Fukushima: Vor einem neuen Ausbruch?
Von Karl Weiss
Wie schon früher in Fukushima-Artikeln geschrieben: Das wird eine fast endlose Geschichte. Obwohl man die „normale“ Kühlung in den vier hauptsächlich betroffenen Reaktoren provisorisch wiederhergestellt hat, ist es offensichtlich nicht gelungen, die sich ständig erhitzenden verklumpten Brennstäbe ausreichend zu kühlen.
Die neue Hiobsbotschaft lautet: Reaktor drei hat sich auf 240 Grad C erhitzt, nachdem die Temperatur vorher bereits auf 102 Grad C zurückgegangen war. Er ist damit fast an der Grenze der Resistenz des Druck-Stahlbehälters angelangt, der bisher noch verhindert, dass die gesamte Menge an enthaltener Radioaktivität in die Luft (und ins Kühlwasser) abgegeben wird. Ab 280 Grad C wird es kritisch.
Der schlimme Teil dieser Botschaft aber lautet: Den Grund dafür kennt man nicht. Es muss vermutet werden, das Kühlwasser erreicht nur einen Teil der Brennstäbe, bzw. was von ihnen noch übrig geblieben ist. Wenn wesentliche Teile dieser Brennstäbe ohne Kühlung bleiben, wird der Kern des Reaktors sich immer weiter erhitzen, die Brennstäbe werden zu einem weissglühenden Klumpen zusammenschmelzen und dieser wird sich durch den Stahl und durch den Beton brennen und anschliessend die vorhandene Radioaktivität an die Umwelt abgeben.
Wenn dann die japanische Regierung am Wahnsinn festhält, lediglich in einem Umkreis von 20 bis 30 Kilometren um Fukushima zu evakuieren, dann wird es ganz schlimm werden, ähnlich wie nach einer Atombombe.
Die beiden Atombomben von Hiroshima und Nagasaki waren nach heutigen Standards kleine Atombomben. Es gab in beiden Fällen etwa 100 000 Überlebende, also Personen, die geschädigt waren (meist durch radioaktive Strahlung), aber nicht sofort oder in den Tagen unmittelbar nach dem Atombombenangriff gestorben sind.
Bei diesen Menschen trat weit häufiger als normal Leukämie auf (später auch Schilddrüsenkrebs, über andere Krebsarten wird nicht quantitativ berichtet) und dies im Zeitraum zwischen 2 und 8 Jahren nach dem Ereignis. Der Höhepunkt der neuen Fälle von Leukämie wurde 1952 erreicht, also sieben Jahre nach den Atombombenexplosionen. Nach dieser Welle von neuen Krebsfällen bei den Überlebenden kam eine zweite, zeitlich verzögerte Welle von Schildrüsenkrebsfällen.
Abhängig von der aufgenommenen Dosis sind bis zu 59% der Überlebenden in Hiroshima und Nagasaki später an Krebs gestorben.
Es handelt sich also um viele Zehntausende von Menschen.
Die gesamt Menge an radioaktiver Strahlung und an radioaktiven Partikeln dieser beiden Atombomben ist signifikant geringer als die gesamte Radioaktivität der vier „kritischen“ Reaktoren in Fukushima.
Hier kann man eine Vorstellung gewinnen, auf was sich die japanische Regierung da einlässt, wenn sie nicht weiträumig um die noch immer kochenden Reaktoren evakuiert.
Man kann die beiden Fälle nicht direkt vergleichen, denn bei einer Atombombenexplosion gibt es ja die extrem starke „Anfangsstrahlung“, das ist Gamma- und Neutronenstrahlung, die ein bis zwei Sekunden nach dem „Lichtblitz“, der ersten Wirkung der Explosion der Atombombe, beginnt und einige Sekunden anhält.
Was aber sehr ähnlich ist mit einem Reaktorunfall, ist die andere Art von Strahlung, die an Partikelchen gebunden ist, die von den Menschen eingeatmet oder verschluckt werden können oder durch Wunden in den Körper kommen.
Das sind, wie schon früher erwähnt, vor allem die Strontium 90-, Jod 131- und die Cäsium 137-Partikel. Sie sind die eindeutig wichtigsten Ursachen für Leukämie und Schilddrüsenkrebs, der erst Jahre später auftritt, wie über Hiroshima und Nagasaki berichtet wird (Quelle: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC33859/ )
Dies Bild zeigt eine Wandzeichnung eines von der Krebsbehandlung gezeichneten Kindes in Tchernobyl mit der Ruine des Atomreaktors im Hintergrund. Das schlimmste an den Atom-Katastrophen sind meistens die vielen Kinder mit Krebs.
Das eigentlich schlimmste an der neuen Zuspitzung der Lage in Fukushima ist: Es gibt keinen Plan B. Niemand hat diese Art von Reaktorunfall vorausgesehen und daher gibt es keine erprobten Wege, die Kühlung in einem „durchgehenden“ Reaktor wieder vollständig werden zu lassen. Es wird zwar noch gehofft, die Temperatur in Reaktor 3 könnte wieder sinken, aber das ist vage. Das wahrscheinliche ist: Sie wird weiter steigen und es wird zur völligen Kernschmelze kommen.
Das ist nicht nur wegen Strontium, Jod und Cäsium ein Desaster, sondern ganz speziell wegen Plutonium. Dort, im Reaktor 3, wurden nämlich die MOX-Brennstäbe eingesetzt, die einen Anteil von Plutonium enthalten. Wird dies freigesetzt, so wird der Norden Japans zu einer no-go-Zone, auch wenn die japanische Regierung natürlich wieder beruhigen wird: „Nur ein klein wenig harmlose Radioaktivität. Setzen wir die Grenzwerte von Plutonium herauf!“
Hier Links zu den anderen Artikeln im Blog im Zusammenhang mit dem Super-Gau von Fukushima
- Nur ein bisschen harmlose Radioaktivität?
- Radioaktivitätswerte dürfen nicht mehr veröffentlicht werden.
- Super-Gau Japan 3
- Fukushima – Es wird immer gruseliger
- Radioaktivität? - Alles unschädlich
- Was war der Auslöser des Fukushima-Super-Gaus?
- Strahlende Teilchen in Kanadas Trinkwasser – Fukushima 7
- Fukushima – Kernschmelze im Reaktor 4
- Fukushima – Düster, düsterer
- Streit um die Fukushima-Artikel dieses Blogs
- Nach Fukushima nun Kashiwasaki – Kariwa?
- Fukushima – Die Atom-Mafia
- Atomreaktor: 50 Jahre Abklingzeit
- Der Deutsche Atom-Gau
- Fukushima: Nuklear-Explosion?
- Fukushima: Jetzt scheint es passiert zu sein
- Fukushima: Mein Gott, Walter
- Fukushima: Bei weitem das grösste Atomunglück aller Zeiten
- Fukushima: Jetzt hat es auch die ‚Süddeutsche‘ bemerkt