Mittwoch, 8. November 2006

Bahnhofsbomber-Hysterie

"Unter freundlichen Augen" - Bahnhofsbomberhysterie in Deutschland

Von Karl Weiss

Die Politikerkaste und die mit ihnen vermengelten Medien nahmen den mißglückten und stümperhaften Versuch zweier (oder dreier) junger Bundesbürger arabischer Abstammung, zwei Bomben zu bauen und in Züge zu plazieren, als Anlaß, eine zynische und absurde Hysterie über eine Terrorgefahr in Deutschland aufzubauen, um noch weitere Bürgerrechte abbbauen zu können. Dabei scheuten sie nicht vor massiven Lügen und Verdrehungen zurück.

Bahnhöfe wurden reihenweise gesperrt, wenn man ein Gespäckstück sah, von dem sich sein Besitzer etwas entfernt hatte. Ein absurder ´Fake´-Polizeieinsatz wurde für Pressephotographen inszeniert. Inzwischen mußte schon der erste der drei Verdächtigen freigelassen werden.

Als die nicht explodierten Bomben zuerst entdeckt wurden in Regionalzügen, die von Köln aus in zwei Richtungen abgefahren waren, am 31.Juli, kamen noch die korrekten Meldungen, daß es sich um amateurhafte Versuche gehandelt hatte, daß keinerlei konkrete Gefahr bestanden hatte und die Bomben nicht hätten explodieren können.

Doch dann bemerkte man plötzlich, daß man hier eine „goldene“ Möglichkeit hatte, weiter Bürgerrechte abzubauen und änderte den Ton. Das Bundeskriminalamt wurde eingeschaltet (wegen etwas nicht viel mehr als einem Dummenjungenstreich!) und plötzlich ließ es verlauten, die Bomben seien sehr wohl gefährlich gewesen, es seien Terroristen am Werk, nur aus Zufall seinen sie nicht explodiert usw. Gleich kam wieder jemand mit Al Quaida und all dem Schwachsinn.

Nicht eine einzige Zeitung, die das gemeldet hatte, nicht ein Fernsehsender, kein Magazin und kein Radio stellte die Frage, was sich denn geändert habe, warum es sich jetzt plötzlich um gefährliche Bomben gehandelt habe. Man druckt immer alles brav ab, was von oben kommt. Oben ist schließlich das Recht und wir hier unten sind immer im Unrecht, nicht?

Inzwischen ist bekannt geworden, daß dies eine freche Lüge war. In Wirklichkeit waren die Bomben völlig ungeeignet, einen Anschlag durchzuführen. Man hatte Gasdruckbehälter mit Propangas außen mit Benzinflaschen versehen und dazu eine Zündvorrichtung mit einem weckerbetriebenen Zeitzünder angebracht. Aber die Zündvorrichtung war gar nicht zum Zünden des Benzins geeignet. Aber auch wenn das Benzin sich entzündet hätte, was maximal eine Stichflamme hervorgerufen hätte, wäre davon der Gasdruckbehälter noch nicht explodiert.

Selbst der BKA-Chef mußte zugeben, daß es sich lediglich um eine „massive Drohgebärde“ gehandelt hatte. Im „Tagesspiegel“ erklärte am 22. August ein Waffenexperte, daß die „Bomben“ „kaum größeren Schaden“ hätten anrichten können, selbst wenn sie explodiert wären.

Doch die Show, die abgezogen wurde, nahm all dies einfach nicht zur Kenntnis. Es wurde so getan, als habe „der Terror nun Deutschland erreicht“, als ob eine machtvolle Organisation in Deutschland Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung vorbereiten würde, als ob das Land in Gefahr wäre, immer wieder wurde der Begriff ‚Al Quaida’ benutzt.

Die üblichen verdächtigen Politiker forderten wie immer die Abschaffung der Demokratie, der Innenminister, der bayerische Ministerpräsident und sicherlich hätte auch der brandenburgische Innenminister wieder seine beliebte Stimme erhoben, hätten ihm nicht seine eigenen Partei-Kumpel einen Maulkorb verpaßt, damit die CDU nicht noch weiter in den Keller geht in den Umfragen. An seiner Stelle durfte diesmal ein gewisser Georg Schmid ran.

Auch Hoyer von der FDP mußte wieder Senf ablassen. CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger forderte in der „Bild" bewaffnete „Rail Marshalls“, vergleichbar mit den „Sky Marshalls“ auf vielen Flügen.

Allerdings hatte man vergessen, beeindruckende Photos von Festnahmen und maskierten Polizisten zu ermöglichen, die verdächtige Wohnungen stürmen. So wurden sie einfach als „Fake“ produziert. Als die Polizei nach der zweiten Festnahme die Wohnung jenes Verdächtigen durchsuchte, bemerkte man, daß Pressephotographen anwesend waren. Man ließ dann einige Polizisten Voll-Gesichtsmasken anlegen, Waffen, schwarze Kampfanzüge und Miami-Vice-Sonnenbrillen sowie anderes martialisches Gerät und ließ sie eine Anzahl von Pappkartons aus der Wohnung zum Polizei-Kombi tragen. Alle machten ihre Photos, die nun wirklich belegten, wie gefährlich die Beinahe-Täter gewesen sind.

Danach wurden die Kartons in die Wohnung zurückgetragen. Nur einer der Photoreporter photographierte auch dies als Beleg für den „Fake“ – die entsprechenden Photos erschienen später in der ‚Welt’. Alle anderen Photos wurden in Zeitungen abgedruckt und im Internet gezeigt, so als ob es sich um einen wirklichen Einsatz gehandelt hätte, obwohl alle gesehen hatten, daß die Kartons zurückgetragen worden waren. Die zynische Photo-Reporter-Truppe war also integraler Teil der Täuschung der Öffentlichkeit (wie schon vor einigen Monaten am Ufer des Bodensees, als es darum ging, eine Vogelgrippe-Hysterie zu erzeugen).

All diese Taktiken sind bekannt. Es geht darum, Furcht zu erzeugen, eine scheinbare Bedrohung fühlbar zu machen, um die Bevölkerung an die Seite der Politiker-Kaste zu ziehen, die mit ihren ernsten und besorgten Gesichtern „durchgreifende Maßnahmen“ empfehlen und durchbringen und so - wenn auch nur für kurze Zeit – das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen wollen. Nur sie können uns schließlich retten, nicht wahr, vor den dunklen Bedrohungen – so „schlecht“ sie auch sind, nicht? Der 11. September ist das große Vorbild. Damals kamen fast 70% der Bevölkerung der USA innerhalb von zwei Tagen an die Seite der US-Regierung – die bisher beste Psycho-Operation seit Pearl Harbour.

Besonders absurd das Theater, das wegen der Video-Überwachung veranstaltet wurde. Man hatte auf Bändern der Video-Überwachung zwei junge Männer am Kölner Hauptbahnhof gefunden, die eventuell die hätten sein können, die jene Schein-Bomben in die Züge gestellt hatten. Wie schon zu jener Zeit in England, wurde ein Ausschnitt aus diesem Video als Fahndungsphoto verbreitet, doch die Personen waren – wie damals in London - kaum zu erkennen, so daß damit bestenfalls bewiesen wurde, daß eine Video-Überwachung hinausgeworfenes Geld ist.

Durch einen Hinweis aus dem Libanon kam man schließlich auf die Person eines der Täter. Daraufhin wurde aus allen Kanälen wieder und wieder wiederholt, daß die Video-Überwachung zur Festnahme geführt hätte, obwohl es offensichtlich war, daß nach diesem Photo der Mann nicht in hundert Jahren gefaßt worden wäre, daß ohne den Hinweis aus dem Libanon nichts aufgeklärt
worden wäre.

Doch die Tatsachen interessieren nicht, wenn es darum geht, die Überwachung der Bevölkerung zu verschärfen. Alle bürgerlichen Politiker, die dazu Stellungnahmen abgaben, ohne eine Ausnahme, logen: “Die Video-Überwachung war erfolgreich. Weiten wir die Video-Überwachung aus.“

Der Spiegel überschrieb seinen diesbezüglichen Artikel mit den Lügen: „Unter freundlichen Augen“. Wirklich, nicht erfunden! Stand wirklich im Spiegel. So was kann man auch nicht erfinden! Dagegen war Orwell mit der Bezeichnung „Big Brother“ für die Überwachung ein Waisenknabe.

Inzwischen wurden bereits Beschlüsse von zig bis Hundert von Millionen Euro über die flächendeckende Video-Überwachung mit freundlichen Augen verkündet. Wenn die Menschen Kindergärten fordern, Sozialtickets im Nahverkehr und bei der Bundesbahn, wenn sie gegen das Schließen von Badeanstalten protestieren, gegen das Schließen von Schulen, für Einstellung der arbeitslosen Lehrer, dann ist kein Geld da. Für eine Video-Überwachung, wenn es gegen die Bevölkerung geht, dann sind zig bis Hundert von Millionen Euro übrig.

Es ist offensichtlich, daß man nur auf eine Gelegenheit gewartet hat, um diese Beschlüsse aus der Tasche zu ziehen.

Außerdem ist der Zeitpunkt günstig, denn die deutsche Bevölkerung lehnt einen Bundeswehreinsatz zur Unterstützung der israelischen Dominanz über Nachbarstaaten ab. Bei einer Bedrohung durch Araber (auch noch „rein zufällig“ Libanesen) erscheint eine solche Unterstützung irgendwie weniger ablehnenswert, nicht wahr? So stand dann auch gleich geschrieben, man könne die Israelis jetzt „besser verstehen“.

Doch - noch wichtiger – die Aufhebung der Trennung von Polizei und Geheimdiensten in Form einer gemeinsamen „Terrordatei“ war ebenfalls bereits vorbereitet. Sie war ja schon letztes Jahr nach den Londoner Anschlägen gefordert worden. Nun, angesichts einer künstlich hochgepeitschten Hysterie, hielt man den Zeitpunkt für gekommen, dies zu verkünden. Daß überhaupt kein Zusammenhang mit diesem Fall besteht, macht nichts. Die beiden mutmaßlichen Möchtegern-Terroristen waren in überhaupt keiner Kartei. Aber Logik hat unsere heißgeliebte Politikerkaste noch nie von ihren Plänen abgebracht.

Nun mußte der im Libanon festgenommene „dritte Mann“ der „terroristischen Vereinigung“ schon freigelassen werden. Es liege kein konkreter Tatverdacht gegen ihn vor. Jetzt ist man bereits in der Klemme, die „terroristische Vereinigung“ neu definieren zu müssen, denn die gabs bisher erst ab drei Mann. Um die zwei als Terroristen verurteilen zu können, wird das nun wohl auf zwei heruntergesetzt.

Ein CSU-Politiker gab auch bereits den Ton, was für eine Art von „Terrorismus“ es ist, die man fürchtet. Man müsse gemeinsam auswerten können, wer bei Demonstrationen vornweg marschiert, verkündete er.

Es geht also nicht gegen ein paar junge islamistische Männer, die „Drohgesten“ produzieren. Es geht gegen das Volk. Wir, die wir zu Demonstrationen gegen diese Regierung und dieses System gehen, stehen im Fadenkreuz. Die Politiker-Kaste weiß, wir werden uns die Verarmung und Entrechtung nicht so einfach gefallen lassen. Daher weht der Wind!

Artikel der "Berliner Umschau"

Link zum Originalartikel hier

Montag, 6. November 2006

Der gläserne Normalbürger, Teil 2

Massive Ausweitung der Überwachung dreht Beweislast um

Von Karl Weiss

Freitag, der 13. Oktober 2006 war wirklich ein Tag der schlechten Nachrichten. Die schlechteste kam vom Bundesverfassungsgericht (BVG): Alle Handybenutzer dürfen ohne jede Einschränkung in ihrem Aufenthaltsort nach Belieben verfolgt werden von deutschen Polizisten und Geheimdienst-Mitarbeitern.

Der Aufenthaltsort eines jeden, der ein eingeschaltetes Handy mit sich trägt, kann leicht ermittelt werden, denn das Handy sendet in regelmäßigen Abständen Signale aus, die von den Funktürmen aufgefangen werden können, aber eben auch von kleinen Geräten mit dem Namen IMSI-Catcher. Mit ihnen kann man in Sekundenschnelle den groben Aufenthaltsorts und relativ schnell den exakte Aufenthaltsort des Handyträgers bestimmen – oder eigentlich genau gesagt nur des Handys.

Genau da beginnt aber bereits das Problem. Ist nämlich dein Handy zu einem bestimmten Zeitpunkt dort geortet worden, wo zu dieser Zeit ein Raub geschah, dann wirst du beweispflichtig, nicht da gewesen zu sein– und das kann schwierig sein.

Die Humanistische Union hatte gegen die IMSI-Catcher geklagt und vor allem das Recht auf Privatsphäre, das Fernmeldegeheimnis und die informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Das BVG, das in jüngerer Vergangenheit auch schon andere Schritte zum kompletten Überwachungsstaat genehmigt hatte, sah keinerlei Bedenken und gab den Gebrauch des Geräts ohne Einschränkungen frei.

Damit wird nun bald eine ganze Heerschar von Polizisten und Geheimdienst-Agenten mit den netten handlichen Geräten herumlaufen und Bundesbürger orten – ganz zu schweigen von den „Private Eyes“, die nun nicht einmal mehr die Mühe haben, den Ehebrechern persönlich nachzusteigen. Geortet und an die Ehefrau bzw. den Ehemann gemeldet. So geht das jetzt. Zwar gilt die Freigabe offiziell nicht für sie, sondern nur innerhalb der Strafprozessordnung, aber ist so ein Gerät einmal freigegeben, werden natürlich auch Exemplare in private Hände kommen.

Hinzu kommt, ist eine Technik erst einmal freigegeben, so wird ihre Anwendung sehr bald über die von der Strafprozessordnung geregelte hinausgehen, zunächst noch im halb legalen Bereich, dann offen und mit neuen Gesetzen oder Verordnungen.

Auch dem Orten von nicht einmal als verdächtig bezeichneten Personen hat das BVG keinerlei Schranken auferlegt, da angegeben worden war, deren Daten würden wieder gelöscht, was natürlich niemand in jedem Fall nachprüfen kann.

Auch eine Mitteilung an die ohne Verdacht georteten, damit sie wenigstens das Löschen ihrer Daten überprüfen können, hat das BVG ausdrücklich für nicht erforderlich gehalten. Gegebenenfalls müsse der Gesetzgeber nachträglich eine Informationspflicht einführen. Das wird er sicherlich machen, nicht wahr?

>>Nein, ich habe nichts von lachenden Hühnern gesagt, wirklich nicht!<<

In Verdacht geraten ist leichter als mancher denkt. Ein Kollege des Berichterstatters, mit dem er im Labor zusammengearbeitet hat, kann ein Lied davon singen. Er wohnte in einem kleinen Ort in ländlichem Gebiet. Plötzlich war irgendein Verdacht auf ihn gefallen. Er hat nie erfahren, was es eigentlich war. Aber Polizisten befragten alle Nachbarn nach ihm. Wann er nach Hause komme. Was er abends so mache. Mit wem er verkehre. Wer im Haus ein und ausgehe. Ob bestimmte Autos mit diesen Kennzeichen in der Nähe seines Hauses geparkt wurden. Ob man ihn mit den Personen auf diesen Bildern gesehen habe. Er selbst wurde überhaupt nicht befragt. Als er empört auf dem Polizeirevier auftauchte, wurde ihm nur kühl beschieden, es läge nichts gegen ihn vor. Seine Freunde und Bekannten in der Nachbarschaft gingen fast alle auf Distanz.

Andere Beispiele nennt ein Diskutant, der sich BHartwig nennt, in den Diskussionen zu einem einschlägigen Artikel in der „Financial Times Deutschland“:

„Auf einem Video einer Überwachungskamera sieht es so aus, als wenn ein Mann einen am Boden Sitzenden einen Schlag versetzen würde. Der beschuldigte Passant ist aber tatsächlich nur über den Bordstein gestolpert. Der am Boden Sitzende wurde später tot aufgefunden und der gefilmte Passant musste sich verteidigen. Wie im Gerichtsverfahren mehrere Zeuge berichteten, war der Passant tatsächlich nur gestolpert. Dies musste aber der Beschuldigte in einem langwierigen Verfahren gegen die scheinbar objektive Kamera beweisen.“

„Nach einer Unfallflucht wurde ein Fahrzeug einer bestimmten Marke gesucht. Durch die Auswertung der IMSI Daten (alle Telefone in der Nähe der Unfallstelle) wurde der Besitzer eines Wagens [dieser Marke] ermittelt. Tatsächlich hatte dieser aber sein Mobiltelefon an seinen Sohn verliehen, der zufällig mit Freunden in der Nähe war. Auch dies musste der Besitzer des Mobiltelefons selbst erst beweisen: Fast automatisch schuldig durch massenhafte Erfassung unbescholtener Bürger.“

Zufälle gibt es viele und nicht immer läuft es glimpflich ab. Wer hat schon für alles ständig Zeugen bei der Hand, die nicht zur Familie oder den Freunden gehören (denen sowieso keine Glaubwürdigkeit zugestanden wird). Die Überwachung bezieht mehr und mehr Leute in mögliche Kreise von Verdächtigen ein und der Effekt ist auch für Unschuldige verheerend: Die Beweislast wird umgekehrt: Sie müssen plötzlich beweisen, es sei nicht so, wie es scheint.

Überprüfen Sie einmal selber: Für wie große Teile des gestrigen Tages können Sie ein Alibi vorweisen, wenn Zeugnisse von Familienangehörigen oder Freunden nicht zählen? Und dann machen Sie das gleiche für den Dienstag vor 4 Wochen.

Auch für die Polizei ergibt sich nur auf den ersten Blick ein Vorteil in Hinblick auf die Aufklärung von Straftaten. In Wirklichkeit wird diese neue Technik eine solche Fülle von möglichen Verdächtigen in die Amtsstuben der Polizeireviere schwemmen, daß es kaum zu schaffen sein wird, all diesen Spuren nachzugehen. Da fast jeder ein Handy hat, wird mit jeder dieser Überprüfungen eine Anzahl von Verdächtigen festgestellt, die monatelange Arbeit nur für einen einzigen Fall bereitet. Es müssen ja in einem langwierigen Prozess alle, einer nach dem Andere überprüft und ausgesondert werden, bis am Ende dann theoretisch der Täter übrig bleibt.

Dabei ist auch jetzt schon die Polizeiarbeit von Bagatell- und Kleindelikten überschwemmt, die eine intensive Arbeit an der Schwerstkriminalität gar nicht mehr zulassen. Nach Angaben des bekannte Polizeireporters Jürgen Roth gibt es in einer Anzahl von Bundesländern schon jetzt keinerlei Verfolgung von bedeutenden kriminellen Vereinigungen (Mafia und mafiaähnliche Organisationen) mehr.

Wäre der IMSI-Catcher z.B. nur für Verdächtige von Schwerstverbrechen zugelassen worden, so hätte der Rahmen der zu untersuchenden Verdächtigen in Grenzen gehalten werden können. Aber bei professionellen Schwerverbrechern muß man wiederum davon ausgehen: Die werden kaum Handys, die auf ihre Namen zugelassen sind, eingeschaltet zu einem Coup mitnehmen – oder wenn sie auf der Flucht sind, mit einem auf sie zugelassenen eingeschalteten Handy herumlaufen.

Besonders schwierig wird die ganze Sache noch durch die Einführung des DNA-Tests, der heute vor Gericht als untadeliger und unwiderlegbarer Beweis angesehen wird. Tatsächlich aber ist die DNA etwas, was jeder von uns ständig überall verstreut. Das kann geschehen in Form von Haaren, die wir verlieren, von Gläsern, an denen Spucke von uns hängt, von Hautschuppen, die an irgendwelchen Gegenständen haften usw. So hat jeder raffinierte Verbrecher die Möglichkeit, die DNA anderer Personen zu sammeln und gezielt an bestimmten Tatorten zu hinterlassen.

Das gilt sowohl für beliebige DNA, die er gesammelt hat als auch für die DNA bestimmter Personen, nach der er auf Jagd gehen und sie dann an der „richtigen“ Stelle anbringen kann. Dann fehlt nur noch der anonyme Hinweis an die Polizei auf jene Person und ein völlig unschuldiger Mensch, der aber z.B. theoretisch ein Motiv hatte, ist plötzlich mit dem unwiderlegbaren Beweis seiner Schuld konfrontiert (Motiv + DNA am Tatort = überführt).

Erzählen Sie mal einem Strafverteidiger, der wirkliche Täter müsse Ihre DNA als falschen Beweis „gelegt“ haben. Er wird Ihnen antworten, damit kämen Sie bei keinem Gericht durch und es sei besser zu gestehen.

Solange noch die Fingerabdrücke galten, war dies so kaum möglich. Der Verbrecher hätte schon einen tatsächlichen Fingerabdruck finden und transferieren müssen – eine extrem diffizile Technik.

Auf diese Art und Weise wird also durch die fast vollständige Überwachung und durch die kritiklose Anbetung des DNA-Tests eine Unzahl von Menschen in den Status von Verdächtigen erhoben, was sogar zu ausweglosen Situationen für völlig Unschuldige führen kann.

Die Umkehr der Beweislast ist eine zusätzliche Gefahr, die im Überwachungsstaat steckt.

Das alles gilt für jene, die völlig unschuldig sind. Man sehe nur, wie es dann den wirklich Verdächtigen geht. Es wurde vom BVG nicht das mindeste Kriterium an den Verdacht angelegt, wie real und konkret er sein müsse. Ein rein erfundener Verdacht oder einer, der einem kranken Geist entsprungen ist, reicht also aus.

Polizeieinsatz

Der in der Londoner U-Bahn mit acht Schüssen in den Kopf exekutierte „Verdächtige“ Jean Menezes winkt aus dem Jenseits. Erkennen kann man ihn allerdings nicht, da das Gesicht völlig weg geschossen wurde.

Und immer noch gibt es Zeitgenossen, die wie die Gebetsmühlen wiederholen: Wer nichts getan hat, hat auch nichts zu befürchten.

Jean Charles Menezes
Jean Menezes, als er noch ein Gesicht hatte

Klar, Jean Menezes ist ja nun im Himmel, nicht wahr, er hatte nichts getan und brauchte auch nichts zu befürchten – außer dem vorzeitigen Einzug in den Himmel.

>>Und wer weiß, hätte er weitergelebt, wäre er vielleicht mit einer Todsünde gestorben (z.B. Masturbation) und wäre in die Hölle gekommen. Er konnte also froh sein, rechtzeitig zu ewiger Seligkeit befördert worden zu sein, oder etwa nicht?<<

Siehe zum Fall Menezes auch diese beiden Artikel:
Vorbeugender Todesschuss auf Verdacht und
Vorbeugender Todesschuss in der EU offiziell eingeführt

Vorher bereits war ohne irgendeinen Einspruch des BVG durchgegangen: Alle unsere Bankkonten können von jedem Beamten und Beamtenanwärter eingesehen und ausgewertet werden seit dem 1. April 2005. Man stelle sich nur vor, was die – sagen wir 0,01% - Kriminellen unter ihnen mit diesen Informationen alles anfangen können.

Die Video-Überwachung in öffentlichen Räumen war bereits lange vorher freigegeben worden. Zwar hat man überhaupt kein Personal, um dort überall vor den Bildschirmen zu hocken und eventuelle Kleindiebstähle zu beobachten, aber was solls. Man kann die Bänder hinterher auswerten. Das bringt zwar nichts mehr bei Terroranschlägen, wie London bewiesen hat – die Anschläge waren schon geschehen, die Täter schon tot (wenn sie denn die Täter waren) und auf den Videos war überhaupt niemand identifizierbar, aber warum Logik anwenden, wenns doch um die Ausweitung der Überwachung geht, nicht wahr?

Es hilft jedenfalls, die Angst zu steigern – und darum geht es schließlich, oder?

Doch nun gibt es auch eine Maßnahme, die wirklich Erfolg verspricht: Die
gemeinsame Verdächtigen-Kartei von Polizei und Geheimdiensten.

>>Alle Informationen über Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, Aufmüpfige, Demonstrationsteilnehmer, kirchliche Gutmenschen und anderes Gesindel haben wir fein säuberlich zusammengefasst und schon konnte man rasch und ‚sauber’ das Problem möglicher Dissidenten lösen. Ist ja jetzt wieder angesagt, denn „Sozialstaat“ ist nicht mehr, da muß man andere Seiten aufziehen, nicht wahr?<<

Auch hierzu gibt es keinerlei erkennbare Einwände des BVGs. Offenbar hat man dort jetzt auch die Zeichen der Zeit erkannt.

>>Wir nennen das alles „Terrorabwehr“ und bekommen so ein vollständiges Bild, einschließlich Bewegungskontrolle jeglicher potentieller Oppositioneller. Wäre doch gelacht: Wir sind mit der parlamentarischen Opposition fertig geworden und haben sie auf Linie gebracht, dann werden
wir doch wohl auch noch mit der außerparlamentarischen Opposition fertig werden, oder?<<

Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 6. November 2006

Link zum Originalartikel hier

Samstag, 4. November 2006

Open letter to the rulers in Germany

Proposal by Karl Weiss

[This open letter published in Berlin online September 29, 2006 is translated from the German on the World Wide Web, http://karlweiss.twoday.net/stories/2737125/.]

10.10.06

In fact you almost persuaded us. We were nearly convinced of the stories of the alleged welfare state making all of us into a great family, of the constitutional state that enjoins justice for everyone, of the democracy where we supposedly join in the conversation and of constitutionality allegedly protecting everyone.

We were almost convinced we really had the same interests as your corporations, banks and politicians.

We almost believed that all our desires could become reality in capitalism: enough money to live, suitable housing, education for the children, child care so women could cooperate, sufficient jobs for everyone who wants to work, a complete and progressive health care, training and places at a university, a future worth living for our children, a decent pension after a full working life and perhaps a little extra every now and then.

It would be beautiful if a just state could be created here in capitalism.
But now we must admit shocked that all this was only a sleeping pill with a limited effect for us. You in no way provided all this for us. That we wanted this seems bluntly absurd.

The sixties, seventies and even the eighties almost sold all this as possible. We were almost there; not much was lacking. Having a car and taking a vacation was beautiful. We cannot deny this. But now we see already this cannot be afforded any more and will not last long. It was wonderful that some of us could fulfill the dream of a little house. Now we see how those who are unemployed cannot usually afford the payments.

Now you explain to us repeatedly and in detail: whether we have enough to eat, whether we have jobs and whether our children have a future – all this isn’t your problem. You only worry about your profit and we should not criticize.

You shocked us with the health reform and the ten-euro visitation fee for the doctor. Still we thought everything wasn’t so bad. When you cut the pensions again and again, we still hoped other politicians would cancel this. Then when Hartz IV (radically reducing social benefits by combining income support and unemployment money) was introduced, the promise that no one would suffer want if he or she couldn’t find work was broken. Then many were rebellious and the Monday demonstrations began. You trivialized this but have no illusions. The status quo will not last.

That all your parties, the laws, the media and even some social associations have accepted Hartz IV is deeply shocking to us. No constitutional court stopped this. Now we know, the constitutional state, democracy and the constitution are all hollow phrases to deceive us.

Still most of us are paralyzed by horror, unable to do anything and helpless about what must be done. But in the depths of our hearts, we know what we must do. Most of us will not yet admit this and wrestle with ourselves. More and more we realize: capitalism has not changed its face. You could only hide your real grimace for a brief phase in history. Capitalism has no future for our children or us. We will have to make the revolution and send you packing.

You abolish our jobs as you please. You cut our wages, lengthen our working hours, let the pensions fall to nothing and carry out the greatest tax increase (for us) in the history of Germany while your big corporations and banks pay no taxes any more. You cancel the apprenticeships that our children need and ignore those who have not found a stable work situation.

You call us social parasites when we don’t find any work, are sick, need care or are seniors. You defraud us of money that we and our fathers and mothers paid in to social security. You use the money for other things and now shrug your shoulders: there's nothing for you any more.

You have a strong grip on the newspapers, journals, television and radio. They shower us with your ideology that the state doesn’t exist to look after us when we are needy. Earlier it occurred to us that the unanimous ideology comes from the media and the responsible ones never stand on our side. This insight is beginning to spread like that insight that communists did not devour little children. Now we are also beginning to find alternative news on the Internet.

For years our real wages have been falling and are cut additionally by lengthened working hours. You want us to continue working to 67. There is even talk of pensions at 70.

We have started to reject this. In the elections that you always use as a great excuse (“The majority voted for this”), we have taught your politicians a lesson. In the last Bundestag election, 35% of those entitled to vote voted for your parties. Only 20% of the population has confidence in your politicians.

That the “Club of Rome,” one of your think tanks, proclaimed that only 20% will be needed in the future and the others will be without work is a coincidence. Thanks for the frankness.

The present does not make us worried and furious but the future you have earmarked for us. Nearly every one of us must expect unemployment before retiring. Then one is called work-shy. After paying in the social treasuries for decades, one is placated with alms far below the poverty line, unemployment benefits II or later pensions.

After humiliating petitions to authorities that send inspectors to our living quarters, politicians announce in a choir: social hammocks, social parasites and misuse!

For the rest of life, there are “vouchers” to get something to eat. Health care is so limited that necessary operations cannot be performed any more. One either moves into a tiny dwelling or becomes homeless. That is the future you design for us. Then you drum into our heads that people in developing countries face worse conditions.

Thanks also that one of your politicians made clear to us that food is in no way guaranteed with the “voucher”: “Whoever does not work should not eat.”

Perhaps that already occurred to us – or some of us. People easily fall into resignation, despair or depression. Your plans are mainly directed against our children. While we noticed that class sizes increased more and more when the discussion about student tuition began, we saw when you cancelled more and more apprenticeships, that our children were condemned to remain at home with us if they couldn’t find any work and were offered only part-time jobs, mini-jobs, one-euro jobs, contract work, practical assignments and precarious work.

We love our children and will not let you do this to them! This is crucial! We now fight against you even if our struggle was clumsy in the beginning. You don’t have the least presentiment how intense is the rage in our bellies and how wild is our determination. You are obviously not very impressed by our struggle. Those union leaders allied with your parties always successfully choked off the battles before they began. Still we learned. Look, the number of union members in the striking factories has doubled.

Yes, we will learn to be combative – and we will learn French. You should begin to tremble.

Hier habe ich die englische Übersetzung meines Vorschlags "Offener Brief an die Herrschenden - Von den Arbeitern und dem Volk in Deutschland" dokumentiert, dem bei weitem am häufigsten angeklickten Artikel dieses Blog, die ich überraschenderweise auf einer US-amerikanischen Website fand, der UCIMC, das ist eine der US-IMC-Organisationen, bei uns nennt sich 'IMC' "indymedia". Diese Übersetzung, ist offensichtlich jene aus "Journalismus - Nachrichten von heute", die schon dokumentiert wurde. Als Quelle wird "Berlin online" angegeben, aber auf der Website mit diesem Namen kann man dies nicht finden. Im einzelnen gibt es diese Übersetzung auf folgenden US-amerikanischen und englischen IMC- (bzw."indymedia"-)Sites und der US-Site "Smirking Chimp":

http://www.ucimc.org/node/121

http://www.indymedia.org.uk/en/2006/10/353191.html

http://www.smirkingchimp.com/thread/1569

http://portland.indymedia.org/en/2006/10/347363.shtml

http://www.indybay.org/newsitems/2006/10/10/18319403.php

http://nyc.indymedia.org/en/2006/10/77075.html

https://www2.indymedia.org.uk/en/regions/world/2006/10/353191.html

http://www.indybay.org/newsitems/2006/10/10/18319403.php?printable=true

http://www.ucimc.org/taxonomy/term/1?page=6


Der Link zum Originalartikel in deutsch ist hier, der zu einer neuen, erweiterten deutschen Version hier.

Brasilianische Fussballmeisterschaft im Endspurt

São Paulo mit Abstand in Führung

Von Karl Weiss


Die brasilianische Fußballmeisterschaft der ersten Liga steht in ihrem Schlußspurt. Noch 6 Spieltage, dann, am 3.Dezember, wird der neue Meister gekürt sein und die Absteiger, diesmal wieder vier, werden feststehen. Alle Mannschaften haben noch drei Heim- und drei Auswärtsspiele. Wahrscheinlich wird der São Paulo F.C. Meister, der aktuelle FIFA-Vereinsweltmeister.

In Brasilien, das erst vor wenigen Jahren eine landesweite Meisterschaft mit Hin- und Rückrunde Jeder gegen Jeden eingeführt hat, findet diese von April bis Dezember statt, mit im Moment 20 Vereinen. Von Februar bis April gibt es noch zusätzlich regionale Meisterschaften, an denen die Vereine der ersten Liga ebenfalls teilnehmen müssen. Das ergibt eine Unzahl von Spielen, weit mehr als in europäischen Ländern. Fast jeden Mittwoch ist Spieltag.

Oft wird die Qualität der brasilianischen Spitzenvereine in Europa unterschätzt, denn die besten Brasilianer spielen ja in Europa. Das Reservoir an Talenten ist aber so umfangreich in diesem fußballverrückten Land, daß auch ohne diese noch Fußball auf höchstem Niveau gespielt werden kann. Der damalige Champions-Leage-Sieger F.C. Liverpool kann ein Lied davon singen, denn er musste sich dem damaligen Sieger der „Copa Libertadores”, dem südamerikanischen Gegenstück, São Paulo F.C., in der Entscheidung der FIFA-Fußball-Vereinsweltmeisterschaft im Dezember 2005 geschlagen geben.

Die brasilianische Meisterschaft hat auch dieses Jahr wieder mit einer Anzahl Überraschungen aufgewartet, wenn sie auch nicht so extrem ungewöhnlich und spannend verlief wie die letztjährige. Während damals insgesamt 9 der 22 Vereine den ersten Platz einnahmen im Lauf der Meisterschaft und zwei Runden vor den Ende immer noch alles offen war, hat diesmal der São Paulo F.C. den wesentlichen Teil der Zeit die Tabelle angeführt und liegt nun mit 5 Punkten Vorsprung auf dem Meisterplatz. Wenn nicht noch ein Einbruch ungeahnten Ausmaßes passiert, wie damals den Leverkusenern, die vier Spieltage vor Schluss mit 9 Punkten Vorsprung an der Spitze lagen und es noch fertig brachten, die Meisterschaft zu verlieren, so wird der „dreifarbige” Club, wie er hier oft genannt wird nach seinen Vereinsfarben schwarz, weiß und rot, auch am Ende die Nase vorne haben.

Die wesentlichen Überraschungen bereiteten die beiden anderen Spitzenmannschaften aus der Stadt São Paulo, Corinthians, der Vorjahresmeister, sowie Palmeiras, das einmal (im Jahre 1996) die beste Vereinsmannschaft hatte, die der Berichterstatter je gesehen hat. Beide kamen dieses Jahr nicht zurecht und krebsten lange Zeit auf Abstiegsplätzen herum, obwohl sie eigentlich zu den Mitfavoriten gehört hatten. Erst jetzt, kurz vor Ende der Saison, konnten sie sich aus der Abstiegszone befreien, ohne schon rechnerisch sicher zu sein.

Eine andere Überraschung waren drei der vier Spitzenmannschaften aus Rio de Janeiro, den Traditionsclubs Flamengo, Vasco da Gama, Botafogo und Fluminense. In der Rio-Meisterschaften hatten alle desaströse Vorstellungen gezeigt, so dass man schon das schlimmste befürchten musste, z.B. den Abstieg von zweien von ihnen. In Wirklichkeit aber hat sich Flamengo neben dem Pokal-Titel einen festen Mittelplatz erkämpft, Vasco und Botafogo sind sogar noch Anwärter auf einen der Plätze für die „Libertadores“. Nur Fluminense, im letzten Jahr noch im November einer der
Meisterschaftskandidaten, steht diesmal gefährlich nahe der Abstiegszone.

Eine weitere positive Überraschung ist der Club Figuerense aus der Hauptstadt Santa Catarinas, Florianopolis, der schon letztes Jahr als Aufsteiger und Abstiegskandidat einen Mittelplatz einnehmen konnte und diesmal wieder in der „weder-noch“-Zone steht. Im Mittwochspiel (2.11.) hat man gerade einem der Titelanwärter, Gremio, gezeigt, wie stark man auch auswärts ist und mit 2:1 gewonnen in Porto Alegre.

Ein weiterer Verein, der die Erwartungen nicht erfüllen konnte, ist Atlético Paranaense Curitiba, Anfang des Jahres kurzzeitig von Lothar Matthäus trainiert. Als überragendes Beispiel deutscher Zuverlässigkeit hatte der sich nach Europa abgesetzt und nach einiger Zeit nur kurz mitteilen lassen, er werde nicht mehr zurückkommen, werde seinen Vertrag nicht erfüllen. Noch im Jahr davor im Endspiel des „Libertadores“-Pokals, springt diesmal nur ein Mittelplatz heraus, vielleicht noch der letzte Platz für die südamerikanische Vereinsmeisterschaft „Libertadores“. Allerdings ist man im noch laufenden diesjährigen südamerikanischen Cup als letzter übriger brasilianischer Club im Halbfinale. Eben hat man einem der Mit-Anwärter auf einen „Libertadores“-Platz, Vasco Rio de Janeiro, im heimischen Stadion in Curitiba mit 6:4 in einem begeisternden Spiel gezeigt, wie groß die Heimstärke der Mannschaft ist. Wann gab es in der Bundesliga das letzte Mal ein 6:4?

Etwas ähnliches gilt für Cruzeiro Belo Horizonte, ein Daueranwärter auf den Titel oder vordere Plätze. Auch dieser Verein kann bestenfalls noch einen der beiden unteren Plätze für die nächste „Libertadores“ erreichen. Allerdings konnte Cruzeiro im heimischen „Mineirão“-Stadion an diesem

Mittwoch nur ein 2:2-Unentschieden gegen einen der wesentlichen anderen Anwärter auf einen „Libertadores“-Platz, Paraná Clube Curitiba erreichen. Das könnte schon das Ende der Hoffnungen sein.

Im Prinzip hat Brasilien fünf Plätze in der „Libertadores“, davon geht einer an den Pokalsieger, das war in diesem Jahr Flamengo Rio de Janeiro. Außer dem Meister kommen also noch drei Vereine für die begehrten Plätze in Frage. Nun hat Südamerika aber auch dem Vorjahressieger einen „Libertadores“-Platz reserviert. Das war in diesem Jahr Internacional Porto Alegre, im Moment Zweiter hinter seinem Endspielgegner São Paulo F.C. Damit eröffnen sich dem Dritten, Vierten und Fünften die begehrten restlichen Plätze.

Im Moment stehen auf diesen Plätzen der Santos F.C., der Pelé-Verein, Gremio Porto Alegre, eine satte Leistung als Wiederaufsteiger, sowie Paraná Clube Curitiba. Chancen haben noch Vasco Rio de Janeiro, den man eher im Kampf um den Abstieg vermutet hätte, Botafogo Rio de Janeiro und, wie erwähnt, Cruzeiro Belo Horizonte und Atlético Paranaense.

Die Verfolgergruppe vom São Paulo F.C. mit 64 Punkten sind mit 59 Punkten Internacional Porto Alegre, und mit jeweils 55 Punkten der Santos F.C. undInternacionals Lokalrivale Gremio, die beide am Mittwoch verloren haben. Von diesen hat Gremio das leichteste Restprogramm, aber es bleibt fraglich, ob der São Paulo F.C. noch einzuholen ist.

Internacional konnte zwar die „Libertadores“ im Endspiel gegen São Paulo holen, aber in der Meisterschaft dessen Vorherrschaft kaum angreifen, denn nach dem Sieg in der „Libertadores“ gingen die drei besten Spieler nach Europa. Vor allem der Abgang des Stürmers Rafael Sobis zum spanischen Betis konnte man nicht ausgleichen. Sobis kann man übrigens wahrscheinlich wieder als Auswahlspieler besichtigen, wenn Brasilien demnächst ein Freundschaftsspiel gegen die Schweiz in Basel bestreitet.

Was den Abstieg betrifft, so ist mit Santa Cruz einer der beiden Aufsteiger bereits fast aussichtslos abgeschlagen am Tabellenende mit einem Abstand von 11 Punkten auf den rettenden fünftletzten Platz. São Caetano, vor zwei Jahren noch im Meisterschaftskampf, liegt nur zwei Punkte besser, ist aber mit seiner Kampfkraft eventuell noch in der Lage, sich zu retten. Das 1:1 gegen den Mitabstiegskandidaten Fluminense zu Hause war aber zu wenig.

Auf dem dritten Abstiegsplatz davor liegt mit Fortaleza einer der typischen Kandidaten für den Abstieg, mit 5 Punkten Abstand zum rettenden Ufer. Ein 0:4 am Mittwoch zu Hause gegen Corinthians São Paulo, das vor drei Spielen noch auf einem Abstiegsplatz stand, könnte schon das Ende der Hoffnungen bedeuten.

Mit Ponte Preta Campinas steht davor ein weiterer Verein aus dem Landesinneren von São Paulo auf einem Abstiegsplatz, mit zwei Punkten Abstand zum fünftletzten.Am Donnerstag, den 2.11., konnte man bei Spitzenreiter São Paulo ein 1:1 holen und machte gar nicht den Eindruck eines Absteigers.

Fortaleza und Ponte Preta müsse noch gegeneinander antreten (im Nordosten bei Fortaleza) und spielen jeweils auch noch gegen jeweils drei weitere extrem gefährliche Gegner, Mitkandidaten um den Abstieg oder auf einen Platz in der Libertadores. So dürfte es für beide äußerst schwer werden. Einer von beiden hat aber eine reelle Chance, dem Abstieg zu entgehen, wobei die grösseren Chancen bei Ponte Preta liegen.

Davor steht im Moment auf dem rettenden Platz Fluminense Rio de Janeiro. Er muss noch gegen drei der Mitkandidaten auf den Abstieg antreten. Es könnte zu einem Desaster am Ende der Saison werden, wenn man im letzen Spiel Palmeiras São Paulo empfängt, das zwei Punkte davor liegt und mit einem theoretisch stärkeren Team aufwarten kann.

Nur theoretisch noch mit im Abstiegsstrudel stehen Corinthians São Paulo, der aktuelle Meister, und Juventude Caxias do Sul, die voraussichtlich nicht mehr wirklich gefährdet sind.

Bleibt noch anzumerken: Es wird in Südamerika neben der Vereinsmeisterschaft „Libertadores“ auch noch der Südamerika-Cup ausgetragen, so etwas wie der UEFA-Cup (für die zweite Garnitur). Der wird aber nicht parallel, sondern nach dem Ende der „Libertadores“ durchgeführt. Im Moment ist man dort gerade bei den Semifinalspielen 2006 angelangt. Es haben sich Vereine aus vier verschiedenen Ländern qualifiziert. Das eine Halbfinale führt die brasilianische Mannschaft Atlético Paranaense Curitiba und den mexikanischen Club Pachuca zusammen (wie auch bei der „Libertadores“ werden immer mexikanische Vereine zu den Südamerika-Ausscheidungen eingeladen), das andere wird entschieden zwischen dem chilenischen Club Colo-Colo Santiago, der im Viertelfinale die Argentinier Gimnasia ausgeschaltet hat, und dem Sieger aus dem argentinisch-mexikanischen Duell zwischen San Lorenzo, dem letzten verbliebenen argentinischen Verein und Toluca Mexico. Das Hinspiel in Argentinien hat San Lorenzo 3:1 gewonnen. Das dürfte nur schwer
aufzuholen zu sein für die Mexikaner.

Fast möchte man wetten: Mindestens eine der Voraussagen des Artikels wird nicht eintreffen.

Veröffentlicht am 4. November 2006 in der "Berliner Umschau"

Link zum Originalartikel hier

Freitag, 3. November 2006

100 Jahre Motorflug - Santos Dumont erfand das Flugzeug

Diesen Artikel gibt es jetzt in aktualisierter Form hier im Blog, hier:
http://karlweiss.twoday.net/stories/5145185/

Stuttgart bald demonstrationsfrei?

"Wir können alles, ausser hochdeutsch und demonstrieren lassen"?

Von Karl Weiss


Schikanen gegen angemeldete Demonstrationen, ununterbrochenes Filmen und Fotografieren aller Demonstrationsteilnehmer, wütendes unverhältnismäßiges Eingreifen der Polizei, anschließende Razzias und Hausdurchsuchungen, absurde Anklagen, Verweigerung der Rechte für Festgenommene, das ist, was im Moment in Stuttgart angesichts von Demonstrationen an der Tagesordnung ist. Offenbar soll das Demonstrationsrecht in Stuttgart ausgehebelt werden. Wird dies das neue Motto im Schwabenland: „Wir können alles, außer hochdeutsch und demonstrieren lassen“?

Sozialprotest DGB

Es fing an mit den Montagsdemonstrationen. Offenbar waren die der Obrigkeit in Stuttgart ein Dorn im Auge. Man ordnete unsinnige und völlig absurde Auflagen an. So sollten die Lautsprecher von der Richtung der Strasse abgewendet werden, so daß niemand etwas gehört hätte. Bei anderer Gelegenheit wurde behauptet, erst bei einer Kundgebung von über 50 Teilnehmern seien verstärkte Reden erlaubt. Es wurde das Mikrofon abgedreht.

Da auch in einer anderen Stadt das Gleiche versucht worden war, gab es bald ein Gerichtsurteil dazu: Natürlich ist das Demonstrationsrecht nicht erst ab 50 Mann gegeben, sondern ein generelles Recht. Trotzdem versuchte die Polizei in Stuttgart weiter mit der 50-Personen-Regel einzuschreiten.

>>Wozu Gerichtsbeschlüsse.? Wir sind die Obrigkeit!<<

Das andere Mittel, die Demonstranten einzuschüchtern, ist das andauernde Filmen und Photographieren. Die Polizei überwacht seit geraumer Zeit jeden Montag intensiv filmend und photographierend die Montagsdemos in Stuttgart. Der Kollege des Berichterstatters, Elmar Getto, der auf Einladung der Vorbereitungsgruppe Anfang Januar dort sprach, berichtete:

„Ich war überrascht, wie viele Personen trotz der Kälte gekommen waren. Noch bevor die Verstärkeranlage aufgebaut war, erschien bereits die Polizei mit zwei Transportern und vielen Polizisten. Mehrere davon filmten bzw. photographierten die Teilnehmer die gesamte Zeit. Nach einer Zeit zogen sie sich angesichts der Kälte in ihre Autos zurück und filmten und photographierten von dort aus weiter. Das war angesichts einer Demonstration, die schon über ein Jahr Woche für Woche völlig friedlich abgelaufen war, offensichtlich ein durch nichts gerechtfertigter Versuch der Einschüchterung. Nun, mich haben sie nicht eingeschüchtert.

Die Kundgebung konnte nicht am beantragten Platz stattfinden. Das Stuttgarter Ordnungsamt hatte behauptet, dort sei bereits vorher eine Werbeveranstaltung angemeldet worden. Als wir nach der Kundgebung dort hingingen, war da überhaupt keine Veranstaltung. Offenbar hatte man wieder schikanieren wollen.“

Elmar auf Stuttgarter Modemo Jan 06, Polizeifahrzeuge

Auf dem Bild sieht man Elmar bei seinem Redebeitrag mit den Polizeifahrzeugen im Hintergrund, aus denen gefilmt und photographiert wird.

Weiter ging es am vergangenen Samstag, 21. Oktober, bei der grossen DGB-Demonstration gegen den Sozialabbau, die zeitgleich mit anderen in Berlin, Dortmund, Frankfurt und München stattfand. Wiederum hatte das Stuttgarter Ornungsamt absurde Auflagen gemacht, darunter dem Veranstalter auferlegt, Straßenabsperrungen durchzuführen, Halteverbotszeichen anzubringen, Autonummern zu notieren und ähnliches. Der DGB kann aber mit einer Reihe guter Anwälte aufwarten und so war noch vor der Demonstration bereits eine gerichtliche Verfügung „im Eilverfahren“ beim Stuttgarter Verwaltungsgericht erwirkt worden (10 K 3756/06), welche die Auflagen für unzulässig erklärte.

„Eine schallende Ohrfeige für die Stadt“ Stuttgart, kommentierte der DGB-Landesvorsitzende Bliesener die Begründung des Gerichts, das klargestellt hatte, Verkehrsbeeinträchtigungen bei Demonstrationen seien „grundsätzlich hinzunehmen“.

Dann fand die Demonstration statt, mit - nach Einschätzung mehrere unabhängiger Beobachter – mindestens 40 000 Demonstranten. Eine friedliche, aber nach übereinstimmenden Aussagen sehr kämpferische Demonstration. Eine Gruppe von etwa 200 bis 300 Personen bildete nach Angabe von „Bunte Hilfe Stuttgart“ einen „antikapitalistischen Block“. Aus diesem Block, so Polizeiangaben, seien entzündete bengalische Kerzen (die vom Fussball) und eine Flasche mit einer brennbaren Flüssigkeit gegen die Fassade der Commerzbank-Zentrale am Schloßplatz geworfen worden. Auch die SPD-Zentrale soll einige Farbspritzer abbekommen haben.

Nun, wenn das wahr ist, war das sicher nicht klug. Aber selbst nach Angaben der Polizei gab es nicht einmal Sachschäden abgesehen von Farb- und Brandspuren an der Fassade. Das ist also nicht mehr als ein Dumme-Jungen-Streich. Demgegenüber war das Eingreifen der Polizei sehr ernst, so als ob schwere Verbrechen zu verfolgen gewesen wären.

Es wurde ein Teil des „Blocks“ eingekreist und insgesamt 20 Personen festgenommen. Obwohl es angesichts der Geringfügigkeit völlig ausreichend gewesen wäre, Personalien festzustellen, verfrachtete man die vermeintlichen „Täter“ in einen Polizeitransporter und hielt sie über lange Zeit in der Hauptwache Pragsattel fest.

War es bis dahin nur unverhältnismässg, wurde es dann allerdings ernst. Nach Angaben der „Bunten Hilfe Stuttgart“ wurden die etwa 25 Festgenommenen, viele davon minderjährig, in ihren Rechten beschnitten und behandelt, wie man nicht einmal Schwerverbrecher in Stuttgart behandelt.

Obwohl jedem Festgenommenen das Recht zusteht, ein Telephongespräch zu führen (z.B. um einen Anwalt zu benachrichtigen oder bei den Minderjährigen, um die Eltern anzurufen), wurde ihnen dies verweigert. Bis heute gibt es keine Stellungnahme der Polizeidirektion Stuttgart zu diesem Vorwurf.

Den Festgenommenen wurde teilweise Wasser zm Trinken verweigert. Obwohl sie stundenlang festgehalten wurden, bekam niemand etwas zu essen. Fast alle wurden erkennungsdienstlich behandelt, obwohl ihre Personalien klar waren. Man erhob Anklage wegen „Landfriedensbruch“ und „Sachbeschädigung“.

Da es sich angesichts des Vorgefallenen bestenfalls um extrem leichte Fälle davon handeln kann, war also keine erkennungsdienstliche Behandlung angesagt. Es muß speziell eine erkennungsdienstliche Behandlung von Minderjährigen immer abgewogen werden, was hier nicht geschah. Einer der Festgenommenen war erst 14 Jahre alt.

Obwohl bei einer Festnahme von Minderjährigen immer schnellstmöglich die Erziehungsberectigten benachrichtgt werden müssen, wurde dies nicht getan. Damit haben sich, wenn diese Schilderung stimmt, die Polizisten und vor allem der Aufsichtsführende einiger Delikte schuldig gemacht.

Sehr merkwürdig auch, daß diese Dumme-Jungen-Streiche zum Anlaß genommen wurden, um bei vorher Festgenommenen Hausdurchsuchungen zu machen und bei einem Sozialen Zentrum eine Durchsuchung ohne Durchsuchungsbefehl durchzuführen, wie die „Bunte Hilfe Stuttgart“ weiter berichtet. Hier wurde nun als Begründung „Versuchte schwere Brandstiftung“ und „Versuchte schwere Körperverletzung“ nachgeschoben, völlig absurd angesichts des Vorgefallenen. Wiederum wird völlig unverhältnismässig reagiert. Ist es, weil man „Linke“ dahinter vermutet? Ist das ein durchgehendes Motiv ?

Polizeieinsatz

Auffallend auch, wie ähnlich diese geringfügigen Ausschreitungen denen im Stuttgarter Neckarstadion bei Fußballspielen sind. Auch dort werden Bengal-Kerzen geworfen, auch dort kommt es gelegentlich zu kleinen Bränden. Allerdings kommt dort etwas erschwerend hinzu: Genau aus den Ecken, wo dies herkommt, kommen auch rassistische Angriffe auf Spieler.

Noch nicht in einem einzigen Fall hat die bei Demonstrationen so aufgeheizte Stuttgarter Polizei solche Schein-Fußballfans festgenommen, ohne Kontakt zur Außenwelt isoliert, stundenlang festgehalten und mit Durchsuchungen reagiert. Warum nicht?

>>Das sind unsere Leute, während die Demonstranten gegen die Obrigkeit sind, also zeigen wirs denen!<< Ist das die Haltung von Stadt und Polizei in Stuttgart?

Der Obrigkeitsstaat winkt aus der Geschichte! Wilhelm des Zweiten Pickelhaube, sein General Hindenburg, der dann Hitler an die Macht bringt. Ist es das?

Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 3. November 2006

Link zum Originalartikel hier

Donnerstag, 2. November 2006

Können die USA bankrott gehen?

Schwerwiegende Aussagen eines Mitglieds des Zentralbankrates

„Die USA könnten bankrott gehen“: Diese klare Aussage, wenn auch im Konjunktiv, hat laut einer Meldung des britischen „Telegraph“, der keinerlei Panikmache verdächtig ist, ein Professor Kotlikoff von der „Federal Reserve Bank of St. Louis“ gemacht, eine der führenden Institutionen der „US Federal Reserve“, der US-Zentralbank.

Der Professor bezieht sich dabei auf eine Reihe von Fakten:

1. Das Außenhandelsbilanz-Defizit der USA ist bei weitem das höchste der Welt, sowohl in absoluter Höhe besorgniserregend als auch relativ zur Leistungskraft der US-Wirtschaft und - vor allem - immer noch weiter wachsend. Die USA importieren weit mehr als sie exportieren und das in ständig weiter steigendem Maße.

2. Das Budget-Defizit (mehr Staatsausgaben als Staatseinnahmen) hat ebenfalls besorgniserregende Höhen erreicht. Es ist ebenfalls das höchste der Welt. Dem steht natürlich auch die bei weitem stärkste Wirtschaftskraft der Welt gegenüber (in etwa so stark wie die gesamte EU), was den
internationalen Vergleich relativiert, aber die Defizite summieren sich nun bereits viele Jahre.

3. Die Staatsverschuldung der USA hat einen Punkt erreicht, an dem selbst für eine solche extrem prospere Volkswirtschaft die Grenzen erreicht sind, speziell unter Berücksichtigung von Punkt 4.

4. In naher Zukunft wird die Generation der US-Amerikaner mit der höchsten Geburtenrate (die Zeit nach dem 2.Weltkrieg) beginnen in Rente zu gehen ("Baby-Boomers"), was die staatlichen Rentenausgaben in ungeahnte Höhen steigen lassen wird. Dazu kommt, daß die Medicare und Medicaid-Ausgaben in ähnlichem Maße steigern werden (Medicare ist die Hilfe für ältere Bürger in Krankheit, Medicaid die für Bedürftige).

5. In der Amtszeit von Präsident Bush wurden massive Steuerkürzungen durchgeführt, speziell für Reiche und für große Unternehmen. Dadurch sind die Steuereinnahmen deutlich zurückgegangen und die Defizite haben sich vergrößert.

Dies alles zusammen wird nach Angaben des Professors auf eine Insgesamt-Zahlungslücke von unglaublichen 65,9 Trillion (Billionen) hinauslaufen. Das ist, ausgeschrieben, folgende Zahl: 65.900.000.000.000, also in etwa eine 66 mit zwölf Nullen. Der geneigte Leser braucht es erst gar nicht zu versuchen, niemand kann sich diese Zahl vorstellen.

Das ist mehr als fünf Mal das US-„Gross Domestic Product“ (in etwa: "Brutto-Sozialprodukt"). Dieses Riesenloch könnte schwerste Auswirkungen auf den Dollar haben. Der Dollar ist im Moment die Welt-Reservewährung. Das bedeutet, die US-Federal Reserve kann soviel Staats-Dollar-Anleihen herausgeben, wie sie will, sie werden immer gekauft werden.

Das hat seine guten Gründe. Seit am Ende des Zweiten Weltkriegs das Bretton-Woods-System eingeführt wurde, hat die USA immer alle ihre Schulden und Zinsen bedient und man kann sich sicher sein, daß man genau das herausbekommen wird, was draufsteht. Ebenso hat es seit dieser Zeit in den USA keine galoppierende Inflation gegeben, die den Wert des Dollars vernichtet hätte. Der Dollar ist schlicht und einfach das zuverlässigste, was ein Finanzanleger oder eine Zentralbank sich wünschen kann.

Würde aber nun entweder eine hohe Inflation in den USA entstehen und/oder der Dollar aus Furcht vor einem Dollar-Crash gewaltig im Wert fallen, dann würde eine Flucht aus dem Dollar einsetzen, die heute mit elektronischen Methoden innerhalb von Minuten einen Wertverlust von 50% ergeben kann - wenn auch in solchen Fällen der Handel unterbrochen wird. Beginnt er aber erneut, wird eben doch dahin gegangen, wo es hingehen muß.

In der Praxis ist es das, was der Professor mit dem „Bankrott-Gehen“ der USA meint. Der Dollarkurs im Keller, der Dollar als Reservewährung praktisch nicht mehr vorhanden, die Zuverlässigkeit des Dollar unterminiert, die Wirtschaftskraft der USA angeschlagen. Plötzlich würden die gewaltigen Importe der USA etwas in der Richtung vom Doppelten kosten, was praktisch nicht zu zahlen wäre. Damit würde der ganze Wohlstand in den USA auf ein deutlich niedrigeres Niveau geworfen, viele Fabriken geschlossen, viele Arbeiter auf die Strasse gesetzt.

Die Armen wären natürlich, wie immer im Kapitalismus, die am Schlimmsten Betroffenen. Gewaltige Hungersnöte würden das Land erschüttern, eventuell auch soziale und oder rassische Unruhen.

Dazu käme die akute Gefahr einer galoppierenden Inflation, denn die Importpreise sind ja plötzlich fast doppelt so hoch. Deshalb kann dem auch nicht mit Gelddrucken oder Anleihen-Ausgeben entgegengetreten werden, denn das hätte genau diesen Effekt, die Inflation anzuheizen.

Der einzige Ausweg in einer solchen Situation ist zuzusehen, bis man am Boden des Lochs angekommen ist und dann mit der Hände Arbeit langsam wieder zu versuchen herauszukommen.

Etwas Vergleichbares ist zum Beispiel mit Argentinien am 22. Dezember 2001 und in den darauffolgenden Wochen geschehen.

Das alles bedeutet nicht das Ende des Lebens in jenem Land, aber bezogen auf die USA wäre es das Ende des Supermacht-Status.

Aber gemach, erstens ist es noch nicht so weit und zweitens muß es auch gar nicht dazu kommen. Die USA können dies noch mit energischen Maßnahmen vermeiden, die jenen oben genannten Gefahren entgegenwirken. Allerdings ist im Moment keinerlei Ansatz zu einer solchen Politik bei der US-Regierung zu erkennen.

Link zum Originalartikel hier


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Mittwoch, 1. November 2006

Die Terroristen sind selbst fabriziert

"Die ich rief, die Geister, werd' ich nicht mehr los!"

Goethe und der religiös-fundamentalistische Extremismus

Von Karl Weiss

„Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal fort begeben, und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben…” So beginnt eines der bekanntesten Gedichte Goethes, der „Zauberlehrling”. In dieser Situation des Zauberlehrlings befinden sich nun wohl die Regierungen der USA und Israels.

Fast jeder kennt die Geschichte vom Zauberlehrling, der die hilfreichen Geister wie sein Meister beschwören kann, sie aber dann nicht mehr „abzuschalten“ versteht und so ein Riesen-Durcheinander anrichtet. Die Disney-Studios haben Goethes Gedicht in einen Zeichentrickfilm verwandelt, in dem Mickey Mouse die Rolle des Zauberlehrlings spielt. Die Zeile „...die ich rief, die Geister, werd’ ich nicht mehr los!“ ist als geflügeltes Wort in die deutsche Sprache eingegangen.

So ähnlich verlief die Geschichte, als die Regierungen der USA und Israels in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begannen, die bis dahin völlig unbedeutenden fundamentalistisch - extremistischen islamistischen „Gotteskrieger“- Gruppen hochzurüsten, auszustatten, auszubilden, mit Dollars vollzustopfen und gegen ihre Gegner in Stellung zu bringen.

Die damalige US-Regierung unter Reagan machte aus dem kleinen Spinner-Club Taliban eine große und einflußreiche Bewegung in Afghanistan, weil man sie gegen die damalige Sowjetunion einsetzen wollte, die Afghanistan 1980 überfallen hatte. Tatsächlich wurde die Taliban, hochgepäppelt mit US-Mitteln, so stark, daß sie nach dem Abzug der Sowjets nach und nach Afghanistan erobern konnten.

Parallel dazu begann man eine Gruppe von Arabern innerhalb des CIA aufzubauen unter Führung des saudi-arabischen Millionärssöhnchens und CIA-Agenten Osama Bin Laden, denen man das Handwerk des Terrors beibrachte und die damals den sowjetischen Garnisonen in Afghanistan das Leben zur Hölle zu machen begann. Diese Gruppe wurde später als "Al Quaida" bekannt. Der Name wird noch heute für einige dieser Gruppen verwendet.

Die israelische Regierung hatte kein Problem mit Afghanistan, hatte aber 1982, so wie jetzt wieder, den Libanon überfallen, wo man einen wesentlichen Teil der palästinensischen Befreiungsbewegung PLO wußte. Es gelang in Jahren der Besetzung des Libanon, tatsächlich einen wesentlichen Teil der PLO zu eliminieren oder zur Flucht zu zwingen. Die Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila in West Beirut mit (nach Angaben der "Monde diplomatique") wahrscheinlich mehr als 3000 dahingeschlachteten Palästinensern unter israelischer Oberaufsicht im September 1982 seien nur erwähnt (wikipedia hat eine ausführliche Site mit Illustration dazu).

Im Süden des Libanon baute man eine „Pufferzone“auf. Dort wurde aus vorher verschwindend kleinen Grüppchen von extremistisch-religiösen Islamisten die Hisbollah gebildet, die von Anfang an die Handschrift des Mossad trug, des israelischen Geheimdienstes. Sie wurde als Konkurrenzbewegung gegen die PLO im Libanon gezielt ausgebaut, unterstützt, bewaffnet, mit Dollars versehen und hochgepäppelt. Tatsächlich ist heute die PLO unter den palästinensichen Flüchtlingen unbedeutend geworden, während die Hisbollah die völlige Oberhand unter der schiitischen Bevölkerung des Libanon hat.

Auch in den besetzten Gebieten Palästinas wurde, parallel dazu, eine islamistische Gruppe auf Terror und Selbstmordattentate getrimmt, ebenfalls auf schiitischer Grundlage, die Hamas, um auch dort die PLO um ihren Einfluß zu bringen. Auch hier eine Flut von Dollar. Auch dies gelang, wie man weiß. Kürzlich gewann die Hamas die Wahlen in den palästinensischen Gebieten. Auch die Hamas wurde vom Mossad ausgebildet und bewaffnet.

In anderen Worten: Vor 1980 gab es in der arabischen Welt keine bedeutenden islamistisch-fundamentalistischen extremistischen Gruppierungen, schon gar keine, die Terorismus betrieben. ES GAB KEINE SELBSTMORDATTENTATE, ES GAB KEINE INS GEWICHT FALLENDE ISLAMISTISCHEN TERRORISTEN. DIES ALLES WURDE KREIERT VON DEN REGIERUNGEN DER USA UND ISRAELS.

Zwar gab es schon den schiitisch-fundamentalistischen Iran, aber der war in der Region und weltweit vollkommen isoliert und ohne Einfluß. Die Araber sahen den Iran eher als Feind an, zumal die meisten Araber Sunniten und nicht Schiiten sind.

Ebenso gab es die PLO. Sie hatte keinerlei religiöse Grundlage, sondern war Mitgliedern aus allen Religionen wie auch nicht Religiösen offen. Sie war damals die legitime Vertretung der Palästinenser. Bis auf eine kleine Splitterguppe innerhalb der PLO, der Bewegung „Schwarzer September“, lehnte die PLO Terrorakte gegen Zivilisten, seien es israelische oder andere, ab. Sie führte militärische Angriffe auf israelische Truppenteile (man stand ja nach dem Yom-Kippur-Krieg immer noch im Krieg), setzte aber ansonsten auf Verhandlungen.

Kurz: Alles, was wir heute als islamistisch-fundamentalistischen Terror gegen Zivilpersonen kennen, ist vollständig auf dem Mist der israelischen und US-Regierung gewachsen.

Nun mag sich einer fragen, ja waren die denn mit dem Klammerbeutel gepudert, sich die heftigsten Feinde selbst heranzuzüchten?

Das Ganze hat aber in zweierlei Hinsicht eine gewisse Logik:

1. Sowohl die US-Regierungen unter Reagan und später Bush Vater sowie noch später Bush Junior als auch die zionistischen israelischen Regierungen sind selbst eng verbunden mit religiös-fundamentalistischem Extremismus, in den USA auf christlicher Grundlage und in Israel auf zionistisch-jüdischer. Die Weltanschauungen dieser drei Arten von religiösen Extremisten gleichen sich in weiten Teilen. Einig ist man sich z.B. in der Ablehnung der Wissenschaftlichkeit und speziell der Wissenschaft als Grundlage der Weltanschauung, aber auch im „Wörtlich-Nehmen" der jeweiligen heiligen Schriften, alle drei sind Anti-Aufklärung, Anti-Gay, Anti-Abtreibung, frauenfeindlich, Pro-Todesstrafe, Pro-Folter, Männer-Gesellschaften voller Machismus, halten Menschenrechte für lästige Übel und sind - nicht zuletzt - Meister in Heuchelei: Während sie den Armen das bessere Leben im Jenseits predigen, wissen viele ihrer hervorstechenden Persönlichkeiten sehr gut, ihre Stellung zur persönlichen Bereicherung auszunutzen. Man hat also in gewisser Weise „Brüder im Geiste“ unterstützt.

2. Zum zweiten muß man auch sehen, daß diese Gruppen ja zunächst noch unter der eigenen Fuchtel geführt wurden. Erst als sich das Sowjet-Imperium auflöste, die USA zur einzigen Supermacht wurden und die weiteren Gelder für mehr Militär nicht mehr so recht fließen wollten, ließ man - nach und nach - die selbstgezüchteten islamistischen Fundamentalisten von der Leine und begann dann, sie als Hauptfeind aufzubauen. So konnte bereits 11 Jahre nach dem Ende des Sowjet-Imperiums mit dem 11. September 2001 der Startschuß zum „New War“ von Bush gegeben werden, der zum Teil noch verschämt unter dem Namen „Krieg gegen den Terror“ läuft, aber doch immer deutlicher zum imperialistischen Krieg zur Verewigung der Oberhoheit der USA über die Menschheit und speziell über die ölreiche Region des Nahen und Mittleren Ostens wird.

Man weiß genau, daß eine Anzahl islamistischer Terrorgruppierungen die Alleinherrschaft der Supermacht nicht ankratzen können, aber sie lassen sich ideal als Vorwand benutzten, um die Staatsapparate mehr und mehr zu faschisieren gegen den wirklichen Feind des Imperialismus - das eigene Volk. Für Israel sieht die Sache ähnlich aus: Mit Terrorgruppen wie Hamas und Hisbollah braucht man nicht zu verhandeln und niemand kann ernsthaft erwarten, daß man mit ihnen Frieden macht. Damit ist man vom lästigen Druck befreit, Frieden machen zu sollen und Palästina anzuerkennen und kann die Sache durch „Pulverisieren“ (wie Uri Avnery sie zitiert) zu lösen versuchen.

Neben den islamistischen Fundamentalisten züchtete man sich auch noch einen anderen Bösewicht heran: Saddam Hussein, Massenmörder und US-Zögling. Man brachte ihn im Irak an die Macht und bewaffnete ihn bis an die Zähne, denn man hatte keineswegs vor, das iranische Ayatollah-Regime gewähren zu lassen. Befehlsgemäß begann Saddam mit dem Stellvertreterkrieg gegen den Iran, mußte aber bald erkennen, daß die Nachbarn auch recht gut gerüstet waren, die hatten nämlich das Militärgut des Schah-Regimes geerbt, ein weiterer US-Zögling, den man aufgerüstet gehabt hatte.

So kam der Iran-Krieg nicht voran und Saddam mußte ihn unverrichteter Dinge abbrechen. Damit war er für den Sponsor nichts mehr wert, wurde sogar als gefährlich eingeschätzt mit all seiner Hochrüstung und war deshalb ebenfalls abzuservieren. Ein Vorwand war leicht gefunden, denn Saddam war ja mit vielen chemischen Waffen ausgerüstet worden von den USA (auch mit biologischen, siehe Anthrax) und die brauchte man nun nur zu finden und schon war der Krieg begründet. Dummerweise hatte Saddam sich inzwischen bereits aller B- und C-Waffen entledigt und so mußte man ganz schnell den Kriegsgrund ändern.

Die Terrorgruppen des CIA mit dem Codenamen Al Quaida waren auch nach dem Vertreiben der Sowjetunion aus Afghanistan nützlich: Zunächst wurden sie in Tschetschenien gegen die Sowjetunuion und später gegen Russland eingesetzt, in den jugoslawischen Teilungskriegen in den 90er-Jahren halfen sie der bosnischen Separatistenregierung Terror gegen die Serben anzuwenden und durften dann wieder nach Afghanistan, um die Taliban zu unterstützen.

Mit der Taliban in Afghanistan ging aber auch einiges schief. Statt so wie die vorherigen Regierungen nach dem Abzug der Sowjets ihren Reichtum auf die Herstellung und den Verkauf von Opium und Heroin zu stützen, begann die Taliban-Regierung den Anbau von Mohn zu verbieten und den Rauschgifthandel zu bekämpfen.

Da kam es gerade recht, daß man den 11. September Ex-Agent Bin Laden in die Schuhe schieben konnte, der sich in Afghanistan aufhielt, das man dann überfiel und innerhalb kürzester Zeit wieder auf den für US-Geldwäscher profitreichen Weg der weltweiten Hauptquelle für Opium und Heroin bringen konnte - immer angeblich auf der Suche nach Bin Laden. Daß der sich bis heute nicht eingefunden hat, muß wohl auf übersinnliche Kräfte zurückzuführen sein. Oder Bin Laden hat den „Beamer“ bei Raumschiff Enterprise geklaut.

Natürlich waren die eigentlichen Gründe der Überfälle auf Afghanistan und den Irak imperialistisch-strategischer Art und nicht von unwichtigen Figuren wie Saddam oder von Nebenpunkten wie Rauschgiftherstellung anhängig, aber das wird in anderen Artikeln behandelt.

Inzwischen waren auch die hausgemachten Israelisch-gesponsorten Terrorguppen Hamas und Hisbollah bereits zu beachtlicher Stärke angewachsen. Die Dollars und Shekel hatten Wirkung gezeigt. Wo Geld ist, zieht es Leute hin. Da sind wir wieder bei Goethe: „Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles, ach, wir Armen!“

Die Hamas mit ihren Selbstmordattentätern bot einen Vorwand, eine Mauer um die palästinensischen Gebiete zu bauen und die inzwischen auch schon ziemlich unabhängige Hisbollah den Vorwand, den Libanon erneut zu überfallen. Auch dabei ging einiges schief, aber auch das ist gerade nicht das Thema.

So kann man denn heute sowohl die US- wie die israelische Regierung (hinter verschlossenen Türen natürlich) mit Goethes Zauberlehrling klagen hören: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nicht mehr los!“


Link zum Originalartikel hier

Dieser Artikel erschien am 24.8.06 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.

Viertes Anzeichen für die kommende Weltwirtschaftskrise

Die "Bring-die-Trottel-zum-Kaufen-Periode"

Von Karl Weiss

Nachdem de Berliner Rundschau schon die ersten drei Anzeichen veröffentlicht hat, die auf eine bevorstehende Weltwirtschaftskrise hindeuten, kann man nun ein viertes Anzeichen beobachten: Wir stehen mitten in der Aktien-Kauf-Periode, die wir “Bring-die-Trottel-zum–Kaufen-Periode” getauft haben.

Das erste Anzeichen einer möglicherweise bevorstehenden Weltwirtschaftskrise war der deutliche Einbruch der Neuwagenverkäufe in den USA im Juni im Vergleich zum Vorjahr: über 2 %.

Das zweite Anzeichen ist der Einbruch, man könnte auch sagen freie Fall des Immobilienmarktes in den USA, der sich immer noch beschleunigt und inzwischen selbst die erklärtesten Optimisten nachdenklich gemacht hat. Um nur einen Eindruck von dem zu geben, was dort im Moment vor sich geht: Nachdem im ersten Quartal noch ein Wirtschaftswachstum von 6% geherrscht hatte, liegt es jetzt bei 1,6%. Die Immobilieninvestitionen fielen um 17%, höchster Rückgang in 15 Jahren. Der Durchscnittspreis für neue Häuser ist im September um 9,7% gefallen (Vorjahresvergleich).

Immobilienkrise USA

Das dritte Anzeichen war die Inversion der Zinsstruktur: In den USA wird für Geld, das in Staatspapieren auf 10 Jahre angelegt wird, weniger Zinsen gezahlt als für solche mit 2 Jahren Laufzeit. Daraus folgt: Die Märkte (das heißt jene, die die Märkte bewußt bewegen können) erwarten, daß die Zinsen in der Zukunft deutlich fallen, wie dies in Wirtschaftskrisen der Fall ist.

Damit sind wir auch bereits beim Stichwort, das wir zum Verständnis des vierten Anzeichens brauchen: Die Markt-Macher, jene, welche die Märkte bewußt bewegen können. Hierbei handelt es sich um die großen privaten Vermögensinhaber, wie z.B. George Soros, um die Groß-Banken einschliesslich der Staatsbanken und um die Finanzabteilungen der Großkonzerne. Sie haben genug Kapital, um in allen Typen von Finanz-Märkten, Währungen und Marktpreisen bestimmen zu können, wohin die Richtung geht.

George Soros zum Beispiel hat den ersten, wirklich gewaltigen Teil seines Vermögens gemacht, als er gegen den Silberpreis spekulierte. Er legte Geld und immer mehr Geld in Verkaufsoptionen für Silber an, bis jenen, die auf großen Silbermengen saßen, die Luft ausging. Der Verfall des Silberpreises machte Soros zu einem der reichsten Männer in der Welt. Später hat er, wie er selbst zugibt, gegen das Britische Pfund spekuliert. Er hatte einen so langen Atem (sprich so viel Kapital), daß selbst der britische Schatzkämmerer nicht mehr gegenhalten konnte und eine deutliche Abwertung des Pfundes vornehmen mußte.

Man kann davon ausgehen, es wird diesen Riesenkapitalien nicht entgangen sein: Es steht mal wieder eine der für den Kapitalismus charakteristischen weltweiten Wirtschaftskrisen an. Für sie heißt das nun, wie können sie diese so gut wie unbeschädigt überstehen, wie die Verluste, die das automatisch mit sich bringt, verringern oder sogar ganz auf Andere abschieben.

Da sie die Herrschenden sind, nicht nur die Märkte manipulieren können, sondern auch die Massenmedien in den Händen haben, ebenso wie die Regierungen, haben sie nun eine Scheinblüte eingeleitet, eine Aktien-Hausse, wie sie kaum zuvor je gesehen wurde, um die Trottel mit Geld dazu zu bringen, Aktien zu kaufen. Dazu brauchten sie nur für eine relativ kurze Zeit die Ölpreise etwas zu senken, so daß ihnen (jedenfalls den Ölkonzernen) zwar vorübergehend nicht ganz so viel Geld zufließt, aber das lohnt sich.

In allen Zeitungen, den Nachrichtenmagazinen, in den Geld-Zeitschriften, im Fernsehen, am Radio, überall werden Feuerwerke abgebrannt: Der Dow Jones auf Allzeit-Hoch, der Nasdaq steigt und steigt, der Dax: Nie gesehene Gesundheit usw. usw. Überall wird nahegelegt: Kauft Aktien, Leute, wir gehen goldenen Zeiten entgegen. Der Riesen – Bulle ist los [der Bulle ist das Symbol für die Hausse: Er hebt mit seinen Hörnern die Aktienkurse], es geht nur noch aufwärts. Die 20.000 Punkte werden angesteuert. Spring schnell auf, der Zug fährt schon!

Alle vergessen nur hinzuzusetzen: Trottel.

Sie selbst, die diese Euphorie verbreiten lassen durch ihre Massenmedien, sie haben schon begonnen, ihre Aktien zu verkaufen, jetzt, da die Kurse hoch sind. Sie brauchen eine geraume Periode der Hausse, um sich in kleinen Paketen weitgehend aller Aktien zu hohen Preisen zu entledigen, ohne dadurch starke Kursverluste hervorzurufen und sie brauchen Heerscharen von mittleren und kleineren Anlegern, die auf die Botschaft reinfallen: Die Trottel, die nun Aktien kaufen.

Bisher gab es noch vor jeder Wirtschaftskrise diese Periode, die Analysten später mit tadelndem Ton in der Stimme „Überhitzung des Marktes“ oder „Bubble“ (Seifenblase) nennen werden. Daß sie selbst auf dem Schaum der Woge mitgeschwommen sind, werden sie vergessen oder jedenfalls nicht erwähnen.

Denn sobald die Krise wirklich ausbricht, werden die Aktien in mehreren Kaskaden nach unten rauschen. Eine wahre Pracht. Wer dann rechtzeitig sein Geld in sichere Häfen gebracht hat, braucht sich nicht viel Kopfzerbrechen machen. Die Trottel dagegen, die mittleren und kleineren Anleger, die sich bis jetzt noch jedes Mal haben täuschen lassen, werden auf den Aktien sitzen und verzweifelt hoffen, es seien nur Zwischentiefs, bis sie wesentliche Teile ihres Geldes in Nichts aufgelöst sehen.

Vor der letzten Krise, die sich im Verlauf des Jahres 2001 manifestierte, hatte man vor allem mit den Technologie-Werten ein Hausse-Spiel veranstaltet und die Trottel dazu gebracht, die vielversprechenden Informations-Technologie–Werte „Dotcom“ zu kaufen. Die „Dotcom“-Bubble platzte und so mancher verlor einen Batzen Geld.

Dieses Mal scheint eine weit umfassendere Wirtschaftskrise bevorzustehen und man lässt nicht nur einen Teil des Aktienmarktes in schwindelnde Höhen steigen, sondern fast alle Aktienmärkte. Am 26. Oktober 2006 wurden Allzeit-Rekorde des Dow-Indexes und von vier weiteren Aktienindices bekanntgegeben, während fast alle andern wichtigen Aktienmärkte nahe den Allzeit-Höchstständen schlossen. Das ist das brillianteste Aktienspektakel, das es bisher gab. Offenbar braucht man diesmal eine nie gekannte Anzahl von Trotteln, die darauf hereinfallen, um für sich, für die Macher, die Verluste der Wirtschaftskrise in Grenze zu halten.

Wer jetzt zum Beispiel extrem konservativ sein Geld in 4-jährigen US-Staatsanleihen anlegt, kann die Krise ohne allzu heftige Schäden überstehen und sogar noch ein wenig Zinsen einstreichen. Die Jahreszinsen liegen für so etwas bei über 4%. Da der Dollar aber eine der wesentlichen Unsicherheiten ist in der künftigen Krise, ist es sicherer, in Euro-Anleihen zu gehen - oder Pfund, Yen oder Fränkli - was allerdings weniger als 4% bringt.

Aber wer, wenn er ein Trottel ist, würde sich mit jährlichen 4% oder weniger zufriedengeben, wenn die Aktienmärkte zum Spekulieren locken.

Zwar sind die Aktien eben auch die Werte der Firmen, die in den Keller rauschen werden, aber im Kern kann es einer Firma egal sein, ob sie an der Börse 100 Milliarden oder nur noch 90 Milliarden wert ist. Sie muß sich um ganz andere Dinge in einer Weltwirtschaftskrise kümmern, nämlich den Einbruch des Absatzes. Man muß stilllegen, schließen, verkleinern, entlassen usw., kurz: Kapital vernichten, denn das ist der eigentliche Zweck der Wirtschaftskrise.

Stellt man es einigermaßen geschickt an, hat ein wenig Glück und reagiert man immer schnell, kann man so eine Krise überstehen, ohne die Profite allzu sehr in den Keller gehen zu sehen. Die Hauptlast der Krise wird abgewälzt auf die Beschäftigten, die Konsumenten, die Arbeitslosen, die Staaten und – natürlich auf die Trottel.

Veröffentlicht: 1. November 2006 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.

Link zum Originalartikel hier


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

"Der Mini-Crash - 10 Monate zur Wirtschaftskrise?"

"Drittes Anzeichen Weltwirtschaftskrise"

"Die Zinswende der Langzeitzinsen leitet das Abgleiten in die Weltwirtschaftskrise ein."

"Können die USA bankrott gehen?"

"Wann kommt die Wirtschaftskrise?"

"Dollar-Verfall bedroht deutschen Export – Die Krise wird fürchterlich"

"USA: Global Alpha, Red Kite, Fed-Chef, Immobilien-Crash"

"Globaler Einbruch der Börsen"

"Weltwirtschaftskrise – Der konkrete Übergang in die Barbarei"

"USA: Wirtschaftskrise beginnt"

"Hellseherei? Die Wirtschaftskrise"

"General Motors könnte pleite gehen"

"Fannie und Freddie in der Bredouille"

"Drei EU-Länder sind bereits in der Wirtschaftskrise"

"Wirtschaftskrise in den USA"

"Europa sinkt in diesem Moment in die Wirtschaftskrise"

"Banken gerettet – Staat pleite?"

"Weitere gigantische Finanzmarkt-Risiken"

"Verdienen deutsche Banken Vertrauen?"

"Können Sie das glauben?"




Zusatz zum Artikel
Dies ist einer jener Artikel, deren Wahrheitsgehalt jetzt, im Oktober 2008, so richtig ans Tageslicht kommt, da die vorausgesagte Wirtschaftskrise eintritt. So schreibt denn auch der Diskutant "von Mumpitz" im forum.politik.de am 7.10.08 folgendes:

"Lesen sie sich hier mal ein, unter dem Artikel sind weitere verlinkt. Die Ältesten gehen bis Mitte 2006 zurück.
Erstaunlich, wie gut man vorraussehen konnte was jetzt passiert, wenn man nur wollte."

, wobei er den hier vorliegenden Artikel verlinkt.

Dienstag, 31. Oktober 2006

Unrechtsstaat Bundesrepublik

Fast alle faschistischen Kriegsverbrecher gingen straffrei aus

Von Karl Weiss

Zwei aktuelle griechische Fälle spülen eine alte Erbkrankheit der Bundesrepublik wieder an die Oberfläche: Die Entscheidung des Bundesverfassngsgerichts (BVG), den Überlebenden des Massakers im griechischen Distomo keine Entschädigungen zuzuerkennen und das Einstellen des Verfahrens gegen einen der Befehlshaber von Erschiessungen italienischer Kriegsgefangener in Griechenland durch einen Münchener Staatsanwalt. Diese fragwürdige Rechtssprechung hat System.

Es war gleich nach der Gründung der Bundesrepublik. Alles war darauf ausgerichtet, dieser neue Staat solle die Speerspitze im antikommunistischen Kampf gegen die damals noch sozialistische Sowjetunion werden. Was man da nicht brauchen konnte, waren Blicke zurück auf die entsetzliche faschistische Herrschaft, Aufarbeitung von Verbrechen, Verurteilung deutscher Verbrecher.

Es wurde, zusammen mit den Tätern, ein unausgesprochenes Bündnis der Mehrheit der neuen Bundesbürger mit ihrer Regierung getroffen, all dies nun ruhen zu lassen und nicht mehr dran zu rühren. Eine übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung, zu Tode erschreckt durch die Thesen der Kollektivschuld, brauchte nicht erst überzeugt zu werden, damit einverstanden zu sein.

Da gab es nun nur ein kleines, winziges Problemchen. Man hatte schätzungsweise 200.000 bis 300.000 deutsche Verbrecher aus der faschistischen Zeit in der Bundesrepublik leben, die eigentlich abzuurteilen gewesen wären.

Zwar hatten die US-Behörden bereits die Freundlichkeit besessen, die wichtigsten Verbrecher über Italien mit Schiffen nach Südamerika zu bringen, zwar hatten sie außerdem bereits im Nürnberger Tribunal einige wenige Tausend verurteilt und später fast alle begnadigt (soweit sie nicht hingerichtet worden waren), so daß man diese alle bereits nicht mehr als Problem hatte, aber die Zahl derer, die als Verbrecher bekannt waren und in der BRD lebten, war immer noch immens.

Es handelte sich u.a. um fast die gesamte Gestapo, um große Teile der SS, um eine Anzahl spezieller Würdenträger und schließlich auch um Teile der Kriegstruppen des faschistischen Staates. Damals war zwar der wahre Umfang der Kriegsverbrechen der Wehrmacht noch nicht bekannt, aber es waren doch zumindest die großen Massaker bekannt, die durch Wehrmachtsangehörige ausgeübt worden waren.

Es wäre eine völlig unwillkommene Ablenkung von den antikommunistischen Tagesaufgaben gewesen, hätte man alle diese Prozesse durchgeführt. So war es notwendig, ein rechtliches Instrument zu schaffen, das dies erübrigte.

Gesagt, getan. Das obersten deutsche Gericht erfand zu diesem Zweck eine rechtliche Konstruktion, die fast alle Kriegsverbrecher von Schuld freisprach. Sie lautete in etwa folgendermassen:

Zur Zeit des deutschen Faschismus habe es noch keine Deklaration der Menschenrechte, keine Genfer Konventionen und keine Konvention über Kriegsverbrechen der UNO gegeben. Die deutschen Gesetze zur Zeit des Faschismus hätten aber die verschiedenen Kriegsverbrechen gar nicht sanktioniert (jedenfalls nicht ausdrücklich), so daß diese in einem gewissermaßen rechtsfreien Raum begangen wurden. Der Rechtsgrundsatz, daß man nur für etwas verurteilt werden kann, was zum Tatzeitpunkt am Tatort bekanntermaßen verboten war, sei absolut.

Auch dies reichte noch nicht aus, jegliche Anklagen fallenzulassen. Man mußte zusätzlich noch eine extreme Auslegung des Befehlsnotstandes gelten lassen, so daß alle, die nicht selbst zu den obersten Befehlshabern gehörten, sich schon damit allein automatisch von den meisten Anklagen befreien konnten.

Innerhalb kurzer Zeit waren fast alle Verfahren eingestellt. Soweit es doch einmal zu welchen kam, gab es fast immer Freisprüche. Die obersten Befehlshaber waren fast alle nicht mehr faßbar, so daß man hier auch nicht aktiv zu werden brauchte.

Was die entmenschten faschistischen Richter betraf, so wurde ebenfalls das Prinzip angewandt, daß Terrorurteile nicht inkriminiert werden könnten, wenn die Richter nach damals geltenden Gesetzen gehandelt hätten, unabhängig davon, ob diese Gesetze menschenrechtswidrig waren wie z.B. die Nürnberger Rassengesetze. Auf dieser Grundlage bekamen praktisch alle faschistischen Terror-Richter den Persilschein.

Der Begriff Persilschein enstand daraus, daß in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg viele Zehntausende von faschistischen deutschen Tätern freigelassen wurden , die zunächst interniert worden waren wegen ihrer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und dann bei ihren Familien mit ihren Habseligkeiten in einem Pappkarton ankamen, auf dem oft ‚Persil’ stand, mit einem Entlassungsschein, der sie von allen Anklagen befreite.

Einer der Militär-Richter, der noch in den letzten Kriegstagen gefasste Soldaten hatte aufknüpfen lassen, die sich versteckt hatten, um die letzten Tage des Krieges zu überleben, brachte es später bis zum Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, ein gewisser Filbinger, der vor kurzem noch einmal kurz ins Rampenlicht trat, als die CDU Baden-Württemberg ihn bewußt als Provokation als Alterspräsident in die Bundesversammmlung wählte, die dann den Bundespräsidenten Köhler bestimmte.

Eine Lehrstunde in Geschichte, dokumentierend, daß die Partei, die diese Bundesrepublik am intensivsten geprägt hat, die CDU/CSU, weiterhin treu zu den Kriegsverbrechern steht. Filbinger war durch seinen Ausspruch berühmt geworden: "Es kann heute nicht Unrecht sein, was damals Recht war." Im Kern hat er recht, nur andersherum: Auch damals war es bereits Unrecht.

Es war auch kein Kunststück, daß das oberste deutsche Gericht damals solche Rechtskonstruktionen entwickelte, denn es selbst bestand fast ausschließlich aus „belasteten" Richtern. Insgesamt wurden von den etwa 200.000 bis 300.000 mutmasslichen Tätern nur etwa 2000 bis 3000 (etwa 1%) überhaupt verurteilt, davon viele zu lächerlich niedrigen Strafen.

Logischerweise wurde diese Konstruktion dann konsequent auch auf alle Fragen von Entschädigungen und Wiedergutmachungen angewandt, so wie den kürzlichen Fall Distomo.

Zwar gab es zur Zeit des deutschen Faschismus schon die gültige Haager Landkriegsordnung, so etwas wie den Vorläufer der Genfer Konvention über Kriegsverbrechen, aber dort waren einige Dinge nicht klar genug formuliert, so daß unsere famosen Richter mit einer speziellen Auslegung denn auch dieses Hindernis umschiffen konnten. So hieß es denn auch zur Erklärung des BVG-Urteils: „Geiselerschießungen nach Kampfaktionen mit Nichtkombattanten waren in einem gewissen Rahmen von den Haager Abkommen nicht ausdrücklich verboten. "

Später hat das oberste deutsche Gericht dann teilweise jene Verbrechen von diesem Generalfreispruch ausgenommen, die aus der spezifisch „nationalsozialistischen" Ideologie entsprungen seien. Das lief darauf hinaus, daß nun doch Täter, soweit ihre Taten sich aus rassistischen Gründen gegen Juden richteten, zur Anklage kommen konnten. Der Zusammenhang der beiden Rechtsauffassungen ergab in der Praxis eine absurde Situation: Fast ausschließlich Taten gegen Juden sind anklagbar und wiedergutmachungsfähig , andere (bis auf wenige Ausnahmen) nicht.

Bis zum heutigen Tag ist dies die Grundlage des - jetzt vereinigten - deutschen Staates, eine Rechtsauffassung, die außerhalb von Deutschland von praktisch niemanden geteilt wird. Um nur einen Eindruck zu geben: In den Ländern, die von den faschistischen deutschen Truppen zeitweise besetzt waren, gab es über zwanzig Mal mehr Verurteilungen von Faschisten, Kollaborateuren und Profiteuren als in der Bundesrepublik selbst. Sogar in der DDR (damals noch Sowjetische Zone), wo aus naheliegenden Gründen fast keiner der Täter geblieben war, wurden mehr verurteilt als in der Bundesrepublik.

Dies ist die Erbsünde des Staates, in dessen Gewalt wir leben, die er zu verdrängen versucht, die aber immer wieder ans Licht drängt. Die Entscheidung, einen der Befehlshaber von Gefangenenerschiessungen nicht mehr zu belangen, ist so nur konsequent.

In Zeiten, in denen Saddam Hussein der Taten gegen die Menschenrechte angeklagt ist, in denen das Verfahren gegen Milosevic durchgeführt wurde bis zu dessen Tod, in denen Ceaucescu samt Ehefrau kurzerhand exekutiert wurde, in denen Ex-DDR-Politbüro-Mitglieder für die Mauertoten verurteilt wurden, in denen der chilenische Putschgeneral Pinochet sich Anklagen gegenüber sieht, kommt einem diese Rechtsauffassung - vorsichtig ausgedrückt - überholt vor.

Alle heutige internationale Strafrechtssprechung (damit im Zusammenhang auch immer die Rechtssprechung über Entschädigungen) geht davon aus, daß es seit Beginn der menschlichen Zivilisation grundlegende Menschenrechte gibt, die - unabhängig von der Rechtslage in irgendeinem konkreten Staat - überall auf der Welt gelten. Wer gegen sie verstößt, ist auch dann schuldig, wenn sein konkretes Vorgehen an jenem Ort und zu jener Zeit, als er seine Verbrechen beging, nicht ausdrücklich mit Strafe belegt war.

Man geht davon aus, daß es ein allgemeines Verständnis aller Menschen über die grundlegendsten Rechte gibt, die über allen Gesetzen, Verfassungen und zeitgebundenen Rechtsnormen steht.

Man mag sich darüber streiten, auf welche Verbrechen dies nun genau zutrifft, aber alle sind sich darüber einig, daß dies sich vor allem auf Massaker (also Massenmorde) an Zivilisten und Kriegsgefangenen bezieht, sei es im Krieg oder außerhalb. Man ist heute der Auffassung, daß jeder verantwortliche Mensch weiß (und immer wußte), daß Massaker an Zivilisten und Kriegsgefangenen Verbrechen sind und ihm daher kein Pardon gewährt werden kann, nur weil das zu jener Zeit in seinem Land nicht ausdrücklich unter Strafe stand. Das ganze Verfahren gegen Milosevic beruhte und auch das gegen Hussein beruht auf dieser Auffassung.

Das BVG hält nun dieser Auffasung entgegen, daß der Unterschied darin bestünde, daß es seit 1946 die UN-Erklärung und die Genfer Konventionen der Menschenrechte und gegen Kriegsverbrechen gibt und daher seitdem dieses übergeordnete Recht gälte, dies aber zu Zeiten des deutschen Faschismus noch nicht der Fall gewesen sei.

Alle nicht-deutschen Völkerrechtler (bis auf wenige Ausnahmen) halten dies für an den Haaren herbeigezogen. Auch vor dieser UN-Erklärung und den Genfer Konventionen wußte jeder verständige Mensch, daß Massaker an Zivilisten und Kriegsgefangenen Verbrechen sind.

Wenn nun eine Anzahl von Politikern, darunter eine Grünen-Politikerin, sich gegen dieses BVG-Urteil empören, wenn „Linkszeitung" und „Junge Welt" protestieren, so beweisen sie nur, wie wenig sie über die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland wissen. Diese Republik ist aufgebaut auf der Nicht-Bestrafung der faschistischen Verbrecher. Sie war von Anfang an ein Unrechtsstaat. Dies ist ihr Geburtsfehler, einer ihrer Grundbausteine. Würde man dies wegziehen, bräche das ganze Gebäude zusammen.

Und genau dies ist es, was die Bundesrepublik braucht. Sie in ihren Grundfesten erschüttern, die immer menschenfeindlich und imperialismusfreundlich waren. Es ist nicht dieses Urteil, das empörend ist, sondern das ganze Rechtssystem, das die Filbingers nach oben spült.

Dieser Artikel erschien am 8. März 2006 in der "Berliner Umschau" unter dem Titel "Die andere Seite der Medaille". Hier eine aktualisierte und redigierte Fassung.

Montag, 30. Oktober 2006

Hunger - durch EU-Agrarsubventionen gemacht

Agrarsubventionen machen Reiche reicher

Von Elmar Getto

In diesen Tagen wird der neue EU-Haushalt festgelegt, der größte Brocken wiederum der Agrarhaushalt. Ebenfalls finden Sondierungsgespräche zur nächsten großen Runde der Welthandelsorganisation statt, die wahrscheinlich wieder an den Agrarsubventionen der reichen Länder scheitern wird - falls sie überhaupt noch zustandekommt.

Was sind eigentlich diese Agrarsubventionen? Es war vorher schon vermutet worden, man brauchte aber noch die Beweise. Die Aufteilung und die Empfänger der Subventionen wurden bisher wie ein Gral gehütet. Doch jetzt wurden für sieben Länder Angaben gemacht. Damit liegen jetzt Beweise vor: Die EU-Agrarsubventionen gehen im wesentlichen an Konzerne und Großagrarier. Sie tragen so gut wie nichts dazu bei, das Sterben kleinerer Bauernhöfe zu verlangsamen, in vielen Fällen sogar im Gegenteil.


Die Subventionen gehen hauptsächlich an Grosskonzerne und -agrarier

Hier die Fakten:

Spanien:

Die 303 größten Empfänger von Subventionen aus dem EU-Agrarhaushalt erhalten über 398 Millionen Euro pro Jahr, das sind für jeden im Schnitt über 1,3 Millionen Euro. Die sieben Spitzenreiter erhalten zusammen 14,5 Millionen Euro. Das ist die gleiche Summe, die die 12 700 kleinsten Empfänger zusammen erhalten (Schnitt für diese im Jahr: 1142 Euro). 1000 Euro pro Jahr bewahrt keinen Kleinbauern vor dem Ruin.

Frankreich:

Dies ist das Land mit dem größten Anteil am EU-Agrarsubventionen mit 9,4 Milliarden Euro (21,4%) vom Gesamtkuchen von 44 Milliarden Euro. Lediglich 15% der französischen Empfänger erhalten 60% dieser Summe, also etwa 5,6 Milliarden Euro. Dagegen erhalten 70% der französischen Landwirte zusammen nur 17% der Subventionen.Die 12 größten Empfänger in Frankreich erhalten jeweils mehr als eine halbe Million Euro pro Jahr. Die zwei größten jährlich allein 1,7 Millionen.

Großbritannien:

Einer der großen Empfänger dort ist die königliche Familie, die sowieso zu den reichsten der Welt gehört. Ebenso wird der Zucker-Großkonzern Tate & Lyle mit hohen Subventionen bedacht.

Dänemark:

Die europäische Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bedenkt in Dänemark vier Minister der Regierung mit Zahlungen, mehrere Parlamentsabgeordnete und die dänische EU-Kommissarin. Diese gehen in den Bereich von Millionen Euro.

Belgien:

In Belgien waren unter den Topbegünstigten die Bank Crédit Agricole, Nestlé, Campina und BASF.

Slowakei:

In der Slowakei wurde kürzlich berichtet, daß Landwirtschaftsminister Zsolt Simon Besitzer einer Firma ist, die 2003 und 2004 1,3 Mio. Euro an Subventionen erhielt.

Niederlande:

In den Niederlanden erhielt der Landwirtschaftsminister, Cees Veerman, 150.000 Euro an Subventionen. Frühere Berichte geben an, daß die größten Empfänger von Direktzahlungen und Exportsubventionen von 1999-2003 der niederländische Zweig von Mars, der Bierkonzern Heineken NV und der US-Tabak-Hersteller Phillip Morris sind.

44 Milliarden Euro unter falscher Flagge

Es gibt keinen Zweifel, daß das Bild in allen anderen Mitgliedstaaten das gleiche ist, denn das Schema, die bestimmungen und die Vergabepraxis sind ja die gleichen.

Zusammengefaßt ergibt sich deutlich: Es werden 44 Milliarden Euro jährlich von den Geldern europäischer Steuerzahler unter dem irreführenden Markenzeichen Agrarhilfe im wesentlichen an (mit den jeweiligen Politkercliquen engst verbundene) Konzerne und Großagrarier weitergeleitet oder sogar an die Raffzahn-Politiker selbst.

Eine Überprüfung durch Vergleich der Listen der Empfänger mit denen der wichtigsten Spender der Monopolparteien würde zweifellos eine gute Zahl von Übereinstimmungen ergeben. Allerdings ist eine solche Überprüfung nun natürlich nicht mehr möglich, da ja seit Kohl jeder straffrei die Spenden verheimlichen und in schwarze Kassen leiten kann. Er braucht sie nur in schwarzen Koffern in bar empfagen und versprechen, die Spender nicht zu nennen. Die Grossbanken, Agrar-, Chemie- und Tabakkonzerne werden ja wohl nicht so unvorsichtig sein, die Spenden offiziell zu geben.

Kleinbauern benachteiligt

Sind die Großbauern die wesentlichen Empfänger großer Summen neben den Konzernen, so hat diese „Agrarpolitik" natürlich auch den genau umgekehrten Effekt wie angegeben: Die kleinen Bauern werden in der Konkurrenz mit den Großen noch weiter zurückgeworfen. Sie müssen noch eher aufgeben als wenn es keine Agrarsubventionen gäbe.

Hunger - durch EU-Agrarsubventionen gemacht

Die Wirkung dieser Agrarsubventionen an die weltweit operierenden Konzerne und Grossagrarier ist aber für die Entwicklungsländer am katastrophalsten. Die Multis werfen subventionierten Lebensmittel zu Preisen auf die Märkte der Welt, bei denen die Bauern der Entwicklungsländer nicht mithalten können. Ein Großteil des Hungers in der Welt hängt mit diesen Agrarsubventionen zusammen. Gleichzeitig sind die Lebensmittel innerhalb der EU deutlich teurer als auf den Weltmärkten.

Knappe Kassen - keine Spur!

Wenn ihr Bürgermeister oder Stadtverordneter oder Landtagsabgeordneter oder Bundestagsabgeordneter oder sonstiger Teil der raffenden Politikerkaste also das nächste Mal davon spricht, für Ihr Anliegen sei kein Geld in den Kassen, es müsse gespart werden und tiefe Einschnitte seien unumgänglich, dann wissen Sie, wo dieses Geld geblieben ist (44 Milliarden Euro jedes Jahr!).

Ersatzloses Streichen der EU-Agrarsubventionen!

Dieser Artikel von Elmar Getto zu den EU-Agrarsubventionen erschien zuerst in "Rbi-Aktuell" am 11. November 2005. Hier eine vom Autor aktualisierte Version zur 1-Jahres-Feier.

Lula wiedergewählt

Erneut ein Erdrutschsieg bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien

Von Karl Weiss

War nach dem ersten Wahlgang am 1.Oktober ernsthaft in Frage gestellt, ob Lula seine Wiederwahl sichern könnte, so sind seit diesem Zeitpunkt alle Dinge für ihn gelaufen. Er hat am 29.10.06 erneut einen Sieg mit hohem Abstand, diesmal etwa im Verhältnis 60,8 : 39,2, über seinen Rivalen von der PSDB errungen, wie schon vor vier Jahren.

Um fünf Uhr nachmittags schlossen die Wahllokale, um acht Uhr abends wurde die Wiederwahl Lulas bekanntgegeben zusammen mit den Ergebnissen der Gouverneurswahlen in jenen Staaten, in denen ebenfalls ein zweiter Wahlgang notwendig wurde. Bis 21.30 waren alle Ergebnisse genau festgestellt. Ob die Vereinigten Staaten einmal in Brasilien in die Lehre gehen sollten?

Lula gewann mit deutlichem Abstand im gesamten Norden und Nordosten Brasiliens, das sind die ärmsten Regionen Brasiliens. In den Regionen Zentral-West und Südost ging der Sieg mit geringem Vorsprung an Lula, nur in der Region Süd konnte der Kandidat der Rechten, Alckmin, die Mehrheit erreichen. Der Unterschied der Stimmenzahl zugunsten Lulas liegt im Bereich von 20 Millionen Stimmen (bei etwa 100 Millionen Wählern).

Besonders beeindruckend der Umschwung in der bei weitem bevölkerungsreichsten Region Südost mit den beiden bevölkerungsreichsten Staaten São Paulo und Minas Gerais und dem Staat Rio de Janeiro mit der gleichnamigen Stadt, der zweitgrößten des Landes. Im ersten Wahlgang war diese Region eindeutig an Alckmin gegangen, mit sehr hohem Vorsprung im größten Staat nach der Bevölkerungszahl, São Paulo, in dem beide Kandidaten wohnen.

Diesmal hat Lula nicht nur, wie auch schon im ersten Wahlgang, Rio de Janeiro gewonnen, sondern auch Minas Gerais, das noch vor 4 Wochen mit Abstand an seinen Gegenspieler gegangen war. In São Paulo konnte Lula den Abstand verringern, so dass die ganze Region an ihn ging. Damit war die Wahl gewonnen.

Gleich in der ersten Woche nach dem ersten Durchgang wurden die wichtigen Weichen gestellt. Der Kandidat der Rechten, Alckmin, glaubte verstärkt die Frage die Korruption in der Regierung in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes stellen zu müssen, während die Truppe der Wahlkampfmanager der PT, der Partei Lulas, die Parole schuf: „Deixa o homen trabalhar!” „Laßt doch den Mann arbeiten!”.

Bald stellte sich heraus: Diesmal – im Gegensatz zur Wahlkampagne vorher – lag die PT richtig. Alckmin hatte nicht bedacht: Diejenigen, die wegen der Korruption in der Regierung Lula für ihn stimmen würden, hatten schon im ersten Wahlgang für ihn gestimmt. Er würde fast keine zusätzliche Stimme erhalten mit dieser Taktik. Lulas Parole kam dagegen an.

Es reichte für Lula aus, jeweils mit den ungeklärten Korruptionsskandalen der Regierung Cardoso zu antworten, derselben Partei wie Alckmin, der 8 Jahre Brasilien regiert hatte, von 1995 bis 2002. Da der Brasilianer Korruption für fast selbstverständlich hält und sowieso jedem Politiker zutraut, korrupt zu sein, war der Vorteil hier bei bei Lula.

Ausschlaggebend dürfte aber gewesen sein, dass im Moment die brasilianische Wirtschaft ein stetes Wachstum aufweist und die Arbeitslosigkeit nicht weiter ansteigt. Zwar werden wenig neue Arbeitsplätze geschaffen, aber insgesamt scheint - zumindest zeitweise – ein wenig Prosperität eingekehrt zu sein, die jene Hoffnung, die niemals stirbt, erneut angefacht und Lula zum Sieg verholfen hat.

Sie wird erneut enttäuscht werden. Die ersten „Reformen“, sprich Verschlechterungen, sind bereits angekündigt: Die Steuerreform, die politische Reform und die Rentenreform.

Veröffentlicht in der "Berliner Umschau": 30. Oktober 2006

Sonntag, 29. Oktober 2006

Atomfilz?

Schon wieder eine "wilde Verschwörungs-Theorie"?*

Von Karl Weiss


Man könnte es fast für Routine halten, denn es ist ja nicht das erste Mal, daß Personen im sogenannten Atomfilz zwischen den Atomkraftwerks-Betreiberfirmen und Staats-, Regierungs- und Parlamentsapparat hin oder her wechseln. Ein Subjekt mit Namen Thomauske war 20 Jahre im Bundesamt für Strahlenschutz tätig und genehmigte dort Zwischenlager für die radioaktiven Abfälle der Atomkraftwerksbetreiber. Im Jahr 2003 wechselte der Physiker vom Strahlenschutzamt zum Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall. Die Aufsichtsbehörde findet selbstverständlich daran nichts Ungewöhnliches.

Inzwischen ist Thomauske beim Atomkonzern Vattenfall bereits in die Geschäftsführung aufgestiegen. Er ist jetzt technischer Geschäftführer jenes Teils von Vattenfall, der zusammen mit E.ON die Atomkraftwerke Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel betreibt und den stillgelegten Meiler Stade zurückbaut.

„Die wirklich großen Verbrecher haben niemals ein Unrechtsbewußtsein." hat einmal ein weiser Mann gesagt. Das hat natürlich nichts mit Thomauske zu tun, aber man wundert sich doch, wenn man liest, daß Thomauske ganz unverbrämt in der Öffentlichkeit auftritt, wie kürzlich, und frechdreist die weitere Erkundung des Salzstockes Gorleben fordert sowie den Abschluß des Genehmigungsverfahrens.

Thomauske leitete beim Strahlenschutzamt die Erkundung des Gorlebener Stockes und war verantwortlich für die Endlagerprojekte Morsleben und Schacht Konrad. Zuletzt war er der Verantwortliche für die Genehmigung der Castor-Transporte und der Zwischen- und Interimslager an den Standorten der Atomkraftwerke.

Er war es, der von Anhörung zu Anhörung reiste, anhörte - und dann genehmigte. Die Einwände wurden fast immer im wesentlichen vom Tisch gewischt. Die Anti-Atom-Bewegung klagte ihn damals schon an, mit den Atomkraftwerksbetreibern verbändelt zu sein - aber es ließ sich nicht beweisen.

Der grüne Umweltminister Trittin benutzte ihn als Panzerbrecher zum Durchboxen jeglicher Genehmigung - und versteckte sich dann hinter dem angeblichen Sachverstand Thomauskes. Die Umweltinitiativen sprechen schon seit Jahren vom Atomfilz und klagen die Regierung und das Parlament an, hinter verschlossenen Türen mit den Atomkraftwerksbetreibern gemeinsame Sache zu machen, anstatt sie zu kontrollieren.

Es gab schon andere Fälle von Überläufern zwischen zu Kontrollierenden und Kontrolleuren. Der spektakulärste Fall war jener zu Beginn der rot-grünen Koalition, als die neue Koalition in langen Verhandlungen mit den Betreibern den scheinbaren Atomausstieg verhandelte. Das Verhandlungsergebnis war, wie jeder weiß, stattdessen die Garantie der langjährigen Weiterbenutzung der Atomkraftwerke ohne die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.

Die Beauftragte der Grünen bei diesen Verhandlungen wurde kurz nach dem „Kompromiß" von einem der Atomkraftwerkbetreiber zu speziellen Bedingungen eingestellt. Sie beendete ihre politische Karriere.

Nun, wenn man wirklich reich ist, braucht man keine Politik mehr zu betreiben - nicht wahr, Herr Fischer? Die Grünen haben es bis heute nicht für nötig befunden, diesen wunderbaren Seitenwechsel auch nur näher zu untersuchen oder irgendwelche Konsequenzen daraus zu ziehen.

Spricht man Politiker, sei es von den Grünen oder den anderen staatstragenden Parteien, auf den Atomfilz an und bezweifelt, daß die Maschinerie für Genehmigungen im Strahlenschutzamt und im Umweltministerium wirklich die Argumente prüft, dann werden die schon mal pampig und geben Ungereimtes von sich über „Aus der linksextremen Ecke", „Unbewiesene Behauptungen", „Wilde Verschwörungstheorien" und ähnliches. Sachliche Antworten sind da eher nicht zu haben.

Den Wechsel von Politikern und Aufsichtsbeamten zu den Betreibern und von Managern aus der Betreiber-Branche in Bundestagsausschüsse der Politik finden sie völlig normal und weisen jeden Gedanken an Filz zurück.

Der geneigte Leser mag sich nun selbst ein Bild machen.

*Ein Artikel zur Diskussion über Atomkraftwerke und die fahrlässige Genehmigung derselben, erschienen zuerst in der "Berliner Umschau" vom 16. Februar 2006, hier leicht redigiert.

Link zum Originalartikel hier

Samstag, 28. Oktober 2006

Bankdaten Deutscher werden an US-Dienst weitergegeben

Schutz der Privatsphäre und von sensiblen Unternehmensdaten
unterlaufen


Von Karl Weiss

Wie der schleswig-holsteinische Landes-Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert mitteilt, wird weiterhin alles, was international auf den Konten deutscher Banken bewegt wird, über eine belgische Privatfirma an den US-Geheimdienst CIA weitergegeben. Alle Proteste haben nichts bewirkt. >>Bush befiehl, wir folgen!<<.

Nachdem schon vor einiger Zeit durch US-Zeitungsmeldungen bekannt wurde, daß dem CIA über die belgische Firma “Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication” (SWIFT) die internationalen Bewegungen auf den Konten europäischer Banken zur Verfügung stehen, haben deutsche Banken auf Nachfragen extrem wenig auskunftsfreudig reagiert. Es handele sich um Maßnahmen zur Überwachung von Geldflüssen zur Terrorfinanzierung, wird gesagt.

Nachdem die „New York Times“ diese Praktiken herausgefunden und veröffentlicht hatte, kam von US-Präsident Bush eine heftige Kritik an der Veröffentlichung. Es handelt sich also um etwas, was man gerne geheimgehalten hätte. Stellt sich die Frage, warum man geheimhalten will, daß man terroristischen Geldströmen nachspürt. Sollten vielleicht doch ganz andere Gründe dahinterstecken? Auffallend ist ja, daß bis heute in keinem Land auch nur eine Anklage gegen irgendjemand erhoben wurde, der solche Geldströme verwaltet hätte.

Der Datenschützer aus Deutschlands Norden will nun die großen Banken in seinem Bundesland diesbezüglich überprüfen. Thilo Weichert: "Die ersten Informationen, die uns als staatlicher Aufsichtsbehörde von Bankenvertretern zur Verfügung gestellt wurden, waren nichtssagend ..."

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen dem Schutz der Privatshäre - und dazu gehören natürlich auch die Kontenbewegungen und -stände - eindeutigen Vorrang vor Datenweitergabe ohne konkreten Verdacht gegeben. Im Fall von konkreten Verdachtsmomenten kann eine deutsche ermittelnde Stelle auch jetzt schon Daten von den Banken abrufen, ohne dafür eine richterliche Anordnung zu brauchen.

Daß nun solche persönlichen und sensiblen Daten wie Kontenstände und -bewegungen von deutschen Banken an eine belgische Privatfirma weitergegeben werden, die sie dann einem ausländischen Geheimdienst offenlegt, ist ein Skandal.

Die Banken halten dies offenbar für völlig normal und haben nichts unternommen, um diese Praxis zu stoppen.

Die deutsche Politik, mit Ausnahme des schleswig-holsteinischen Datenschutzbeauftragten, schweigt ebenfalls still darüber. Die bürgerlichen Medien haben dies kurz gemeldet und sind zur Tagesordnung übergegangen. Wenn das Wörtchen „Terror” drangehängt wird, darf jeder alles.

Grundsätzlich sind bei allen Fahndungsmaßnahmen Anhaltspunkt eines Verdachts notwendig. Eine Fahndung, die erst einmal alle für verdächtig hält und deshalb die Daten von allen freigibt, ist ausdrücklich verboten. Und dies gilt für staatliche Organe - umso mehr also für private Institutionen wie Banken. Ganz zu schweigen von Datenweitergabe an ausländische Geheimdienste.

Es gibt ja keine Möglichkeit, von Deutschland aus zu überprüfen, was der CIA wirklich mit diesen Daten anfängt. Nicht einmal in den USA selbst gibt es irgendeine effektive Überwachung der vielen Geheimdienste, wie US-Kongreßabgeordnete erst kürzlich wieder hervorhoben.

Ganz besonders, so hob Weichert hervor, gilt dies auch für die sensiblen Daten von europäischen Unternehmen. Es gibt keinerlei Garantie, daß sie vom CIA nicht US-Konkurrenten zur Verfügung gestellt werden.

Es gab in der Vergangenheit bereits einen Fall, in dem ein US-Stasi-Dienst Industriespionage für US-Firmen bei deutschen Unternehmen betrieb.

Weichert: "Es kann und darf nicht sein, daß das Bundesverfassungsgericht zu Recht den deutschen Sicherheitsbehörden klare Grenzen bei sogenannten verdachtsunabhängigen Jedermannkontrollen setzt und daß dann über den Umweg eines belgischen Dienstleisters der US-Regierung erlaubt wird, im Trüben zu fischen und Freiheiten und Bürgerrechte zu ignorieren."



Link zum Originalartikel hier

Grösster UK-Sprengstoff-Fund aller Zeiten

Keine oder verniedlichende Meldungen in den Massenmedien

Von Karl Weiss

In England hat die Polizei den größten Waffen- und Sprengstoff-Fund in einem Privathaus gemacht, den es je gegeben hat in diesem Land – und nirgends wurde das zunächst gemeldet. Lediglich vier lokale nordwest-englisches Blätter, die „North-West Evening Mail“, der „Burnley Express“, der „Burnley Citizen“ und der „Lancashire Telegraph“ brachten die Nachricht.

Hätten eine Anzahl englischer Internet-Sites sie nicht bestätigt, man hätte sie für eine Ente halten können, so völlig war zunächst der Medienboykott gegen diese Meldung. Man stelle sich vor, es wäre ein Muslim gewesen, der eine solche Sprengstoff- und Waffensammlung, einschließlich eines Raketenwerfers, angehäuft hätte – aber es war – ein Faschist.

Wer sich die Mühe machte, vor dem 20.Oktober „Grange dentist explosives“ zu googlen, fand seitenweise Internetseiten mit dieser Meldung finden, aber nicht eine einzige eines bürgerlichen Massenmediums!

Ein Zahnarzt im nordwestenglischen Städtchen Grange-over-Sands in der Provinz Lancashire hat riesige Mengen von Sprengstoffen und auch Waffen in seinem Haus bzw. seiner Praxis angehäuft. Es handele sich um einen Rekord für ganz England, meldeten die Lokal-Blätter.

Der Sprengstoff-Freak heißt Jackson, ist 62 Jahre alt und lebte in der Trend Road im Städtchen Nelson, Nachbarstadt von Grange. Am Freitag, den 6. Oktober 2006 hob die Polizei sein Waffen- und Sprengstoff-Nest aus und verhaftete den Mann in seiner Praxis. Es wurde unter anderem auch ein Schutzanzug gegen atomare und biologische Waffen gefunden.

Er wurde angeklagt, einen Sprengstoff-Anschlag vorbereitet zu haben. Neben Raketenwerfern und Chemikalien zur Sprengstoffherstellung sowie anwendungsfertigen Sprengstoffen fand die Polize in seinem Haus Literatur der „British National Party“, das ist das englische Gegenstück zur NPD.

Man war auf die Spur des Zahnarzt-Terroristen gekommen, als man im Haus seines mutmaßlichen Komplizen, einem Subjekt mit Namen Cottage aus der Stadt Colne in der gleichen Region, 22 verschiedene Chemikalien gefunden hatte, die zur Sprengstoffherstellung dienen können. Cottage ist ein früherer Wahlkandidat der British National Party.

Eigentlich ist dies keine Überraschung. Man weiß auch in Deutschland: Die wirklich gefährlichen Terroristen sind die Faschisten, Tausende von Gewalttaten jährlich gehen auf ihr Konto. Aber die bürgerlichen Massenmedien wollen uns lieber weismachen, die Muslims seien die Gefahr.

So unterschlägt man eben einfach solche Meldungen, während jeder Muslim, der auch nur eine Waffe hat, zum Terroristen hochstilisiert wird.

In München gab es letztlich einen Prozeß gegen eine Gruppe von Faschisten, die ebenfalls einen Sprengstoffanschlag vorbereitete. Auch dies wurde von den Medien „auf kleiner Flamme gekocht“.

Nach zwei Wochen des absoluten Schwegens liessen sich dann tatsächliche enige Massenmedien wie die britische BBC herab, kurze Meldungen hierüber zu bringen. Aber alles ohne Aufsehen und grosse Schlagzeilen. Das Wort Terrorist, das bei Muslimen so schnell von der Zunge geht, wird peinlich vermieden, nicht einmal in der Form des "mutmassichen Terroristen" gebracht. Wie kann ein Mann kein Terrorist sein, der riesige Sprengstoffmengen anhäuft und der Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen angeklagt wird?

Dagegen werden Festnahmen wie kürzlich in England und den USA, die Muslims betreffen, an die große Glocke gehängt und von der ständig steigenden Gefahr geredet. Es wird sogar davon gefaselt, der Islam würde demnächst die Herrschaft in Europa antreten. Nun aber sagt niemand, es gäbe die Gefahr der faschistischen Machtübernahme.

Es werden neue Gesetze, neue Videokameras beschlossen, bürgerliche Rechte abgebaut usw., alles wegen der drohenden Taten muslimisch-extremistischer Täter. Nur leider fand man in den beiden Fällen der Muslims gar nichts in den Wohnungen und mußte die angeblich gefährlichen Terroristen sang- und
klanglos wieder freilassen.

Wo sind sie nun, die Herren Stoiber, Pofalla, Schönbohm, Beckstein und Konsorten, die immer sofort zur Stelle sind, wenn es um Muslims geht, wo ist Herr Broder vom Spiegel mit seinem Kommentar?

>>Na, es sind Faschisten, die sind auf „unserer“ Seite, gegen die werden wir nichts sagen?<< Ist dies das Schema?

Wo sind die Meldungen als Aufmacher in der „Tagesschau“und „heute“? Wo die dicken Schlagzeilen der „Bild“? Wo der Spiegel, die Welt und die FAZ? Sie alle waren nicht in der Lage, die Meldung zu finden, so wie der Berichterstatter?

Jemand mag noch Zweifel gehabt haben an der These: 'Die bürgerlichen Medien sind gleichgeschaltet, sie fördern heimlich faschistische Täter'. Nun prüfe er selbst nach.

Veröffentlicht in der Berliner Umschau: 28. Oktober 2006. Der Artikel ist hier geringfügig redigiert und am 30.10.06 aktualisiert.

Open letter to the rulers in Germany

Proposal by Karl Weiss

In fact you almost persuaded us. We were nearly convinced of the stories of the alleged welfare state making all of us into a great family, of the constitutional state that enjoins justice for everyone, of the democracy where3 we supposedly join in the conversation and of constitutionality allegedly protecting everyone.

We were almost convinced we really had the same interests as your corporations, banks and politicians.

We almost believed that all our desires could become reality in capitalism: enough money to live, suitable housing, education for the childre4n, child care so women could cooperate, sufficient jobs for everyone who wants to work, a complete and progressive health care, training and places at a unive4rsity, a future worth living for our children, a decent pension after a full working life and perhaps a little extra every now and then.

It would be beautiful if a just state could be created here in capitalism.

But now we must admit shocked that all this was only a sleeping pill with a limited effect for us. You in no way provided all this for us. Tat we wanted this seems bluntly absurd.

The sixties, seventies and even the eighties almost sold all this as possible. We were almost there; not much was lacking. Having a car and taking a vacation was beautiful. We cannot deny this. But now we see already this cannot be afforded any more and will not last long. It was wonderful that some of us could fulfill the dream of a little house. Now we see how those who are unemployed cannot usually afford the payments.

Now you explain to us repeatedly and in detail: whether we have enough to eat, whether we have jobs and whether our children have a future – all this isn’t your problem. You only worry about your profit and we should not criticize.

You shocked us with the health reform and the ten-euro visitation fee for the doctor. Still we thought everything wasn’t so bad. When you cut the pensions again and again, we still hoped other politicians would cancel this. Then when Hartz IV (radically reducing social benefits by combining income support and unemployment money) was introduced, the promise that no one would suffer want if he or she couldn’t find work was broken. Then many were rebellious and the Monday demonstrations began. You trivialized this but have no illusions. The status quo will not last.

That all your parties, the laws, the media and even some social associations have accepted Hartz IV is deeply shocking to us. No constitutional court stopped this. Now we know, the constitutional state, democracy and the constitution are all hollow phrases to deceive us.

Still most of us are paralyzed by horror, unable to do anything and helpless about what must be done. But in the depths of our hearts, we know what we must do. Most of us will not yet admit this and wrestle with ourselves. More and more we realize: capitalism has not changed its face. You could only hide your real grimace for a brief phase in history. Capitalism has no future for our children or us. We will have to make the revolution and send you packing.

You abolish our jobs as you please. You cut our wages, lengthen our working hours, let the pensions fall to nothing and carry out the greatest tax increase (for us) in the history of Germany while your big corporations and banks pay no taxes any more. You cancel the apprenticeships that our children need and ignore those who have not found a stable work situation.

You call us social parasites when we don’t find any work, are sick, need care or are seniors. You defraud us of money that we and our fathers and mothers paid in to social security. You use the money for other things and now shrug your shoulders: there's nothing for you any more.

You have a strong grip on the newspapers, journals, television and radio. They shower us with your ideology that the state doesn’t exist to look after us when we are needy. Earlier it occurred to us that the unanimous ideology comes from the media and the responsible ones never stand on our side. This insight is beginning to spread like that insight that communists did not devour little children. Now we are also be4ginning to find alternative news on the Internet.

For years our real wages have been falling and are cut additionally by lengthened working hours. You want us to continue working to 67. There4 is even talk of pensions at 70.

We have started to reject this. In the elections that you always use as a great excuse (“The majority voted for this”), we have taught your politicians a lesson. In the last Bundestag election, 35% of those entitled to vote voted for your parties. Only 20% of the population has confidence in your politicians.

That the “Club of Rome,” one of your think tanks, proclaimed that only 20% will be needed in the future and the others will be without work is a coincidence. Thanks for the frankness.

The present does not make us worried and furious but the future you have earmarked for us. Nearly every one of us must expect unemployment before retiring. Then one is called work-shy. After paying in the social treasuries for decades, one is placated with alms far below the poverty line, unemployment benefits II or later pensions.

After humiliating petitions to authorities that send inspectors to our living quarters, politicians announce in a choir: social hammocks, social parasites and misuse!

For the rest of life, there are “vouchers” to get something to eat. Health care is so limited that necessary operations cannot be performed any more. One either moves into a tiny dwelling or becomes homeless. That is the future you design for us. Then you drum into our heads that people in developi9ng countries face worse conditions.

Thanks also that one of your politicians made clear to us that food is in no way guaranteed with the “voucher”: “Whoever does not work should not eat.”

Perhaps that already occurred to us – or some of us. People easily fall into resignation, despair or depression. Your plans are mainly directed against our children. While we noticed that class sizes increased more and more when the discussion about student tuition began, we saw when you cancelled more and more apprenticeships that our children were condemned to remain at home with us if they couldn’t find any work and were offered only part-time jobs, mini-jobs, one-euro jobs, contract work, practical assignments and precarious work.

We love our children and will not let you do this to them! This is crucial! We now fight against you even if our struggle was clumsy in the beginning. You don’t have4 the least presentiment how intense is the rage in our bellies and how wild is our determination. You are obviously not very impressed by our struggle. Those union leaders allied with your parties always successfully choked off the battles before they began. Still we learned. Look, the number of union members in the striking factories has doubled.

Yes, we will learn to be combative – and we will learn French. You should begin to tremble.


Englische Übersetzung des Artikels "Offener Brief an die Herrschenden" von Karl Weiss durch "Journalismus- Nachrichten von heute" vom 12. Oktober 2006. Link zur Originalübersetzung hier.

Der Artikel auf Deutsch ist hier.

Freitag, 27. Oktober 2006

Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4: Alkohol als Kraftstoff endlich auch in Deutschland

Der Alkohol-Boom hat begonnen (Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol), Teil 4: Alkohol als Kraftstoff endlich auch in Deutschland

Deutsche Autobauer rückständig. "Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte."

Von Karl Weiss, Artikel aktualisiert am 27.10.06

So mancher aus - sagen wir - Frankfurt rümpft innerlich die Nase, wenn man ihm etwas von Leuten in Bayern erzählt, geschweige denn solchen aus der Region Straubing-Bogen in Niederbayern, die Gegend nennt sich Gäuboden, nicht weit von München entfernt. Die Bevölkerung galt als rückständig, die Leute als ‚Holzköpfe’. Nichts ist weiter entfernt von der Wahrheit als dies.

In Wirklichkeit sind die Leute dort lebenslustig, aufgeschlossen, viele junge Europäer und in einigem auch der hessischen Großstadt voraus. Zum Beispiel ist in Frankfurt noch jeder gezwungen, sauteures und umweltvernichtendes Benzin in sein Auto zu füllen, das die deutsche Außenhandelsbilanz belastet (wenn er nicht bis nach Bad Homburg fahren will), während bei Straubing soeben eine der ersten deutschen Alkohol-Tankstellen eröffnet wurde, ein Gemeinschaftsprojekt des Autohauses Reinholz in Ittling, des Autohauses Griesbeck, des Mineralölhändlers Diermeier und der Firma Röhrer.

Stadt der nachwachsenden Rohstoffe

Dahinter steht die Stadt Straubing, die sich zur Stadt der nachwachsenden Rohstoffe gemausert hat, die ‚biomasse GmbH’ dort und die bundesweite C.A.R.M.E.N., das bedeutet Centrales Agrar-Rostoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk (wer interessiert ist: die Website heißt carmen-ev.de), die in Straubing ihren Sitz hat in der Schulgasse 18 und die dort auch ein Kompetenzzentrum hat und ein Forschungsinstitut baut.

Die Bundesregierung scheint mal wieder die letzte zu sein. Sie hört immer noch "Bahnhof", während der Zug bereits abgefahren ist. Man sehe sich nur in diesem Bild die Planung bis 2030 an: Der Erdölanteil am der deutschen Energieverbrauch soll überhaupt nicht zurückgefahren werden! Die Milliarden, die das ständig teuerere importierte Erdöl kostet und die Aussenhandelsbilanz belastet, interessieren überhaupt nicht! Na, was da wohl an Parteispenden läuft? Natürlich in schwarzen Koffern direkt an Herrn Kohl, der ja die gerichtliche Freigabe dafür hat.

Energieverbrauch Deutscland

So mancher deutsche Automobilhersteller rümpft die Nase, wenn er von den US-Fahrzeugkonzernen General Motors und Ford hört. Sie galten als nicht sehr innovativ, wenig dynamisch und die Autos als eher hausbacken. Tatsache ist, daß sowohl Ford als auch GM über seine Tochter Saab heute weit fortgeschrittenere Autos anbietet als die deutsche „Hocharistokratie”, angefangen von DaimlerChrysler über BMW hin zu Volkswagen und Audi, nämlich die Flex-Fuel-Autos, die Benzin oder Alkohol in jeder beliebigen Mischung tanken können. Es scheint, daß deutsche Konzerne ihre Dynamik verloren haben, außer wenn es um Massenentlassungen geht.

Ein klarer Fall von: “Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.”

Ford bietet in allen seinen Verkaufsstellen schon jetzt den Ford Focus als Flex-Fuel-Version ohne Aufpreis an. Damit hat der Focus gegenüber seinen wesentlichen unmittelbaren Konkurrenten Golf, Astra, Peugeot 307 und Renault Megane einen wesentlichen Vorteil gewonnen: Die Zukunftsicherheit. Auch die Gebrauchtwagenpreise werden für veraltete Nur-Benziner einbrechen und für Flex-Fahrzeuge steigen. Wer in diesem Moment noch einen Nur-Benziner kauft, müßte bekloppt sein.

Daneben bietet Ford auch den Ford C Max als Flex-Fuel-Version an, ebenfalls ohne Aufpreis.

Das gleiche gilt für Ford-Tochter Volvo. Einige der Volvo-Modelle können ab sofort in jeder deutschen Volvo-Vertretung in der Flex-Version erstanden werden - genauso ohne Aufpreis.

Bei GM ist es ebenfalls die schwedische Tochter, die SAAB, welche einen Teil der Palette bereits in der Flex-Version auf Lager hat. Zwar wissen das noch nicht alle Opel-Händler, die auch SAAB vertreiben, aber mit etwas Nachhilfe lernen die schnell.

Wer heute ein Flex-Fuel-Fahrzeug kauft, ist zukunftssicher, ohne jetzt irgendwelche Nachteile hinnehmen zu müssen. Falls es noch keine Alkohol-Tankstelle in der Nähe gibt, fährt man so lange ganz normal mit Benzin. Sobald es eine gibt, wird man den Preisvorteil nutzen können und seine Kollegen mit veralteten Nur-Benzinern auslachen.

Besonders unverständlich ist die Weigerung des VW-Konzerns, seine ausführlichen Erfahrungen aus Brasilien mit der Herstellung von Flex-Fuel-Autos in Deutschland zugunsten des VW-Käufers anzuwenden. In Brasilien war man sogar Vorreiter in dieser Sache und hat bereits vor Monaten beschlossen, daß ab Januar 2007 alle VW-Personenwagen in Brasilien mit der Flex-Fuel-Technik vom Band laufen werden.

Die einzige Erklärung für diese völlige Mißachtung seiner deutschen (und europäischen) Kunden ist darin zu suchen, daß die Oberen bei VW, angefangen vom Porsche-Chef, aufs engste mit der Ölindustrie verkungelt sind und den Verbrauchern diesen Vorteil vorenthalten, weil sie ihren Freunden dort zu höheren Profiten verhelfen wollen.

Ausgerechnet Volkswagen, daß sowieso seit Monaten in den rufschädigenden Schlagzeilen steht wegen Prostituierten-Reisen-Skandalen und Korruptionsaffären und deshalb eine Verbesserung seines Images dringend gebrauchen hätte können. Wenn nun die Umsätze einbrechen, werden es wieder die Arbeiter zu spüren bekommen statt der Schuldigen.

Jeder, der jetzt ein Flex-Fuel-Fahrzeug kauft, sollte sich übrigens auf der Site ethanol-statt-benzin.de registrieren lassen, weil er dadurch die Verbreitung von Ethanol-Tankstellen fördert.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Heute [Liste aktualisiert am 27.10.06] gibt es bereits 22 Alkohol-Tankstellen in Deutschland, die im folgenden aufgezählt werden:

1. Postleitzahlgebiet 9:
- 91583 Schillingsfürst, Ansbacher Str. 1
- 92421 Schwandorf, Regensburger Str. 55
- 93059 Regensburg, Weichser Weg 5
- 94559 Niederwinkling, Industriestr. 2
- 94699 Deggendorf, Hengersberger Str. 33
- 99439 Weimar - Großobringen, Wohlsborner Str. 1

2. Postleitzahlgebiet 8:
- 80469 München, Baaderstr. 6
- 84109 Wörth a.d. Isar, Siemensstr. 2
- 86529 Schrobenhausen, Pöttmeser Str. 9

3.Postleitzahlgebiet 7:
- 74211 Leingarten, Dieselstr. 28
- 76467 Bietigheim, Muggensturmer Landstr. 13
- 77794 Lauterbach, Vorder-Winterbach 2

4. Postleitzahlgebiet 6:
- 61352 Bad Homburg, Benzstr. 15
- 66740 Saarlouis, Schanzenstr.

5. Postleitzahlgebiet 5:
- 53773 Hennef, Frankfurter Str. 150
- 53842 Troisdorf, Hauptstr. 338

6. Postleitzahlgebiet 2:
- 24558 Henstedt-Ulzburg, Philipp-Reis-Str. 12
- 23623 Arensböck, Plöner Str.

7. Postleitzahlgebiet 1:
- 16515 Oranienburg/OT Wensickendorf, Hauptstr. 69
- 16761 Henningsdorf, Fabrikstr. 8a
- 14778 Roskow/OT-Weseram, Hauptstr. 14
- 14778 Weseram, Bahnhofstr.2a

Weiterhin gibt es bisher keine Ethanol-Tankstellen in den Postleitzahlgebieten 0, 3 und 4

Wer Näheres über diese Tankstellen, ihre Lage usw. wissen will, kann auf der Site ethanol-statt-benzin.de mehr erfahren.

Weitere Informationen auf der Website mobilohnefossil.de.

Big Oil droht zu Dinosauriern zu werden

Die großen Ölkonzerne mit ihren lichdurchfluteten, ultramodern stilisierten Tankstellen rümpfen schon mal die Nase über die „Freien Tankstellen“, aber sie haben sich soeben abhängen lassen und sind auf die Liste der Dinosaurier geraten (groß, aber überholt). Wie zu erwarten, ist keine der oben genannten Tankstellen eine der großen Konzerne, sondern sie sind allesamt „Freie“oder von kleinen Tankstellen-Gruppen. Offensichtlich verbieten die gigantischen Ölkonzerne ihren Pächtern, Alkohol-Zapfsäulen zu installieren.

Das ist ein Skandal!

Natürlich verdient Big Oil sein großes Geld hauptsächlich mit der Herstellung und dem Verkauf von Benzin, Diesel und Kerosin (auf Deutsch: Petroleum). Man glaubt dort offenbar, das Hochkommen von erneuerbaren Kraftstoffen auf alle Ewigkeit verhindern zu können, wenn man denn nur genügend Druck auf Politik, Pächter und Autoindustrie ausübt.

Man hat dort aber anscheinend noch nicht gemerkt, daß der Alkohol-Zug längst abgefahren ist. Wenn Gates und Soros in Alkohol investieren, hätten die Alarmglocken klingeln müssen. Ab sofort ist jeder Moment, den sie noch verlieren, auf den Zug aufzuspringen, der bereits in voller Fahrt ist, verlorenens Geld für sie. Andere werden Räume besetzen, für deren Eroberung man Jahrzehnte gebraucht hat.

Im Gedächtnis der Verbraucher wird der Eindruck bleiben, daß man erst Alkohol an Markentankstellen zugelassen hat, als bereits deftigste Umsatzeinbußen hinzunehmen waren. Und die Verbraucher sind keine Idioten. Sie erinnern sich, wo zuerst Flex-Autos verkauft wurden und wo sie zunächst zum Alkohol-Tanken hin mußten.

Daß die Öl-Giganten völlig unflexibel geworden sind, ist nicht nur eine Folge ihrer Größe und Unübersichtlichkeit (die wichtigsten gehören zu den 15 größten Unternehmen der Welt), sondern auch eine Folge ihrer absoluten Fixiertheit auf finanzielle Geschäfte, während ihre Tradition, die eine technische ist, völlig in Vergessenheit gerät. Keiner von ihnen hat in wirklich großem Umfang das Bohren an weniger rentablen Stellen begonnen, seit der Erdölpreis im Schnitt bei über 70 Dollar pro Barrel sich festgehakt hat, obwohl das die technische Vernunft geboten hätte. Dazu kommt bei einigen die Zusammensetzung ihrer Aktionäre.

Der Shell-Konzern zum Beispiel hat bereits ausführliche Erfahrungen mit dem Alkohol-Geschäft in Brasilien und verkauft u.a. brasilianischen Alkohol in die USA. Daß sie trotzdem diesen Vorsprung nicht ausnutzen und ihre Pächter Alkohol-Zapfsäulen installieren lassen, könnte wohl teilweise mit den Aktionären zusammenhängen. Bekanntlich ist der Konzern mit dem genauen Namen „Royal Dutch - Shell“ immer noch zu wesentlichen Teilen in den Händen der Niederländischen Königsfamilie. Daß die Adeligen nach jahrhundertelangem Inzest nicht gerade zu denen gehören, die mit besonderer Intelligenz glänzen, ist verzeihlich.

Ähnliches könnte auch auf den BP-Konzern zutreffen, ein anderer in Europa beheimateter. In Fernseh-Reklame-Stücken stellt man sich dar, als ob man ernsthaft an nachwachsenden Rohstoffen interessiert sei, doch die Realität ist eine andere. Alkohol gibt es an keiner europäischen BP-Tankstelle. Auch gibt es eine Verbindung zum Königshaus, in diesem Fall dem Englischen. Man sehe sich nur den Thronfolger an.

Kraftstoffverbrauch

In diesem Teil soll auch noch etwas eingehender auf die Frage des Kraftstoff-Verbrauchs im Vergleich Benzin-Alkohol eingegangen werden. Tatsache ist, daß Benzin pro Liter einen höheren Energieinhalt bei der Verbrennung hat, der etwa 1: 0,67 beträgt. Das bedeutet, Alkohol hat pro Liter nur etwa zwei Drittel des Energie-Inhalts von Benzin. Dieser Vorteil beruht darauf, daß die wesentlichen Inhaltstoffe von Benzin Kohlenwasserstoffe sind, d.h. das gesamte Molekül besteht nur aus Kohlenstoff-und Wasserstoff-Atomen und trägt vollständig zur Wärmetönung der Verbrennung bei. Der Alkohol dagegen hat als wichtigen Bestandteil ein Sauerstoff-Atom, das nicht im Sinne eines verbrennbaren Bestandteils fungiert.

Die Praxis hat aber in diesem Fall eine ganz andere Seite. Es gibt nämlich, auch mit modernsten Einspritzpumpen, keine ideale Luft-Benzin-Mischung, die eine glatte und vollständige Verbrennung des gesamten Benzins bei der Explosion im Otto-Motor garantieren würde. Dies wäre nur der Fall, wenn man reinen Sauerstoff statt Luft mit Benzin mischen würde. Das ist ja offensichtlich kein in Frage kommendes Modell.

Die tatsächliche Verbrennung im Otto-Motor mit Luft ist vielmehr unvollständig und verbrennt in Wirklichkeit nur etwa 75% des Benzins. Der Rest wird zwar gecrackt (das heißt, die Moleküle werden verkleinert) aber sie verbrennen (anfänglich) nicht vollständig. Dazu kommt, daß Benzin noch andere Komponenten als Kohlenwasserstoffe enthält, die zusätzlich die Verbrennung unvollständig machen. Die betrifft in etwa weitere 5% des Energieinhalts von Benzin. Im Effekt wird also zum Vortrieb des Autos im Ottomotor mit Benzin nur etwa 70% des Energieinhalts des Benzins genutzt.

Genau gesagt, verbrennen auch noch andere Bestandteile des Benzins nach dem Ausnutzen von 70% des Energieinhalts, aber diese Anteil tragen nicht mehr zur Explosionswelle bei, die den Kolben bewegt, der wiederum das Auto antreibt. Nur die Bestandteile, die bei der ersten eigentlichen Explosion verbrennen und den Kolben bewegen, werden genutzt.

Beim Alkohol hingegen haben wir so etwas wie ein Einblasen von reinem Sauerstoff in die Verbrennung: Der Sauerstoff kommt aus dem eigentlichen Molekül. Das ist der Mischung mit Luft weit überlegen. Das bedeutet in der Praxis, daß die Explosion mit einer viel vollständigeren Verbrennung in den ersten Momenten einhergeht, in denen der Druck gegen den Kolben aufgebaut wird. Dadurch kann bei Alkohol ein weit höherer Prozentsatz als 70% unmittelbar in Bewegung umgesetzt werden, wahrscheinlich um die 90% (genaue Zalen liegen nicht vor). Dadurch entstehen auch höhere Temperaturen im Verbrennungsraum.

Wer das gleiche Auto einmal mit Benzin, einmal mit Alkohol fährt, spürt diese Tatsachen sofort. Mit Alkohol ist das Auto deutlich temperamentvoller. Es beschleunigt schneller, nimmt das Gas leichter an, Überholvorgänge können schneller abgeschlossen werden und die Höchstgeschindigkeit wird höher. Es wird auch der Motor stärker beansprucht, weshalb man heute bei Flex-Fuel-Autos Ventile und Ventilsitze mit spezieller Härtung verwendet.

Aber - und nun kommt das aber - dies geht auch mit erhöhtem Verbauch einher. Ein normaler Fahrer, der diesen Vorteil nutzt, wird etwa ein Drittel mehr (also etwa 133%) verbrauchen als beim Benzin. Das sind zwar nicht die 150%, die man aus den Unterschieden des Energieinhaltes vermuten könnte, aber eben doch deutlich mehr. Aus 10 Liter auf 100 km werden da 13,3 Liter auf 100 km.

Aber - nun kommt das andere aber - wer genauso fährt, wie er mit dem Benzin gefahren ist, also die schnellere Beschleunigung nicht ausnutzt, sondern etwas weniger Gas gibt und die beim Fahren mit Benzin verwendeten Geschwindigkeiten wiederholt, wird so gut wie keinen Mehrverbrauch haben. Dieser könnte bei 5 bis 10 Prozent liegen, aber das liegt im Bereich der normalen Schwankungen, so daß dies nicht feststellbar ist.

Nicht zu vergessen bei der ganzen Sache auch der Umweltvorteil des Ethanols gegenüber dem Benzin: Es trägt nicht (oder nur marginal) zu zusätzlichem Kohlendioxid-Ausstoss bei und hilft damit, die globale Erwärmung zu verringern und die Klimakatastrophe zu verhindern.

Treffende Karikatur

Da unsere heutigen Motoren mit Benzin bereits eine absolut ausreichende Beschleunigung (sprich: Drehmoment) zur Verfügung stellen, kann man sich also bewußt dazu bringen, den „Sportlichkeitsfaktor“ des Alkohols nicht zu nutzen. Dann wird der Preisvorteil rein im Geldbeutel bleiben: Alkohol kostet an den Tankstellen, wo man ihn bekommt, in der Regel ein Drittel weniger als Benzin.

Globale Erwärmung

Dies ist aber nur eine Momentaufnahme. Ist der Erdölpreis erst einmal bei 100 Dollar pro Barrel angelangt, wird dieser Preisunterschied noch weit deutlicher werden.

(wird fortgesetzt)

In den folgenden Teilen:
- Wie ist die Energiebilanz von Bio-Alkohol?
- Welche anderen Bio-Kraftstoffe gibt es und welche anderen natürlichen Land-Produkte können zur Verbesserung der Umwelt beitragen?
- Für welche anderen Zwecke kann der Alkohol gebraucht werden?
- Was wäre die beste Alkohol-Quelle in Deutschland?
- Wie sieht es mit den Fahrzeugen mit Erdgasantrieb aus?
- Ist Alkohol ein Konkurrent zum Wasserstoff-Antrieb?
- Wie ist es mit den Brennstoffzellen? Können die mit Alkohol betrieben werden?
- Kann ein Flugzeug mit Alkohol fliegen? Und andere Fragen.



Artikel der "Berliner Umschau" vom 16.8.2006, hier geringfügig redigiert und aktualisiert.


Link zum Originalartikel hier


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

- Lulas Brasilien, Teil 4 – Abholzen und Abbrennen

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatastrophe

Donnerstag, 26. Oktober 2006

Grundversorgung von 1600 Euro für 6 Millionen käme billiger als heute

Mathematischer Beweis*

Von Elmar Getto

Man könnte den etwa 6 Millionen, die heute Arbeitslosengeld II (ALG II) nach Hartz IV bekommen, eine Grundversorgung von monatlich € 1600 brutto (Arbeitergeberbrutto) bezahlen und käme billiger davon als heute mit Hartz IV.

Bereits im Oktober 2005 war rechnerisch bewiesen worden: Statt Hartz IV könnte man 5 Millionen Arbeitslose (damals noch) mit einen monatlichen Bruttogehalt von 1800 Brutto (Arbeitgeberbrutto) einstellen und hätte noch mindestens 8 Milliarden Euro eingespart.

Wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt, so hieß es. Die öffentlichen Haushalte müßten saniert werden. Es sei nicht mehr so viel Geld da für die angebliche „soziale Hängematte". Dies alles waren Begründungen für Hartz IV und sie zogen auch bei vielen Menschen in Deutschland.

Bis heute glauben viele, Hartz IV sei zum Sparen eingeführt worden. Die Realität ist eine völlig andere. Hartz IV hat vielmehr die Kosten für die öffentlichen Haushalte noch einmal in die Höhe geschraubt. Gehen wir den Fragen von "Sparen", "über Verhältnisse leben" und "nicht genügend Geld da" genau nach, kommen wir zum Schluß: Die CDUSPDFDPGRÜNECSU-Einheitspartei-Politiker haben über unsere Verhältnisse gelebt!

Nach den letzten vorliegenden Zahlen (das sind die von 2004, also vor Hartz IV, aber nun wissen wir ja: Es wurde mit Hartz IV noch teurer) sind die Kosten der Arbeitslosigkeit für den Staat die folgenden ('Rbi-aktuell' - jetzt 'Berliner Umschau' - veröffentlichte diese Zahlen schon im Juli 2005, aber es wurde noch nicht die Gegenrechnung aufgemacht):

- Arbeitslosengeld: 24,7 Mrd Euro jährlich

- Arbeitslosenhilfe: 16,9 Mrd Euro jährlich

- Nicht bezahlte Sozialbeiträge: 23,6 Mrd Euro jährlich

- Nicht bezahlte Steuern: 15,9 Mrd Euro jährlich.

Das sind zusammen also 85,7 Milliarden Euro, eine unglaublich hohe Summe.

Seitdem ist die (offizielle) Arbeitslosigkeit auf durchschnittlich über 5 Millionen gestiegen und laut Regierungsangaben sind die Ausgaben durch Hartz IV ebenfalls um über 12 Milliarden über den erwarteten gelegen, also kann man für die aktuelle Situation ohne weiteres noch einmal etwa 15 Milliarden Euro draufschlagen und hat immer noch nicht hoch geschätzt. Damit sind wir also bei der fast nicht vorstellbaren Summe von etwa 100 Milliarden Euro, welche die Arbeitslosigkeit in Deutschland jährlich den Staat kostet, das ist folgende Zahl: 100.000.000.000, also eine 1 mit 11 Nullen.

Doch das sind keineswegs alle Kosten. Es ist nicht eingeschlossen, was auch noch die "Bundesagentur ohne Arbeit" mit all ihren Unteragenturen (früher 'Arbeitsämtern') kostet und was die ARGEs kosten in den Landkreisen und Städten. Nach den letzten Angaben (die sind je nach Quelle unterschiedlich) liegt dieser Betrag im Bereich von 40 Milliarden Euro. Zusammen ergibt sich also ein Kostenpaket von - niedrig geschätzt - 140 Milliarden Euro jährlich.

Selbst wenn wir einen Teil der Kosten der Agenturen nicht einberechnen, weil ja die Arbeitsvermittlung weitergeführt werden muss, bleiben immer noch 130 Milliarden Euro als jährliche Kosten der Arbeitslosigkeit, den unsere Politikerkaste zu zahlen bereit ist, ohne mit der Wimper zu zucken - man hats ja!.

Und nun rechnen Sie einmal mit uns nach, was das jährlich ergäbe, wenn der Staat den etwa 6 Millionen Arbeitslosen (bzw. Marginalverdienern), die Anspruch auf ALG II haben, mit durchschnittlich 1 600 Euro im Monat (einschliesslich des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungen) eine Grundversorgung zahlen würde: 6.000.000 x 1.600 Euro x 12 (Umrechnung auf jährlich) = 115,2 Milliarden Euro.

Das wären also Einsparungen in der Größenordnung von etwa 14,8 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte. Auch wenn vielleicht nicht ganz die oben genannten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern eingehen würden, sagen wir 2 Milliarden weniger, sind es immer noch Einsparungen von jährlich 12,8 Milliarden Euro.

Natürlich würden dann keine 1600 Euro monatlich ausbezahlt, denn es müssten ja Sozialabgaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) und Steuern gezahlt werden. Die Höhe lässt sich aus den obigen Angaben über Steuer-Ausfälle und Sozialversicherungsabgaben-Ausfälle errechnen (abzüglich der genannten 2 Milliarden Mindereinnahmen, der Einfachheit halber mit je 1 Mrd. berechnet): Insgesamt würde dann jeder Empfänger 521 Euro monatlich abführen, 207 an Steuern und 314 an Sozialversicherngen. Bleiben 1079 Euro monatlich netto, immer noch ein Traum für fast alle Hartz IV-Geschädigten. Immerhin hat man dann ja auch deutliche Rentenansprüche erworben.

Wir brauchen dabei gar nicht in die Details dieses Modells einsteigen, z.B. darüber reden, wie dies Geld verwaltungsmässig ausgezahlt und die Berechtigung geprüft würde (ein einfacher Weg wäre über die Steuerverwaltung, die ja sowieso schon die Steuerkarten und eventuelle Einnahmen der Bürger kennt, das würde kaum 1 Milliarde kosten, also immer noch 11,8 Milliarden Einsparung), denn es kann natürlich keine Rede davon sein, daß unsere ruchlose Politikerkaste auch nur anfängt darüber nachzudenken, dies wirklich zu tun.

Jeder weiß natürlich auch warum. Hätten alle diese Arbeitslosen ein Auskommen, wie könnte man dann verzweifelte Leute produzieren, die sich den Kapitalisten für Mini-Löhne offerieren?

Es wird also klar:
Hartz IV diente und dient nicht dem Sparen und sollte dies auch nie. Es ging um die Schaffung von niedrigst bezahlten Arbeiten in riesigem Ausmaß in Deutschland und die Verbreitung von Elend bei den Arbeitslosen und von Furcht und Schrecken bei denen, die noch Arbeit haben, um sie weich zu kochen für Verschlechterungen.

Dafür gibt der nette neoliberale Politiker von nebenan schon mal gerne 11,8 Milliarden mehr aus.

Wenn Ihnen also das nächste Mal irgend jemand aus unserer gnadenlosen Politikerkaste was erzählen will von „leeren Kassen", von „Haushalte sanieren", von „dafür kein Geld da" usw., dann wissen Sie, für was jene freundlich-strengen Damen und Herren das Geld ausgegeben haben: Um ihren Auftraggebern in den Konzernetagen Niedriglohngruppen und einen riesigen Niedriglohnsektor zu bescheren.

Gleichzeitig wird aber auch klar: Im echten Sozialismus, wenn die Bedürfnisse der Menschen bestimmen werden, was gemacht wird, kann man mit einem Schlag die gesamte Arbeitslosigkeit beseitigen und Millionen Menschen für sinnvolle und nötige Arbeiten einsetzen und angemessen bezahlen. Das alles ohne zusätzliche Kosten für den Staat.


*Dieser Artikel basiert auf dem ursprünglichen Artikel "5 Millionen Arbeitslose einstellen" von Elmar Getto, der am 19.10. 2005 in der "Berliner Rundschau" erschien. Er wurde vom Autor aktualisiert.


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

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