Samstag, 3. Februar 2007

USA: Faschisierung des Staatsapparats, Teil 2 - 423 Millionen für 'Internierungslager'

Vorbereitung für Konzentrationslager und massenhafte Einkerkerung von möglichen Oppositionellen

Von Karl Weiss

Der US-Fernsehsender Fox zeigt mit der neuen Staffel seiner Serie „24“ der US- (und unserer) Öffentlichkeit, wie die Situation wird, wenn die Bevölkerung nicht mehr mit den US-imperialen Abenteuern mitzieht, sondern aufbegehrt: Einrichten von Massen-Konzentrationslagern und Einkerkern auf Verdacht von jedem, der eventuell oppositionell sein könnte: Die Vorbereitung des nächsten Schrittes der Faschisierung des US-Staatsapparates, doch nicht nur mit Fernsehserien, sondern auch real.

Wie aus der Vorschau des US-Fernsehsenders „Fox“ zu der neuen Staffel seiner Serie „24“ hervorgeht, handelt es sich um die Darstellung einer USA, in der die Bevölkerung aufbegehrt.

Zunächst wird ein Horrorszenario an die Wand gemalt, um eine scheinbare Rechtfertigung zu haben: In 11 US-Städten seien Anschläge verübt worden, darunter New York, Atlanta, San Antonio und Los Angeles. Ganz US-Amerika befindet sich in einem paranoiden Wahn. Es werden Szenen gezeigt, wie die Bevölkerung mit Lautsprechern aufgerufen wird, jeden „Verdächtigen“ den Behörden zu melden, wie einem Schwarzen der Zugang zu einen Bus verweigert wird und andere Übergriffe gegen vermeintlich „Andere“.

Dann eine Szene aus dem Weißen Haus: Es werden neue „Internierungslager“ und ihre angebliche Rechtsstaatlichkeit diskutiert. Eine der Beteiligten spricht es direkt aus: „Was da geplant wird, sind Konzentrationslager“. Die Pläne des Weißen Hauses würden die Inhaftierung jedes US-Amerikaners erlauben, „der nach Mekka betet“. Eine Sicherheitsberaterin spricht sich gegen die Inhaftierung von unschuldigen US-Amerikanern aus, aber der Sicherheitschef unterbricht sie: „Sicherheit hat ihren Preis.“

Es wird darüber diskutiert, die Möglichkeit von „habeas corpus“ auszusetzen, also dem Recht, seine Inhaftierung von einem Richter überprüfen zu lassen. Das ist besonders interessant, denn dies Gesetz ist in den USA bereits erlassen. Seit dem September 2006 gibt es für sogenannte Terrorverdächtige keine Möglichkeit des „habeas corpus“ mehr.

Dann wird ein Gespräch gezeigt, in dem der Sicherheitschef sagt, er habe Anweisung gegeben, in Sport-Stadien von Los Angeles, Detroit und Philadelphia „Internierungslager“ einzurichten.

Der Einwand: „Und wenn Unschuldige in diesem Netz landen?“ wird wieder weggewischt: „Sicherheit hat ihren Preis. Gewöhnen Sie sich einfach daran.“

Genau darum geht es offenbar in der Serie, die Menschen daran zu gewöhnen. Da braucht man nur noch ein paar „Fals flag“-Terrorattacken und schon scheint es ganz normal, Verdächtige in Lager zu stecken.

Auf der folgenden Website kann man auf die Links zu „You tube“-Video-Schnitten klicken, die der Fernsehsender zur Vorbereitung des Serienbeginns ins Netz gestellt hat und in denen diese Szenen zu sehen sind: http://infokrieg.tv/index.php?set_language=de&site=inhalte&id=80

Das alles bleibt aber nicht nur bei Fernsehserien-Einstimmung stehen. Es gibt auch konkrete Vorbereitungen:

Die Tochterfirma von Vize-Präsident Cheneys ‚Halliburton’, ‚Kellog, Brown and Root’, hat vom US-Heimatschutzministerium den Auftrag erhalten, für 385 Millionen Dollar „Internierungslager“ zu bauen.

Eines dieser Lager in Taylor, Texas ist bereits fertig. Dort wurden nach einer nächtlichen Polizei-Razzia illegale Einwanderer zusammengepfercht, davon die Hälfte Kinder.

Noch kurz vor der Weihnachtspause hat der US-Kongress ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz verabschiedet, das 38 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt zur Instandhaltung von „Internierungslagern“ freigibt, die im zweiten Weltkrieg zur Internierung von Japanern (hauptsächlich japanischen Kriegsgefangenen) genutzt wurden. Es handelt sich um Lager in Hawaii, Kalifornien, Arizona, Arkansas, Colorado, Wyoming, Utah und Idaho.

Das sind ganz konkret 423 Millionen Dollar für „Internierungslager“ mit bisher nicht angegebenem Einsatzzweck. Im Zusammenhang mit der „Fox“-Serie ergibt diese Ausgabe von Hunderten von Millionen Dollar aber einen Sinn. Ein neuer Schritt in der Faschisierung des US-Staatsapparates.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 3. Februar 2007


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Anti-Terrorgesetze früher und heute – Das ‚Detainee Treatment’-Gesetz in den USA

- Wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden... USA – Land der Freiheit?

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Interviews mit Gunatánamo-Insassen

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

Freitag, 2. Februar 2007

Der Blog wächst beachtlich

Nun sind es also schon über 200 Tage, die dieser Blog besteht. Er hat damit die kritischste Zeit überwunden (die meisten Blogs werden innerhalb der ersten 200 Tage eingestellt).

Jetzt gibt es kaum noch einen Tag, an dem nicht mindestens 200 Besucher auf diesen Blog klicken. Auch die Zahl der Kommentare und die der Links zu den Artikeln sowie Links zum Blog wachsen deutlich. In "Technorati" sind 180 Links von 38 Blogs angegeben.

An Tagen mit besonders interessanten Artikeln kam er schon auf mehr als 500 Clicks, an einem auf über 600. Einige wenige Male hat er es schon in die tägliche Liste der ersten 100 im "Blogcounter" geschafft.

Etwa 30 bis 40% der Leser kommen direkt in den Blog, werden also nicht von anderen Seiten referiert. Das sind also "Stammleser". Von den referierten kommen die meisten über Net-News-Global.de, an zweiter Stelle über google.de. Andere Referer mit Bedeutung sind: Infokrieg.tv, 3dcenter.de, google.at, google.com, google.ch, wer-weiss-was.de, tacheles-sozialhilfe.de und hahn.blogkade.de.

Nun habe ich auch eine Liste mit den 50 meistgelesenen Artikeln des Blogs eingestellt (Link siehe unter "Top 10 Artikel"). Inzwischen habe ich die Liste auch entsprechend der Zahlen des 31. Januar 2007 aktualisiert.

Das Herausstellen der "Top 5 Dossiers", der "Top 10 Artikel" und der "Top 5 Topics" hat die durchschnittliche Verweilzeit im Blog erhöht.

Mit insgesamt etwa 36 000 Clicks in etwa 200 Tagen kann man für einen neuen Blog auch zufrieden sein. Natürlich würde ich gerne eine breitere Leserschaft ansprechen, aber es ist ein vielversprechender Anfang.

Ich möchte also sagen: "Weiter so, Blog Karl Weiss - Journalismus!"

Karl Weiss

Donnerstag, 1. Februar 2007

Anti-Terrorkrieg steigert Terrorgefahr

Gleich und gleich gesellt sich gern

Von Karl Weiss

In einer Studie hat die Regierungsunabhängige britische Forschungsgruppe „Oxford Research Group" herausgefunden, daß der Anti-Terrorkrieg der britischen und US-Regierung die Terrorgefahr deutlich erhöht hat. Ob das nicht beabsichtigt war?

Die Studie kommt zu dem Schluß, daß die Regierungen ihre Stellung in der Welt durch militärische Gewalt sichern wollen, ohne sich Gedanken über die Ursachen und Zusammenhänge der Bedrohungen zu machen. Dies bringt sie zu dem Schluß, die Strategie sei „zutiefst fehlerhaft". Sie schaffe weit mehr neue Terroristen als sie ausschalten könne.

Die britische Labour-Abgeordnete Claire Short ist der gleichen Meinung: „Die Politik der USA und Großbritanniens ist völlig kontraproduktiv und fördert den Terrorismus sowie die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen."

Diese Ansichten gehen allerdings davon aus, daß die nach außen hin angegebenen Ziele der Kriege gegen Staaten im Nahen Osten die wirklichen Gründe sind. Bei genauerem Nachdenken ist es eigentlich offensichtlich, daß die USA und mit ihnen verbündete imperialistischen Mächte extrem spezialisierte „Think-Tanks" haben, die sicherstellen, daß selbstverständlich nicht das Gegenteil von dem erreicht wird, was beabsichtigt ist.

Bush und Blair mögen nicht unbedingt die Hellsten sein, aber sie repräsentieren ja lediglich eine Politik für die Öffentlichkeit, die von den imperialistischen Spezialisten ausbaldowert wird. Sich vorzustellen, daß die extrem spezialisierten Planungs- und Vorbereitungs-Einheiten der Imperialisten nicht in der Lage wären zu erkennen, daß der angebliche „Krieg gegen den Terror" nur neuen Terror hervorbringt, ist naiv.

In Wirklichkeit konnte den auf Weltherrschaft und Ausbeutung der ganzen Welt orientierten Imperialisten nichts Besseres passieren als ein islamistischer Terrorismus. Kein Wunder, daß die US-Administration denn auch viele dieser Terrorgruppen überhaupt erst hervorgebracht hat. Die Anfänge so mancher islamistischen Terrororganisation liegt in von den USA rekrutierten, ausgebildeten, bewaffneten und mit Geld versehenen Terrorbanden, die nach dem Einmarsch der damaligen Sowjetunion in Afghanistan im Jahr 1980 dort geschaffen und gesponsort wurden. Aus diesen sind später Gruppierungen hervorgegangen wie Taliban und das, was von westlichen Stellen Al Quaida genannt wird.

Die US-Regierungen haben diese Gruppierungen für ihre Interessen eingesetzt nicht nur in Afghanistan, sondern auch in Bosnien und in Tschetschenien, darunter jene Bande, in der Osama Bin Laden mitarbeitet. Die Ausbildungscamps dieser Vereinigungen sind vollständig von US-Organisationen eingerichtet und ausgestattet worden.

Bush

Selbst wenn man davon ausgeht, daß die Anschläge des 11. September 2001 allein von islamistischen Gruppen ohne US-„Sponsoring" geplant und durchgeführt wurden (wofür nichts spricht), ist doch der Zusammenhang der Täter mit ihren imperialistischen Urhebern offensichtlich.

Die imperialistische Supermacht und ihre „Willigen" brauchen den islamistischen Terrorismus als Rechtfertigung für ihre Eroberungskreige von Ländern in der Erdölregion des nahen Ostens („Krieg gegen den Terror"), als Ausrede für die Hochrüstung und den Abbau von Bürgerrechten und die islamistischen Gruppen reiben sich bevorzugt an den Brutalitäten dieser Supermacht, die sie hervorgebracht hat. Ein symbiotisches Verhältnis auf Gegenseitigkeit.

Da spielt es keine Rolle, ob diese Gruppierungen heute noch direkt vom CIA ausgehalten und dirigiert werden.

Der Staatsterror durch Bomben und Granaten, Eroberungen, Internierungen, Folter und Masassaker auf der einen Seite und Terroranschläge auf Zivilisten durch fanatische Islamisten sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, in einem sich gegenseitig bedingenden, befruchtenden und ernährenden Prozeß.

Da wundert es auch nicht, daß beide Seiten ihre ideologische Rechtfertigung gleichermaßen aus fundamentalistischem Religions-Fanatismus beziehen, die Bush-Regierung aus extremistisch-fundamentalistischem Christianismus, die andere Seite aus islamistischem Fundamentalismus.

Osama Bin Laden

Gleich und gleich gesellt sich gern. Da ist es im Grunde nicht mehr verwunderlich, daß beide Seiten in weitem Maße einig sind in vielen Fragen der Weltanschauung und ihrer praktischen Anwendung: Beide lehnen die Wissenschaftlichkeit als solche ab und speziell die Wissenschaft als Grundlage der Weltanschauung, beide bestehen auf dem „Wörtlich-Nehmen" der jeweiligen heiligen Schriften, beide sind Anti-Gay, Anti-Abtreibung, frauenfeindlich, Pro-Todesstrafe, Pro-Folter, voller Machismus und - nicht zuletzt - Meister in Heuchelei: Während sie den Armen das bessere Leben im Jenseits predigen, wissen viele ihrer hervorstechenden Persönlichkeiten sehr gut, ihre Stellung zur persönlichen Bereicherung auszunutzen.

So kommt man schließlich zur Erkenntnis, daß die Förderung des islamistischen Terrors sehr wohl beabsichtigt ist.

Mittwoch, 31. Januar 2007

Lulas Brasilien, Teil 5 - Brasiliens Regierung von Vatikan-Radio angeklagt

Vatikan: Lulas Regierung Teil eines Komplotts

Von Karl Weiss

Wie Radio Vatikan meldete, hat der örtlich zuständige Bischof für Pará, wo letztes Jahr die Nonne und Aktivistin für Rechte der Indios und Landarbeiter, Dorothy Stang, ermordet wurde, die Brasilianische Bundesregierung und die Regierung des Bundeststaates Pará angeklagt, Teil eines Komplotts zum Schutz der Hintermänner des Mordes zu sein.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Dorothy Stang war nach einer Ankündigung, die von der Polizei und den örtlichen Behörden nicht ernst genommen wurde, von zwei gedingten Tätern ermordet worden. Auch einer der Auftraggeber wurde bereits identifiziert.

Frau Stang hatte sich in jahrelanger aufopferungsvoller Arbeit für die Indios im Gebiet, das Teil des Amazonaswaldes ist, sowie für die Landarbeiter und Kleinbauern eingesetzt und immer wieder die Taten der Großgrundbesitzer, Holzfirmen und Bodenspekulanten in der Region angeprangert. Aus diesen Kreisen, so der Bischof Erwin Kräutler, kam denn auch der Auftrag für ihre Ermordung.

Nach seinen Angaben verhindert aber ein Komplott der Mächtigen in der Region mit der Bundes- und Landesregierung die Aufklärung des Verbrechens. Es seien Unternehmer und hohe Politiker verwickelt. Wenn das Vatikan-Radio dies berichtet, so kann man getrost davon ausgehen, daß in diesem Fall jedes Wort wahr ist - nicht, weil der vatikan immer die Wahrheit sagen Würde, sondern weil der brasilianische Bischof glaubwürdig ist und weil das Vatikan-Radio sich hüten würde, so schwere Anklagen zu erheben, wenn dies nicht wirklich belegt ist.

Damit hat die Lula-Regierung innerhalb von drei Jahren Amtszeit ein Niveau von Abscheulichkeiten erreicht, wie es selbst ihre schlimmsten Feinde nicht vorhergesagt hatten.


Dieser Artikel erschien zuerst in der "Berliner Umschau" vom 15. Februar 2006, hier leicht redigiert.


Links zu den anderen Teilen der Serie "Lulas Brasilien":
Teil 1 Terroranschlag - Verdächtige freigelassen
Teil 2 Brasilien und die Sklaverei
Teil 3 Die Liste der Ermordeten wird immer länger
Teil 4 Abholzen und Abbrennen
Teil 6 Brasilien und die Pressefreiheit
Teil 7 Brasilien grösster Fleischexporteur der Welt
Teil 8 Deal mit der Mafia

Montag, 29. Januar 2007

US-Armee misshandelt verletzte Rekruten

Tritte und Beschimpfungen statt Behandlung

Von Karl Weiss

Die US-Army warb und wirbt eifrig neue Rekruten, denn der Bedarf an Soldaten ist groß, wenn man überall Stützpunkte unterhalten will und gleichzeitig mehrere Kriege führen. Dabei wird schamlos die Situation junger Arbeitsloser und Unterbeschäftigter ausgenutzt. Es wird eine ins Gewicht fallende Zahl von Soldaten bei der Grundausbildung verletzt (ist die etwa besonders brutal?). Für diese verletzten Soldaten hat die Army eigene Einheiten eingerichtet, eines davon in Fort Sill. Nun ist herausgekommen, daß die verletzten Soldaten dort nicht medizinisch behandelt wurden, aber dafür misshandelt und missbraucht. Ein weiteres Dokument, wie absurd bereits die Situation im US-Militär ist.

Insgesamt wurden 1100 verletzte Soldaten im letzten Jahr aus der normalen Ausbildung genommen und in speziellen Einheiten „behandelt", die Artillerie-Soldaten davon in Fort Sill. Dabei geht es sowohl um ernsthaft erkrankte als auch um Soldaten, die Verletzungen davon getragen haben. Warum überhaupt eine so große Anzahl dieser Rekruten verletzt und krank wurden und nicht weiter normal ausgebildet werden konnten, ist noch gar nicht untersucht worden.

Lediglich die Mißhandlungen bzw. Mißbräuche in Fort Sill sind an die Öffentlichkeit gekommen, weil dort jetzt Soldaten gestorben sind, unter ihnen Mathew Scarano. Der hat vor seinem Tod über die Behandlung in Fort Sill in einem Brief nach Hause geschrieben: „Ich bin hier Gefängnisinsasse. Ich habe einige Kollegen hier gefragt, die Tätowierungen tragen, die sie als Ex-Gefangene ausweisen, was sie vorziehen würden: Gefängnis oder Fort Sill. Bis jetzt habe ich nur solche gefunden, die „Gefängnis" geantwortet haben."

Befragt zu den Beschwerden von Familien und Soldaten, mußte die Army zugeben, daß in den Rehabilitationszentren keine Personen mit medizinischen Kenntnissen kommandieren, sondern Fachsoldaten, also ein Artillerieoffizier in Fort Sill. Man mußte auch zwei Feldwebel strafversetzen. Der eine hatte einen Soldaten mit Tritten ans Knie malträtiert, an dem der Soldat operiert worden war. Der andere hatte es sich zur Spezialität gemacht, die Soldaten die ganze Nacht hindurch mit Übungen zu wecken, auch solche, die massiv mit Schlafmittel wegen ihrer Verletzungen behandelt wurden.

Die beiden Toten wurden nach Angaben der Armee wahrscheinlich versehentlich mit zu hohen Dosen der für sie vorgesehen Medikamente behandelt. Da es keine Ärzte gab, kann so etwas leicht passieren. Die Armee gab an, daß man nun in allen Behandlungszentren Ärzte als Kommandierende eingesetzt hat. Außerdem wurde jetzt angeordnet, daß die kranken und verletzten Rekruten nach drei Monaten einer allgemeinen Untersuchung und Beurteilung unterzogen werden müssen, sowie danach monatlich, wenn sie weiterbehandelt werden müssen.

Fragt sich, was man vorher gemacht hat. Einfach für ein halbes Jahr weggeschlossen?

US-Fahne auf Halbmast

In Interviews mit Soldaten und Angehörigen wurde vor allem angeprangert, daß die verletzten und kranken Soldaten Strafbehandlung bekamen, weil sie angeblich Simulanten seien. Die Soldaten beschwerten sich besonders, daß ihre Verletzungen und Krankheiten nicht behandelt wurden. Ärzte wären nicht verfügbar gewesen, weil die Army-Ärzte im Irak und in den Krankenhäusern gebraucht werden, wo die Verletzten aus dem Irak behandelt werden.

„Brutale und ungewöhnliche Behandlung, das war es," sagte einer der Angehörigen. U.a. berichteten die Soldaten, daß an einem verlängerten Wochenende, als alle anderen Heimaturlaub bekamen, die Verletzten-Einheiten damit beauftragt wurden, das Wachs mit Messern vom Holzfußboden zu kratzen. Bei diesem tagelangen Kratzen verschlimmerte sich u.a. die Schulterverletzung von Scarano, der später starb. Überhaupt wurde bemängelt, die Soldaten würden oft weit länger als nötig in den Verletzten-Einheiten belassen.

Die Mißhandlungen ihres Sohnes waren so gravierend, berichtet eine Mutter, daß sie besorgter um ihn war als um ihren anderen Sohn im Irak.

Tritte waren an der Tagesordnung und die Soldaten wurden schwer beschimpft. Die Beschwerden der Soldaten und Angehörigen wurden mißachtet, bis die linke Web-Site „Counter-Punch" - www.counterpunch.com - von den Mißhandlungen erfuhr und dies veröffentlichte. Erst dann reagierten die Militärs.

Der verstorbene Scarano hatte sich eine schwere Schulterverletzung bei einem Fall zugezogen. Offenbar wurde die Schulter überhaupt nicht behandelt. Stattdessen wurde er mit Medikamenten vollgestopft. Er schrieb in einem Brief vor seinem Tod, daß er Fentanyl, Ambien, Seroquel, Tylox und Oxycontins verabreicht bekam, daneben auch noch Trazadone. Es wird vermutet, daß er an Nebenwirkungen von Medikamenten oder an einer Überdosis starb. Die Todesursache ist Wochen nach seinem Tod noch ungeklärt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 15. Juni 2006 in der "Berliner Umschau", hier leicht redigiert.

Freitag, 26. Januar 2007

Es könnten 12 Milliarden Menschen ernährt werden

Hunger - Verbrechen des Massenmordes - Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Von Elmar Getto

„Die ärmsten Länder müssen die höchsten Zinsen zahlen - das ist nicht gerecht", so äußerte sich der Österreicher Fischler, ehemaliger EU-Agrar-Kommissar, in Richtung Weltbank bei der Premiere des Dokumentarfilmes „We feed the world" von Erwin Wagenhofer über die Lebensmittelkonzerne. Der ehemalige Schweizer Parlamentarier Jean Ziegler, heute UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Nahrung, brachte es beim gleichen Ereignis auf den Punkt: „Der Hunger ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit!"

Im Film selbst sieht man Zieglers Aussage: „Wir sind in der Lage, 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Daher ist jedes Kind, das heute an Hunger sterben muß, das Opfer eines Mordes."

Er macht die Lebensmittelkonzerne verantwortlich: „Sie operieren rein profitorientiert."

Ziegler, seit fünf Jahren in den Diensten der UN, unterstützt Fischler in seiner Aussage, daß der Kern des Hungerproblems die Verschuldung der Entwicklungsländer ist und die hohen Zinsen, die sie zahlen müssen. Er rief alle Bürger der demokratischen Zivilgesellschaft auf, ihre Stimme für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft zu erheben. Nur „planetarisch" könne man „wirklich etwas unternehmen gegen die Kosmokraten, jene kalten Monster in den Megakonzernen."

Allerdings ist es nicht einfach so, daß die Zinsen um so höher sind, je ärmer ein Land. Vielmehr werden von allen Entwicklungsländern die jeweils höchsten Zinsen abverlangt, die das Land gerade noch ertragen kann, ohne völlig zusammenzubrechen (wobei da auch schon mal übertrieben wird, siehe Argentinien).

Im Moment z. B. muß die höchsten Zinsen Brasilien zahlen, mit fast genau 20 % (über 15% Realzins über der Inflationsrate), weil dort am meisten zu holen ist.
[Anmerkung vom Januar 2007: Heute sind die Zinsen in Brasilien niedriger, bei 13% - immer noch 11% über der Inflationsrate - und immer noch die höchsten aller relevanten Länder auf der Welt.]

Tatsächlich wohnen wir im Moment dem bei weitem größten Völkermord aller Zeiten bei.

Tausende sterben täglich, Zehntausende von Kinder im Monat, Millionen pro Jahr, Opfer von Unter- und Falschernährung aus Armut, von Krankheiten, die längst ausgerottet sein könnten, während die Großkonzerne, -banken und -spekulanten ihre Zinsen bei den Entwicklungsländern eintreiben. Dieser Massenmord übertrifft selbst die Taten der deutschen Faschisten bei weitem.

Beeindruckend, wie manche Politiker, wenn sie nicht mehr in der Verantwortung stehen, plötzlich durchscheinen lassen, daß sie die ganze Zeit wußten, an was sie da beteiligt waren. Der ehemalige EU-Agrar-Kommissar Fischler war zu aktiven Zeiten einer der Hauptverantwortlichen für diese Verbrechen, denn die Abschottung der EU gegen Agrarimporte ist einer der wichtigsten Gründe, warum diese Länder keinerlei Chance zu einer Erholung haben, selbst wenn sie ausnahmsweise mal eine Regierung hätten, die versuchen würde, etwas für das Volk zu tun.

Die deutschen Wähler haben gerade eben ihre Stimme erhoben für ein Umdenken in Politik und Wirtschaft, nur wollen weder die Angehörigen der deutschen Politiker-Kaste noch die Mainstream-Medien verstehen, was sie ausgedrückt haben. [Anmerkung vom Januar 2007: Das bezieht sich auf die Ergebnisse der Bundestagswahl Ende 2005: Die niedrigste Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik.]

Die tun so, als hätten sie den Auftrag bekommen, so weiterzumachen wie bisher.

Der UN-Beauftragte legte seinen Finger in die Wunde, wenn er die gnadenlosen Super-Manager als Haupttäter ausmacht und sagt, daß die Konzerne nur auf Profit orientiert sind. Aber er vergißt hinzuzufügen, daß sie gar nicht anders können im Kapitalismus.

Wer die Bedingung ausklammert, daß wir im Kapitalismus leben, mag noch so recht haben, bleibt aber im Kern unredlich. Die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen ist der Kampf für den echten Sozialismus.


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien ursprünglich am 6. Oktober 2005 in "Rbi-aktuell", hier vom Autor mit Anmerkungen versehen. Auch in diesem Fall wieder überraschend die Aktualität des Artikels.

Mittwoch, 24. Januar 2007

Weingeist als Kraftstoff

Schweden setzt auf regenerative Energien

Von Elmar Getto

Während die EU, speziell die Kommission, weiterhin fest im Griff der Ölkonzerne ist, die ihre Profite mit immer neuen Preiserhöhungen in märchenhafte Höhen treiben, hat Schweden als bisher einziges europäisches Land den Weg Brasiliens eingeschlagen, sich weitgehend unabhängig von importierten fossilen Energieträgern zu machen. Bis 2020 soll dies verwirklicht sein.

Der erste Schritt dazu ist die Umstellung des schwedischen Parks von Benzin-Autos auf Alkohol. Ein Netz von Alkohol-Zapfsäulen ist bereits am Entstehen und vier verschiedene Automobilkonzerne offerieren bereits ‚Flexible Fuel’-Fahrzeuge in Schweden, die mit jeder Mischung von Benzin und Alkohol fahren können. Als nächster Schritt ist die Umstellung auf Bio-Diesel vorgesehen.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Die Stromerzeugung soll nach und nach von Kohle-, Schweröl-, Atom- und Müllverbrennungs-Kraftwerken auf die erneuerbaren Energien wie Wind, Solar und Biomasse umgestellt werden (ein wirklicher Ausstieg aus der Atomkraft - nicht ein Schein-Ausstieg wie in Deutschland - war in Schweden als erstem europäischen Land schon lange beschlossen worden). Bereits in 10 Jahren ist die Erzeugung von 15 Milliarden KWh Strom aus erneuerbaren Energien vorgesehen.

Bei der Wärme sind Steuervorteile für diejenigen vorgesehen, die ihre Heizung auf Alternative Energien umstellen. Weiterhin wird es verstärkte Forschung zu diesem Thema geben und ein nationales Programm der Energieeinsparung.

Dr. Norbert Allnoch, Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster, sagte: „Alle führenden Industrienationen werden früher oder später (...) auch die industriepolitische Bedeutung für ihr Land entdecken und eine weltweite Innovationsspirale bei regenerativen Energietechniken in Gang setzen.“

Wie in einem anderen Artikel im Block schon berichtet wurde,
ist in Brasilien bereits seit Anfang der Siebziger Jahre der Alkohol als Kraftstoff eingeführt. Dort kann er kostengünstig aus der Zuckermelasse gewonnen werden, die bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr anfällt. Man kann aber auch den ganzen Zuckersaft vergären, ohne Zucker daraus zu machen. Dadurch ist man sehr flexibel in den Zucker- bzw. Alkohol-Mengen, die man herstellt.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Der Boom des Alkohols als Kraftstoff in den achtziger Jahren wurde aber in Brasilien durch eine Vertrauenskrise in den neunziger Jahren abgelöst. Alkohol wurde im wesentlichen nur noch als Beimischung im Benzin gefahren, im Moment liegt der beigemischte Anteil bei 24 %. Doch seit Anfang 2003 gibt es in Brasilien - so wie jetzt auch in Schweden - die sogenannten Flex-Fuel-Fahrzeuge, die mit Einspritzung arbeiten.

Diese stellen heute in Brasilien bereits 67% der verkauften Neuwagen, so daß schon bald der Verbrauch von Alkohol wieder gewaltig ansteigen wird - ebenso wie der von Benzin auf lange Sicht gegen Null tendieren wird. Während der Benzin-Preis in Brasilien gerade eben erhöht wurde und jetzt in den meisten Regionen bei etwa 2,30 - 2,40 Reais pro Liter liegt (etwa 80 bis 83 Eurocents), kann man Alkohol an der Tankstelle im Bereich von 0,90 bis 1,40 Reais erwerben (etwa 31 bis 48 Eurocents pro Liter). Das stellt natürlich einen deutlichen Anreiz dar, zudem laut Versicherungen der Ford die modernen Flex-Fuel-Autos nicht oder nur unbedeutend mehr als die Benzin-Autos verbrauchen. Dazu sind die mit dem Weingeist betriebenen Fahrzeuge auch noch wesentlich lebhafter, denn der hat wegen seiner höheren Dichte auch einen größeren Energieinhalt pro Liter.

Alkohol hat ja außer dem Preisvorteil und dem Unabhängigkeitsvorteil vor allem den wichtigen Umweltvorteil: Jedes Gramm CO2, das bei ihnen aus dem Auspuff kommt, ist vorher beim Wachsen der entsprechenden Pflanzen aus der Luft geholt worden (Kreislaufwirtschaft).

Treffende Karikatur

Brasilien ist heute bereits unabhängig von importierten fossilen Energieträgern, was nicht heißt, daß man nicht weiterhin Erdöl und Erdgas importiert. Man exportiert aber auch bereits und beides hält sich schon die Waage.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Wann wohl der Rest von Europa außer Schweden endlich merkt, daß man im Griff der Ölkonzerne zappelt und von ihnen beliebig gemolken werden kann?

Die Europäische Kommission befindet sich mit vollem Getöse auf der Gegenspur. Soeben hat man ein Verfahren eingeleitet, um zu überprüfen, ob die Steuerbefreiung von Alkohol als Kraftstoff in der EG nicht einen Verstoß gegen die EU-Richtlinien darstellt.

Nun, einen Verstoß gegen die Höchstprofite der Erdölkonzerne ist es sicherlich. Das scheint zu sein, was zählt.


Dieser Artikel von Elmar Getto zum wichtigen Thema der regenerativen Energien, der ursprünglich am 21. September 2005 in "Rbi-aktuell" erschien, ist ebenfalls weiterhin aktuell.

Montag, 22. Januar 2007

Osama ist unauffindbar, aber man weiss, dass er krank ist

Für wie dumm halten die uns eigentlich?

Von Elmar Getto

Wie die deutsche Sektion der Nachrichtenagentur Reuters meldet, sei Osama Bin Laden erkrankt und brauche ärztliche Hilfe. Moment, - was? Bin Laden, der meistgesuchte Terrorist der Welt, der Vater aller Terroristen? Er steht unter so intensiver Überwachung, daß man sogar Details seiner Gesundheit weiß? Warum, bitte, nimmt man ihn dann nicht fest?

Osama Bin Laden

Reuters weiß noch mehr, alles Dinge, die ein US-Army-Oberst mit Namen Don McGraw an die Öffentlichkeit hat dringen lassen. Er ist im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Das wußten wir schon vor vier Jahren. Er wechselt den Aufenthaltsort häufig und ist ständig in Bewegung. Ja und? Wenn man das alles weiß, warum nimmt man ihn nicht fest?

Jeder, der im Internet ist, kann auf die Seiten mit den Satellitenbildern gehen (google earth). Dort kann jeder von uns, sei es in Deutschland, sei es im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan oder wo auch immer, mit bester Auflösung alles ansehen, was vor sich geht. Wolken sind kein Hindernis (Zwar läßt man uns keine live-Bilder sehen, sondern nur einige Tage alte Bilder, aber die US-Dienste haben natürlich dies alles in Echtzeit).

Jedes Objekt von der Grösse eines Autos, eines Kamels oder eines Maulesels ist sichtbar. Es ist also unmöglich, sich in Berghöhlen zu verstecken, denn man braucht dort Nachschub und Kontakte und die können alle verfolgt werden. Ein auffallende Geschäftigkeit in einem bestimmten Tal und schon weiß man, daß dort jemand sitzt. Man muß nur noch hin und den Laden ausheben (Hat man etwa keine Hubschrauber in Afghanistan?). Man hatte 4 Jahre Zeit, das alles zu schecken und ihn festzunehmen. Man weiss, wann er krank ist und wann er seinen Aufenthaltsort wechselt.

Will man uns wirklich weismachen, man könnte ihn nicht jederzeit festnehmen, wenn man nur wollte. Für wie dumm hält man uns eigentlich?


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien am 19 September 2005 in "Rbi-aktuell". Er ist heute so aktuell und wahr wie damals.

Donnerstag, 18. Januar 2007

... wenn bürgerliche Rechte abgeschafft werden

USA - Land der Freiheit!?

Von Elmar Getto

Als die US-Amerikaner ihre Unabhängigkeit von England erkämpften und die für viele Jahre fortschrittlichste Verfassung der Menschheit verkündeten, wurden sie zum Vorbild, zum Ansporn und zur Hoffnung der Völker der Erde auf ein Ende der Tyrannei, auf freiheitliche Rechte, die meist einfach mit dem Ruf „Freiheit!“ abgekürzt wurden. Jetzt ist es eben genau jener Staat USA, der einen wesentlichen Teil davon aufgehoben hat – mit unübersehbaren Folgen für die ganze Menschheit. Grundlegende Rechte von Verdächtigen bestehen nicht mehr, wenn sie – auslegbarer – Terrorismus-Verbindungen angeklagt sind.

Nicht umsonst ist der Schluss der Nationalhymne der USA "Die Heimat der Mutigen, das Land der Freien!" der Stolz vieler US-Amerikaner.

Freiheit heißt eben nicht nur, daß man öffentlich die Regierung und die verantwortlichen Politiker kritisieren darf, ohne mit Sanktionen rechnen zu müssen, Freiheit heißt auch und gerade, daß Verdächtige und Angeklagte Rechte haben.

Das heisst zunächst, jeder Verdacht muss auf realen Fakten basieren, darf also nicht erfunden sein oder eingebildet.

Weiterhin gehört dazu gehört das Recht, als unschuldig zu gelten, solange man nicht verurteilt ist, das Recht, nicht länger als einen kurzen Zeitraum ohne richterliche Entscheidung festgehalten werden zu dürfen, das Recht, den Grund einer Anklage zu erfahren, das Recht auf Verteidigung (und einen selbstgewählten Verteidiger), das Recht, innerhalb angemessener Zeit einen Prozeß vor einem Gericht zu bekommen, wenn man eingesperrt ist, das Recht der Einsicht in die belastenden Akten, das Recht auf eine menschenwürdige Behandlung als Gefangener, das Recht, Zugang zu ärztlicher Hilfe zu haben, wenn man gefangen ist, das Recht, vor Folter geschützt zu sein sowie daß eventuell unter Folter erzwungenen Aussagen nicht berücksichtigt werden und das Recht, zu seiner Verteidigung Zeugen befragen zu können, um nur einige dieser Rechte zu nennen (Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, daß hier gerade jene Rechte aufgezählt wurden, die in den USA des Terrorismus-Zusammenhangs Verdächtigen vorenthalten werden).

Detainees Guantánamo

Warum wurden diese Rechte als „Freiheitsrechte“ bezeichnet, was machte sie zu einem so großen Fortschritt in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte? Bevor sie galten, waren eben gerade die Manipulationen von Anklagen und Verurteilungen nach dem Belieben der Herrscher eines der herausragenden Merkmale der üblichen feudalen Unrechtsregime.

Wer z.B. oppositioneller Aktivitäten verdächtig war (oder auch Verwandte des Herrschers, die in der Erbfolge „störten“), wurde ohne Begründung eingesperrt, wurde ohne Prozess festgehalten, ohne Anklage, ohne richterlichen Haftbefehl und nicht selten ermordet. Ein faires Gerichtsverfahren war nicht gegeben, weil dem Angeklagten nicht die Möglichkeiten der Verteidigung, des Verteidigers und der Befragung eventueller Zeugen gegeben wurden usw. Kurz, der Mangel dieser Rechte war (und ist) charakteristisch für Tyranneien.

Kurz nach den Anschlägen des 11. September 2001 wurde – zusammen mit anderen NATO-Mächten – Afghanistan überfallen und das dortige Regime der Taliban abgesetzt. Hier begannen nun die ‚neuen Definitionen’ bezüglich der Gefangenen, denen weder der Status von Kriegsgefangenen nach Genfer Konvention noch der Status von Verdächtigen für kriminelle Taten zugestanden wurde.

Guantánamo Wagen

Sie wurden pauschal als „Terroristen“ eingestuft, die damit keinerlei Rechte mehr hätten. Dies war speziell für die Soldaten der Taliban eine kaum zu fassende Behandlung, denn diese hatten nichts anderes getan, als die zu jenem Zeitpunkt rechtmässige Regierung Afghanistans gegen eine Invasion aus dem Ausland zu verteidigen. Daß die Taliban in irgendeiner Weise in irgendwelche Terroranschläge gegen Zivilisten verwickelt waren, haben nicht einmal die US-Führer behauptet. Das ‚Verbrechen’ des Taliban bestand darin, Osama Bin Laden nicht festgenommen und ausgeliefert zu haben [Interessant, dass dies auch auf die Invasionstruppen in Afghanistan zutrifft, nicht wahr?].

Die ‚Newsweek’ brachte dies kürzlich in einem Artikel auf einen kurzen Nenner: Die Regierung Bush meint, daß man gegen den Terrorismus in einem Krieg ‚ohne Regeln’ steht, während die Gegenseite den Terrorismus als Polizei- und Justizproblem ansieht. Die US-Regierung sagt also, es gibt keine Regeln mehr (also keine der bürgerlichen Freiheitsrechte für Verdächtige und Angeklagte, soweit es sich um terroristische Straftaten handelt), weil auch die Terroristen keine Regeln einhalten. Deshalb könnten Terroristen nicht wie Kriminelle behandelt werden.

Sehen wir uns dieses Argument genau an. Wann je haben Kriminelle sich an Regeln gehalten? Welche Regeln sollen das gewesen sein? Das Argument ist Quatsch. Der Staat, der sich auf den Regeln der bürgerlichen Freiheiten begründet (heute meist kurz ‚Demokratie’ genannt), kann nicht diese seine Regeln aufheben mit einem Hinweis, daß Kriminelle sich auch nicht an Regeln halten, ohne sich unglaubwürdig zu machen.

Karikatur Selbstmord Guantánamo

Die Regeln des bürgerlichen Staates (Demokratie) haben nämlich drei wesentliche Gründe: Man will Willkür durch Mächtige abschaffen, man will nicht mehr so viele Unschuldige verurteilen, sondern wirkliche Täter - und man will alle Menschen menschenwürdig behandeln. Die oben genannten Regeln laufen ja genau hierauf hinaus.

Es blieb aber auch nicht dabei stehen, diesen Gefangenen generell alle Rechte abzuerkennen. Man begann auch, sie gezielt zu foltern und zu töten, sie wurden später ins Konzentrationslager von Guantanamo Bay auf Kuba gebracht. Einige von ihnen wurden auf US-Schiffen gehalten und gefoltert, andere „exportierte“ man in Länder wie Syrien, Marokko und Ägypten, die für ihre Foltermethoden bekannt sind.

Die Frage, ob diesen Menschen überhaupt irgendetwas vorzuwerfen ist, wurde gar nicht erst gestellt. Man unterstellte pauschal, sie könnten eventuell Informationen haben, die sich auf terroristische Aktivitäten beziehen und damit sei jede Art von ‚verschärften Verhören’ gerechtfertigt, wie man Folter jetzt nannte. Allerdings ist die US-Regierung bis heute den Beweis schuldig geblieben, daß durch die „Verhöre“ auch nur eine einzige Information erlangt wurde, die zur Verhinderung eines Terroranschlages auf Zivilpersonen beigetragen hätte.

Hier einige Ausschnitte aus den letzten bekannt gewordenen Übergriffen und Morden von US-Soldaten in Afghanistan im Gefangenenlager Bagram (das war also gleich nach dem Überfall auf Afghanistan, lange bevor das KZ Guantánamo eröffnet wurde und lange vor Abu Ghraib):

Abu Ghraib Folterszene - blutender, nackter Gefangener. Zu diesem Foto existieren verschiedene Versionen. Eine besagt, der Gefangene ist bereits tot, eine andere, er sei lediglich durch einen Hundebiss verletzt und es handele sich nicht um Folter.

"Es gab die Genfer Konventionen für Kriegsgefangene, aber keine für Terroristen", so ein Feldwebel über die Vorgehensweise – und alle wurden als Terroristen angesehen. Schlafentzug für bis zu 72 Stunden war allgemein üblich.

Ein Stabsfeldwebel Corsetti wurde häufig als "König der Folter" bezeichnet. Er wurde später in das irakische Gefängnis Abu Ghraib versetzt.

"Das war irgendwie eine akzeptierte Sache, man konnte jemandem das Knie ins Bein rammen" sagte der schon genannte Feldwebel in der Untersuchung.

Hauptmann Bering bezeichnete als Standard-Vorgehensweise: "Es gab einen Grundsatz, demnach Gefangene für mindestens 24, manchmal 72 Stunden nach ihrer Gefangennahme vermummt, gefesselt und isoliert wurden."

Schläge waren an der Tagesordnung. Der Gefangene Habibullah wurde mit den Händen an die Decke gehängt.

Den die Verhöre führenden Soldaten wurde trotz mehrfachen Anforderungen kein Übersetzer zur Verfüng gestellt, es handelte sich also offensichtlich um systematische Folter ohne auch nur den Versuch, an Informationen zu gelangen.

Bild des "Berges der nackten Gefangenen"

Habibullah wurde andauernd wegen „Ungehorsam“ geschlagen und getreten, weil er ja nicht verstand, was zu ihm gesagt wurde.

Am Morgen des 2. Dezember hustete Habibullah und beklagte sich über Schmerzen in der Brust. Sein rechtes Bein war steif und sein rechter Fuß geschwollen. Die Soldaten hielten Abstand zu Habibullah, "weil er viel Schleim aushustete". Danach wurde er weiterhin geschlagen und nicht ärztlich untersucht. In seiner Zelle hing er mit den Händen an die Decke gefesselt und mit Kapuze. Während der weiteren Mißhandlungen starb er offenbar. Anscheinend wurde er noch nach seinem Tod weiter geschlagen. Als man den Tod feststellte, war er schon kalt.

Unter den Sodaten habe Habibullahs Tod "nicht sonderlich viel Besorgnis erregt, da er natürlich schien."

Abu Ghraib 5-6

Ein anderer Gefangener war Dilawar. Wenn er, wie üblich, in die Beine getreten wurde, rief er immer „Allah“. Alle Soldaten wurden zu ihm geschickt, um ihn zu treten und alle lachten, wenn er jedes mal „Allah“ rief. Es waren mindestens 100 Tritte in die Beine.

Danach war er so verletzt, dass er nicht mehr stehen und sitzen konnte. Da er nicht, wie befohlen, an die Wand gelehnt saß, wurde er 10 Minuten lang von 2 Soldaten gegen die Wand geschlagen. Später begann Dilawar zu schreien und sie hängten ihn mit den Händen an die Decke, damit er aufhöre.
Da Dilawar nicht mehr sitzen oder stehen konnte, wurde er für Verhöre hochgehalten, indem man die Kapuze von hinten drehte und ihn so strangulierte.

Der Gerichtsmediziner, der seine Leiche untersuchte, sagte, seine Beine seien zu Brei geschlagen gewesen. Er habe ähnliche Verletzungen bei jemandem gesehen, dem ein Bus über die Beine gefahren war.

Einer der Soldaten sagte, bereits vor den letzten Verhören von Dilawar hätten sie alle den Eindruck gehabt, daß er unschuldig sei. Ein weiterer Hinweis, daß nicht gefoltert wurde, um Informationen zu erlangen.

Bush

Wenn man Bush am Fernsehen von Demokratie schwafeln hört, darf man nicht vergessen, wer dafür verantwortlich war.

Das charakteristische an diesen zu-Tode-Foltern-Geschichten ist, daß keiner der Täter irgendeine nennenswerte Strafe erhielt (lediglich Verwarnungen, Strafversetzungen und ähnliches) und daß all dies von der US-Administration konsequent geheim gehalten wurde. Erst jetzt, Jahre später, kam die Wahrheit durch eine Indiskretion ans Tageslicht.

Die große US-amerikanische Nation, die den Freiheitsgedanken über die Welt verbreitet hat, deren Vorbild von der französischen Revolution nachgeahmt wurde (nicht umsonst steht im Hafen von New York die Freiheitsstatue aus Frankreich, nicht umsonst hat diese ein Leuchtfeuer in der erhobenen Hand, das von New York aus in alle Welt leuchten soll) und später von anderen, die Anziehungspunkt so vieler freiheitsliebenden Menschen aus aller Welt war, sie selbst gibt jetzt die Freiheit auf, sie beginnt den Abbau der Rechte, die das Wort Freiheit beinhaltet? Was ist in sie gefahren? Warum? Was ist so entscheidendes passiert, daß alles, was jeder US-Amerikaner von klein auf gelernt hat, nicht mehr würdig ist verteidigt zu werden?

Nun, sagt man von offizieller Seite, es wurden in den USA am 11.September 2001 Anschläge mit Flugzeugen begangen, die fast 3 000 Menschenleben, davon die meisten US-Bürger, gefordert haben. Das habe alles geändert.

US-Fahne auf Halbmast

Aber, der amerikanische Befreiungskrieg, in dem sich der Vorläufer der USA diese Rechte erkämpft hat, forderte weit mehr als 3 000 Menschenleben, warum sollte man jetzt alles aufgeben wegen 3 000 Menschenleben?

Es ist offensichtlich, daß diese Argumentation vorgeschützt ist. Es muß andere Gründe geben, daß die offizielle Politik der Vereinigten Staaten es nicht mehr für nötig hält, ein Fanal der Freiheit zu sein. Im Kern gibt es keine andere Möglichkeit, als daß die neue Bedingung der Vereinigten Staaten als einzige Supermacht, als bei weitem stärkste ökonomische und militärische Macht aller Länder, die Grundlage dieser Entscheidung ist. Aber sind die USA das nicht bereits 15 Jahre? Weshalb sollten sie so lange brauchen, um eine Umstellung ihrer Politik in die Gänge zu bringen. Es muß sich im Kern um eine Entwicklung handeln, die erst genau in diesen 15 Jahren vor sich ging.

Es handelt sich zweifellos um das, was als „Globalisierung“ bekannt ist, aber damit nicht beschrieben ist. Der Kern dieser Entwicklung ist in der End- (und am meisten zugespitzten) Phase des Kapitalismus eine massive Umstrukturierung der Großkonzerne und Großbanken in einem Prozeß der sprunghaft verschärften internationalen Konkurrenz zwischen ihnen. Die US-amerikanischen Konzerne sehen dabei oft, aber nicht immer nur gut aus.

Über ihren Staat, den Staat Vereinigte Staaten von Amerika, haben sie darum einen weit verschärften, agrressiven Kurs gegen die anderen Großkonzerne und –banken aufgenommen, die sich nun verzweifelt zur Wehr setzen und ihre Staaten ebenfalls Maßnahmen ergreifen lassen, um deren Profit noch weiter zu erhöhen (z.B. Hartz IV zur generellen Senkung des Lohnniveaus und ähnliches).

Während die Mächtigen in den USA vorher neben dem Eingreifen über ihren Geheimdiest CIA und kleineren militärischen Überfällen und Übergriffen stark auf die Faszination setzten, die die USA ausübte, hat man nun, seit dem Beginn des Überfalls auf Afghanistan, den Teil „Faszination“ weitgehend weggelassen, setzt in der Hauptseite auf unmittelbaren militärischen Überfall und militärische Besetzung und in der Nebenseite weiterhin auf die Wühl-, Terror- und Desinformations-Tätigkeit des CIA.

Irakkrieg

Was weiterhin zu vielen Bedenken Anlaß gibt, ist die Haltung der deutschen Politik zu diesen Enthüllungen. Die Bundeswehr hat ja Afghanistan zusammen mit den US-Truppen überfallen und hält es jetzt zusammen mit ihnen besetzt. Die Bundesregierung (und die Opposition, die mitbeschlossen hat,) ist damit für alles, was in Afghanistan durch Besatzungstruppen getan wird, mitverantwortlich.

Auch wenn sie eventuell angäbe, sie sei von den US-Behörden über diese Gefängnisse und die Vorgänge darin die ganze Zeit über getäuscht worden, so ist ja jetzt, nachdem die Berichte an die Öffentlichkeit gelangt sind, eine Reaktion nötig. Entweder die Bundesregierung protestiert, fordert Aufklärung, Bestrafung und neutrale Untersuchungen oder sie wird zur Mittäterin.

Der CIA spielt auf der grossen Wurlitzer-Orgel

Nun, wie zu erwarten, haben weder die Regierung noch die Opposition in irgendeiner Weise auf die Veröffentlichungen reagiert. Sie wußten wohl längst Bescheid. Das ist auch kein Wunder, denn es war ja schon seit längerem bekannt, daß die Bush-Regierung die Folter für diese Gefangenen freigegeben hatte, ohne daß dies zu irgendwelchen Interventionen Anlaß gab. Man muß weiter gehen und fragen, ob auch deutsche Soldaten in Folter und Mord in Afghanistan verwickelt sind [Interessant! Hier wird diese Frage bereits im Mai 2005 gestellt, die heute einen Untersuchungsausschuss beschäftigt].

Der deutsche Staat hat ja auch in anderer Weise bereits kundgetan, daß man mit dem Ende der Freiheitsrechte für Gefangene, die man zu Terroristen erklärt, einverstanden ist. Die beiden Prozesse in Hamburg gegen Motassedegh und einen anderen Mitbewohner, die nicht mehr und nicht weniger des Wohnens zusammen mit einem mutmasslichen Terroristen angeklagt werden, sprechen jeglicher Freiheitsrechte Hohn.

Nicht nur, daß die ganze Anklage bereits unannehmbar ist, da man die US-amerikanischen Behauptungen bezüglich einer Durchführung der Anschläge vom 11. September einfach als Tatsachen nimmt, obwohl die US-Behörden bis jetzt in keiner Weise auch nur versucht haben, irgendwelche Beweise der Öffentlichkeit oder dem Gericht vorzulegen.

Obwohl die US-Behörden (nach ihren Angaben) einen der Mitverschwörer in Gewahrsam haben, eröffneten sie bis heute, fast 4 Jahre nach den Anschlägen, keinen Prozess gegen ihn, erwarten aber, daß deutsche Gerichte dessen schriftliche Geständnisse glaubt, ohne ihn befragen zu können. Man muss sich fragen, wie deutsche Staatsanwälte und Richter dazu kamen, dies mit sich machen zu lassen und sogar zu einer Verurteilung kamen.

Die Freiheit ist also nicht nur in den USA, sondern auch bei uns, nur noch ein Gut, das – je nach Gutdünken – angewandt werden kann oder nicht.


Dieser Artikel von Elmar Getto erschien in "Rbi-Aktuell" am 24. Mai 2005, hier in einer leicht vom Autor redigierten Version. Er ist so aktuell wie je, man könnte fast meinen, er sei eben erst geschrieben worden. Auch die Voraussage (in Frageform) der Beteiligung deutscher Soldaten an Folter in Afghanistan ist beeindruckend. Nicht nur ein scharfer, grundlegender Artikel, eigentlich schon ein Zeit-Dokument.


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur Folter:


- Bush und Rumsfeld foltern!

- Die USA am Scheideweg – Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- Profimässig foltern – wie ist das?

- Kann man durch Folter Wahrheit erfahren?

- Folter – CIA-Folterflüge und europäische Regierungen

- Interviews mit Guantánamo-Insassen

- Beine zu Brei geschlagen – Folter in Afghanistan

- Warum wird gefoltert?

- US-Generalmajor Taguba zwangspensioniert

- Fürchterlich schrille Schreie von gefolterten Jungen

- Folter, Folter ohne Ende


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

- Die USA am Scheideweg: Innerhalb oder ausserhalb der zivilisierten Welt?

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 2: 432 Millionen Dollar für ‚Internierungslager’

- Statistischer Beweis: Wahlfälschung bei den US-Präsidentschaftswahlen

- Wenn Regierungen Geiseln nehmen – Benattas, noch ein Fall von Geiselhaft

- USA: Wer Menschenrechte verteidigt, fliegt raus – CIA-Agentin entlassen

- Anti-Terrorgesetze früher und heute – Das ‚Detainee Treatment’-Gesetz in den USA

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- USA: Erst schiessen, dann fragen – Warlord Country

Mittwoch, 17. Januar 2007

Lulas Brasilien, Teil 4 - Abholzen und Abbrennen

Das Überleben der Menschheit ...

Von Elmar Getto


In diesen Tagen ging die Meldung um die Welt, daß die Vernichtung des Regenwalds im brasilianischen Amazonasgebiet nicht gestoppt wurde, sondern in ständig steigender Geschwindigkeit voranschreitet. Es wird so dargestellt, als ob die Regierung Lula „den Kampf gegen das Abholzen und Abbrennen verlieren würde.“ Aber dazu müßte ja erst einmal ein solcher Kampf geführt werden. - Aber wozu denn? Wahrscheinlich steht ja nur das Überleben der Menschheit auf dem Spiel, wie wir sie kennen.

Regenwald

Kürzlich wurden die Ergebnisse der Auswertung der Satellitendaten über die Verringerung der Regenwaldfläche im Jahr 2004 im brasilianischen Amazonasurwald veröffentlicht. Die zerstörte Fläche stieg erneut gegenüber dem Vorjahr am, in dem sie schon den absoluten Rekord darstellte. Die internationale Presse bezeichnet dies als „alarmierend“.

Wenn sie jetzt alarmiert sind, wo haben diese Leute die letzten 20 Jahre geschlafen? Wieder und wieder werden Formulierungen gewählt, wie „der Krieg gegen die Holzfirmen und Soja-Pflanzer geht verloren“ oder „der Kampf der Lula-Regierung gegen die Vernichtung des Regenwaldes zeigt noch keine Ergebnisse“ oder „allen Bemühungen zum Trotz, steigt weiter Jahr für Jahr die Fläche....“.

Nur, ein solcher ‚Krieg’, ein solcher ‚Kampf’, solche ‚Bemühungen’ existieren nicht. Null. Nichts.

Regenwald-Abholzung Brasilien

Immer wieder wird auf das System SIVAM hingewiesen, in das viele Milliarden von Dollar aus brasilianischen Steuergeldern geflossen sind und das es jetzt ermöglicht, mit Radar und Satelliten und einer elektronischen Ausrüstung in Milliardenwert jeden Zentimeter der Amazonas-Landschaft genauestens zu überwachen und dies System als Beweis für jene „Anstrengungen“ angeführt. Nur - dies System wird überhaupt nicht zu diesem Zweck benutzt!

Warum– und diese Frage will einfach niemand stellen - warum wurde dieser Bericht nicht im Januar, sondern im Mai herausgegeben? SIVAM ermöglicht Echtzeitüberwachung und es wäre ein Leichtes gewesen, schon im Januar eine zusammenfassende Auswertung für 2004 zu haben. Allein die Tatsache, daß die Ergebnisse erst jetzt vorliegen, beweist bereits die Intensität der „Bemühungen“ der Lula-Regierung.

Die Partei der Grünen in Brasilien ist sogar angesichts dieser Ergebnisse aus der Koalition der Lula-Regierung ausgetreten. Nichts als Effekthascherei. Die wußten schon die ganze Zeit, daß nichts gegen die Abholzungen und das Abbrennen getan wird, im Gegenteil. Die Änlichkeit mit den deutschen Grünen drängt sich auf. Nur – hier in Deutschland geht es vergleichsweise um ‚peanuts’, in Brasilien wahrscheinlich um das Überleben der Menschheit, wie wir sie kennen.

Wenn – und das dauert nicht mehr lange bei der jetzigen Geschwindigkeit – wesentliche Teile des Amazonas-Urwaldes verschwunden sein werden, wenn nur noch mittelgrosse, unzusammenhängende Stücke übrig sein werden, wird irgendwann der Umschlagpunkt erreicht werden werden, ab dem der Urwald nicht mehr ausreicht, um genug seines eigenen Regens zu produzieren. Das würde einen wahrscheinlich unumkehrbarer Prozess verursachen, der zur Versteppung und Verwüstung des Amazonasgebiets führte.

Der viele Regen, nach dem der Regenwald benannt ist, ist ja keiner, der von irgendwelchen Ozeanen herangeführt wird (bzw. nur teilweise ein solcher), sondern ein selbst produzierter Regen. Die Riesenmenge an Blättern schwitzt Feuchtigkeit aus, die von der Hitze nach oben getragen wird und dann, in kälteren Luftschichten, kondensiert und zu Wolken und Regen führt.

Ab jenem Moment würde der ‚Point of no return’ erreicht sein, für den Amazonas-Urwald und wahrscheinlich für die Menschheit. Ist der Regen für die Urwaldpflanzen nicht mehr ausreichend, sterben sie fast alle ab (die meisten Urwaldpflanzen benötigen im Schnitt etwa 2.000 mm Niederschläge pro Jahr, wir hatten in Deutschland vor dem Einsetzen der Klimawandels etwa 500 mm pro Jahr). Innerhalb eines Jahrzehnts würde der Rest des Urwaldes größtenteils verschwunden sein. Das Amazonasgebiet würde zu einer Steppe oder Wüste werden. Was das für das Klima auf der Erde für Folgen hätte, kann man nur erahnen.

Die bisher durchgeführten Szenarien hierüber in Computer-Simulationen sind schlicht katastrophal. Durch die freigewordene Menge an CO2 würde der Treibhauseffekt fast schlagartig noch weiter erhöht, der ja sowieso bereits auf eine Klimakatastrophe zusteuert. Das Klima würde allgemein schnell heißer werden - weit schneller, als bisher in den Vorhersagen angegeben.

Das würde zu einem Anstieg der Verdunstung von Wasser weltweit in einem gigantischen Umfang führen. Dadurch würden in vielen Weltgegenden sintflutartige Regenfälle allen bebaubaren Boden sowie Pflanzen und Wälder wegschwemmen, gleichzeitig würden sich die Wüsten schnell und unwiderruftlich ausdehnen sowie neue entstehen. Der Mangel an Boden, auf dem Pflanzen wachsen können, würde diesen Effekt anschließend noch verstärken, also ein weiterer selbstverstärkender Effekt.

Die extremen Klimaerscheinungen (Platzregen für Tage, mörderische Hitze) würden sich intensivieren und die pflanzliche Oberfläche des Planeten mehr und mehr zerstören. Ob und wie noch Teile der Menschheit auf einer weitgehend der Pflanzen entkleideten Erdoberfläche überleben könnten, bleibt der Vorstellungskraft jedes Einzelnen überlassen.

Die Forscher weisen auch auf die ungehäuren Energiemengen hin, die ein großes Regenwaldgebiet bindet (weil die Energie in Pflanzensubstanz umgesetzt wird und weil viel Energie zum Verdunsten von Wasser verbraucht wird – dieser letztere Effekt befördert diese Energie in höhere athmosphärische Schichten), die ohne diesen Regenwald freigesetzt würden. Das Ausbleiben des Regenwald-Effekts hätte wahrscheinlich weitere katastrophale Folgen. Erscheinungen wie verheerende Sandstürme, Hurrikans und Tornados würden sich vervielfachen und auf den ganzen Globus ausweiten.

Zuckerhut von der Botafogo-Bucht aus

Das brasilianische politische System verhindert, daß Lula, selbst wenn er wollte, einen tatsächlichen Kampf gegen die Abbrennerei und Abholzerei betreiben kann. Der brasilianische Präsident herrscht weitgehend über sogenannte „Vorläufige Dekrete“, die solange gelten bzw. in der Geltung verlängert werden können, bis das brasilianische Parlament sie mit Mehrheit für ungültig erklärt. Dabei müssen sowohl das Represäntantenhaus als auch der Senat mehrheitlich dagegen stimmen.

Lula muß nun andauernd an Hunderte von Parlamentarier und Senatoren Zugeständnisse machen, damit seine „Vorläufigen Dekrete“ nicht niedergestimmt werden bzw. er ein Gesetz durch das Parlament bringen kann. Er hat eine ganze Mannschaft von Kontaktpersonen ständig unterwegs, die zu den Parlamentariern Kontakt halten und die jeweiligen „Deals“ aushandeln.

Die meisten der brasilianischen Parlamentarier sind Mitglieder der Familien der ,Elite’ Brasiliens, wie sie sich gerne bezeichnen läßt, d.h. der Großkapitalisten, der Großbankiers und der Großgrundbesitzer.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Was sie jeweils für sich aushandeln, ist ‚freie Hand’ für gewisse Geschäfte, die ihnen Vorteile bringen. Ein großer Teil davon sind eben genau Geschäfte mit Holzfirmen im Amazonasgebiet und neue Flächen für den Sojaanbau oder für Viehweiden. Unter ‚freie Hand’ ist zu verstehen, daß es keine Verfolgung entsprechender Übertretungen gibt, denn es ist in Brasilien natürlich offiziell verboten, Urwald abzuholzen oder niederzubrennen, ohne eine ausdrückliche Genehmigung dafür zu haben.

Im Endeffekt läuft das auf einen Deal hinaus: Die ‚Elite’ (sprich Oligarchie) läßt Lula scheinbar regieren und bekommt dafür Straffreiheit für alle ihre Untaten. Daß sie, deren Familien alle schon schwerreich sind, sich um die Zukunft der Menschheit scheren, ist nicht zu erwarten. Die Raffsucht ist wohl unersättlich.

Das beeindruckendste Beispiel für Lulas persönliche Verbindung zu den Tätern ist der Gouverneur (Ministerpräsident) des Bundeslandes Mato Grosso, im Süden des Amazonasgebietes, ein gewisser Herr Maggi, der „König der Soja“, der grösste Sojaanbauer der Welt, der jedes Jahr seine Anbauflächen ins Regenwaldgebiet ausdehnt und so zu einem der reichsten Männer Brasiliens geworden ist. Er gehört einer kleinen Partei an, die bis heute Teil der parlamentarischen Koalition Lulas ist.

Corcovado von Botafogo aus

Würde Lula anfangen, ernsthaft die Verantwortlichen für die Urwaldzerstörung zu verfolgen, hätte er innerhalb kürzester Zeit ein Absetzungsverfahren am Hals (Impeachment), das auch noch begeistert von den brasilianischen Medien verfolgt würde, die natürlich auch in den Händen der ‚Elite’ (sprich Oligarchie) sind.

Sankt-Franziskus-Kirche von Niemeyer

Andererseits hat Lula aber auch nicht das Geld, wirklich effektiv die Täter der Zerstörung der Regenwälder zu verfolgen. Dazu wären ja Tausende von öffentlichen Angestellten und Polizisten und/oder eine besondere Truppe des Militärs erforderlich, zusammen mindestens 100 000 Mann, die in den kritischen Gebieten stationiert und mit Hubschraubern ausgerüstet werden und dort mit harter Hand gegen die bewaffneten Banden der Großgrundbesitzer, Sägewerksbezitzer, Goldsucher und Kokainschmuggler und deren Hintermänner vorgehen müßten.

Das Militär würde dabei schon gleich gar nicht mitmachen, denn ein Teil der Gelder, die dort verdient werden, laufen über Korruption natürlich auch an führende Militärs, die „ein Auge zudrücken“.

Als Lula kürzlich als Antwort auf die Ermordung der Nonne im Bundesland Pará etwa 2000 Mann Truppen dort hinschickte, war das natürlich nur zum Täuschen der Menschen bei uns und in den anderen Ländern. Mit 2000 Mann diese Geier stoppen zu wollen, die mehrere 100 000 Mann in ihren Diensten haben, ist so, als wollte man mit 20 000 Mann die Vereinigten Staaten erobern.

Das Geld, das dort gebraucht würde, geht stattdessen an die imperialistischen Länder, deren Banken, Spekulanten und Großkonzerne. Nach letzter Schätzung hat Brasilien allein im Jahr 2004 etwa 70 Milliarden Dollar (70 Billion Dollars) nur an Zinsen für seine angeblichen Schulden gezahlt. Es geht also nicht um Zurückzahlen der Schulden, sondern nur um die Zinsen (müßte Deutschland diese Summe jährlich an Zinsen aufbringen, wäre es bald bankrott).

Diese Schulden steigen auch noch jährlich an, ohne daß Brasilien etwa neue Gelder bekommen würde. Das geht über die Automatik der Umrechnungskurse.

Aber das alles schert unsere Regierung nicht: >>Das wichtigste in der heutigen Situation ist natürlich, daß die Großkonzerne, Spekulanten und Großbanken noch mehr Profit machen.<<

Hätte Lula diese 70 Milliarden Dollar pro Jahr (nur Zinsen!) für Zwecke innerhalb Brasiliens, könnte er natürlich neben anderen dringen Maßnahmen auch, sofern er die politische Möglichkeit und den politischen Willen dazu hätte, das Abholzen und Abbrennen stoppen, völlig und sofort. Man könnte große Wiederaufholzungsprojekte durchführen usw.

Aber die Verhältnisse, sie sind nicht so, sie sind imperialistisch und kapitalistisch. Wenn wir es nicht bald schaffen, den Kapitalismus auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern, kann es zu spät sein. Die jetzige junge Generation und unsere Kinder und/oder Enkel könnten dann all das oben Genannte erleben.


Dieser vierte Artikel der Reihe "Lulas Brasilien" erschien am 25. Mai 2005 in "Rbi-aktuell", hier in einer vom Autor redigierten Version. Die beschriebenen Zustände haben sich seitdem nicht geändert, der Artikel ist so aktuell wie damals, nur ist die Dringlichkeit des Problems inzwischen noch höher geworden.


Hier sind die Links zu Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 5, Teil 6, Teil 7 und Teil 8 der Reihe "Lulas Brasilien"


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zur beginnenden Klimakatastrophe und was man dagegen tun kann:

- Regenwaldvernichtung und Trockenheit im Amazonasgebiet

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 1 – Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 2 – Was spricht gegen Bio-Kraftstoffe?

- Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 3 – Der 'Rush' gewinnt an Tempo

- Das Klima kann nicht warten – Offener Brief an „Rettet den Regenwald“

- Wie die Industrie der „Global Warming Sceptics“ funktioniert

- Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4 - Endlich auch Bio-Alkohol in der Bundesrepublik

- Kofi Annan: Keine Gegenargumente mehr

- Brasilien plant völlige Umstellung auf Biodiesel

- Klimakatastrophe: IPCC-Report klammert entscheidende Frage aus

- Stärkster Hurricane aller Zeiten

- Wie wird der Verkehr der Zukunft angetrieben

- Naive Umweltschützer geben Massenmedien Stichworte

- Briefwechsel mit „Rettet den Regenwald“

- Ein deutscher ‚Global Warming Sceptic’

- Klimahetzer? – Klimaketzer? Eine Auseinandersetzung um die beginnende Klimakatastrophe

Dienstag, 16. Januar 2007

Anti-Terror-Gesetze früher und heute

Robert Harris´ These über das neue Detainee-Treatment-Gesetz in den USA

Von Karl Weiss

In einem Artikel von überraschender Aktualität über eine Geschichte aus dem alten Rom, die über 2000 Jahre her ist, berichtet die „New York Times“ über weitgehende Schlußfolgerungen angesichts der Verabschiedung der „Detainee-Treatment-Bill“ im US-Kapitol. Wird es das Ende der US-Republik bedeuten und das Ende der US-Weltherrschaft einläuten so wie ein ähnliches Gesetz damals das Ende der römischen Republik und der römischen Weltherrschaft?

Der Geschichtsprofessor Robert Harris, u.a. Autor des Buches „Imperium, a Novel of Ancient Rome“ schreibt in einem Artikel als Gastautor der ‚New York Times’ vom 30. September 2006 über einen Terroranschlag, der kurz vor der Zeitenwende das alte Rom erschütterte und dazu führte, ein Gesetz zur Übergabe von Vollmachten an einen Kriegsführer Roms zu verabschieden, das nach seiner Ansicht das Ende der römischen Demokratie und Republik bedeutete und letztendlich sogar das Ende des römischen Reiches einleitete.

Er sieht eine Parallele zu dem „Detainee-Bill“ (genau gesagt, heißt das Gesetz nicht so, es wurde als „Military Commissions Act“ verabschiedet, aber es hat seinen Namen trotzdem weg), der genau am Tag des Erscheinens des Artikels vom US-Repräsentantenhaus verabschiedet und in einer formalen Sitzung von den führenden Personen von Senat und Repräsentantenhaus unterschrieben wurde.

Sehen Sie selbst:

Im Jahr 68 vor Christus wurde das damalige Rom, zu diesem Zeitpunkt bereits der Herrscher der bekannten Welt, von einem überraschenden und brutalen Terroranschlag betroffen: Direkt unter der Nase der Römer, im Hafen von Ostia, wurde die ganze Kriegsflotte des mächtigsten Reiches des Altertums in einem Streich überfallen und in Brand gesetzt. Alle Schiffe brannten nieder.

Die Terroristen nannte man damals Piraten. Allerdings handelte es sich hier nicht um ein einzelnes Piratenschiff, sondern eine umfassende Terrororganisation, die einen so vernichtenden Terroranschlag verüben konnte.

Die römische Regierung, das ist in diesem Fall der Senat von Rom gewesen, reagierte fast identisch wie das US-Reich auf die Anschläge des 11. September 2001. Es wurde ein Gestz erlassen, das einem einzelnen Herrscher umfassende Rechte zugestand, um „mit dem Piratenwesen aufzuräumen“, in diesem Fall „Pompeius dem Großen“.

Harris schreibt dazu:

Pompeius sollte faktisch den gesamten römischen Staatsschatz erhalten, 144 Millionen Sesterzen, um den „Krieg gegen den Terror“ zu finanzieren, was den Bau von 500 Kriegsschiffen beinhaltete ebenso wie den Aufbau einer Armee von 120 000 Fußtruppen und 5 000 Reitern. Eine solche Machtanhäufung [in einer Hand] war ohne Beispiel und es gab einen wirklichen Aufstand im Senat, als das Gesetz debattiert wurde.

Trotz allem wurden in einem tumultartigen Massenprotest im Zentrum Roms Pompeius Widersacher zur Unterwerfung gezwungen, die „lex Gabinia“ wurde (entgegen den Gesetzen) angenommen und Pompeius erhielt die Macht. Am Ende, einmal in See gestochen, dauerte es weniger als drei Monate, das ganze Mittelmeer von Piraten zu säubern. Auch wenn man Pompeius zugesteht, ein miltärisch-strategisches Genie gewesen zu sein, kam doch die Frage auf, ob die Piraten wirklich eine so unglaubliche Gefahr dargestellt hatten, wenn es so leicht war, sie zu besiegen.

Doch es war zu spät, solche Fragen zu stellen. Mit dem ältesten Trick des politischen Handbuchs war dem Volk die Macht entrissen worden und es bekam sie nie wieder: Man hatte eine Panik erzeugt, in der jede oppositionelle Stimmme als „schwach“ oder sogar „verräterisch“ gekennzeichnet werden konnte. Pompeius blieb für sechs Jahre im Nahen Osten, etablierte überall Marionettenregimes und wurde zum reichsten Mann des [römischen] Reiches.“

Harris meint, die weitgehenden Ermächtigungen nach dem 11. September 2001 für den US-Präsidenten, zusammen mit dem nun verabschiedeten „Detainee-Bill“, stellen als historische Parallele eine (endgültige) Entmachtung des Volkes in den USA dar. Er zählt im einzelnen auf, was das neue Gesetz „Detainee-Bill“ beinhaltet:

- Die völlige Aufhebung des Rechts auf „habeas corpus“ für des Terrorismus Verdächtige, ihnen das Recht nehmend, eine Inhaftierung vom Gericht überprüfen zu lassen [ohne den Begriff des Terrorismus-Verdachts zu definieren, so daß die reine Behauptung eines Verdachts ausreicht].

- Die vorsichtige Aussage über Folter, lediglich das Zufügen „schwerer“ physischer und geistiger Leiden verbietend, wenn man Informationen vom Verdächtigen erlangen will [ohne zu definieren, was schwer und was nicht schwer ist, was jeglicher Folter Raum gibt, wenn sie nur als ‚nicht schwer’ definiert wird. In diesem Zusammenhang kommt Rumsfelds Aussage in die Erinnerung, es sei ja offensichtlich, dass niemand 'schwer' gefoltert werde, denn alle lebten ja noch].

- Die Zulässigkeit von Beweismitteln, die ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl erlangt wurden [und damit definitiv jegliche Notwendigkeit von richterlichen Durchsuchungsbefehl für die ganze USA aufhebend; man muß nur einen Terrorverdacht behaupten]

- Die Zulässigkeit, jeden Bürger der USA oder legal in den USA Lebenden als „feindlichen Kämpfer“ zu definieren [und ihn damit unbegrenzt und ohne richterliche Überprüfung einsperren zu können]

All dies bedeutet nach seiner Ansicht zusammen mit dem bereits vorher beschlossenen „Homeland Security Act“ eine Verschiebung der Macht weg vom Volk und hin zur Exekutive.

Harris erzählt weiter, was im alten Rom geschah: Die „lex Gabinia“ war faktisch die Einleitung des Endes der römischen Republik. Ein Jahrzehnt später bekam Julius Caesar, der einzige, der im Senat für das Gesetz gesprochen hatte, ähnliche Machtbefugnisse wie vorher Pompeius zugesprochen, in diesem Fall für Gallien. Während vorher der römische Staat die Armee kontrollierte, begann nun die Armee den Staat zu kontrollieren.

Die Reichtümer, die man als Heerführer in einem neu eroberten Land anhäufen konnten, bestimmten mehr und mehr die Wahlen in Rom. Als Cäsar den Rubicon überschritt, war der Rest der römischen Geschichte besiegelt. Das war im Jahr 49 vor Christus. Alles laut Harris.

Er schließt seinen Artikel mit der Hoffnung: Die „lex Gabinia“ habe genau das aufs Spiel gesetzt, was sie zu schützen vorgab. Es sei zu hoffen, dass man nicht später das gleiche vom „Detainee-Bill“sagen werde.


Veröffentlicht am 13. Januar 2007 in der "Berliner Umschau", hier der Link zum Originalartikel.


Hier sind Links zu anderen Artikeln in diesem Blog zum Abbau von bürgerlichen Rechten in den USA:

- Kann man mit Telephon-Überwachung Terrorzellen ausheben?

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- USA: Faschisierung des Staatsapparates, Teil 1: Es geht gegen das eigene Volk

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Montag, 15. Januar 2007

Lulas Brasilien, Teil 3 - Die Liste der Ermordeten wird immer länger

Aktivistin für die Rechte der Landarbeiter ermordet

Von Elmar Getto


Da war Chico Mendez, der einzige Fall, der außerhalb Brasiliens Aufsehen erregte, und davor und danach viele, viele Andere. Die brasilianischen Großgrundbesitzer waten in Strömen von Blut der von ihnen und in ihrem Auftrag Ermordeten. Der letzte Fall ist der einer brasilianischen 73-jährigen Nonne US-amerikanischer Herkunft, Dorothy Stang, die am 15. Februar 05 begraben wurde. Während dieser Artikel geschrieben wurde, kam bereits die nächste Mord-Meldung: Der Verfechter der Bauernrechte Soares da Costa Filho wurde am Dienstag – ebenfalls im Bundestaat Pará – ermordet aufgefunden.

Dorothy-Stang

Der gesamte Norden, Nordosten und Zentrale Westen Brasiliens, das sind zwei Drittel des Territoriums, sind weiterhin fest in den Händen der Großgrundbesitzer, zu denen heute auch noch eine Reihe reicher Landspekulanten und Holzhändler gestoßen sind. Sie herrschen dort seit den Zeiten der portugiesischen Kolonialherrschaft. Sie werden meistens ‚Colonel’ (Oberst) genannt, wie jeder weiß, der etwas vom brasilianischen kommunistischen Schriftsteller Jorge Amado gelesen hat, der auch in Deutschland gut bekannt ist.

Seit es ‚demokratische Wahlen’ in Brasilien gibt, hat sich daran nur soweit etwas geändert, als nun jeweils ein Mitglied der lokalen Herrscherfamilie gewählt wird. Auch in den anderen Regionen Brasiliens (Süden und Südosten) spielen weiterhin Grossgrundbesitzer eine wichtige Rolle, dort gibt es aber auch viel Industrie, womit diese ihre Macht mit den Industriekapitänen teilen müssen.

Die Methoden dieser ‚kleinen Könige’ haben sich ebenfalls nicht viel geändert seit jenen Zeiten. Einer der Söhne wird Bundestagsabgeordneter, ein anderer Landtagsabgeordneter oder Bürgermeister, der dritte wird der lokale Richter und ein guter Freund der Familie leitet das Grundbuchamt. Will man ein bestimmtes Stück Land, so wird es ganz offiziell mit Richterspruch und Eintragung ins Grundbuch dem neuen Eigentümer übereignet. Falls der bisherige Besitzer es nicht freiwillig aufgibt, kommt man mit der Polizei (rein zufällig ist der örtliche Polizeikommandeur auch ein guter Freund der Familie). Diese Praxis ist so weit verbreitet, daß man schon ein eigenes Wort für diese Leute in Brasilien hat: Grileiros.

Auf diese Weise (und mit anderen Mitteln) haben die brasilianischen Großgrundbesitzer und Landspekulanten seit dem Militärputsch im Jahre 1964 in etwa 30 bis 35 Millionen kleine Bauern und Landarbeiter von ihrem Land und aus diesen Regionen vertrieben, die fast alle in die großen Städte, speziell jene im Südosten Brasiliens, wie São Paulo und Rio de Janeiro, strömten, wo sie und ihre Nachkommen heute den wesentlicher Teil der Bewohner der Favelas (Slums) stellen. So wurde aus der verträumten Stadt der Kaffe-Barone São Paulo, in den dreissiger Jahren eine Stadt mit weniger als 50 000 Einwohnern, eine der grössten Städte der Welt mit etwa 20 Millionen Einwohnern im Einzugsbereich.

Sarkasmus ein –

Nun gibt es aber eine Anzahl Unverbesserliche, die den natürlichen Ablauf der Dinge einfach nicht hinnehmen wollen und sich gegen diese gottgegebenen Vorgänge stellen. Sie versuchen, den kleinen Landbesitzern beizustehen und die Rechte der Landarbeiter zu verteidigen, sie gründen Cooperativen, sie dringen auf nachhaltigen Landbau und nachhaltige Extraktionswirtschaft, sie geben Rechtsschutz und holen auch schon einmal einen besserwisserischen Anwalt aus der Landeshauptstadt. Sie führen Proteste durch und bewaffnen sich auch schon mal, wenn sie bedroht werden. Sie wagen es sogar, Anklagen zu erheben gegen Militärs, Polizisten, Richter, Grundbuch-Verwalter und andere Leute, die nur ihre Pflicht tun. So fördern sie wissentlich die Gewalt auf dem Lande. Kurz, es sind dreckige Kommunisten und Terroristen, die ihren Tod absolut verdient haben.

Sarkasmus aus –

Besonders tun sich hervor bei der Verteidigung der Rechte der Landarbeiter und Kleinbauern die katholische Kirche Brasiliens mit ihrer Organisation ‚Pastoral da Terra’ (‚Hirten der Erde’) und die MST, die organisierte Bewegung der Landlosen. Sie und speziell die Funktionäre dieser Organisationen sind daher auch das ‚beliebteste’ Ziel der Morde, meistens im Auftrag der Großgrundbesitzer, oft legen diese aber auch selber Hand an.

Brasilien (topographisch)

Die katholische Kirche in Brasilien ist in einigen Teilen sehr unterschiedlich von dem, was man in Deutschland und Europa unter diesem Namen kennt. Dort wird nicht mit faschistischen oder militärdiktatorischen Herrschern eng zusammengearbeitet (die enge Kooperation der deutschen katholischen Kirche mit Chiles Diktator Pinochet ist hier unvergessen), dort ist man nicht das äußerst rechte Anhängsel der konservativen Parteien, dort wird „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ und „Was du dem Geringsten meiner Brüder getan hast, hast du mir getan“ noch weithin ernst genommen, kurz, die beiden Organisationen scheinen nicht im mindesten dem gleichen römischen Großkonzern anzugehören.

Neben dem ‚Pastoral da Terra’, einem ständigen Stein des Anstoßes für brasilianische Regierungen seit den Zeiten der Militärdiktatur und des Bischofs Dom Helder Câmara, gibt es auch noch den ‚Pastoral da Criança’ (‚Hirten der Kinder’), der ebenfalls keine Angst hat, der Regierung die Wahrheit zu sagen (was Regierungen dort wie woanders nicht so gerne haben).

Die ermordete Nonne lebte seit 37 Jahren in Brasilien, zuletzt bei einem kleinen Ort im Amazonasgebiet, Anapu. Als Antwort auf den Überfall der US-Regierung auf den Irak gab sie ihre US-Staatsbürgerschaft ab und wurde Brasilianerin. Sie arbeitete in Umweltschutz-, Bürger-, Friedens- und Frauenbewegungen mit.

Im Gebiet von Anapu werden, wie es die brasilianische Verfassung vorschreibt, Parzellen brachliegender Gebiete ohne Regenwald an registrierte Landlose (Kolonnen) übergeben. Ebenso werden Regenwaldgebiete abgesperrt, um dort ein nachhaltige Extraktionswirtschaft zu betreiben. Die örtlichen Großgrundbesitzer wehren sich dagegen, lassen die Häuser der Kolonnen und deren Felder anzünden und bedrohen (und ermorden) die Personen, die diesen Schutz und Beistand gewähren.

Schwester Dorothy prangerte unentwegt die Untaten der Großgrundbesitzer, Grundspekulanten und ihrer Helfer an, aber auch die Ausbeutung der Edelhölzer aus dem Regenwald. So zog sie sich den Haß nicht nur der Großgrundbesitzer, sondern auch der Landspekulanten und Holzhändler zu. Sie war die Leiterin der örtlichen ‚Pastoral da Terra’, also eine offizielle Funktionärin der katholischen Kirche.

Seit 2001 die Drohungen immer mehr zunahmen, hat Schwester Dorothy unermüdlich die örtlichen, regionalen, Landes- und Bundes-Behörden hierauf aufmerksam gemacht und um Eingreifen und Unterstützung gebeten.

Im Februar 2004 kam der nationale Beauftragte für Umweltfragen, Jean Pierre, nach Anapu, um sich ein Bild über die Situation zu machen. Kurz danach tagte in der Nähe eine parlamentarische Untersuchungskommission des Bundestages zu Landfragen, doch nichts wurde in der Realität getan.

In Anerkennung ihres Einsatzes für die Kleinbauern und Landlosen verlieh das Landesparlament des Bundesstaates Pará im Juni 2004 Schwester Dorothy die Ehrenbürgerschaft von Pará.

Eine Delegation der Vereinten Nationen besuchte im Oktober 2004 die Landeshauptstadt Belém, um die Unabhängigkeit des Justizsystems zu untersuchen. Als Betroffene von Bedrohungen wurde auch Dorothy angehört. Wiederum geschah nichts konkretes.

Für ihre Verdienste um die Menschenrechte ehrte sie die Rechtsanwaltskammer von Pará (OAB-PA) im Dezember 2004 mit dem „José Carlos Castro Preis”.

Am 2. Februar 2005, also unmittelbar vor ihrer Ermordung, hat sie ihre Anklagen bei einer öffentlichen Audienz in Rondon dem Minister für Menschenrechte, Nilmário Miranda, vorgetragen und darauf hingewiesen, dass sie ununterbrochen Todesdrohungen erhielt.

Als der Oberste Bundes-Staatsanwalt am 03. Februar 2004 in Belém das ‚Nationale Programm zum Schutz der Menschenrechtsaktivisten’ präsentierte, war Dorothy da und verwies auf die zunehmende Gewalt. Wiederum blieb alles bei Worten ohne Taten. Der Herr Miranda und der Bundes-Staatsanwalt schlafen wahrscheinlich weiterhin gut.

Weder örtliche oder Landes- noch Bundesbehörden wurden in irgendeiner konkreten Weise gegen die allseits bekannten Großgrundbesitzer und Grundspekulanten der Region und die namentlich bekannten Holzhändler tätig. Die Regierung Lula, die jetzt den Tod der Schwester beklagt, ist dafür mit verantwortlich.

Die Regierung Lula ist auf die Abgeordneten aus den Regionen des Großgrundbesitzes angewiesen, um ihre „Reformen“ (Sozialabbau und Abbau von Rechten) durchsetzten zu können. Eben diese Abgeordneten sind aber zum großen Teil identisch mit den Familien eben dieser Großgrundbesitzer oder mit ihnen engstens verbunden. Das Ergebnis ist, daß in bester sozialdemokratischer Tradition hoch ehrenhafte Absichtserklärungen abgegeben werden, um damit die absolute Untätigkeit in der Praxis in diesen Fragen der Menschenrechte und des Umweltschutzes zu kaschieren. Das beste Beispiel ist der schon genannte Festakt zur Präsentation des ‚Programmes zum Schutze der Menschenrechtsaktivisten’ wenige Tage vor der Ermordung von Schwester Dorothy.

Im brasilianischen Bundesland Pará ist das gesamte öffentliche Leben beherrscht von den Großgrundbesitzern und Geschäftemachern. Kein Polizist, kein Staatsanwalt, kein Polizei-Kommandeur, kein Richter oder sonstiger Würdenträger kann es wagen, irgend etwas gegen die Herrscher der Region zu unternehmen, will man nicht Opfer härtester Racheakte werden. Deutlich wurde dies bereits bei den Prozessen gegen die Polizisten und Polizei-Kommandeure, die beim „Massaker von Carajás“ im gleichen Bundesland 19 Mitglieder der Landlosenbewegung abgeschlachtet hatten. Alle wurden in einem Schein-Prozeß freigesprochen. Erst auf Intervention der Bundesbehörden wurde der Prozeß neu aufgerollt.

Charakteristisch für das Klima, unter dem die Menschen dort leben müssen, sind zwei Ereignisse in unmittelbarem Zusammenhang mit Schwester Dorothys Ermordung:

- Die zuständige Polizei-Behörde von Belém hat einen Tag nach ihrer Ermordung, anstatt die Täter zu verfolgen und zu stellen, einen der engsten Mitarbeiter von Schwester Dorothy absurderweise wegen Beteiligung an dem Mord an einem Landarbeiter angeklagt.

- Kurz nach ihrer Ermordung wurde in der Kleinstadt Anapu (auf deren Gebiet der Mord geschah) in aller Öffentlichkeit ein Freudenfeuerwerk von den Hintermännern des Mordes abgebrannt.

Dies alles zeigt, wie die Täter und ihre Hintermänner sich sicher fühlen, genauso wie die Tatsache, daß sie schon den nächsten Mord begingen, bevor Schwester Dorothy noch beigesetzt war. Die Regierung Lula steht dem untätig gegenüber.

In Brasilien gibt es im Moment 0 (in Worten Null) Großgrundbesitzer im Gefängnis wegen eines Mordes oder Anstiftung zum Mord. Der Auftraggeber des Mordes an Chico Mendez wurde zwar verurteilt (und dies auch nur wegen des Aufsehens, den der Fall im Ausland geweckt hatte), verschwand aber nach wenigen Monaten unerklärlicherweise spurlos aus dem Gefängnis und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Das heißt alle (in Worten: alle) diese Gewalttaten bleiben ungesühnt. Lediglich die armen Schweine, die sich als Mörder verdingen, kommen manchmal ins Gefängnis. In Brasilien kann man einen Mord für 5000 Reais haben (ca. 1500 Euro).

Nicht sehr mit den Verhältnissen vertraut scheinen die Verfasser von Medienveröffentlichungen in Brasilien, aber auch in Deutschland (wie z.B. im ‚Tropenwaldnetzwerk Brasilien’) zu sein, die Schwester Dorothy als ‚Missionarin’ bezeichnen.

In Brasilien kann man ein Lied über ‚Missionare’ singen, speziell die Indios, die Ureinwohner Brasiliens, die heute weitgehend ausgerottet sind. Missionare der verschiedensten Religionen waren immer Mitverantwortliche an diesen Ausrottungen. Sowohl durch das Absegnen von Massakern und Versklavungen, als auch durch das Einschleppen von für die Indios tödlichen Krankheiten oder durch die Entfremdung von ihren Wurzeln und den oft lebenswichtigen Naturheilkenntnissen der Medizinmänner, alle diese Gründe der Ausrottung stehen nicht zuletzt im Zusammenhang mit Missionaren. Nicht ohne Grund ist darum in Brasilien ‚missionieren’ bei Strafe verboten.

Deshalb: Schwester Dorothy war keine Missionarin, sie hat ihre Solidarität nie abhängig vom Glauben der Betroffenen gemacht.

Durch Zufall wurde gerade am Tag vor der Beisetzung von Schwester Dorothy im brasilianischen Bundestag gezeigt, wie die Regierung Lula abhängig von Abgeordneten aus den Regionen der Großgrundbesitzer ist. Der Bundestag trat nach der Sommerpause zum ersten Mal wieder zusammen und hatte als erstes einen neuen Bundestagspräsidenten zu wählen. Dieses Amt steht traditionsgemäß einem Vertreter der Koalition zu, auf die der Präsident sich stützt. Aber Traditionen sind keine Muß-Bestimmung. Zwei Parteien waren aus der Lula-Koalition ausgestiegen (PMDB und PPS) und sie hatte keine formale Mehrheit mehr.

Trotzdem galt der Kandidat Lulas als praktisch schon fast gewählt. Plötzlich trat aber ein Abgeordneter, ohne überhaupt von einer Partei vorgeschlagen worden zu sein, als Gegenkandidat auf und warb um Stimmen mit dem Versprechen, er werde sich als Bundestagspräsident für eine Erhöhung der Diäten einsetzen. Und siehe da – er gewann im zweiten Wahlgang gegen den Lula-Kandidaten mit einer komfortablen Mehrheit.

Der neue brasilianische Bundestagspräsident, ein gewisser Cavalcanti, ist der Vertreter der am meisten rechts stehenden Partei im Bundestag und – wer hätte es gedacht - genau eines jener Mitglieder einer der herrschenden Familien im Bundesstaat Pernambuco, Nordosten Brasiliens – und Großgrundbesitzer. Charakteristisch auch für die ganze Besetzung des Bundestags, mit welchem Argument man dort Präsident werden kann.

Jetzt wird die Regierung verstärkt Schwierigkeiten haben, noch Gesetze durch das Parlament zu bringen. Man weiß nicht, ob man das nicht sogar begrüßen sollte.

Dieser Artikel, der dritte in unserer Reihe "Lulas Brasilien", erschien am 17. Februar 2005 in 'RBI-aktuell', hier in einer vom Autor leicht redigierten Version. Bis heute haben sich die beschriebenen Zustände nicht geändert, eine Anklage gegen die Regierung Lula.

Links zum Ersten, Zweiten, Vierten, Fünften, Sechsten, Siebenten und Achten Teil der Reihe "Lulas Brasilien"

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