Dienstag, 17. Juni 2008

Hartz-IV-Betroffene: Daumenschrauben anziehen!

Gericht wirft Wiesbadenerin wegen geringer Ordnungsstrafe ins Gefängnis

Von Karl Weiss

Eine Hartz-IV-Geschädigte in Wiesbaden konnte von ihrem kärglichen Regelsatz eine Ordnungswidrigkeitsstrafe von 32 Euro nicht bezahlen. Nun muss sie nach einem langen Instanzenweg von 2005 bis 2008 dafür ins Gefängnis. Außerdem hat sie inzwischen schon 66 Euro zu zahlen.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat das Verfahren zu hohen Kosten durch die Instanzen gepaukt und kam schließlich beim Landgericht an, das die Haft für zulässig erklärte. Die Staatsanwaltschaft verteidigte dies, eine solche Haft sei ein „übliches Druckmittel“.

Des Falles angenommen hat sich die Wiesbadener Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Sie hat errechnet: Der Instanzenweg hat den Staat etwa 600 Euro gekostet, also etwa das Zwanzigfache des Bußgeldes. Das ist offensichtlich nicht verhältnismäßig.

Hartz-Protest 02

Außerdem kritisiert die Initiative, es werde ein zynischer Gleichheitsgrundsatz verwendet, der Grundsatz, „es sei Armen wie Reichen verboten, unter den Brücken zu schlafen“. Der demokratische Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 Abs.1 des Grundgesetzes beinhaltet nach ihrer Ansicht, dass „wesentlich Ungleiches ungleich behandelt“ werden muss.

Es sei etwas völlig Verschiedenes, wenn eine Person mit einem normalen Einkommen 32 Euros zu zahlen hat oder eine Person, die mit 347 Euro im Monat auskommen muss. Die Haltung der Staatsanwaltschaft, es müsse auf Teufel komm raus dies Geld eingetrieben werden, und wenn es Tausende von Euros kostet, ist haltlose Prinzipienreiterei.

Polizeieinsatz gegen friedliche Demonstranten

Wie sind wieder im Mittelalter angelangt, als Daumenschrauben angelegt wurden.

Wer sich näher informieren will, hier ist der Link zum Sozialticker: http://www.sozialticker.com/ist-eine-32e-ordnungswidrigkeit-rund-20-fache-steuergeldkosten-wert_20080418.html

Und hier der zur Wiesbadener Initiative Grundeinkommen: http://www.grundeinkommen-wiesbaden.de


Veröffentlicht am 17. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung



Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

Montag, 16. Juni 2008

Kann Springer Kriege verursachen?

Die letzten Hemmungen fallen

Von Karl Weiss

„Die letzten eventuell noch gültigen Regeln des Mindest-Anstandes werden nun übertreten, nichts ist mehr unmöglich – alles erlaubt!“ Das ist nicht etwa das Lamento eines rückständigen Spiessers, sondern die nüchterne Beschreibung der heutigen Medienszene. Wie die meisten schon gehört haben, hat der Springer–Verlag seine polnischen Hetzblätter gegen die deutschen und sein deutsches Hetzblatt Bild gegen die Polen in Stellung gebracht und versucht, in beiden Ländern nationalistische Gefühle zu wecken und auf einen Krieg gegen das jeweils andere Land zu orientieren. Als Vorwand diente dazu die Fussball-EM und das Eröffnungsspiel Deutschland-Polen, aber der tatsächliche Inhalt war Völkerhetze.

ambulancehit
Auch im Krieg gibt es keine Hemmungen mehr: Ambulanzwagen im Libanon, getroffen von einer israelischen Luft-Boden-Rakete im Libanonkrieg 2006

So liess der Springer-Verlag sein polnisches Boulevard-Blatt `Super-Express` ausdrücklich nicht einfach nur über Fussball sprechen, sondern bezog sich auf die Schlacht bei Tannenberg im Jahr 1410 und liess Bezug nehmen und auf die deutsche Niederlage von 1945. Die Zeitung «Dziennik» (Axel Springer Polska) zitierte einen Spieler: «Dieser deutsche Panzer stört mich nicht. Ich werde gern mit ihm zusammenstoßen ... Deutsche, wir werden Euch aufessen»

«Super Express» druckte eine Fotomontage ab, die Polens Nationaltrainer Leo Beenhakker zeigt. Mit grimmigem Gesichtsausdruck hält er die beiden abgeschlagenen Köpfe von Jogi Löw und Michael Ballack in den Händen. Dazu die Überschrift: «Leo bring uns die Köpfe!»

Fisk Iraq 'Terrorist' 5

Dann lässt Springer die deutsche Abteilung der Blätter anworten, aus denen Blut läuft, wenn man sie schräg hält: Bild beginnt gegen Polen zu hetzen: „«Das ist widerlich!» mit dem Aufmacher: «EM-Krieg gegen uns! Hetze gegen unsere EM-Mannschaft» und «Die Polen, unser 1. Gegner, führen einen schmutzigen Fußballkrieg!» und «Die Giftpfeile der Polen». Dass „die Polen“ Springer heissen, unterschlägt man natürlich.

Dann lässt man auf der östlichen Seite nachlegen: Springers Blatt ‚Fakt’ stellt die absurde These auf, die deutsche und österreichische Mannschaft hätten durchblicken lassen, sie würden im letzten Gruppenspiel „das richtige Ergebnis“ einstellen können, um Polen draussen zu lassen. Unter dem Titel »Die Deutschen und Österreicher wollen uns verarschen« schreibt sie über eine angebliche Verschwörung: »Skandal! Unser Gegner macht keinen Hehl daraus, dass sie sich auf das Ergebnis ihres Spieles einigen können. Diese Abmachung wäre für uns keine Überraschung.«

Bild eines nackten Gefangenen in "Stress-Haltung"

Darauf lässt Springer dann wieder die Bild reagieren: „Es wird immer irrer“ heisst die Schlagzeile – und „Polen werfen uns EM-Betrug vor!«, sowie: Die »nächste Attacke« der Polen, »Ungeheuerlich!«

Nun, weder hat es Springer geschaftt, einen Krieg vom Zaum zu brechen, noch waren die Ereignisse um und während des Spiels in Klagenfurt kriegerisch, aber dies war trotzdem eine Premiere: Niemals bisher hatte es ein Medienkonzern gewagt, auf beiden Seiten Kriegshetze zwischen zwei Ländern zu inszenieren – selbst wenn die Besitzverhältnisse von Verlagen einfach festzustellen sind.

Uranpreis

Das belegt: Die letzten Hemmungen sind gefallen, das letzte bisschen Schamgefühl wurde abgelegt.

Der Kapitalismus schafft in schnellem Rhythmus neue Probleme: Die Ölpreissteigerungen, der US-Immobilien-Crash, die beginnende Welt-Wirtschaftskrise, die Dollar-Schwäche, die Lebensmittelpreis-Erhöhungen, der sprunghaft gestiegene Armut und Hunger in der Welt, die ständig steigenden Temperaturen der Athmosphäre mit Tendenz zur Klimakatastrophe, das Artensterben, die Versäuerung der Meere, der Goldpreis, der Uranpreis, der steigende Meeresspiegel, die Vernichtung der Regenwálder, Tausende von toten Kindern durch Elend pro Tag und ...und... und...

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Er hätte schon abgeschafft werden müssen, er kann kein einziges Problem mehr lösen, aber schafft ständig neue Probleme. Er ist in Zersetzung begriffen, alle moralischen Werte, die zu Beginn des Kapitalismus die Kapitalisten gegenüber den dekadenten Vertretern des Feudalismus so überlegen machte, sie zerfallen zusehends, fast stündlich.

Kannte man damals noch die „Regeln rechtschaffener Kaufleute“, so sind die nun zum Hintertreppenwitz verkommen.

Schill beim Koksen

Was , damals durfte man keine Millionen annehmen von der Grossbank, um dafür zu sorgen, dass der Konzern, dem man vorsteht, an den Kandidaten der Bank verkauft wird? Lächerlich!

Was, damals war es nicht angebracht, ein Loft in einer nahen Stadt anzumieten, wie man sich, seinen Managern und natürlich dem Betriebsratsvorzitzenden regelmässig rauschende Feste mit Prostituierten verschafft, einschliesslich aus Brasilien eingeflogenen? Waren die denn blöd?

Brasilianischer Karneval: Tänzerin auf dem Festwagen

Was, damals war es verpönt, sich Geschäfte zu sichern, indem man Offizielle des jeweiligen Landes und Manager der Kunden-Konzerne besticht? Meine Güte, wie rückständig!

Zumwinkel

Wie, damals bezahlte man als Grossverdiener noch Steuern, obwohl es doch die bekannten Steueroasen wie Liechtenstein usw. gibt? Fehlende Kleverness!

Damals musste man Parteispenden noch angeben? Hahahaha! Heute lässt man sie vom Parteisekretär, der später dafür Innenminister wird, in schwarzen Koffern über die Grenze bringen und verwendet sie nur für jene in der Partei, die einen unterstützen. Das dies korrekt ist, bestätigen einem später die Gerichte!

Filbinger und Kohl

Grosse Telefon-Konzerne hörten damals noch nicht die eigenen Manager und Aufsichtsratsmitglieder ab? Handelsriesen spionierten nicht ihren Angestellten mit Video-Kameras nach? Ja, das waren eben noch Zeiten ohne moderne Technik. Heute kann man alles!

Gab der junge, aufstrebende Kapitalismus der Menschheit noch die hochfliegendsten Hoffnungen, denn er kam zusammen mit der Aufklärung, so sind alle deren Werte heute obsolet.

Abu Ghraib 7-35
Abu Ghraib: Schwer verletzter, nackter Gefolterter

Was, damals war Folter verboten? Was für ein Unsinn!

Irak: Weinendes blutbeflecktes Kind, dessen Vater und Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Was, damals durften kleine, arme Länder nicht einfach von den Grossmächten überfallen und zu Protektoraten gemacht werden? Angriffskriege waren verboten? Unverständlich!

Was, damals hatte jeder das Recht auf einen Prozess vor einem unabängigen Richter, mit selbst gewählten Verteidiger und Einblick in die Akten? Zeugen vom Hörensagen waren nicht erlaubt, der Verteidiger musste die Zeugen persönlich befragen können? Man durfte nicht auf unbestimmte Zeit ohne Anklage festgehalten werden? Ohne richterlichen Entscheidung durfte man überhaupt nur kurze Zeit festgehalten werden vom Staat? Welch völlig absurde Regeln!

Wie, wer absichtlich Zivilisten im Krieg tötete (oder Ziviltote biligend in Kauf nahm), wurde als Mörder (oder Totschläger) angeklagt? Wo kämen wir denn da hin, da wäre ja das halbe Militär im Gefängnis!

Ja, zu jener Zeit gab es noch freiheitliche Presseorgane und Zensur war verboten. Heute dagegen gehören fast alle Medien nur wenigen Mogulen, die Zensur durch Einstellung und Entlassung ausüben.

Diese Mogule wissen sehr wohl: Die Zeit des Kapitals ist abgelaufen. Jeder Tag, den der Kapitalismus länger hat, wird er den Erdball stärker mit seinem Verwesungsgestank eindecken.

Er ist in brüllende Dekadenz übergegangen: Die kapitalistische Barbarei.

Nun geht es darum, die Bevölkerung vom Aufstand abzuhalten. Also muss sie mit ständig billigeren Sensationen gefüttert werde, mit Hass gegen alles und jeden erfüllt werden und mit Angst vor allem und jedem, seien es die jungen Ausländer, die Ausländer im allgemeinen, seien es die Dunkelhäutigen, seinen es die Terroristen, die Islamisten oder die Kriminellen. Lasst uns über die Kinderschänder reden, aber nicht die in den Familien! Lasst uns in aufsehenerregenden Grossaktionen Hunderttausende von Konsumenten von Kinderporno verfolgen („Kinder“ sind ja nun bis 18 definiert und wer jünger als 18 aussieht, ist ebenfalls „Kind“).

Und vor allem: Lasst uns Kriege machen. Lasst uns den Hass zwischen Völkern schüren, lasst uns die Massen aufeinander hetzen. Dänen gegen den Islam. USA gegen den Iran. Islamisten gegen den Westen. Iran gegen ... (gegen wen gleich noch?) Und nicht zu vergessen: Polen gegen Deutsche.

Irak-Krieg US-Aggression

Nur so werden wir uns retten können! Die Kriege sind unser Ausweg!


Veröffentlicht am 16. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Berichtigung zum Artikel

Es muss ein Punkt des Artikels berichtigt werden: Von den drei erwähnten polnischen Blättern sind nur zwei , "Fakt" und "Dziennik" im Besitz des Springer -Verlags, nicht das dritte, "Super Express". Wie aus dem Artikel hervorgeht, ändert das in keinster Weise die Tatsachen und macht deshalb auch die wesentlichen Aussagen des Artikels nicht weniger wahr.

Sonntag, 15. Juni 2008

Hartz IV: Vertreibung von Mietern

Lügen der Bundesregierung widerlegt

Von Elmar Getto

Was man eigentlich erst im nächsten Jahr erwartet hatte, ist bereits eingetreten: Die Vertreibung von Mietern aus ihren Wohnungen durch Hartz IV. Wie der Bochumer Mieterverein meldet, hat eine Frau aus Günningfeld bereits eine schriftliche Aufforderung von der „Arbeitsagentur“ bekommen, ihre Wohnung zu verlassen und eine kleinere Wohnung zu suchen mit der Drohung, sonst würde ihr kein Arbeitslosengeld 2 zugebilligt. Damit sind die Lügen der Bundesregierung, die genau die Voraussagen dieser Vertreibungen und anderer Brutalitäten von Hartz IV als „Panikmache“ und „das alles wird nicht eintreten“ zurückwies, bereits aufgeflogen.

Hartz-Protest 02

Dabei hat die Frau noch nicht einmal, so wie viele Mieter, die Arbeitslosengeld 2 beantragen müssen, eine zu hohe Miete nach den örtlichen Höchstgrenzen. Für sie liegt die Höchstgrenze bei € 4,87 / qm und sie zahlt nur 4,09 / qm. Die Wohnung ist aber nach Ansicht der „Arbeitsagentur“ zu groß. Sie wohnt in 57 qm, 12 mehr als ihr „zustehen“.

Bezogen auf ihre Miete geht es dabei um einen Betrag von lediglich € 13,65 pro Monat.

Nicht nur die Bundesregierung, bürgerliche Politiker jeglicher Coleur, inclusive einige der PDS, hatten wiederholt versichert, daß wegen kleiner Überschreitungen der Höchstgrenzen „selbstverständlich“ niemand aus seiner Wohnung vertrieben werde, daß die Warnungen der Mietervereine, daß reihenweise Mieter vertrieben würden, reine „Panikmache“sei usw. Der Sozialreferent der Stadt München z.B. hatte in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ ausdrücklich verneint, daß massenhaft Mieter vertrieben würden und hatte sogar „Einzelfälle“ – die er zugestand - für das erste halbe Jahr ausgeschlossen. Ebenso wie dieser bürgerliche Politiker hatte eine andere bürgerliche Politikerin, die Leiterin des Magdeburger Sozialamtes, in einem Interview mit der „Jungen Welt“ versichert, dies alles würde „mit Augenmaß“ angewandt.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Welch ein „Augenmaß“ Arbeitslose, die auf Arbeitslosengeld 2 angewiesen sein werden, zu erwarten haben, zeigt gleich dieser erste bekannt gewordenen Fall: Wegen 13 Euro pro Monat zuviel qm wird eine Frau gezwungen, innerhalb weniger als zwei Monate eine kleinere Wohnung zu finden, sonst wird sie Anfang Januar ohne Geld dastehen.

Schröder, Clemens und Fischer, aber auch die CDU/CSU-Politiker, die dies mitbeschlossen haben und die PDS, die dies mit umsetzt, müssen nun beim Schlafittchen genommen werden und angesichts dieses Falles (und weiterer Fälle, die jetzt Schlag auf Schlag kommen werden) auf ihre Lügen angesprochen werden.

Hartz-Protest 01

Wer nicht mehr an Montagsdemonstrationen teilgenommen hat, weil er vielleicht dachte, es werde nicht so heiß gegessen wie kocht, kann sich getrost bei seiner Montagsdemo zurückmelden, die Warnungen waren eher noch untertrieben. Hartz IV muß zurückgenommen werden!


Dies ist die Dokumentation eines Hartz-IV-Artikels von Elmar Getto, der am 13. November 2004 in der Berliner Umschau erschien, damals noch "RBI-Aktuell". Zu diesem Zeitpunkt war Hartz IV noch nicht einmal eingeführt, aber man sollte bereits die ausgefüllten Anträge abgeben und erhielt schon Bescheide. Die Montagsdemonstrationen waren unter heftiger Beihilfe von rechten Gewerkschaftsführern und FUnktionären der heutigen "Linken" kleingeredet worden. Es hatte sich eine Stimmung ausgebreitet, es werde schon alles nicht so schlimm werden. Zu diesem Zeitpunkt war jede Stimme, die Wahrheiten sagte, so nötig wie das tägliche Brot. Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Elmar den Artikel: Dossier Hartz IV: Hindernisrennen ins Elend und diesen Artikel, Meilensteine im kritischen Journalismus gegen den Sozialabbau. Wie wahr sie waren, kann heute Jeder beurteilen.


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

Montag, 9. Juni 2008

'Der reichste Europäer' - doch kein Wohltäter der Menschheit?

Was geht im Amazonas-Regenwald vor?

Von Karl Weiss

Der Schwede, jetzt britischer Staatsbürger Johan Eliasch wurde bekannt durch seine Sportartikel-Fabrik ‚Head’ mit ihren Skis und Tennisschlägern, regiert aber heute über ein Imperium von Firmen. Er wird oft als der reichste Europäer bezeichnet. Er hatte bereits im Jahre 2006 auf einer Konferenz der Lloyds-Rückversicherer anderen Unternehmern vorgeschlagen, zusammen mit ihm das ganze Amazonasgebiet zu kaufen, um die dortige Regenwaldvernichtung stoppen zu können (siehe dazu hier).

Regenwald-Abholzung Brasilien

Als Grund gab er ganz praktische Überlegungen an: Das ganze Amazonasgebiet wäre mit etwa 18 Milliarden Dollar für einen Pappenstiel zu erwerben (eine andere Quelle spricht von 50 Mrd. Dollar). Dagegen wären Unwetterkatastrophen wie z.B. der Hurrikane Katrina, die durch die beginnende Klimakatastrophe mit verursacht sind, für die Rückversicherer weit teurer gekommen. Und die Klimakatastrophe würde zur vollen Entfaltung kommen, wenn das Amazonasgebiet zur Steppe wird. Und Katrina war nur ein Hurrikane. Wenn dadurch hunderte von so starken Hurrikane (oder noch stärkeren) verhindert werden könnten, sei dies Geld gut angelegt. Tatsächlich wären für eine Gruppe von Konzernen oder für die Lloyds-Gruppe 18 Milliarden (aber auch 50 Mrd.) Dollar kein Betrag.

Allerdings wurde im oben verlinkten Artikel bereits gesagt, die Sache sei nicht so einfach: „So sehr also die Idee des Unternehmers auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen mag, man hat es hier mit ganz anderen Größenordnungen und Arten von Problemen zu tun, als mit lächerlichen 18 Milliarden Dollar.“ Was das im Einzelnen ist, kann man im verlinkten Artikel nachlesen.

Bereits zu jenem Zeitpunkt 2006 war bekannt, dass Eliasch auch schon zur Tat geschritten war und zwei größere Areale im Amazonasgeiet, nicht allzu weit von Manaus, gekauft hatte. Inzwischen scheint er bereits Besitzer weiterer Gebiete dort zu sein. Nach Angabe der brasilianischen Tageszeitung „Folha de São Paulo“ ist er dort inzwischen insgesamt Eigner einer Fläche von der Grösse des ganzen Staates Berlin, etwa 160 000 Hektar.

Brasilien (topographisch)

Allerdings hat sich nun herausgestellt, alle diese superschlauen Auslassungen des Konzerneigners scheinen nichts als ein Ablenkungsmanöver, ein Verschleierungsprogramm seiner wahren Absichten gewesen zu sein.

Es wurde nämlich kürzlich bekannt, er hat all dies Land zusammen mit einer Holz-Verarbeitungs- und -handelsfirma gekauft. Was? Was in drei Himmels Namen könnte jemanden, der den Holzeinschlag im Amzonasurwald stoppen will, dazu veranlassen, dies ausgerechnet durch eine Holzfirma tun zu lassen????

Veröffentlichungen in den letzten Tagen durch die brasilianische Bundespolizei, den brasilianischen Geheimdienst Abin, die brasilianische Umweltbehörde Ibama, eine Fernsehsendung und eine Anzahl von Zeitungen bestätigen, was der aufmerksame Leser beim Namen Holzfirma bereits befürchtete: Es geht dem supperreichen Konzerneigner anscheinend - um was wohl, na - um noch mehr Profit, um noch mehr Reichtum. Er hat nach Angaben einiger Quellen einen blühenden Handel mit Tropenhölzern aus seinen Amazonasbesitzungen aufgemacht. Andere Quellen betonen allerdings, dieser Vorwurf sei nicht bewiesen.

Amazonas

Vernichtet er Regenwald für mehr Profit? -Wenn diese Angaben stimmen. Kann er den Rand nicht voll kriegen?

Für das Fällen von Bäumen braucht man im Amazonas-Regenwald eine Lizenz – und die hatte er nicht, kurzum, wenn das alles stimmt, dann ist er nichts weiter als ein Krmineller!

Über die hohen Profiten mit Tropenhölzern wurde bereits in diesem Artikel berichtet:

"Im Schnitt, so stellten die Wissenschaftler fest, werden etwa 30 Bäume mitgefällt, wenn einer der Urwaldriesen herausgeholt wird. Das hängt auch damit zusammen, daß in solchen Regenwälder die Bäume untereinander mit Lianen verbunden sind. Ein großer Mahagoni-Stamm bringt mehrere Hundert Dollar in einem Sägewerk. Neben dem Mahagony gibt es noch etwa 35 andere Baumarten, deren Hölzer begehrt sind. Die Stämme werden mit Traktoren zum nächsten Flußlauf geschleppt und dort zu Flößen zusammengestellt, die dann mit Schleppschiffen zu den großen Sägewerken gebracht werden. Wenn man im Schnitt täglich drei Bäume für einen Tag pro Einsatztrupp (mit fünf Mann) rechnet und die geringen Kosten für den Verantwortlichen der Aktion (weniger als 50 Dollar pro Tag einschließlich Abschreibungen), kann dieser größenordnungsmäßig mit etwa 1.000 Dollar Reingewinn pro Tag rechnen. Davon muß der verantwortliche Verbrecher dann etwa 100 Dollar pro Tag an Schmiergeldern für Beamte abziehen, die ihm anschließend den Stempel „aus kontrolliertem Einschlag" auf die Papiere seiner Hölzer setzen.

Arbeitet der Verbrecher mit einem Schiff und drei Traktoren sowie drei Trupps, erzielt er also einen Profit von um die 2.700 Dollar pro Tag. Das macht bei 25 Arbeitstagen im Monat 67.500 Dollar REINGEWINN. Pro Jahr wären das 810.000 Dollar. Man kann damit also mit wenig Aufwand annähernd eine Million Dollar im Jahr machen."


Die Ibama hat am 5.6.08 bekannt gegeben, die Firma von Eliasch sei mit einer Strafe von 450 Millionen Reais (1 Euro sind etwa 2,50 Reais) belegt worden für illegales Abholzen von Urwald (genau gesagt für das Nichteinhalten von Auflagen diesbezüglich).

Nicht dass Eliasch dies wirklich zahlen müsste, nein! Da sei die brasilianische Justz vor. Ein Prozess dieser Grössenordnung braucht hier seine 20 Jahre, um beim Bundesgerichtshof zu landen und bis dort entschieden wird, ist keiner der Beteiligten mehr am Leben. Diesen Mechanismus hat die brasilianische Oligarchie geschaffen, um niemals bestraft zu werden.

Regenwald

Auch die Art und Weise, wie Eliasch die Holzfirma mit dem Land gekauft hat, ist äusserst verdächtig. Er hat sie nicht auf seinen Namen gekauft, sondern als Eigner eines Investitions-Fonds, der im Staat Deleware der USA registriert ist. Nur hat der Staat Deleware eine spezielle Eigenschaft bei Investitionsfonds: Dort werden die Besitzer nicht bekannt gegeben. Wer dunkle Geschäfte mit einem Investitionsfond vorhat, lässt ihn in Deleware anmelden. Reiner Zufall?

Doch das ist noch nicht alles, was Verdacht erregte. Grosse Teile seiner Besitzungen werden von einer NGO (Non-Governamental Organisation) mit dem Namen ‚Cool Earth’ verwaltet („Die Erde kühlen“), die auch anderweitig im Amazonasgebiet tätig ist. Eliasch hat diese Organisation anscheinend speziell zu diesem Zweck gegründet. Nach seinen Angaben führt diese Organisation soziale und umweltschonende Programme mit der einheimischen Bevölkerung dort durch.

Recherchen von Fernsehjournalisten des Monopolsenders Globo haben aber ergeben: Diese ‚Cool Earth’ verkauft Amazonasstückchen für echtes und reales Geld, ohne dass der „Käufer“ tatsächlich Besitzrechte bekommt. Er erhält lediglich die Zusicherung, auf dem gekauften Stück würde nun kein Regenwald mehr vernichtet. So scheint Eliasch seine Investitionen wieder herausholen zu wollen.

Die Abin erklärte weiterhin, seine Zusicherung , nichts abzuholzen, sei nicht wahr. In zwei seiner Besitzungen seien deutlich Freiflächen zu erkennen. Es sei noch unklar, welche Aktivitäten dort vor sich gingen. Ausserdem habe ‚Cool Earth’ an zwei Nebenflüssen kleinere Wasserkraftwerke installiert, für die man ebenso eine Genehmigung gebraucht hätte.

Gold

Besonders an zwei Stellen sind der Abin die Aktivitäten von Cool Earth verdächtig: Man berichtet, an der Grenze der brasilianischen Bundesstaaten Mato Grosso und Pará sei die NGO im Gebiet Cristalino und im Gebiet Teles Pires aktiv, die beide bereits mehrfach wegen der Bitte um Lizenzen zum Goldschürfen aufgefallen sind. Ausserdem handele es sich um geologische Formationen reich an ‚Lamprófiro’, ein Leitmineral für Diamantenfunde.

Offenbar gibt es also auch den Verdacht, Cool Earth bzw. Eliasch könnten unter dem Vorwand sozaler Projekte Mineralienvorkommen erkunden.

Die Abin hat allerdings darauf hingewiesen, dass bisher nichts bewiesen ist, sondern noch ermittelt wird.

Die Journalisten vom TV Globo sind nach London gereist, wo Eliasch zu Hause ist und haben ihn dort interviewt. Er sagt, er habe nur deshalb Aktivitäten in Amazonien, weil er mithelfen will, die Vernichtung des Regenwaldes zu stoppen. Er negiert jegliche anderen Absichten und kann sich nicht erklären, woher die Verdächtigungen kommen.

Schwer vorzustellen: Einer der gerissensten Geschäftsmänner als ein Naivling, der ohne es zu wollen, Verdacht auf sich zieht?

Dass er eine schillernde Figur ist, hat Eliasch auch schon anderweitig bewiesen: Er war für viele Jahre einer der grossen Spender für die britische konservative Partei. Dann wechselte er plötzlich die Seiten und unterstützte Labour. Er ist heute der Umweltberater des britischen Premiers Gordon Brown.

Ob sich Mr. Brown da nicht im Bestreben, von goldenen Eiern zu profitieren, ein faules ins Nest gelegt hat?


Veröffentlicht am 9. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Samstag, 7. Juni 2008

Eine rauschende Fussballnacht im Maracanã

Libertadores-Finale: LDU-Fluminense

Von Karl Weiss

Das war Fußball, wie es das Herz begehrt: 90 Minuten am späten Abend des 4. Juni 2008 im gefüllten Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro: Boca Juniors Buenos Aires, gegenwärtiger Titelhalter, gegen Fluminense Rio de Janeiro, Bester der Gruppenphase, vor 84 000 begeisterten Zuschauern. Wie immer, haben Duelle zwischen argentinischen und brasilianischen Vereinen eine besondere Aufmerksamkeit, wieviel mehr, wenn das Halbfinale der Kontinent- Meisterschaft Libertadores bestritten wird.



Während in der Endphase der Champions Leage, wenn Chelsea, Barcelona und Manchester United antreten, das Spiel zum Gähnen langweilig ist für jemand, der nicht einem der beiden Vereine anhängt, weil fast nur im Mittelfeld um den Ball gekämpft wird und man nur viertelstündig vor einem der Tore auftaucht, sind die Spiele der besten südamerikanischen Mannschaften und Mexikos voller Spannung, extrem ereignisreich und angefüllt mit Szenen vor beiden Toren

Zu den Gründen dafür hier.

Das Hinspiel war 2:2 in Buenos Aires ausgegangen, eine Spitzenleistung von Fluminense, denn dort kann man auch schon mal untergehen. Damit war ein einfacher Sieg zu Hause ausreichend und auch schon ein 0:0 und ein 1:1 unentschieden, um Fluminense ins Finale zu bringen.



Aber Fluminense hatte schon seit Jahren kein Maracanã mehr gefüllt, auch nicht, nachdem es renoviert und vollständig mit Sitzplätzen versehen wurde, was die Kapazität, die einmal bei 200 000 Stehplätzen lag, auf 84 000 verringert hat. Das lag daran, dass Fluminense, früher immer der Hauptrivale von Flamengo in Rio (die Lokalderbys Fla-Flu waren Legende), in den beiden letzten Jahrzehnten zu einem mittelklassigen Verein wurde. Man war sogar einmal bis in die dritte Liga abgestiegen.

Im letzten Jahr hatte man den brasilianischen Pokal gewonnen und von dann ab ging es aufwärts. In der brasilianischen Meisterschaft wurde man Dritter und dann konzentrierte man sich 2008 voll auf die Libertadores. Die Pflichtspiele in der Rio-Meisterschaft und jetzt auch in der brasilianischen bestritt man meist mit Reservemannschaften oder jedenfalls stark ausgedünnten Aufstellungen, was unter anderem dazu geführt hat, dass man in der Tabelle momentan mit einem einzigen Punkt auf dem letzten Platz steht. Doch die Priorität zahlte sich aus. Nicht nur, dass man die beste Gruppenmannschaft der Libertadores war und daher bis einschliesslich der beiden Endspiele den Vorteil hat, das jeweils zweite Spiel zu Hause austragen zu können, nicht nur, dass man jetzt in den Endspielen steht und damit zweimal die Einnahmen aus einem gefüllten Maracanã erhält, vor allem wurde der Name Fluminense wieder zu einem Fußball-Markenartikel, wie er das über lange Jahre des 20. Jahrhunderts war.

Fluminense - Boca: Palácio und Palermo haben eine grosse Chance vergeben

Zu Beginn des Spieles vor der beeindruckenden Kulisse versuchte Fluminense Druck zu machen, wie man es versprochen hatte. Washington vergab eine hervorragende Torchance und die Zuschauer kamen fast zum Delirium. Doch dann, im Verlauf der ersten Hälfte, wurde Boca immer überlegener und dominierte das Spiel. Folgerichtig taten sich Torchancen auf, die aber zum Teil vergeben wurden (Riquelme, Palermo, Palácio, Cáceres ) und zum Teil an irgendeinem fluminensischen Bein apprallten. Was durchkam, wurde Beute des Torhüters Fernando Henrique von Fluminense, der seine bisher beste Leistung zeigte und zum besten Spieler des Siegers avancierte. Nur in der ersten Halbzeit waren es bereits zwei „unmögliche“ Abwehrtaten von ihm, wozu in der zweiten weitere drei kamen.

Dass man zur Halbzeit nicht zurücklag, konnte nur als das Glück des Tüchtigen angesehen werden. In der zweiten Halbzeit ging es zunächst genauso weiter: Boca drückte, Fluminense verteidigte. So kam dann auch der Moment, in dem das Unausweichliche geschah: Boca ging 1:0 in Führung. Eine Flanke von links von Riquelme zielte unmittelbar vors Tor am zweiten Pfosten. Palermo trat blitzschnell an und stand plötzlich allein direkt vor dem Torwart, wenn auch in spitzem Winkel rechts vor dem Tor. Als die Flanke ankam, köpfte Palermo den Ball zwischen Pfosten und Torhüter ins Tor.



Hätten beide so weitergespielt, wäre das Finale Boca nicht zu nehmen gewesen. Doch nun zeigte die junge Mannschaft von Fluminense, was sie auch schon an gleichem Ort gegen Sâo Paulo bewiesen hatte: Sie kann zurückfighten. Das Bild änderte sich, Fluminense wurde gleichwertig und die Szenen vor beiden Toren wechselten sich jetzt ab. Bei Fluminense kam Dodô als zweiter Stürmer herein, der schon wiederholt als Joker eingesetzt worden war. Er war früher einmal eines der brasilianischen Supertalente gewesen, wurde dann aber nicht mehr als ein guter Stürmer, ohne den Sprung nach Europa zu schaffen. Jetzt, gegen Ende seiner Karriere, ist er der ideale Joker. Er kommt in der zweiten Halbzeit, wenn sich schon Ermüdungserscheinungen bei der Abwehr zeigen und kommt mit seinem technischen Fußball dann oft in aussichtsreiche Positionen.

An diesem Abend zeigte er auch ein Kabinettstückchen, das man selten zu sehen bekommt: Er bekam mit dem Rücken zum Tor den Ball, wurde aber von zwei Seiten angegriffen. Da schob er den Ball zwischen den Beinen in Richtung Tor und machte gleichzeitig eine Pirouette, die beide Abwehrspieler täuschte und war mit dem Ball in Richtung gegnerisches Tor unterwegs.



So war es denn auch Dodô, der kurz vor dem Strafraum gefault wurde. Der fällige Freistoss wurde von Washington direkt genau in den Winkel verwandelt: 1:1. Eigentlich ist es Riquelme auf der anderen Seite, der für diese Freistosstore zuständig ist, aber der hatte nicht den besten Tag erwischt. Seine beiden Freistösse schickte er übers Tor.

Mit diesem Ergebnis war es wieder Fluminense, das weitergekommen wäre. Boca griff nun immer wütender an, aber Fluminense erwies sich als gleichwertiger Gegner. In ihren Bemühungen musste die Mannschaft von Boca nun aber bis zu einem gewissen Grade die Abwehr vernachlässigen und das nutzte Fluminense kaltblütig aus.



Mit Conca ging das Team bereits kurz nach dem Ausgleichstor in Führung. Fast gelang Palácio in der Schlussminute der regulären Spielzeit der Ausgleich, aber der Ball verfehlte knapp das Tor. In der Nachspielzeit, als Boca verzweifelt um ein 2:2 kämpfte, das zu einem Elfmeterschiessen geführt hätte, setzte Dodô den Schlusspunkt. Boca zeigte eine Ungenauigkeit im Pass in der Abwehr, die Dodô fast frei vor das Tor kommen liess. Er liess mit einem gut gezirkelten Ball dem Torwart keine Chance. 3:1! Flu war in den Endspielen und das Stadion explodierte fast.



Das war etwa um 23.45 an diesem Abend, aber die Anhänger von Fluminense verliessen das Stadion erst lange nach Mitternacht.

Damit hat Fluminense das seltene geschafft, das nur wenige Vereine in Südamerika in den letzten zehn Jahren für sich reklamieren können, Boca Juniors aus dem Wettbewerb geworfen zu haben. Der letzte, dem das gelungen war, war der São Paulo F.C. im letzten Jahr in der Copa Sulamericana, dem Gegenstück zum UEFA Cup. In der Libertadores allerdings ist es Jahrzehnte her, dass Boca Juniors durch ein brasilianisches Team eliminiert wurde. Das letzte Mal war 1963 (!), gegen das Santos von Pelé im Endspiel.



Bereits am Vortag hatte sich LDU Quito aus Ekuador überraschend gegen America Mexiko Stadt durch ein 0:0 zu Hause für die Endspiele qualifiziert, nachdem man es geschafft hatte, im Aztekenstadion in Mexikos Hauptstadt ein 1:1 unentschieden zu erreichen. Das belegt eindrucksvoll, was der Berichterstatter bereits in einem früheren Artikel gesagt hat: LDU ist bärenstark. Eigentlich sehen die Verantwortlichen der Fussballszene immer etwas von oben herab auf Mannschaften aus den Höhenlagens Boliviens, Perus oder Equadors, die weit kommen in der Libertadores. Sie haben ja den Vorteil des Heimspiels gegen nicht an die Höhe adaptierte Gegner. Da die Spiele unter der Woche zwischen zwei Spielen im Heimatland stattfinden, kann keine Höheadaptation durchgeführt werden. Dies Argument trifft allerdings diesmal nicht zu, denn der Favorit aus Mexico Stadt lebt ja ebenfalls in etwa 3000 m Höhe und spielt dort. Er hatte also keine Probleme mit der Höhenluft.



Damit sind in beiden Halbfinalen die Favoriten ausgeschieden.

Für Fluminense wird allerdings wieder das Argument mit der Höhenlage zutreffen beim Hinspiel in Quito. Dort kann man immer froh sein, in einer Abwehrschlacht ein 0:0 zu erreichen. Wenn das gelingt, werden die Chancen gut sein auf den Titel. Kommt man aber mit einer Niederlage mit zwei Toren Unterschied ins Maracanã, dürfte gegen das starke Team von LDU kaum etwas drin sein.

Die beiden Endspiele sind terminiert für den 25. Juni in Quito und für den 2. Juli in Rio.

Zusätzlich seinen hier noch die beiden Halbfinalspiele des brasilianischen Pokals erwähnt, der ebenfalls in der Endphase ist. Beide Halbfinale, sowohl das zwischen Corinthians São Paulo und Botafogo Rio de Janeiro als auch das zwischen Vasco Rio de Janeiro und Sport Recife, wurden im Elfmeterschiessen entschieden. Corinthians und Botafogo hatten jeweils zu Hause 2:1 gewonnen. Corinthians war im Elfmeterschiessen glücklicher und gewann mit 5:4. Zwischen Sport Recife und Vasco gab es jeweils Siege mit 2:0 zu Hause. Das machte auch dort das Elfmeterschiessen nötig, wobei gleich der erste Elfmeter für Vasco von Edmundo in den blauen Himmel geschossen wurde. Alle anderen trafen und so gewann Sport mit 5:4. Damit waren beide Rio-Vereine ausgeschieden.

Am 4. Juni, zeitgleich mit dem Libertadores-Halbfinale im Maracanã, fand in São Paulo bereits das erste der beiden Endspiele um den Pokal statt, das Corinthians zu Hause mit 3:1 gewann. Das Rückspiel ist am 11. Juni in Recife. Damit gibt es erneut eine gute Chance für einen Zweitligisten, den Pokal zu gewinnen, wie das ja in vielen Ländern schon geschah.

Allerdings ist Corinthians kein normaler Zweitligist. Der Verein hat in São Paulo die bei weitem grösste Anhängerschaft und brasilienweit die zweitgrösste nach Flamengo. Er dürfte also kaum sehr lange in der zweiten Liga bleiben. Sollte er den Pokal gewinnen – und die Hälfte des Weges ist ja bereits zurückgelegt – stünde er bereits als erster Vertreter Brasiliens für die Libertadores des kommenden Jahres fest.


Veröffentlicht am 7. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Freitag, 6. Juni 2008

Deutschland als Einwanderungsland - für US-Amerikaner

Überraschungen aus der Statistik

Von Karl Weiss

Eine kleine Meldung nur in der Zeitung, doch sie hebt gleich ein ganzes Bündel von Vorurteilen aus den Angeln: Viele Deutsche wandern aus, andere wandern ein. Doch wohin wird ausgewandert, woher kommen die Einwanderer?

Osama Bin Laden

In schwärzesten Farben wird es von interessierten Kreisen an die Wand gemalt: Deutschland als Einwanderungsland. Dunkelhäutige und bärtige Gestalten kommen im Auftrag von Osama Bin Laden heimlich über die Grenze und machen die sowieso schon bestehende Enge unerträglich. Doch - von wo kommen die Einwanderer wirklich? Hauptsächlich aus Polen, in geringerem Masse aus Rumänien und aus den USA, Was, USA? Ja, USA

Aus der gleichen Ecke, nämlich der rechten, kommt das genau umgekehrte Schauergerücht: Deutschland wird menschenleer. Nur noch wenige Jahre und bestenfalls einige alte Leutchen schleppen sich noch über Deutschlands Strassen. Auch dieses Ammenmärchen ist natürlich falsch. Zwar vermehren sich die Deutschen nicht wie die Karnickel, aber aufgrund einer leichten Zuwanderung bei geringer Abwanderung bleibt die Zahl der Menschen in Deutschland etwa gleich. Es gibt auch keine Gefahr einer Vergreisung, denn die Zuwanderer sind typischerweise jung.

Der Saldo steht deutlich auf Zuwachs: 150 000 Auswanderern aus Deutschland (ein Zuwachs um 7%) im Zeitraum der ersten 11 Monate 2007 stehen 647 00 Einwanderer gegenüber. Also eine Bestätigung der schlimmsten Befürchtungen? Wir werden von Islamisten überschwemmt, die demnächst hier die Herrschaft übernehmen wollen, wie uns u.a. Henryk Broder und Konsorten weismachen wollen?

Die Überraschung kommt, wenn man sich ansieht, wohin denn ausgewandert wird und wo die Einwanderer herkommen

Die Auswanderung ist deutlich angestiegen in letzter Zeit. Die Gründe dafür liegen bis jetzt im Dunkeln. Ausgewandert wird nicht etwa, wie man meinen könnte, vor allem nach Australien, Kanada und Brasilien (wie der Schreiber dieser Zeilen), nein es geht hauptsächlich in die Schweiz (18 863, 12,6 %, darunter eine Familienangehörige des Autors), in die USA (13 433, 9,0 %) und nach Österreich (9 414, 6,3 %). Die niedrigen Prozentzahlen machen deutlich, es wird in eine Vielzahl von Ländern ausgewandert. Der Grund dürfte nur in Ausnahmefällen das allgemeine Unwohlsein in Deutschland sein. Weit überwiegend dürften die Gründe im persönlichen und familiären Bereich liegen, wenn man einen Partner aus einem anderen Land kennengelernt hat oder, wie beim Autor: Wenn man in Deutschland aus Altersgründen keinen Job mehr bekommt, muss man eben in ein Land gehen, wo nicht ein so hysterischer Jugendwahn herrscht wie in Deutschland

Überraschender aber als die Länder, in die ausgewandert wird, sind jene, aus denen das Gross der Einwanderer kommt. Türkei?, Afghanistan? Pakistan? Iran? Kosovo? Bosnien? Irak? Libanon? Syrien? Sudan? Marokko? Algerien? Die Überflutung durch islamische Horden?

Nichts dergleichen! Mit 21 % stellen Polen die bei weitem grösste Gruppe der Einwanderer: 135 700. Die seit Jahrhunderten intensiven Beziehungen zwischen beiden Ländern hatten bereits im 19. Jahrhundert dazu geführt, dass bedeutende deutsche Kolonien in Polen entstanden und dass in verschiedenen Teilen Deutschlands ganze Kolonien von Polen lebten. Das betrifft nicht nur die damaligen östlichen Teile von Deutschland, wie Ostpreussen, Schlesien und Danzig, wo es viele Polen gab, sondern auch das Ruhrgebiet. Eine bedeutende polnische Auswanderung kam im 19.Jahrhundert ins Ruhrgebiet, weil es dort Arbeitsplätze im Kohlenbergbau und in der Stahlindustrie gab. Die Namen, die auf –ski oder -sky enden, sind seitdem aus den deutschen Nachnamen nicht mehr weg zu denken. Da spielten zum Beispiel in der deutschen Fussball-Nationalmannschaft ein Tilkowski und ein Kwiatkowski, ebenfalls ein Szymaniak und auch im aktuellen Fussball kommen wir nicht ohne polnisch-stämmige aus: Klose hält zusammen mit Ronaldo die höchste Zahl von geschossenen Toren in Weltmeisterschaften. Bei der EM könnte es vorkommen, dass Borowski einen Pass auf Podolski gibt - und niemand meint, es sei von der polnischen Mannschaft die Rede, gegen die, wie es der Zufall will, das Auftaktspiel geht.

An zweiter Stelle nach den Polen bei der Einwanderung, aber mit weitem Abstand, stehen die Rumänen mit 37 900, das sind etwa 6% der Einwanderer, nur etwa 28% der Polnischen Einwanderer.

Den dritten Platz der Einwanderer nehmen – und das ist wohl die grösste Überraschung - die US-Amerikaner ein. 25 600 wanderten in den ersten elf Monaten 2007 nach Deutschland ein, das sind etwa 4% der Einwanderer und fast das doppelte, als Deutsche in die Vereinigten Staaten auswandern. Natürlich enthält die Zahl der „Einwanderungen“ auch Manager von weltweiten Konzernen, die in ein anderes Land geschickt werden, aber das kann ja keine Zahl von 25 600 in 11 Monaten begründen.

Erst danach kommen die Türken, die wohl die meisten an der ersten Stelle erwartet hätten, mit 24 600 (etwa 4%), das sind nur etwa 18% der eingewanderten Polen. Diese Zahl ist unbedeutend, überraschend niedrig, besonders wenn man bedenkt, wieviele Türken in Deutschland geboren werden und erst als „Einwanderer“ gezählt werden, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen und wie viele ein Recht auf ein Leben in Deutschland haben aus Gründen der Familienzusammenführung.

Auch der fünfte Platz in der Liste der Nationalitäten, die nach Deutschland einwandern, dürfte eine Überraschung darstellen: es sind Ungarn mit 21 000 (etwa 3 %).

Es wird deutlich, die Frage von Einwanderung nach Deutschland hat wohl mehr mit der Ostausweitung der EU zu tun als mit der eingebildeten Verschwörung der Islamisten, uns zu überfluten.

Allerdings hat diese Statistik noch nicht die Deutschen berücksichtigt, die aus dem Ausland wieder nach Deutschland zurückkehren. Eben hat das Statistische Bundesamt die Statistik für 2007 veröffentlicht, in der diese mitgezählt werden.

Danach sind im Jahr 2007 nach vorläufigen Ergebnissen 683 000 Personen nach Deutschland zugezogen und 635 000 Personen aus Deutschland fortgezogen. Daraus ergibt sich ein Ein- bzw. Rück-Wanderungsüberschuss von 48 000 Personen.

Das reicht nicht ganz aus, um das Defizit durch die niedrige Geburtenrate auszugleichen, aber die jährliche Abnahme der Menschen in Deutschland liegt deutlich unter der 100 000–Menschen-Grenze. Das gilt als gleichbleibende Bevölkerung, denn bei 80 Millionen in unserem Land bräuchte man um die 1000 Jahre, um es zu leeren in diesem Rhythmus und in 1000 Jahren gibt es mit Sicherheit nicht mehr diese Probleme, so oder so.

Unter den 635 000 Personen, die nach Deutschland zogen, sind 572 000 Ausländer und 63 000 Deutsche (die also zurückkamen).

Diese hohe Zahl von Rückkehrern weist auch auf die Problematik dieser Statistik hin: Sie enthält unausweichlich jene Deutschen, die von ihren Firmen mit Mann und Maus ins Ausland geschickt wurden und diese Fälle können nicht von den wirklichen Auswanderungen unterschieden werden. Eine grobe Abschätzung macht aber deutlich: Wenn von 635 000 Einwanderern 63 000 Deutsche sind, dann handelt es sich grössenordnungsmässig um 10 % der Fälle.

Eine andere Unterscheidung ist auch nicht möglich: Die von Einwanderern im strengen Sinne und von Spätaussiedlern, also Deutschstämmigen, die das Recht haben, nach Deutschland umzuziehen. Es kann vermutet werden, dass es sich bei den Zahlen der Einwanderung aus Polen, aus Rumänien und aus Ungarn in nicht unerheblichem Masse um solche Fälle handelt.

Zusammengefasst: Insgesamt sind sowohl Ein- als auch Auswanderung nach und aus Deutschland zahlenmässig deutlich begrenzt, wenn auch nicht völlig unbedeutend. Es gibt weder irgendeine deutliche Fluchtbewegung aus Deutschland noch gibt es das an die Wand gemalte Phänomen der Überschwemmung mit Muslims.

Veröffentlicht am 6. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 5. Juni 2008

' Am Ende werden wir weg sein'

Tun die Hardliner Israel wirklich einen Gefallen? - „Sic transit gloria mundi“

Von Karl Weiss

Der US-Journalist und Schriftsteller Alexander Cockburn berichtet (hier) anlässlich der Feierlichkeiten von 60 Jahren Israel von einem Interview, das er vor 30 Jahren führte, als 30 Jahre Israel begangen wurden. Sein Gesprächspartner war der damals bereits pensionierte israelische General Matti Peled. Der hatte zu jener Zeit nach der Pensionierung bereits seine Regierung aufgefordert, ernsthaft mit den Palästinensern zu verhandeln, die illegalen Siedlungen im besetzten Gebiet zu verlassen, an die Grenzen von 1967 zurückzugehen und alle anderen größeren Dinge zu klären, die einem gerechtem Frieden im Wege standen – und stehen.

Palestina land loss

Cockburn fragte ihn, was denn passieren würde, wenn sich keine israelische Regierung finden würde, stark genug, um dies zu tun. Die Antwort war beeindruckend: „Oh, ich glaube, wir werden enden wie die Kreuzfahrer. Es mag einige Zeit dauern, aber am Ende wird es uns gehen wie ihnen, wir werden weg sein.“

Cockburn schreibt dies aus Syrien. Er besuchte dort die größte und noch lange nach der Vertreibung der Kreuzritter aus Jerusalem gehaltene Burg ‚Krak des Chevaliers‘, die bis heute erhalten ist und restauriert wurde. Sie wurde von einem Teil der Kreuzritter insgesamt 162 Jahre gehalten.

Syrien: Krak de Chevalier

Saladin, der Jerusalem eingenommen hatte, konnte sie nie erobern. Erst im Jahre 1271 übergab das restliche Häuflein von Kreuzfahrern die Burg an den Mameluken-Sultan von Ägypten. Dann waren sie weg.

Sic transit gloria mundi.

Cockburn empfiehlt den Hardlinern in Israel und in den USA, diese Burg zu besuchen, die immerhin mehr als die dreifache Zeit überdauerte als das heutige Israel und zu reflektieren, ob sie den Interessen Israels, des jüdischen Volkes und aller, die in Israel leben, wirklich einen Gefallen tun mit ihrer Politik der Ausrottung, der summarischen Tötungen, des Landraubes, des Plündern und Raubens, des Zerstörens der Lebensgrundlagen und des „Alles oder nichts“.

Hinzugefügt sei, man hat sich in Israel und bei bestimmten Organisationen und Politikern in den USA noch nicht klargemacht, dass „Alles oder Nichts“ immer auch die Möglichkeit des „Nichts“ beinhaltet.

All dies ist nun erneut von höchster Aktualität, obwohl die 60-Jahre–Feiern alle schon zu Ende sind, denn der iranische Präsident hat erneut gesagt, was man schon früher von ihm gehört hatte: „Das zionistische Regime wird verschwinden und nur noch in den Seiten von Geschichtsbüchern gefunden werden.“ Wieder, wie schon beim ersten Mal, haben böswillige Übersetzer dies mit „wird von der Landkarte radiert werden“ übersetzt. Meistens wurde auch noch „vergessen“ dazuzusetzen, dass er ausdrücklich betont hat, dies habe nichts mit Aktivitäten des Iran zu tun, sondern werde auf jeden Fall eintreten. Erneut überschlagen sich die israelhörigen Medien, Ahmedinedschad habe den Bewohnern Israels die Ausrottung angedroht usw.

Es ist offensichtlich: Wir befinden uns in den Vorbereitungen eines Überfalls auf den Iran durch den „Westen“ und da werden solche „leicht frisierten“ Aussagen gebraucht. Hatte nicht vor kurzem bereits die Anwärterin für die demokratische Präsidentschaftskandidatur Hillary Clinton angekündigt, sie werde als Präsidentin den Iran auslöschen, falls der Israel angreifen sollte, was Ahmedinedschad niemals angekündigt oder angedroht hat? Nun, auch ihre Ambitionen waren zeitlich begrenzt. Heute wird sie nicht nur nicht Präsidentin, sondern ist nicht einmal mehr Anwärter auf den Posten des Kandidaten.

Sic transit gloria mundi.

Zusammen mit Cockburn muss man fragen, ob die momentane Politik der zionistischen Führer und ihrer US-amerikanischen Kettenhunde wirklich klug ist angesichts der realen Lage. Es gibt nicht die geringsten Anzeichen, dass sich die grossen Mehrheiten in den arabischen und anderen Völkern des Nahen und Mittleren Ostens in irgendeiner Weise tendenziell mit dem zionistischen Fremdkörper in ihrer Mitte abfinden würden, der wie ein Krebsgeschwür im Grunde für alle Spannungen und Kriege in der Region verantwortlich ist.

Die völlige Zerstückelung des palästinensischen Territoriums wird hier deutlich. Das ist keine Besatzung, das ist Annektion.

Auch in Europa, das von der Regierungsseite noch immer ein wesentlicher Faktor der Unterstützung der zionistischen Politik ist, haben die Völker sich in breiter Mehrheit bereits längst von den Meinungen verabschiedet, die ihnen die Medien und die Regierungen immer noch eintrichtern wollen. Die Umfragen sind eindeutig: Klare Mehrheiten der Europäer stimmen der Meinung zu, die US- und israelische Politik ist die Hauptgefahr für den Weltfrieden.

Wer unter diesen Bedingungen weiterhin auf „Alles“ besteht, hat eine hohe Chance, eines Tages mit dem „Nichts“ dazustehen.

Erinnern sich heute die Europäer der Kreuzzüge, so tun sie dies bestimmt nicht mit Stolz, sondern mit Unverständnis. „Wie konnten unsere Vorfahren so etwas schwachsinniges tun?“ Die Kreuzzüge sind zu einer kuriosen Fussnote der Geschichte geworden, an die man sich kaum erinnert, und wenn, dann eher mit Spott über die Primitivität der damaligen Anschaungen.

Sic transit ...

Wird in einer nicht allzu fernen Zukunft etwas ähnliches auf das zionistische Israel und seine Apologeten in den USA zutreffen? Wird der zionistische Staat zu einer eher peinlichen Fussnote in der Geschichte geworden sein? Wird in den arabischen Ländern wieder Frieden eingekehrt sein, so wie nach dem Abzug der letzten Kreuzritter?


Veröffentlicht am 5. Juni 2008 in der "Berliner Umschau"

Originalveröffentlichung

Dienstag, 3. Juni 2008

UN-Berichterstatter: Rio hat Sicherheitspolitik der Ausrottung

Polizisten foltern in der Freizeit Reporter

Von Karl Weiss

Der UN-Berichterstatter für summarische, willkürliche und außergerichtliche Hinrichtungen, Phillip Alston, hat im November 2007 Rio de Janeiro besucht und hat sich über die Sicherheitspolitik der Landesregierung informiert, der die Polizei untersteht. Er legte am Montag, den 2. Juni 2008 den vorläufigen Bericht darüber auf der Eröffnungssitzung des Menschenrechtsrates der UNO in Genf vor.

Favela in Belo Horizonte

Der Autor hatte Zugang zu einer Zusammenfassung des Berichts.

Wie um seinen Bericht zu unterstreichen, wurde in der vergangenen Woche bekannt: „Milicias“, wie sich Gruppen von Polizisten und Ex-Polizisten nennen, die ähnlich wie organisierte Kriminelle Favelas beherrschen und die Einwohner tyrannisieren, haben Mitarbeiter der Rio-Zeitung „O Dia“ als Geiseln genommen, verprügelt und gefoltert.

In jener Zusammenfassung des UN-Berichts werden vor allem die „Feldzüge“ in einem bestimmten Favela-Komplex hervorgehoben („Complexo de Alemão“), die sich über etwa ein Jahr lang wiederholten. Diese Feldzüge sind mit großem Polizeiaufwand (gepanzerte Fahrzeuge, Maschinenwaffen usw.) vorgetragene Eroberungszüge den Hügel hinauf (die Favelas in Rio de Janeiro sind meistens auf Hügeln gelegen), die üblicherweise damit begründet werden, es müssten bestimmte Führer der kriminellen Banden festgenommen werden, die sich meist auf den höchsten Stellen der Hügel verschanzt haben.

In der Operation im Juni 2007 wurden 19 Personen umgebracht und danach erklärten die Verantwortlichen der Sicherheitspolitik in Rio, dies sei eine Modell-Operation gewesen. Tatsächlich entwickelte sich diese Art des Vorgehens zum Modell: Im Januar 2008 wurde wieder der gleiche Hügel in Angriff genommen, mit dem Ergebnis von sechs Toten, erneut im 3. April: 11 Tote und wieder am 15. April: 15 Ermordete.

Danach, so wird berichtet, erklärte einer der obersten Verantwortlichen, die Polizei sei das beste „soziale Insektizid“, die Ermordeten mit Insekten vergleichend.

Der Berichterstatter der UN hatte Gelegenheit, mit den Bewohnern der Favela zu sprechen, mit Opfern, mit Familienangehörigen, sozialen Organisationen, wie auch mit Polizisten, mit Verantwortlichen der Polizei und mit den politisch Verantwortlichen. Er hebt hervor, die Toten waren nicht Ergebnis des intensiven bewaffneten Widerstandes bei der Besetzung des Favela, wie die Verantwortlichen in allen Fällen behaupten. Es wurden keine Polizisten getötet und nur wenige verletzt.

Es handelte sich schlicht um das Ergebnis der Taktik, auf alles zu schiessen, was Füsse hat – und das in einer dicht mit Menschen vollgepackten Favela. Die Überprüfung der Berichte der Gerichtsmediziner über die Leichen ergab eindeutig: Der grösste Teil wurde aus nächster Nähe erschossen und viele wiesen Schüsse in den Rücken, den Nacken und den Hinterkopf auf. Diese Tatsache wurde später in den offiziellen Berichten unterdrückt.

Alston charakterisiert dies als summarische, außergerichtliche Hinrichtungen, die wegen der hohen Anzahl als „Sicherheitspolitik der Ausrottung“ bezeichnet werden müssten. Wen er dies bereits als Ausrottung bezeichnet, was würde er dann sagen, wenn er die israelischen Schlächtereien untersuchte?

Er hebt hervor, dass die Ergebnisse der mehrmaligen Einfälle in die Favela völlig unzureichend waren. Weder wurden die gesuchten Verbrecher angetroffen noch wurden irgendwelche illegalen Stoffe, wie Waffen oder Drogen in erwähnenswerten Mengen gefunden und beschlagnahmt. Trotzdem bestehen die Polizei-Oberen und die Verantwortlichen, wie der Governeur des Staates Rio, der Minister für Sicherheit und der zuständige Staatssekretär darauf, dies sei die richtige Methode des Vorgehens gegen die kriminellen Organisationen, welche die Favelas beherrschen.

Alston betont, dass diese Methode der Sicherheitspolitik sich bereits in vielen Ländern als völlig kontra-produktiv erwiesen hat. Obrigkeitsstaatliche, gelegentliche Gewaltausbrüche, die jeden treffen können, ob Krimineller oder nicht, waren schon zu den Zeiten der Obrigkeitsstaaten unsinnig im Sinne der Eindämmung der Verbrechen.

Er sagt, dass in den Fällen krimineller Gross-Organisationen, die ganze Stadtviertel beherrschen, moderne Sicherheitspolitik angebracht ist, die auf vielen Hochschulen gelehrt wird. Er bezieht sich dabei u.a. auf unabhängige Untersuchungen von Tötungen durch Polizisten, auf die Bezahlung der Polizisten, auf technische Beweissicherung, auf Schutz für Opfer und Zeugen, auf eine institutionalisierte Polizei-Beschwerde-Stelle und auf das System der Gefängnisse.

Neben der Unterdrückung und Verfolgung der Verbrecher muss eine städtebauliche Politik durchgeführt werden, die den Slum-Charakter der Stadtteile aufhebt, es müssen Arbeitsplätze fur die Bewohner geschaffen werden und es muss durch intensive Durchsetzung mit staatlichen Hilfen und den Aufbau unabhängiger eigener Sprecher und Sprecherkreise der Bewohner in den betroffenen Stadtteilen der Schild-Charakter der Einwohner genommen werden, den solche kriminellen Organisationen sich zu nutze machen.

Eine entsprechende Politik wird in Rio de Janeiro nicht einmal ansatzweise versucht.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Alston sagt, diese Art von Sicherheitspolitik durch Ausrottung sei politisch motiviert. Für die Bevölkerung, die unter den Kriminellen leidet, ist vordergründig eine Ausrottungspolitik, die sich scheinbar gegen die Kriminellen richtet, erwünscht. Die Politiker stellen sich als Männer der harten hand dar und werden gewählt bzw. wiedergewählt. Nur ist dieses Vorgehen eben nicht wirksam gegen die kriminellen Organisationen.

Tatsächlich steigt die Zahl der schweren Delikte, wie Morde, bewaffnete Raubüberfälle und Geiselnahmen, in Rio weiterhin an.

In einem Teil seines Berichtes bezieht sich Alston speziell auf den Widerspruch als Schlüsselfrage, dass sich die Polizei einerseits in solchen Vorgehen der übertriebenen und nicht effektiven Gewalt bedient, während die gleichen Polizisten in ihrer Freizeit oft Teil der organisierten Kriminalität sind.

Genau dieser letzte Punkt wurde nun, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, mit aller Deutlichkeit bestätigt.

Es haben sich in Rio de Janeiro eine Anzahl von Gruppen von sogenannten ‚Milícias‘ gebildet, die eine Widerspiegelung der bereits bekannten Exterminationsgruppen sind. Sie setzen sich aus Polizisten, Ex-Polizisten und einigen anderen zusammen. Diese haben bereits in einer beträchtlichen Anzahl von Favelas (Rio hat etwa 600 Favelas) die kriminellen Organisation vertrieben und beherrschen dort jetzt selbst die kriminelle Unterwelt mit Drogen, 'Schutzgeldern' und nicht zuletzt Geldwäsche.

In einer dieser Favelas, Batan, wurde ein Reporter der Zeitung ‚O Dia‘ überwältigt, der über die Milícia recherchierte, zusammen mit einem Fotografen des Blattes, mit deren Fahrer und einem Bewohner der Favela von mehr als zehn mit Kapuzen unkenntlich gemachten Kriminellen. Sie wurden mit Handschellen gefesselt und offiziell als verhaftet erklärt. Die Vermummten wiederholten mehrmals, sie seinen keine Kriminellen, sondern Polizisten.

Es folgte eine Sitzung vom mehreren Stunden der Folter. Allen vier Betroffenen wurde immer wieder gesagt, sie würden nun zu Tode gefoltert, weil sie die gute Arbeit der Polizei schlecht machten. Die Zeitungsleute wurden grün und blau geprügelt und wurden einer nach dem anderen Elektro-Schocks ausgesetzt. Ihnen wurden Plastiktüten über den Kopf gestülpt, bis sie keine Luft mehr hatten und ohnmächtig wurden. Dann wurden sie mit Schlägen wieder aufgeweckt.

Einige der Folterer spezialisierten sich darauf, mit schweren Stiefeln Tritte zu geben. Der Reporter wurde gezwungen, das Material zugänglich zu machen, das er bereits über die Milicia gesammelt hatte. Dort war klar zu sehen, wie die Mitglieder der Bande, Polizisten in Zivil, sich immer wieder mit Polizisten im Dienst trafen und unterhielten und bewiesen, es handelt sich nicht nur um kleine Gruppen, sondern die offizielle Polizei-Politik der Stadt. Die Vermummten waren sich klar, dies Material würde viele von ihnen identifizieren und war bereits bei der Zeitung. Nach einigen Stunden weiterer Folter wurden die vier plötzlich freigelassen.

Sie hatten nicht den Mut zur Polizei zu gehen mit ihren Verletzungen, weil sie wussten, dort würden sie mit grösster Wahrscheinlichkeit auf Verbündete ihrer Folterer treffen. Erst mehrere Monate nach der Tat wurde sie jetzt veröffentlicht, weil man sich sicher war, die Polizei bis in höchste Stellen war in diese Taten eingeweiht und würde nicht untersuchen, sondern die Anzeige unterdrücken. Man befürchtete auch Gegenanzeigen mit erfundenen Beschuldigungen.

Erst jetzt, nach einer Vereinbarung des Gouverneurs des Staates mit der Chefredaktion von ‚O Dia‘, brachte man das Geschehen ans Tageslicht.

Die eigentliche Reportage wurde bis heute nicht veröffentlicht.

Bleibt noch zu erwähnen, der Hauptverantwortliche für all dies, der Gouverneur des Staates Rio, mit Namen Cabral, ist einer der engsten und wichtigsten politischen Verbündeten von Präsident Lula.


Veröffentlicht am 3. Juni 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Donnerstag, 29. Mai 2008

Die Tinner-Connection, Teil 1

Eine Hand wäscht die andere, oder: Haben die USA Atomgeheimnisse an den Iran geliefert, um einen Kriegsgrund zu haben?

Von Karl Weiss

Am Freitag, den 23. Mai 2008 gab der Innenminister der Schweiz bekannt, umfangreiche Akten und Computerdokumente über einen Atomdeal und dessen Inhalte, über die man seit 2003 verfügt, seien bereits im letzten Jahr vernichtet wurden, „um dem Diebstahl der Akten vorzubeugen“.

Wie? Wenn Akten sehr brisant sind, dann werden sie nicht besonders sicher aufbewahrt, sondern vernichtet? Seit wann?

Eine F14 der US-Luftwaffe, zum Training bemalt wie ein Flugzeug der iranischen Luftwaffe
Beleg für konkrete Kriegsvorbereitungen gegen ein bestimmtes Land: Eine US-F14, wie sie auch der Iran hat, wurde zum Üben des Luftkrieges gegen den Iran mit den Farben der iranischen Luftwaffe bemalt.

Die Story hört sich an wie ein Drehbuch für eine Art von James-Bond-Film, aber einem sehr schlecht gemachten. Warum? Sie ist einfach zu unwahrscheinlich. Jeder Filmkritiker würde einen entsprechenden Film in der Luft zerreissen, denn: Die US-Regierung wird darin dargestellt, als sei sie zu dumm, ihre Interessen gegen wichtige Feinde wahrzunehmen. Die Schweizer Regierung scheint ihre Neutralität nicht mehr für wichtig zu halten, sondern völlig einseitig den US-Interessen zuzuneigen. Andererseits würde die Schweiz aber gleichzeitig eben diese Interessen massiv beeinträchtigen. Dann kommt auch noch eines der grossen Bankhäuser der Schweiz ins Blickfeld, das Dinge tut, die selbsverständlich eine solche Bank nie tun würde.

Nur: Leider (mag man sagen) ist die Geschichte nicht erfunden, ist kein Drehbuch, sie ist die Wahrheit, die oft unwahrscheinlicher ist als es sich der ausgeflippeteste Drehbuchschreiber in seinen schlimmsten Träumen vorstellen mag. Sie ist, wie es die Neue Züricher Zeitung (NZZ), eines der konservativsten Organe der Presse, formulierte, „gut dokumentiert“.

Iranische Atomanlagen

Bevor die Geschichte erzählt wird, sei hier noch ein Link zu einer „seriösen Zeitung“ angebracht, denn der geneigte Leser glaubt oft, im Internet würde eine Menge Erfundenes erzählt, während „seriöse Zeitungen“ die Wahrheit sagen würden.

Eins nach dem anderem: Es handelt sich um „detaillierte Baupläne für Nuklearwaffen, für Gas-Ultrazentrifugen zur Anreicherung von waffenfähigem Uran sowie für Lenkwaffen“, also um die Essenz der Pläne, um Atomwaffen zu bauen und auch die Trägerraketen, das Brisante der Atomtechnologie, alles aus US-Quellen.

Diese brisanten Daten waren in die Hände von Abdul Khan gelangt, dem „Vater der pakistanischen Atomwaffe“. Wie sie dorthin gelangt sind, darüber haben wir hier schon in den beiden Teilen der „Türkei-Connection“ berichtet, Teil 1 und Teil 2.

Diese brisanten Unterlagen seien dann an die Schweizer Familie Tinner gelangt, einen Vater und zwei Söhne, alle drei Ingenieure. All dies, wie gesagt, „gut dokumentiert“ nach NZZ.

Tinners Haus in Haag in der Schweiz

Nun kommt der entscheidende Teil: Die drei Tinners haben, nach allem, was man heute weiss, diese Unterlagen an Libyen und an den Iran verkauft. Den IRAN??? Ja, den Iran!

Aber das würde ja bedeuten, ultrageheime Atom- und Raketen-Unterlagen der Vereinigten Staaten wären in die Hände des Erzfeindes Iran gelangt und die US-Regierung hätte nicht einmal davon gewusst???

Gemach, gemach, die CIA ist immer und überall. Natürlich hat man davon gewusst, hat es aber nicht verhindert. Warum? Ja, das wäre die Frage.

CIA-Hauptquartier Langley

Statt den Deal mit den beiden Erbfeinden der Vereinigten Staaten zu verhindern (damals galt Libyen auch noch als Hauptfeind), wartete man ab, bis alles übergeben war und erpresste dann die drei Tinner. Sie waren gezwungen, nun auch für die CIA zu arbeiten.

Zuerst Geheimnisse liefern, um dann Anlass für Krieg zu haben?

Wenn Sie den Berichterstatter fragen, warum man das so gemacht hat: Das bleibt im Dunkeln der Geschichte. Bleibt der Verdacht, man wollte absichtlich, dass die Feindstaaten in den Besitz dieser Unterlagen gelangten, um sie dann später anklagen zu können, nach dem Besitz von Atomwaffen zu streben und damit einen Krieg gegen sie zu begründen.

Urs Tinner

Wie auch immer, die Vereinigten Staaten haben kein Recht, den Iran anzuklagen, wenn sie selbst solche Unterlagen geliefert haben bzw. bewusst nicht verhindert haben, dass all dies dort ankommt!

Aber, zurück zur Geschichte, das Ganze blieb den Schweizer Behörden nicht lange verborgen und die drei Tinners wanderten in Untersuchungshaft. Es wurden all jene Unterlagen gefunden, deren Brisanz dann schnell klar war. Die Untersuchungshaft zog sich für die beiden Tinner-Söhne auf über 3 Jahre hin. Immerhin kein üblicher Fall. Eine Untersuchungshaft von mehr als eineinhalb Jahren gilt international als Bruch der Menschenrechte.

Doch was tun mit all der Brisanz? Die Unterlagen sind extrem kompromittierend für die Vereinigten Staaten, denn aus ihnen geht hervor, sie stammen von dort. Aber aus Gründen, die man nur vermuten kann, - und welch sinistre Vermutungen – wurden sie nicht zu den Gerichtsakten der Verfahren gegen die drei Schweizer gegeben. Ende des Jahres 2007 wurde vielmehr beschlossen, diese Unterlagen zu vernichten, insgesamt 30.000 Akten und Computerarchive!

Das stinkt meilenweit! Jetzt haben die Tinners nämlich eine schöne Ausrede: Auch entlastende Akten wurden vernichtet und damit wird man sie nicht mehr verurteilen können. Der Vater wurde schon aus der Untersuchungshaft entlassen.

Schon vorher hatte die Schweizer Regierung den Justizbehörden offiziell verboten, die Tinners wegen Spionage für eine fremde Macht anzuklagen.

Sie fragen: Aber warum denn das? Ja, das fragen sich alle.

Anscheinend hat die Schweizer Bundesregierung in der Sache Dreck am Stecken, aber wie? Sollten die Tinners etwa Schweizer Geheimdienstagenten sein, also Angestellte der Regierung?

Nun, auf jeden Fall – und nun wird es wirklich kompliziert: Die UBS, eines jener grossen, extrem geheimen und extrem zuverlässigen Schweizer Bankinstitute, war anscheinend in Geldwäsche- bzw. Steuerhinterziehungsdinge in den USA verwickelt (was beides meistens Hand in Hand geht). Der Spitzenmanager dieser Bank in den USA, Martin Liechti, wird im Moment in den USA festgehalten – als Zeuge. Es läuft ein Verfahren gegen einen Mitarbeiter der Bank. Sollte die Bank da verwickelt werden, wäre das ein Desaster für das Geldinstitut.

Doch da gibt es eine Reise des damaligen Justizministers der Schweiz, Christoph Blocher, in die USA, im Oktober 2007. Unmittelbar nach seiner Rückkehr wurden die kompromittierenden Unterlagen aus US-Besitz vernichtet.

Nun erwarte die Schweiz, wie Berns Botschafter in Washington verlauten liess, der Fall möge “so behandelt werden, wie es der sehr guten Rechtstradition zwischen den USA und der Schweiz entspricht.“

Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Eine Hand wäscht die andere?

Aber nur eine Person, die extrem bösartig ist und immer Schlechtes denkt, würde annehmen, hier sei ein Deal getätigt worden nach dem Motto: „Ich vernichte Unterlagen, die belegen würden, du hast selbst dem Erzfeind die Atomunterlagen geliefert und du hältst dafür meine Bank aus jenem Skandal heraus.“


Veröffentlicht am 29. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung


Zusatz zum Artikel

In der Originalveröffentlichung (Link oben) ist ein You Tube Video zu sehen, in dem die moderneren Waffen des iranischen Militärs gezeigt werden. Nichts besonders auffallendes, aber die USA würden bei einem Angriff auf den Iran auf deutliche Gegenwehr treffen.

Hier geht es zum 2.Teil des Artikels "Die Tinner-Connection"

Dienstag, 27. Mai 2008

Bodenhaftung - oder: Wie mache ich einen Politiker schlecht

Die bürgerlichen Medien und Lafontaine

Von Karl Weiss

Die Berichterstattung der „Süddeutschen“ (die sich gerne selbst als ‚Qualitätszeitung’ feiert) über den Parteitag der Linken in Cottbus vom 24. Mai ist ein deutliches Beispiel, wie deutsche bürgerliche Medien in die tiefe Kiste der Demagogie, der gezielten Auslassung, der Verschleierung und der versteckten Andeutungen greifen, wenn es darum geht, unliebsame Politiker schlecht zu machen. Ebenso zeigt sie: Es ist pure Illusion, Bericht und Kommentar trennen zu können.

Süddeutsche - historisches Foto des Redaktionsgebäudes in der Münchener Sendlinger Strasse

Der Artikel, gezeichnet von einem Subjekt namens Denkler, ist nicht als Kommentar gekennzeichnet, sondern steht im Teil der Berichterstattungen, die - nach der eigenen Ideologie bürgerlicher Medien – strikt objektiv und neutral sei. Nun, betrachten wir die Neutralität und Objektivität dieser Berichterstattung:

Die untergründigen Andeutungen beginnen schon in der Überschrift: „Oskar stellt die Überlebensfrage“. Also ist die Linke vom Untergang bedroht, es geht ums Überleben! Was hat Oskar Lafontaine wirklich gesagt? (Nebenbei, hat man bei Schröder auch „Helmut“ geschrieben, oder gilt der Vorname nur für Leute, die keinen Respekt verdienen?) Lafontaine hat einfach die Wahrheit ausgesprochen, die für jede Partei in Deutschland und vergleichbaren Ländern gilt: „...die Linke braucht immer ein eigenständiges Profil. (...)Wenn sie [das] nicht hat, wird sie nicht überleben.“ Ein deutlicher Wink an den rechten Flügel der Partei, immer unterscheidbar zu bleiben von der SPD. Wenn der Titelschreiber daraus macht, für die Linke stünde die Überlebensfrage, so ist das infam – oder sagen wir, reines Wunschdenken.

Was auf keinen Fall in den Artikel darf, ist natürlich, was Lafontaine gesagt hat. Nicht ein einziges zusammenhängendes Zitat von mehr als drei Zeilen aus seiner Rede.

Die nächste Aufgabe: Lafontaine muss als wildgewordener, hartleibiger Trottel dargestellt werden, der nie Kompromisse kennt, sondern immer ALLES will. Nichts einfacher als das: „Die Nato lehnt er ab, solange diese aus seiner Sicht völkerrechtswidrige Kriege unterstützt, und Hartz IV muss weg. Beides Ziele ohne Bodenhaftung...“

Ja, die Bodenhaftung. Was ist denn das? Kontakt zur Realität. Kontakt zum einfachen Bürger. Will also sagen, die Unterstützung der Nato und ihrer völkerrechtswidrigen Kriege, die 70% der Bevölkerung in der Bundesrepublik ablehnen, das ist mangelnde Bodenhaftung. Hartz IV, mit gleicher Mehrheit abgelehnt, das ist Bodenhaftung. Wer das ablehnt dagegen, der hat die Bodenhaftung verloren, der schwebt in den Lüften der Illusionen. Immerhin bemerkenswert, 70% der deutschen Bevölkerung in der Luft.

Wer hat in Wirklichkeit die Bodenhaftung verloren? Die korrumpierte Politikerkaste und die 30% der Bevölkerung, die sie noch (zeitweise) überzeugen kann oder die riesengrosse Mehrheit der Bevölkerung und mit ihnen Lafontaine? Dass man selbstverständlich völkerrechtswidrige Kriege nicht unterstützen darf, dass Hartz IV weg muss, das sind tatsächlich grundlegende Dinge, die nur Ignoranten als verhandelbar ansehen können. Ein bisschen völkerrechtswidrig darf sein? Ein bisschen Hartz IV darf sein?

Ein Student, der zwei Semester Völkerrecht gehört hat, kann bereits einstufen: Der Afghanistan-Krieg ist völkerrechtswidrig. Niemand hat das Recht, ein anderes Land zu überfallen, zu besetzen und dort eine Marionettenregierung einzusetzen, wenn das Land nicht seinerseits vorher andere Länder überfallen hat. Diese Regeln sind einfach und klar und Deutschland hat sie als UN-Mitglied ebenso ratifiziert wie die USA.

Und Hartz IV?.Seit 1948 in die Köpfe der Bundesbürger einhämmern: Nein, wir leben nicht in einem kapitalistischen Unnrechtsregime, wir leben angeblich in einem Sozialstaat. Wer arbeitslos wird, braucht sich keine Sorgen zu machen. Er wird ein Auskommen haben. Die Abgabe dazu ist Pflichtabgabe, nicht etwa freiwillig. Zwangsabgabe - 57 Jahre lang. Und dann nach 57 Jahren darf man das einfach aufheben (das Auskommen, nicht etwa die Abgabe) und die Arbeitslosen in absoluter Armut lassen? Ätsch! Wers geglaubt hat, ist selber schuld! Wer gezahlt hat, ist gelackmeiert! Hahahaha, leichtgläubiges Volk!

Wer hat die Bodenhaftung verloren? Die Hartz IV gemacht haben und sich übers Volk lustig machen? Oder das Volk, das nun in steigender Armut leben muss und selbstverständlich Hartz IV weghaben will?

Die Linke 2008

Aber auch das reicht noch nicht. Lafontaine muss auch noch als brutaler Machtmensch dargestellt werden, der im Zweifelsfall über Leichen geht. Nur kann man das ja nicht so einfach behaupten. Also sagen wir einfach, andere haben es behauptet: „Es ist einiges geschrieben worden im Vorfeld – vor allem über Lafontaine. Dass vielen in der Partei das Alleinherrscher-Gehabe ihres Vorsitzenden nicht passe, vielen sein Macho-Auftreten gegen den Strich gehe.“

Haben Sies gemerkt, wie man das macht? Man nennt nicht Ross und Reiter, aber hat gesagt, was man sagen wollte. Ist aber noch ein wenig schwach. Also tragen wir dicker auf: Wir setzen ein Foto von Lafontaine in den Artikel, auf dem er die Faust zeigt und schreiben drunter: „Oskar Lafontaine: Alleinherrscher-Gehabe, Macho-Auftreten“

Sie glauben es nicht? Sie meinen, die „Süddeutsche“ würde eine solche Schweinerei nicht machen? Sehen Sie selbst.


Veröffentlicht am 27. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Montag, 26. Mai 2008

Rettet Brasilien den Ölpreis?

„Alles was besteht, ist Wert, dass es vergeht“

Von Karl Weiss

In einem Artikel des New Yorker Wall Street Journal vom 23. Mai 2008 wird die Erwartung geäußert, die riesigen neu entdeckten Vorkommen durch die brasilianische Petrobras könnten dem knapper werdenden Öl den nötigen Nachschub verschaffen, um den Ölpreis im Zaum zu halten. Das ist aber eine eher vage Hoffnung. Währenddessen überstieg der Erdölpreis, vor wenigen Monaten noch bei 70 Dollar, die Grenze von 135 Dollar pro Barrel.

Brasilien (topographisch)

Wie bereits berichtet (hier und hier), wurden in den letzten Monaten zwei riesige und ein mittleres Feld von Erdöl vor der brasilianischen Küste gefunden. Es handelt sich um sogenannte Unter-dem-Salz-Ölfelder, die im Prinzip an mehreren Stellen der Welt bekannt sind, aber bisher noch nie erschlossen werden konnten. Sie liegen weit draußen im Meer. Eines der Felder, dessen geschätzte Kapazität in der vergangenen Woche bekanntgegeben wurde (eines der größten, das je gefunden wurde), liegt 250 km vor der Küste. Die Wassertiefen sind dort 2000 m oder noch mehr. Das Öl liegt aber nicht kurz unter dem Meeresboden. Dort finden sich vielmehr beträchtliche Salzschichten, die wegen ihrer Löslichkeit in Wasser zu gewaltigen Druckschwankungen neigen. Erst weitere zwei Kilometer unter dem Meeresboden trifft man das Öl an.

Die halbstaatliche brasilianische Petrobras und eine Anzahl von spezialisierten Firmen, die in Niteroi oder Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro angesiedelt sind, haben in den letzten zwei Jahrzehnten Methoden entwickelt, wie man in großen Meerestiefen nach Öl bohren und Öl fördern kann und im letzten Jahrzehnt auch, wie man Öl finden und pumpen kann, das weit unter dem Meeresboden liegt. Allerdings sind die Schwierigkeiten der Ausbeutung von Unter-dem-Salz-Ölfeldern bisher nur teilweise bekannt und man muss mit unangenehmen Überraschungen rechnen, die einen Förderbeginn beträchtlich verzögern können.

Logo Petrobras

Selbst wenn das nicht eintritt, kann man kaum vor 2020 damit rechnen, dass diese drei Felder nennenswert fördern werden. Die Mittel, die dafür bereitgestellt werden müssen, sind beträchtlich. Allerdings hat sich die Petrobras-Aktie seit den ersten Gerüchten über grosse Ölfunde raketenhaft entwickelt. Nicht zuletzt daher auch das Interesse des Wall Street Journal an dieser Entwicklung. Wer im Oktober 2007 für eine Million Dollar Petrobras-Aktien gekauft hat, hat heute zweieinhalb Millionen an Wert auf dem Konto

Und das bei einem Konzern, der noch zu über der Hälfte dem brasilianischen Staat gehört. Jedenfalls hat die Wertsteigerung des Konzerns dazu geführt, dass die Milliardenbeträge zum Erschliessen der Felder zur Verfügung stehen. In allen drei Fällen ist die Petrobras jeweils Führer eines Konsortiums, das auch andere Ölgesellschaften einschliesst, so zum Beispiel die portugiesische Galp Energia.

Die Petrobras ist heute eine der Firmen mit dem höchsten Wert in den Amerikas und hat bereits Microsoft und General Electric hinter sich gelassen.

Erdöl 1

Sollten sich alle Erwartungen erfüllen, könnte Brasilien in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts sogar Venezuela als größten lateinamerikanischen Ölförderer überholen.

Nur- dies alles hilft im Moment nicht im geringsten, das Hoch des Erdölpreises zu stoppen. Vor etwa sieben Jahren wird nicht ein Tropfen Öl aus den neuen Feldern kommen und bis dahin wird sich das Geschick des Ölpreises schon entschieden haben, so oder so.

Es rächt sich nun das Vertrauen in die bürgerlichen Ökonomen für alle jene Länder, die von importierten Produkten auf Erdölbasis abhängig sind, aber nicht in alternative Energien investiert haben, so wie die meisten entwickelten Länder Europas (mit Ausnahme Schwedens), die USA und Japan: Ihre Ölrechnung wird gewaltig ansteigen. Bisher war das noch nicht der Fall, weil in diesem Geschäft mit langfristigen Verträgen gearbeitet wird. Wenn aber ein Preis des Rohöls von über 130 Dollar pro Barrel breit wirksam werden wird, wird das Heulen und Zähneknirschen allgemein sein.

Einige Beobachter sprechen aber bereits von Ölpreisen von 150 Dollar oder 200 Dollar in nicht allzu ferner Zukunft. Das würde alles über den Haufen werfen, was bisher so liebevoll geplant wurde.

Was man an Preissteigerungen an den Zapfsäulen sieht , ist noch gar nicht die erhöhte Rechnung, sondern einfach die Vorwegnahme und Mitnahme von Profiten durch die Ölkonzerne. Die erhöhte Rechnung wird erst gegen Ende des Jahres und mit voller Wucht 2009 kommen. Dabei wird es dann nicht nur um hohe Benzin- und Dieselpreise gehen, sondern auch um eine generelle Inflation, weil der Transport überall teurer wird, was sich auf fast alle Produkte auswirkt.

Dies, während sich gleichzeitig die Wirtschaftskrise über die Länder ausbreitet. Schnell wird deutlich werden: Die Zentralbanken können machen, was sie wollen, es wird immer falsch sein. Erhöhen sie die Zinsen, um die Inflation im Zaum zu halten, vertiefen sie die Wirtschaftskrise, erniedrigen sie die Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln, werden sie eine galoppierende Inflation bekommen, tun sie gar nichts, bekommen sie beides: Wirtschaftskrise mit Inflation.

Die bürgerlichen Ökomomen hatten uns immer wieder eingetrichtert: Alles bleibt, wie es ist! Grosse Veränderungen wird es nicht geben. Es braucht nicht auf alternative Energien umgestellt zu werden!

Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 40 Dollar pro Barrel zurückgehen. Später dann: Die Ölpreise werden wieder auf das Niveau von 70 Dollar pro Barrel zurückgehen. Noch vor einer Woche versicherten alle: Das Übersteigen von 120 Dollar war nur zeitweise, bald wird sich die Spekulation gelegt haben.

Doch nun wird es langsam allen Beteiligten klar: Die bürgerlichen Ökonomen stehen in der Unterhose da, mit Nasen so lang wie Pinocchio. Nichts wird mehr so sein , wie es war. Der gute alte Karl Marx hat einmal wieder Recht behalten: “Alles, was besteht, ist Wert, dass es vergeht.“

Karl Marx

Es wird immer deutlicher: der Kapitalismus hat keine Lösung zu bieten, für keine einzige Frage der Menschheit, lediglich die Profite der Reichen, die werden (fast) unangetastet bleiben.

Veröffentlicht am 26. Mai 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Sonntag, 25. Mai 2008

Folter an Kindern

Fürchterlich schrille Schreie

Basiert auf einem Artikel von Elmar Getto

Angesichts neuer Meldungen, dass internationale Beobachter und Journalisten weiterhin und wiederholt berichten, in irakischen Gefängnissen (d.h. in der Gewalt der US-Regierung) würden Hunderte oder sogar Tausende von Kindern gefangen gehalten - und wohl auch gefoltert – soll hier noch einmal ein Ausschnitt eines Artikels von Elmar Getto veröffentlicht werden. Wenn die Frage der Besatzung im Irak ansteht, so ist das unmenschlichste neben den 1 Million Ziviltoten die Folter an Kindern.

Bild eines nackt angekettetn Gefangenen in Stress-Haltung aus Abu Ghraib
Bild eines nackt angebundenen Gefangenen in "Stresshaltung" in Abu Ghraib

Damals, kurz nachdem jene Bilder (von Abu Ghraib) um die Welt gingen, wurde bekannt, daß noch andere Bilder aus irakischen "Gefängnissen" existieren und auch Videos, die aber nicht veröffentlicht wurden.

An den Grenzen menschlicher Vorstellungskraft

Der US-Journalist Seymour Hersch gab an, sie gesehen zu haben und erklärte, es handele sich um viel weiter Gehendes, an die äußersten Grenzen menschlicher Vorstellungskraft gehende Folterbilder und -videos. Wo sind sie? Warum werden sie zurückgehalten?

Damals, im Juli 2004, der Skandal mit den bekanntgewordenen Bildern aus Abu Ghraib war gerade auf dem Höhepunkt, wurde veröffentlicht, wer die Bilder und Videos vorliegen hat:

Die US-Regierung,

das US-Repräsentantenhaus,

das Magazin „New Yorker" und

die Zeitung „Washington Post"

Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen auf einem Hocker mit Kapuze.
Bild aus Abu Ghraib eines Gefangenen in "Stress-Haltung" auf einem Hocker mit Kapuze

Bis heute, Jahre später, hat niemand von ihnen die Bilder und Videos der Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Von der Regierung war das ja zu erwarten, denn diese Bilder beweisen, wie damals Seymour Hersch vom ‚New Yorker’ schon bemerkte, daß es sich bei den Folterfällen keineswegs um die Taten einiger weniger gehandelt hat, sondern daß Folter systematisch und auf Befehl von oben angewandt wurde - und wird.

Das bekannte Bild mit einem Gefangenen mit Kapuze auf dem Hocker, mit Drähten angebunden.
Gefangener in AbuGhraib mit Kapuze, mit Drähten angebunden

Doch im Repräsentantenhaus - gibt es da keine Opposition? Wo ist die demokratische Partei? Offensichtlich abgetaucht! Die US-Amerikaner sind genauso wie wir einer großen Koalition von eng miteinander Verbrüderten ausgesetzt, die zwar um die Fleischtöpfe der Macht gegeneinander kämpfen, aber ansonsten bestens miteinander auskommen.

Bild eines nackten Gefangenen in "Stress-Haltung"
Bild eines nackten Gefangenen in Abu Ghraib, angebunden in Stresshaltung, mit Unterhose über dem Kopf

Und was ist mit der Presse los, die Washington Post, die noch den Watergate-Skandal um Präsident Nixon ins Rollen bracht? Heute scheint alles gleichgeschaltet, selbst der ‚New Yorker’. Statt dessen haben die Medien von Prozessen gegen die zwei Sündenböcke von Abu Ghraib berichtet, als ob diese die Schuldigen wären und nichts offen blieb nach ihren Verurteilungen. Das waren Verdrehungen, deren sich jeder Journalist bis ins Grab schämen muß.

Das schockierendste von allem ist, daß Bush Kinder foltern ließ und läßt. Die ersten Meldungen darüber gab es in „Report Mainz" im Sommer 2004. Florian Westphal, ein Repräsentant des Internationalen Roten Kreuzes, berichtete dort, daß das Rote Kreuz bei seinen Inspektionen in den Gefängnissen der Besatzer im Irak 109 Kinder angetroffen hatten (die internationale Definition von "Kinder" ist "höchstens 14 Jahre alt").

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"
Bild des "Berges der nackten Gefangenen mit Kapuze" aus Abu Ghraib

In der Sendung gab es auch einen Augenzeugenbericht von US-Staff Sergeant Samuel Provance, der über sexuellen Mißbrauch von Mädchen mit 15 und 16 Jahren berichtete.

Der beeindruckendste Zeugenbericht allerdings kam von Seymour Hersch, der von einem der Videos erzählt: „Dort wurden Kinder, Jungen gefoltert, indem man sie ‚sodomized’" (das ist der übliche US-Ausdruck für Analsex), sagte er. „Das schlimmste von allem war der Ton des Videos, wenn man die Jungen fürchterlich schrill schreien hörte. Und das ist unsere Regierung im Krieg!"

Abu Ghraib Folterszene - blutender, nackter Gefangener. Zu diesem Foto existieren verschiedene Versionen. Eine besagt, der Gefangene ist bereits tot, eine andere, er sei lediglich durch einen Hundebiss verletzt und es handele sich nicht um Folter.
Abu Ghraib-Folterszene: Blutender, nackter Gefangener

Mütter, Väter, könnt ihr euch vorstellen, wenn das mit Euren Töchtern, mit euren Söhnen gemacht würde? Könnt ihr euch vorstellen, daß manche dort im Irak sich entschließen, ihr eigenes Leben zu opfern, um Widerstand gegen diese Besatzer zu leisten?

Dazu kommt, daß laut Aussagen von Mitgliedern des Roten Kreuz Offiziere in den Gefängnissen selbst zugegeben haben, daß zwischen 70 und 90% der Inhaftierten in den Gefängnissen „versehentlich" gefangen genommen wurden, daß heißt sie sind - selbst nach US-Einschätzung - unschuldig.

Abu Ghraib 5-6
Foltertoter in Abu Ghraib

Es ist und bleibt einer der größten Medienskandale des ganzen Irak-Krieges, daß diese Tatsachen von den Medien nicht berichtet werden, daß die Bilddokumente nicht freigegeben werden, die Freigabe der Bilder und Videos nicht gefordert wird, daß man statt dessen jeweils die Versionen der US-Regierung veröffentlicht wie eine Herde von nachkäuenden Kühen.

William Rivers Pitt, ein US-Bestseller- und New-York-Times-Autor, sagte dazu: „Wer ist verantwortlich für diese Abirrungen? Kinder foltern für die Freiheit? Ist es das, zu was wir geworden sind?"

Amerkung: Die im Artikel eingestzten Bilder sind jene, die damals veröffentlicht wurden, nicht etwa jene "viel weiter gehenden".


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 2: 432 Millionen Dollar für ‚Internierungslager’

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Anti-Terrorgesetze früher und heute – Das ‚Detainee Treatment’-Gesetz in den USA

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... USA – Land der Freiheit?

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Interviews mit Gunatánamo-Insassen

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

- USA: Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Gedankenpolizei

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für ‚Sex offenders’

- Frau in Justiz-Zelle fast verdurstet


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Folter:

- Profimässig foltern – wie ist das?

- Bush und Rumsfeld foltern!

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Warum wird gefoltert?

- Die USA am Scheideweg – Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- Beine zu Brei geschlagen – Folter in Afghanistan

- Interviews mit Guantánamo-Insassen

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... - USA-Land der Freiheit?

- Kann man durch Folter Wahrheit erfahren?

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Folter, Folter ohne Ende

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