiner kurzen aktiven Zeit (er wurde 1983 angefahren) insgesamt 125 meldepflichtige „Ereignisse“ und wurde schliesslich als zu unsicher für immer abgestellt. Da hatte natürlich auch eine Rolle gespielt, dass er auch im korrekten Betrieb viel weniger effektiv war als konventionelle Reaktoren und zusätzlich wegen der häufigen Abschaltungen durch Störungen auch nie einen wesentlichen Beitrag zum deutschen Stromverbrauch leistete. So wurde er 1989 stillgelegt.
Doch in einem ist dieser Atomrektor genau gleich wie alle anderen Atomkraftwerke: Man kann sie nicht einfach nach ihrer Lebensdauer abwracken und zur Tagesordnung übergehen. Stattdessen hat man leicht, mittel und hoch strahlendes Material in Hülle und Fülle und muss dies zunächst aufbereiten und dann irgendeiner halbwegs sicheren Endlösung zuführen.
Und zu allem kommt: Das eigentliche Atomkraftwerk kann nicht einfach verschrottet werden, es hat vielmehr zunächst 50 Jahre „Abklingzeit“ zu verbringen, in der die Strahlung so weit zurückgeht, dass man wenigstens den Mantel und alle anderen Teile, die nicht direkt der radioaktiv machenden Neutronenstrahlung ausgesetzt waren, an einen sicheren Ort bringen kann.
Für den Hochtemperatur-Reaktor Hamm-Uentrop ist vorgesehen: Er muss zunächst noch bis zum Jahre 2030 ständig überwacht und kontrolliert werden. Das Wasser in der ganzen Umgebung muss bis dahin ständig auf Radioaktivität hin untersucht werden. Er hat bereits einen fünf Meter dicken Betonmantel bekommen, aber Strahlung verschwindet nicht einfach, sie klingt ab. So ist der Reaktor heute in einem etwa 40 Meter hohen ‚Kasten‘ gefangen.
Im Jahr 2030 wird dann mit dem „Rückbau“ begonnen werden, der 15 Jahre dauern soll. Dabei werden insgesamt etwa 6000 m³ leicht und mittel verstrahltes Baumaterial anfallen, das sicher gelagert werden muss.
Erst 2045 wird das Atomkraftwerk wirklich „weg“ sein und selbst dann muss man den Ort noch absperren und für spätere Generationen Warnungen hinterlassen, denn das Plutonium zum Beispiel, das in geringen Mengen bei der Gewinnung von Strom aus angereichertem Uran anfällt, braucht mehrere zehntausend Jahre, bis seine Strahlung auch nur auf die Hälfte abgeflaut ist.
Die Wartung und der „Rückbau“ werden voraussichtlich noch einmal eine Milliarde Euro verschlingen.
Und dann kommt noch das völlig ungelöste Problem der Endlagerung. Das eigentlich gar nicht als Endlager vorgesehene Asse, ein aufgelassenes Salzbergwerk, das dann aber faktisch doch als Endlager für viel Atom-Müll benutzt wurde, hat jetzt bereits erhöhte Strahlung in der Umgebeung. Die Gleichung: Salzbergwerk = sicheres Endlager geht also nicht auf.
Das nun als Endlager vorgesehen Bergwerk Gorleben ist noch weniger als Asse geeignet. Es ist zu befürchten, die Regierung wird es trotzdem als Endlager durchsetzen und damit viele Tote und viele Kinder mit Leukämie und anderen Krebsarten verursachen.
Die einzig wirklich sichere Endlagerung für hochradioaktiven Atom-Müll ist, ihn in Raketen zu packen und in die Sonne oder in die Tiefen des Weltraums zu schiessen. Würde das wirklich getan, würden die gesamten Kosten dafür in etwa beim 100 000fachen des Werts des Stroms liegen, den das AKW vorher ins Netz gegeben hat.
Es hätte niemals auch nur ein Atomkraftwerk gebaut werden dürfen! Wir haben bereits jetzt schwerste Probleme! Jede weitere Minute, die AKWs noch laufen, schafft neue und kostet uns in der Zukunft Millionen und Milliarden!
Siehe zu Asse und Gorleben diese Artikel:
-„Nach Asse nun auch Gorleben“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/8423750/ )
- „Ob die Decke über ihnen einstürzt?“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/5990650/ )
- „Jetzt offiziell: Atomkraftwerke: Unberechenbares Risiko“ ( http://karlweiss.twoday.net/stories/5181793/ )
Hier Links zu den anderen Artikeln im Blog im Zusammenhang mit dem Super-Gau von Fukushima
- Nur ein bisschen harmlose Radioaktivität?
- Radioaktivitätswerte dürfen nicht mehr veröffentlicht werden.
- Super-Gau Japan 3
- Fukushima – Es wird immer gruseliger
- Radioaktivität? - Alles unschädlich
- Was war der Auslöser des Fukushima-Super-Gaus?
- Strahlende Teilchen in Kanadas Trinkwasser – Fukushima 7
- Fukushima – Kernschmelze im Reaktor 4
- Fukushima – Düster, düsterer
- Streit um die Fukushima-Artikel dieses Blogs
- Nach Fukushima nun Kashiwasaki – Kariwa?
- Fukushima – Die Atom-Mafia
- Der Deutsche Atom-Gau
- Fukushima: Nuklear-Explosion?
- Fukushima: Vor einem neuen Ausbruch?
- Fukushima: Jetzt scheint es passiert zu sein
- Fukushima: Mein Gott, Walter
- Fukushima: Bei weitem das grösste Atomunglück aller Zeiten
- Fukushima: Jetzt hat es auch die ‚Süddeutsche‘ bemerkt
Aktuallisierung zu Fukushima 23. 04 2011 23Uhr29
Nun gibt es ernste Sorgen in Fukushima über die riesigen Wassermassen, die sich in den Reaktoren durch die laufenden Kühlmassnahmen angesammelt haben. Anscheinend gibt es keinen Platz, wohin man dieses hoch radioaktiv verstrahlte Wasser bringen könnte.
Im Moment benutzt man jetzt die Betonumhüllung der Reaktoren selbst als Wasserbecken. Die japanische Atombehörde erinnert, dass Wasser Beton angreift und befürchtet, die Betonwände würden in ihrer Struktur beeinträchtigt und eine könnte bei einem der nächsten Nachbeben einbrechen.
Der Betreiber Tepco sieht das anders und will im Gegenteil bei den beiden am schlimmsten betroffenen Reaktoren 1 und 3 das Gehäuse bis Mitte Juli bis zur Hälfte mit Wasser füllen, um immer genügend Kühlmittel bereit zu haben.
Das erscheint nicht sehr klug, denn zum einen gibt es die Betonwände, die sehr wohl von Wasser "angefressen" werden und auf Dauer auch nicht wasserdicht sind, zum anderen gibt es eine Menge Teile aus Stahl. Es wird in Atomkraftwerken keineswegs etwa rostfreier Stahl verwendet, sondern normale Stahlsorten, die rosten. Ob das den Tepco-Leuten klar ist?
Es wird im Moment von mehreren Millionen Litern Wasser innerhalb des Kraftwerk-Geländes geschrieben. Anscheinend wird aber immer neues Wasser hineingepumpt. Das ist aber nicht nur wegen der Aggressivität von Wasser gegen Beton und Stahl kritisch, sondern auch weil all diese Wassermassen ja hoch verstrahlt sind. Wenn da etwas bricht und das ganze Wasser ins Meer läuft, wird alles noch viel schlimmer.
Die letzte Meldung ist, Tepco habe begonnen, einen Teil des Wassers abzupumpen. Wohin, wird nicht gesagt. Es muss davon ausgegangen werden, ins Meer.
Die Wassermengen hätten die Arbeiten zur Wiederherstellung der normalen Kühlsysteme behindert. Und das war nicht vorauszusehen?
Die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtet, an einzelnen Orten seien höhere radioaktive Werte gemessen worden. genaueres wird nicht gesagt.
Die Nachrichtenagentur Kyodo berichtet auch, die Männer, die noch im Kraftwerk arbeiten, seien immer höheren Strahlendosen ausgesetzt. Mittlerweile gebe es einen weiteren Arbeiter, dessen Gesamtdosis bei mehr als 100 Millisievert liege. Damit steige die Zahl der seit dem verheerenden Beben im März mit einer solchen Strahlendosis belasteten Fukushima-Helfer auf 30.
Zum Vergleich: Für Mitarbeiter von Atomkraftwerken in Deutschland ist eine Strahlendosis von höchstens 20 Millisievert erlaubt - pro Jahr.